Erfolgloser Eilantrag auf Wiederholung der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung im Bezirk Tempelhof-Schöneberg ohne Anwendung der 3 %-Sperrklausel

Die 3 %-Sperrklausel ist in Art. 70 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung von Berlin und in § 22 Abs. 2 des Landeswahlgesetzes enthalten. Sie regelt, dass auf Bezirkswahlvorschläge, für die weniger als drei vom Hundert der Stimmen abgegeben werden, keine Sitze entfallen.

Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz – Tierschutzpartei und eine ihrer Kandidatinnen halten die 3 %-Sperrklausel für verfassungswidrig und die Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung im Bezirk Tempelhof-Schöneberg vom 18. September 2011 für ungültig. Sie haben am 17. November 2011 den Verfassungsgerichtshof angerufen und ein Wahlprüfungsverfahren (VerfGH 155/11) eingeleitet, über das noch nicht entschieden ist. Zudem haben sie einen Eilantrag auf unverzügliche Wiederholung der Wahl, hilfsweise auf Neufeststellung des Er-gebnisses, ohne Anwendung der 3 %-Sperrklausel gestellt (VerfGH 155 A/11).

Der Verfassungsgerichtshof hat den Eilantrag der Antragstellerinnen mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 zurückgewiesen (VerfGH 155 A/11). Zur Begründung hat er ausgeführt, der Ausgang des Wahlprüfungsverfahrens sei offen. Ob die genannte 3 %-Sperrklausel zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit den Grundsätzen der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit politischer Parteien vereinbar sei, müsse einer Klärung im Hauptsacheverfahren (VerfGH 155/11) vorbehalten bleiben. Nach einer Abwägung der möglichen Folgen könne der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben. Für eine auch vorübergehend nicht hinnehmbare Verzerrung der politischen Mehrheiten bis zur Entscheidung über die Hauptsache, die nur durch eine Neuwahl zu beseitigen wäre, sei nichts er-sichtlich. Insbesondere ließe sich eine nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Verteilung von – nach dem Vortrag zwei – Sitzen in der Bezirksverordnetenver-sammlung im Bezirk Tempelhof-Schöneberg nachträglich korrigieren. Demgegenüber wäre das Gemeinwohl im Falle des Ergehens einer einstweiligen Anordnung mit vorläufiger Neuwahl oder Neufeststellung des Wahlergebnisses erheblich mehr beeinträchtigt. Zum einen wären im Falle einer anderslautenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Wahlberechtigten zu einer wirkungslosen Wahl aufgerufen worden. Zum anderen stünde dem Bezirk sowohl bei einer Neuwahl als auch bei einer Neuverteilung einzelner Sitze ein erneuter Wechsel in der Zusammensetzung der Bezirksverordnetenversammlung als wichtigstem Organ der bezirklichen Selbstverwaltung bevor, der möglicherweise weitere Auswirkungen auf die Arbeit der anderen bezirklichen Organe hätte.

Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 20. Dezember 2011 – VerfGH 155 A/11 -