Leitsätze
1. Zur Erhöhung seiner Chancen im Auswahlverfahren ist ein schwerbehinderter Bewerber nach § 82 Satz 2 SGB IX von einem öffentlichen Arbeitgeber regelmäßig zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 82 Satz 3 SGB IX entfällt diese Pflicht ausnahmsweise, wenn dem schwerbehinderten Bewerber offensichtlich die fachliche Eignung fehlt.
2. Ob die fachliche Eignung offensichtlich fehlt, ist an dem vom öffentlichen Arbeitgeber mit der Stellenausschreibung bekannt gemachten Anforderungsprofil zu messen.
A. Problemstellung
Der 9. Senat des BAG hatte über die Entschädigungsforderung eines schwerbehinderten Klägers wegen Benachteiligung in einem Stellenbesetzungsverfahren zu entscheiden. Der beklagte Landkreis hatte den Kläger entgegen § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl dessen fachliche Eignung im Hinblick auf das Anforderungsprofil in der Stellenanzeige nicht offensichtlich fehlte. Der Senat sah darin das Unterlassen der durch § 82 Satz 2 SGB IX gesetzlich gebotenen Besserstellung und hat den Anspruch des Klägers auf Entschädigung gem. § 81 Abs. 2 Satz 1, § 82 Satz 2 und 3 SGB IX i.V.m. §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 2, § 22 AGG dem Grunde nach bejaht. Die Höhe der Entschädigung hat das Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache zu entscheiden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger hatte sich mit Schreiben vom 22.06.2006 auf eine Stellenausschreibung des beklagten Landkreises im Internet beworben. In der Stellenausschreibung war als Aufgabenprofil die Rechtsberatung und Prozessführung für die gesamte Kreisverwaltung angegeben, ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften sowie gute Kenntnisse im Allgemeinen und Besonderen Verwaltungsrecht verlangt worden.
Der Kläger, mit einem Grad der Behinderung von 50, hatte beide juristische Staatsexamina mit der Note „ausreichend“ bestanden und war in den Jahren 1997 bis 2001 als Volljurist im Rechtsamt der Stadt O. beschäftigt worden. Im Anschluss war er zwei Jahre als Leiter einer Rechtsschutzabteilung tätig, bevor er sich Ende 2004 als selbstständiger Anwalt, u.a. mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Verwaltungsrecht, niedergelassen hatte.
Auf die Stelle bewarben sich insgesamt 180 Personen. Der beklagte Landkreis sortierte die Bewerberinnen und Bewerber stufenweise aus. Von vornherein nicht berücksichtigt wurden Bewerbungen mit zwei ausreichenden Staatsexamina, sodann wurden alle Bewerbungen mit zwei befriedigenden Examina aussortiert. Endlich wurden acht Bewerber mit besseren Noten zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Der nicht berücksichtigte Kläger klagte daraufhin auf Entschädigung in Höhe von drei Monatsvergütungen wegen eines benachteiligenden Bewerbungsverfahrens.
Der Senat folgt dem klassischen Aufbau eines Entschädigungsanspruchs nach § 81 Abs. 2 Satz 1, § 82 Satz 2 und 3 SGB IX i.V.m. § 15 Abs. 2, § 22 AGG. In einem ersten Schritt prüft der Senat, ob die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung vermuten lassen, und bejaht dies. Der Senat folgt insofern den schon in seinen Urteilen vom 12.09.2006 (9 AZR 807/05 – NZA 2007, 507 Rn. 23 ff.; Gagel, jurisPRArbR 22/2007 Anm. 1) und 16.09.2008 (9 AZR 791/07 – NZA 2009, 79 Rn. 29 ff.; Dahl jurisPRArbR 4/2009 Anm. 1) aufgestellten Grundsätzen, wonach die (Hilfs-)Tatsache der unterlassenen Einladung zum Vorstellungsgespräch nach § 82 Satz 2 SGB IX als geeignet angesehen worden war, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung zu begründen (so zuletzt Schlachter in: ErfKomm, 10. Aufl. 2010, § 22 AGG Rn. 3; Trenk-Hinterberger in: HK-SGB IX, 3. Aufl. 2010, § 82 Rn. 13).
Zutreffend stellt der Senat fest, dass dem Kläger die fachliche Eignung i.S.d. § 82 Satz 2 SGB IX für die ausgeschriebene Stelle nicht fehlte. Wann die fachliche Eignung offensichtlich fehlt, richtet sich nach den Ausbildungs- und Prüfungsvoraussetzungen für die zu besetzende Stelle (Rn. 24, mit Verweis auf die o.g. Urteile vom 12.09.2006 und 16.09.2008). In der Stellenausschreibung im Internet hatte der Beklagte keine Mindestexamensnoten verlangt, sondern einzig die beiden Staatsexamina sowie gute Kenntnisse im Verwaltungsrecht.
Dem Kläger, der die Befähigung zum Richteramt durch die erfolgreiche Ablegung beider Staatsexamina aufweist und zugleich – insbesondere durch seine Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt – auch die geforderten Kenntnisse im Verwaltungsrecht nachweisen kann, fehlt demzufolge nicht offensichtlich die fachliche Eignung i.S.d. Satz 3. Die Entscheidung ist daher auch aus dem Grund zu begrüßen, da sie klar aufzeigt, dass der Beklagte für die Dauer des Auswahlverfahrens an die Anforderungen gebunden bleibt, die in der veröffentlichten Stellenbeschreibung enthalten waren (Rn. 30). Schließlich sieht der Senat die Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung nicht als widerlegt an. Beweist ein schwerbehinderter Bewerber Indizien oder unstreitige Hilfstatsachen – wie hier die unterbliebene Einladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch –, die eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber nach § 22 AGG die Beweislast
dafür, dass keine Benachteiligung erfolgt ist. Dies ist dem Beklagten vorliegend nicht gelungen.
Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts hatte der Beklagte dagegen die Vermutung der Benachteiligung aufgrund der Behinderung des Klägers wiederlegt, da dieser bei der Vorauswahl anhand der Examensnoten nicht an die Behinderteneigenschaft des Klägers angeknüpft habe. Der Kläger sei, wie auch alle nicht behinderten Bewerber mit zwei nur ausreichenden Examina, aussortiert worden; diese Vorauswahl sei objektiv getroffen worden und könne die Vermutung, dass die Beklagte aufgrund der Behinderung des Klägers keine Einladung veranlasste, widerlegen. Vereinzelt wird diese Argumentation des LArbG Hannover geteilt, da gegen eine anhand der Examensnoten getroffene Vorauswahl nichts einzuwenden sei (LArbG
Hamm, Urt. v. 17.11.2005 – 8 Sa 1213/05 – FA 2006, 190).
Der Senat führt dazu aus, dass diese Begründung nicht ausreiche; dass die Vorauswahl anhand der Examensnoten nicht an die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers anknüpfe, schließe nicht aus, dass die Behinderung im Motivbündel des Beklagten nicht doch enthalten war.
Ein Entschädigungsanspruch bestehe grundsätzlich nur dann nicht, wenn die Behinderung bei der Ablehnung des Bewerbers keine auch nur entfernte Rolle gespielt hat, d.h. dieser Benachteiligungsgrund für die Entscheidung nicht mitursächlich war (Rn. 40). Der Arbeitgeber muss mithin beweisen, dass die Behinderung des Bewerbers in seinem Motivbündel nicht als negatives oder die fehlende Behinderung als positives Kriterium enthalten war (Rn. 44). Für die Berücksichtigung einer fehlenden Behinderung als positives Kriterium reiche es aus, dass die vom Arbeitgeber unterlassene Maßnahme objektiv geeignet ist, schwerbehinderten Menschen keine oder weniger günstige Chancen einzuräumen als ihnen nach dem Gesetz zu gewähren sind (Rn. 44). Der Senat schlussfolgert, dass der beklagte Landkreis die von § 82 Satz 2 SGB IX gebotene Besserstellung des Klägers gegenüber nicht schwerbehinderten Bewerbern durch die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch unterlassen habe; dieses
Verhalten war auch objektiv geeignet, die Chancen des Klägers im Bewerbungsverfahren zu verschlechtern.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung bekräftigt die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers nach § 82 Satz 2 SGB IX, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Pflicht entfällt nach Satz 3 nur dann, wenn dem Bewerber die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Der Senat leitet aus dem Umkehrschluss zu Satz 3 ab, dass ein schwerbehinderter Bewerber die Chance zu einem Vorstellungsgespräch auch dann erhalten müsse, wenn seine Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (Rn. 22). Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber anhand der Bewerbungsunterlagen schon eine Vorauswahl getroffen hat und der Bewerber nicht unter dieser engeren Auswahl ist (Rn. 22). Der schwerbehinderte Bewerber soll den Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von seiner Eignung überzeugen können – trotz der möglicherweise schlechteren „Papierform“ (Rn. 22 und 28). Wird ihm diese Chance genommen, liegt darin eine weniger günstige Behandlung als es das Gesetz zur
Herstellung gleicher Bewerbungschancen gegenüber nicht behinderten Bewerbern für erforderlich hält (Rn. 22). Demzufolge stellt der Ausschluss des Klägers aus dem weiteren Bewerbungsverfahren eine unmittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 Abs. 1 AGG dar, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht.
Dieser Argumentation des Senats ist zuzustimmen, da sie die Verfahrensvorschrift des § 82 Satz 2 SGB IX zutreffend verortet: es handelt sich um eine gesetzliche positive Maßnahme i.S.d. § 5 AGG (Däubler/Bertzbach/Hinrichs, AGG, 2008, § 5 Rn. 45). Mit § 5 AGG hat der Gesetzgeber Art. 7 Abs. 1 der RL 2000/78/EG umgesetzt, wonach die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Beruf nicht daran gehindert sind, spezifische Maßnahmen beizubehalten bzw. einzuführen, damit Benachteiligungen begegnet werden kann. Zulässig sind im Rahmen des § 5 AGG demzufolge Maßnahmen, durch die bisher benachteiligte Gruppen durch den Gesetzgeber oder Arbeitgeber gezielt gefördert werden können; dabei kommen sowohl Maßnahmen in Betracht, die bestehende Nachteile beseitigen, als auch präventive Maßnahmen, mit denen künftige Nachteile vermieden werden sollen.
§ 82 Satz 2 SGB IX stellt sowohl ein geeignetes als auch ein angemessenes Instrument i.S.d. § 5 AGG dar, um bestehende Nachteile wegen einer Behinderung zu verhindern bzw. auszugleichen. Ein Nachteil ist jede zusätzliche Belastung, die Personen aufgrund ihrer Behinderung erfahren.
Dass ein Nachteil nach § 5 AGG vorliegt, gilt als indiziert, sofern eine Unterrepräsentanz der Merkmalsgruppe vorliegt (Wendeling-Schröder/Stein, AGG, 2008, § 5 Rn. 11). Für Menschen mit Behinderung ist dies statistisch belegt. Dem aktuellen europäischen Aktionsplan der Kommission 2004-2010 (KOM (2003) 650), der auf die Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung abzielt, ist zu entnehmen, dass lediglich 42% der Menschen mit Behinderungen im Berufsleben stehen, also 52% der behinderten Menschen (gegenüber 28% der Nichtbehinderten) nicht erwerbstätig sind. Weniger als die Hälfte von ihnen ist in die Arbeitswelt integriert und Langzeitarbeitslosigkeit danach ein typisches Problem. So weist die Mitteilung der Kommission an den Rat (KOM (2005) 604 endg. – unter 2.) zur Situation behinderter Menschen in der Europäischen Union auch darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit dieser Gruppe ernsthaft Beachtung finden müsse. Erstes erklärtes Ziel des Aktionsplans ist daher die
uneingeschränkte Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG, um eine Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf zu erreichen.
Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 5 AGG die optionale Vorgabe des Art. 7 Abs. 1 der RL 2000/78/EG umgesetzt und damit die Möglichkeit, behinderte Menschen zu begünstigen, für zulässig erachtet. Damit unterliegt § 5 – wie das AGG im Gesamten – dem Grundsatz der faktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts (zum Effizienzprinzip Schiek/Schiek, AGG, Einl., 2007, Rn. 63), so dass insbesondere die richtlinienkonforme Auslegung des Gesetzes bzw. der Norm von Bedeutung ist (EuGH, Urt. v. 25.04.2002 – C-52/00 – EuGHE 2002, I-3827, 3874 Rn. 47).
Die vorliegende Entscheidung des 9. Senats trägt der Bedeutung der Verfahrensvorschrift des § 82 Satz 2 SGB IX als positiver Maßnahme nach § 5 AGG Rechnung, indem der öffentliche Arbeitgeber gehalten ist, den schwerbehinderten Bewerber nach der gesetzlichen Intention besser zu stellen als den nicht schwerbehinderten Konkurrenten (Düwell in: LPK-SGB IX, § 82 Rn. 4), indem ihm durch die Einladung zum Vorstellungsgespräch ein Chancenvorteil gewährt wird (ArbG Cottbus v. 11.06.2008 – 7 Ca 108/08; Fabricius in: jurisPK-SGB IX, 2009, § 82 Rn. 9; FKSBFaber § 82 Rn. 7). Wird ihm diese Chance durch Verfahrensfehler des Arbeitgebers genommen, so wird eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermutet. Bereits vor 15 Jahren hatte das BVerfG die unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch und die Anwendung von Auswahlkriterien, die nicht in der Ausschreibung enthalten waren, als Indizien für eine Benachteiligung – im damaligen Fall wegen des Geschlechts – bejaht
(BVerfG v. 16.11.1993 – 1 BvR 258/86 – NZA 1994, 745). In der Rechtsprechung zur geschlechtsbezogenen Diskriminierung hatte der 8. Senat des BAG diese Grundsätze 2004 aufgenommen und konkretisiert (BAG v. 05.02.2004 – 8 AZR 112/03 – NZA 2004, 540). Im „Doppelpass“ wurden diese Aussagen wiederum für das Verbot der Diskriminierung wegen Behinderung vom 9. Senat präzisiert (BAG v. 12.09.2006 – 9 AZR 807/05 – NZA 2007, 507, 510, dazu Gagel, jurisPR-ArbR 22/2007 Anm. 1). Der 8. Senat nahm diesen Ball unter Bezugnahme auf diese Entscheidung 2008 wieder auf (BAG v. 24.04.2008 – 8 AZR 257/07 – NZA 2008, 1351), so dass mit der Entscheidung
vom 21.07.2009 eine Rechtsprechungslinie gefestigt wird, die auch für die nächsten Jahr prägend sein dürfte.
D. Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung des Senats gibt einen doppelten Maßstab für die Handhabung der § 81 Abs. 2 Satz 1, § 82 Satz 2 SGB IX vor.
Wurde ein schwerbehinderter Kläger zu Unrecht vom öffentlichen Arbeitgeber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, rechtfertigt dies die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Der Senat festigt damit die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs und setzt die Rechtsprechung der Urteile vom 12.09.2006 und 16.09.2008 fort. Damit wird zugleich den Instanzgerichten und insbesondere der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die in der Nichteinladung eines nicht ungeeigneten schwerbehinderten Bewerbers grundsätzlich keine Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung erblicken (zuletzt VGH Mannheim, Urt. v. 04.08.2009 – 9 S 3330/08, m. kritischer Anm. von Roetteken, jurisPR-ArbR 41/2009 Anm. 5; vgl. bereits die Kritik von Welti, ArbuR 2006, 247, 248), ein Weg demonstriert, wie in diesen Fällen ein Verfahrensfehler zu beantworten ist. Eine rechtswidrig unterlassene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch könne – nach der Rechtsprechung dieser
Instanzgerichte –keinen Entschädigungsanspruch begründen. Dem setzt der 9. Senat jedoch entgegen, dass die Bestimmungen der § 81 Abs. 2 Satz 1, § 82 Satz 2 SGB IX i.V.m. § 15 Abs. 2 AGG das Recht des Bewerbers auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren schützen und demnach unter das Benachteiligungsverbot auch Verfahrenshandlungen fallen. Zudem macht die Entscheidung deutlich, dass an die Widerlegung der Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung keine zu geringen Anforderungen zu stellen sind (Rn. 43 ff.). Nachdem Rechtsprechung und Literatur inzwischen weitgehend anerkannt haben, dass die unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch die Vermutung einer Benachteiligung begründet, hat sich die Problematik auf die Anforderungen, die an eine Widerlegung der Vermutung zu stellen sind, verschoben (in diesem Sinne auch Tolmein, jurisPR-ArbR 48/2007 Anm. 2, zu OVG Münster, Urt. v. 31.08.2007 – 6 A 2172/05). Der Senat macht insofern deutlich, dass
insbesondere das Berufen des Arbeitgebers auf die bessere Eignung von Mitbewerbern eine Benachteiligung des schwerbehinderten Bewerbers nicht ausschließt. Dies folgt schon aus § 15 Abs. 2 AGG, wonach Entschädigung auch zu leisten ist, wenn der Bewerber selbst bei einem diskriminierungsfreien Verfahren nicht eingestellt worden wäre (Rn. 42). Der Arbeitgeber hat vielmehr Rechtfertigungsgründe vorzutragen, die explizit die Benachteiligungsvermutung widerlegen.
Schließlich weist der Senat darauf hin, dass eine Widerlegung der Benachteiligungsvermutung für den Arbeitgeber nicht unmöglich ist, da ein Anforderungsprofil Mindestexamensnoten verlangen könne und der Arbeitgeber dementsprechend schwerbehinderte Bewerber, die diese Anforderungen nicht erfüllen, nicht einladen muss. Dies zeigt deutlich, wie wichtig die präzise Formulierung der Ausschreibung und des Anforderungsprofils ist (zur wichtigen Bindung des öffentlichen Arbeitgebers bei der Ausschreibung an objektive Kriterien BAG, Urt. v. 12.09.2006 – 9 AZR 807/05, m. Anm. Gagel, jurisPR-ArbR 22/2007 Anm. 1).