Pressemitteilung zum Jahresbericht 2018

Pressemitteilung vom 15.06.2018

Der Rechnungshof legt dem Abgeordnetenhaus heute entsprechend seinem Verfassungsauftrag den Jahresbericht 2018 vor und unterrichtet gleichzeitig den Senat.

Berlin ist eine wachsende Stadt mit deutlich steigenden Steuereinnahmen, aber auchmit einem nach wie vor sehr hohen Schuldenstand und einem erheblichen Sanierungs- und Neubaubedarf im Bereich der städtischen Infrastruktur in Milliardenhöhe. Die finanzpolitischen Herausforderungen zur Erfüllung der vielfältigen städtischen Aufgaben, zum Abbau der finanziellen Altlasten und zur Auflösung des Sanierungsstaus sind weiterhin enorm. Die Bewältigung dieser Herausforderungen verlangt von allen Verantwortlichen große Anstrengungen sowie ein systematisches, gut strukturiertes und gesamtstädtisch koordiniertes Vorgehen.

Der Rechnungshof als unabhängige Finanzkontrolle Berlins leistet hierzu im Rahmen seines Verfassungsauftrags mit Prüfungen, Beratungen und Berichten seinen Beitrag.

Mit dem Jahresbericht 2018 informiert der Rechnungshof heute die Öffentlichkeit, diePolitik und die Verwaltung über die finanzpolitische Entwicklung Berlins und über wesentliche Ergebnisse seiner Prüfungstätigkeit im vergangenen Jahr. Der Jahresbericht vermittelt mit seinen 26 Beiträgen einen objektiven Einblick in die Haushalts- und Wirtschaftsführung der geprüften Bereiche und zeigt dabei wichtige Entwicklungen auf. Er weist insbesondere auf strukturelle Mängel im Verwaltungshandeln und bei der Mittelbewirtschaftung hin. Der Rechnungshof belässt es aber nicht bei der Kritik, sondern gibt Empfehlungen zum wirtschaftlichen Einsatz der Finanzmittel, zur Verbesserung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit der Verwaltung, zur Ertüchtigung von städtischen Infrastrukturen sowie zur weiteren Haushaltskonsolidierung.

Nach den Darstellungen zur Finanzlage Berlins und zur Haushalts- und Vermögensrechnung 2016 befasst sich der Jahresbericht in insgesamt 22 Beiträgen mit wesentlichen Prüfungsergebnissen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung. Der Jahresbericht 2018 dient dem Abgeordnetenhaus als Grundlage für seine Entscheidung über die Entlastung des Senats für das Haushaltsjahr 2016, über einzuleitende Maßnahmen und die Missbilligung von erheblichen Verstößen gegen Rechtsvorschriften oder haushaltsrechtliche Grundsätze.

Der Rechnungshof erwartet, dass nicht nur die geprüften Stellen, sondern alle Behörden und Einrichtungen Berlins den Jahresbericht auswerten und entsprechende Schlussfolgerungen für ihre Bereiche ziehen.

Informationen zu ausgewählten Beiträgen aus dem Jahresbericht 2018:

Aktuelle Finanzlage erlaubt und erfordert Schuldentilgung, Investitionen und Vorsorge

Die Finanzlage Berlins hat sich – dank guter Konjunktur und historisch niedriger Kreditzinsen – weiter verbessert: Seit dem Jahr 2012 wurden hohe Finanzierungsüberschüsse erzielt und der Schuldenstand verringerte sich bis zum Ende des Jahres 2016 um rd. 3,4 Mrd. € auf rd. 59,4 Mrd. €. Der rechnerische Finanzierungsüberschuss 2017 beträgt rd. 2,2 Mrd. €. Davon werden laut Beschluss des parlamentarischen Hauptausschusses vom 28. Februar 2018 rd. 1,0 Mrd. € für die Schuldentilgung verwendet und rd. 1,2 Mrd. € dem Sondervermögen SIWANA für Investitionen zugeführt. Nach der aktuellen Steuerschätzung kann Berlin in diesem und im kommenden Jahr zusätzliche Einnahmen von jeweils mehr als 500 Mio. € erwarten. Für die Jahre 2020 und 2021 werden in der Finanzplanung des Senats allerdings nur geringe Überschüsse von 24 und 39 Mio. € prognostiziert. Stattdessen sind globale Mehrausgaben von 549 (2020) und 716 Mio. € (2021) geplant.

Die weiterhin gute Einnahmesituation und die günstigen Rahmenbedingungen dürfen den Senat nicht dazu verleiten, den eingeschlagenen Konsolidierungskurs zu verlassen. Der Schuldenstand Berlins ist mit mehr als 58 Mrd. € noch immer deutlich zu hoch, auch im Ländervergleich: Sowohl bei der Pro-Kopf-Verschuldung (rd. 16.500 €) als auch bei der Schuldenstandsquote (45 %) lag Berlin im Jahr 2016 nach Bremen und dem Saarland noch immer an dritter Stelle. Mit dem hohen Schuldenberg ist für Berlin – trotz der anhaltenden extremen Niedrigzinsphase – eine jährliche Zinslast von fast 1,4 Mrd. € verbunden.

Neue strukturelle Haushaltsbelastungen sollten daher vermieden und die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit strikt beachtet werden. Die haushaltspolitischen Spielräume müssen dazu genutzt werden, die Verschuldung in deutlichen Schritten weiter zurückzuführen. Im Sinne einer nachhaltigen Haushaltspolitik hält der Rechnungshof zugleich gezielte, sorgfältig geplante Investitionen in die Infrastruktur der wachsenden Stadt für dringend erforderlich. Darüber hinaus muss auch in nennenswertem Umfang Vorsorge für den nächsten konjunkturellen Abschwung, für steigende Kreditzinsen und wachsende Versorgungsausgaben in der Zukunft getroffen werden (T 9 bis 45).

Schuldenbremse in die Verfassung von Berlin aufnehmen

Das Grundgesetz enthält für die Bundesländer ein grundsätzliches Verbot der Nettokreditaufnahme ab dem Jahr 2020. Um dennoch in Notsituationen oder zur Berücksichtigung stärkerer konjunkturbedingter Abschwünge ausnahmsweise neue Kredite aufnehmen zu können, müssen die Länder eigene Regelungen erlassen. Darin ist z. B. festzulegen, nach welchem Berechnungsverfahren die konjunkturelle Lage beurteilt werden und wie die Tilgung der neuen Kredite erfolgen soll. Dabei steht es den Ländern frei, ob sie die Schuldenbremse in die Landesverfassung aufnehmen oder einfachgesetzlich regeln. Der Rechnungshof fordert seit vielen Jahren, die Schuldenbremse in der Verfassung von Berlin zu verankern. In der aktuellen Finanzplanung erwähnt der Senat zwar die Schaffung einer landesrechtlichen Regelung. Er legt jedoch nicht dar, ob eine einfachgesetzliche oder eine verfassungsrechtliche Umsetzung der Schuldenbremse in den Blick genommen wird. Der Rechnungshof spricht sich daher erneut für die Aufnahme einer Schuldenregelung in die Verfassung von Berlin aus. Dies würde eine starke und langfristige Bindung für den Haushaltsgesetzgeber auslösen und vor allem auch für Zeiten engerer finanzieller Spielräume einen festen Maßstab vorgeben. Damit wäre auch dem Schutz künftiger Generationen vor zu hohen Zins- und Tilgungslasten gedient. Die verfassungsrechtliche Verankerung der Schuldenbremse ist darüber hinaus die Voraussetzung dafür, dass die Einhaltung der damit verbundenen Vorgaben oder das Vorliegen von Umgehungstatbeständen durch das Verfassungsgericht des Landes Berlin überprüft werden kann (T 27).

Risiken bei Verlagerung staatlicher Aufgaben auf Beteiligungsunternehmen

Auch im Jahr 2017 wurden Tochterunternehmen von Beteiligungsunternehmen Berlins gegründet, um zusätzliche Aufgaben im Auftrag des Landes zu übernehmen. Hierzu gehört z. B. die Übernahme der Umsetzung anstehender Infrastrukturmaßnahmen des Landes durch die GB InfraVelo GmbH, einer 100%igen Tochter der Grün Berlin GmbH. Weitere Aufgabenverlagerungen sind beabsichtigt. So soll die Zuständigkeit „für Neubau- und große Sanierungsmaßnahmen über 10 Mio. €“ im Schulbereich auf die HOWOGE übertragen werden.

Die Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben außerhalb des Haushalts ist rechtlich möglich. Allerdings resultieren aus dieser Verlagerung Transparenzverluste sowie Einschränkungen der parlamentarischen und staatlichen Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten. Es müssen daher schon sehr gewichtige sachliche Gründe vorliegen, wenn Aufgaben aus der Sphäre des Staates privatrechtlich organisierten Gesellschaften zur Erledigung zugewiesen werden sollen. Vor allem darf die Übertragung staatlicher Aufgaben auf Beteiligungsunternehmen nicht zur Flucht aus dem Budget werden, um die ab 2020 geltende Schuldenbremse zu umgehen. Auslagerungen von Aufgaben aus dem Haushalt mit der Möglichkeit, diese über Kreditaufnahmen der Beteiligungsunternehmen zu finanzieren, widersprechen dem Grundgedanken der Schuldenbremse (T 20).

Personalbedarf prüfen, ungerechtfertigte Vergünstigungen abbauen und künftige Versorgungsausgaben genau ermitteln

Mit der wachsenden Stadt sind erhebliche Aufgabenzuwächse für die Verwaltung verbunden, die mit einer adäquaten Personalausstattung bewältigt werden müssen. Vor der Einstellung zusätzlichen Personals in großem Umfang ist es allerdings notwendig, sorgfältige Bedarfsanalysen durchzuführen und nach Möglichkeiten zu suchen, die Verwaltungsstrukturen und Verfahrensabläufe effektiver und effizienter zu gestalten. Dadurch sollen nicht notwendige Ausweitungen des Stellenplans vermieden werden. Der Jahresbericht enthält hierfür ein Beispiel:

- Für Berlin sind keine verlässlichen Kennzahlen zur Ermittlung des Personalbedarfs an Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern vorhanden. Die Personalausstattung wurde bisher von der für Justiz zuständigen Senatsverwaltung aufgrund nicht sachgerechter Basiszahlen, die Veränderungen im Aufgabenspektrum nicht berücksichtigen, vorgegeben. Der Rechnungshof hat ein eigenes Berechnungsmodell zur Ermittlung des notwendigen Personalbedarfs für Berlin entwickelt. Er hat zudem Optimierungspotenziale für die Aufgabenerfüllung der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher aufgezeigt. Die Justizverwaltung hat zugesagt, schnellstmöglich eine Berechnung des Bedarfs an Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern auf der Basis verlässlicher Kennzahlen umzusetzen (T 209 bis 234).

Die vom Senat vor Kurzem beschlossene Strategie zum gesamtstädtischen Geschäftsprozessmanagement könnte die notwendigen Bedarfsanalysen ergänzen.

Die Berliner Verwaltung, aber auch die Anstalten des öffentlichen Rechts konkurrieren auf dem Arbeitsmarkt mit anderen Arbeitgebern oder sogar miteinander um gut qualifiziertes Personal. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, außer- bzw. übertarifliche Leistungen zu gewähren oder großzügige Vergütungs- bzw. Zulagenregelungen beizubehalten. Hierfür zeigt der Rechnungshof im Jahresbericht zwei Beispiele auf:

- Bei den Berliner Wasserbetrieben (BWB) hat die Prüfung Mängel sowohl bei der Bewertung der Aufgabengebiete als auch bei der Feststellung der individuellen Eingruppierungsvoraussetzungen ergeben. Darüber hinaus wurden außertarifliche Leistungen in bedeutendem Umfang, unverhältnismäßig hohe Jubiläumszahlungen sowie zusätzliche freie Tage für die Beschäftigten gewährt. Allein im Bereich der Hauptverwaltung der BWB entstehen dadurch zusätzliche jährliche Ausgaben von annähernd 300.000 €. Der Rechnungshof erwartet eine Verringerung der außertariflichen Leistungen (T 540 bis 550).

- In Abstimmung mit dem Landesrechnungshof Brandenburg hat der Rechnungshof die Personalausgaben des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) geprüft. Der im Jahr 2003 errichtete rbb hat bis heute kein vollständig einheitliches Tarifwerk für seine Beschäftigten. Die Arbeits- und Vergütungsbedingungen, insbesondere das Gehaltsgefüge und die Zulagenregelungen, sind günstiger als die Vergütungsregelungen für Beschäftigte im Bereich des Tarifvertrags der Länder. Allein für Prämien, Zulagen und Beihilfen, die im Tarifvertrag der Länder nicht vorgesehen sind, wendet der rbb jährlich mehr als 200.000 € auf. Der Rechnungshof erwartet eine Reduzierung der Zulagen und sonstigen außertariflichen Leistungen. Der rbb führt hierzu bereits Verhandlungen (T 501 bis 539).

Zunehmende Bedeutung für den Landeshaushalt haben die Versorgungsausgaben. Nach der Senatsprognose vom August 2017 könnten diese im unmittelbaren Landesdienst von 1,6 Mrd. € im Jahr 2016 auf rd. 2 Mrd. € im Jahr 2021 steigen. Für das Ende des Prognosezeitraums im Jahr 2032 werden maximal rd. 3 Mrd. € erwartet. Um haushaltspolitisch vorausschauend auf steigende Versorgungsausgaben reagieren und eine zweckmäßige Vorsorge betreiben zu können, bedarf es einer genaueren Kenntnis der zu erwartenden Versorgungslasten. Der Rechnungshof hält es deshalb für erforderlich, die Höhe der zukünftigen Pensions- und Beihilfeverpflichtungen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermitteln zu lassen (T 38).

IT-Einsatz verbessern und damit verbundenen Risiken begegnen

Für die wachsende Stadt Berlin ist eine leistungsfähige Verwaltung dringend erforderlich. Zudem gilt es, die Verwaltung in den kommenden Jahren auf E-Government umzustellen. Um die Verwaltungsaufgaben im digitalen Zeitalter adäquat erfüllen zu können, ist ein anforderungsgerechter IT-Einsatz sowie eine umfassende IT-Unterstützung der notwendigen Geschäftsprozesse von entscheidender Bedeutung. Hier besteht an vielen Stellen noch Handlungsbedarf.

- Eine Grundvoraussetzung ist die Gewährleistung der notwendigen IT-Sicherheit, damit die IT-Infrastruktur uneingeschränkt für die Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung steht. Dies erfordert auch eine entsprechende Notfallvorsorge. Hier hat der Rechnungshof behördenübergreifend erhebliche Mängel festgestellt: Zum Prüfungszeitpunkt hat keine Senatsverwaltung und kein Bezirksamt ein in vollem Umfang den Vorgaben entsprechendes IT-Notfallkonzept vorgelegt. Die behördliche IT-Notfallvorsorge und das behördliche IT-Notfallmanagement sind trotz eindeutiger rechtlicher Vorgaben sehr uneinheitlich gestaltet und differieren stark in Qualität und Umfang. Der Rechnungshof hat die verantwortlichen Behörden aufgefordert, sofort Maßnahmen zur Herstellung einer vorschriftenkonformen IT-Notfallvorsorge und eines entsprechenden IT-Notfallmanagements zu ergreifen (T 88 bis 99).

Vielfach stellt der Rechnungshof fest, dass die IT-Unterstützung fehlt oder unzureichend ist.

- So arbeiten die Finanzämter bei der Beitreibung rückständiger Steuern noch immer nicht effektiv genug. Die Steuerrückstände betrugen am 31. Dezember 2016 in den regional zuständigen Finanzämtern mehr als 255 Mio. €. Der Rechnungshof hat in allen drei geprüften Finanzämtern (Neukölln, Spandau und Reinickendorf) Bearbeitungsdefizite bei der Wahrnehmung der Aufgaben als Vollstreckungsbehörde festgestellt. Insgesamt hat er in 60 % aller 338 geprüften Vollstreckungsfälle die Bearbeitung teilweise in mehrfacher Hinsicht beanstandet. Vielfach wurde mit der Bearbeitung der Vollstreckungsfälle mit erheblicher Verspätung begonnen (bis zu 26 Monate). Die Finanzämter haben – insbesondere auch vor einer Niederschlagung – nicht alle Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Der Rechnungshof führt die Bearbeitungsdefizite auch darauf zurück, dass die Senatsverwaltung für Finanzen das in anderen Bundesländern seit Jahren im Einsatz befindliche IT-Produkt „Vollstreckungssystem“ bis heute nicht in Berlin eingeführt hat. Sie hat damit die Möglichkeit nicht genutzt, das Vollstreckungsverfahren mit IT-Unterstützung systemisch zu optimieren (T 390 bis 412).

- Die Senatsverwaltung für Finanzen trägt die Verfahrensverantwortung für die Transparenz- und die Zuwendungsdatenbank des Landes Berlin, die auch zur Information der Öffentlichkeit im Internet zur Verfügung steht. Die Datenbanken wurden eingeführt, um Transparenz über die Verwendung öffentlicher Mittel im Förderbereich herzustellen. Dieses Ziel wurde bisher nicht erreicht. Denn die von den zuwendungsgewährenden Verwaltungen einzugebenden Daten sind teilweise unvollständig und weisen eine ungenügende Qualität auf. Es mangelt an einem wirksamen Controlling und einer zentralen Steuerung und Koordinierung. Zudem führen die derzeitigen Verfahren der Datenbereitstellung zu unwirtschaftlichen Doppelerfassungen, da eine Verknüpfung zum Haushaltsverfahren des Landes nicht besteht. Der Rechnungshof hat die Senatsverwaltung für Finanzen aufgefordert, die Mängel zu beseitigen und – im Hinblick auf die Umsetzung des E-Government-Gesetzes Berlin – auch den landesweiten Einsatz eines IT-gestützten prozessorientierten Zuwendungsverfahrens zu prüfen (T 431 bis 455).

Infrastruktur erhalten und sichern

Der Rechnungshof hat in den letzten Jahren auf grundlegende Versäumnisse bei der Erhaltung öffentlicher Infrastrukturen Berlins hingewiesen. Angesichts des zwischenzeitlich entstandenen enormen Sanierungsstaus bei den öffentlichen Gebäuden und begrenzter finanzieller Mittel ist es unerlässlich, bei der Planung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen ordnungsgemäß und wirtschaftlich vorzugehen. Außerdem sind öffentliche Gebäude mit Gefährdungspotenzial nach den bestehenden Vorgaben regelmäßig auf ihre Standsicherheit zu überprüfen. Der Rechnungshof ist bei seinen Prüfungen auf erhebliche Mängel gestoßen:

- Die für Sport zuständige Senatsverwaltung hat Fördermittel für Sanierungsmaßnahmen am Kombibad Gropiusstadt in einem vorschriftswidrigen, unwirtschaftlichen und riskanten Bewilligungsverfahren gewährt. Sie hat eine Zuwendung in zweistelliger Millionenhöhe ohne konkreten Projektbezug pauschal bewilligt und die Aufteilung der bewilligten Zuwendungsmittel auf einzelne Projekte damit weitgehend der Zuwendungsempfängerin überlassen. Außerdem hat sie das Sanierungsvorhaben nicht rechtzeitig als (investive) Zuwendungsbaumaßnahme eingeordnet. Sie hat die Fördermittel nicht auf der Grundlage ordnungsgemäßer Bauplanungsunterlagen bewilligt. Die baufachliche Prüfung hat sie unbefugt selbst durchgeführt. Abweichungen von den verbindlichen Bauplanungen hat sie wiederholt hingenommen. Die im Jahr 2007 mit Kosten von 438.000 € angesetzte Maßnahme wurde nach diversen Änderungen und zahlreichen Ergänzungsplanungen im Jahr 2015 mit Gesamtkosten von mehr als 15 Mio. € abgeschlossen. Die erheblichen Mängel und Versäumnisse im Bewilligungsverfahren haben zu den umfangreichen Kostensteigerungen der Baumaßnahme beigetragen. Die Senatsverwaltung muss ihre Verwaltungspraxis umgehend auf ein vorschriftsmäßiges und wirtschaftliches Verfahren umstellen (T 155 bis 208).

- Der Rechnungshof hat bei vier stichprobenartig ausgewählten Bezirksämtern die ordnungsgemäße Durchführung von Standsicherheitsprüfungen im Rahmen der baulichen Unterhaltung geprüft und dabei deutliche Mängel festgestellt. Die Bezirksämter Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Reinickendorf haben die vorgeschriebenen Standsicherheitsüberprüfungen der von ihnen verwalteten Gebäude mit Gefährdungspotenzial (z. B. Sporthallen, Mensen und Aulen) bisher nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Die Bezirksämter haben die zu überprüfenden Gebäude nicht vollständig erfasst und kategorisiert, die vorgeschriebenen Konzepte nicht erstellt und Erstüberprüfungen nur bei einem Teil des Gebäudebestands durchgeführt. Die vorgeschriebenen Folgeüberprüfungen haben sie weder beauftragt noch selbst in den vorgesehenen Zeitintervallen realisiert. Durch die Versäumnisse sind die Bezirksämter das Risiko eingegangen, dass die Standsicherheit, z. B. durch Baustoffalterung oder durch Witterungs- und Umwelteinflüsse, im Laufe der Zeit unbemerkt beeinträchtigt wird und die betroffenen Gebäude dann nicht mehr uneingeschränkt sicher benutzbar sind. Um Gefährdungen und Schäden von Personen und Sachwerten auszuschließen, müssen die Bezirksämter die vorgeschriebenen Standsicherheitsüberprüfungen umgehend ordnungsgemäß vorbereiten und durchführen. Die Bezirksämter haben dies angekündigt und erste Schritte zur Umsetzung eingeleitet (T 100 bis 131).

Finanzielle Risiken bei der Unterbringung von Geflüchteten vermindern und ressortübergreifende Steuerung von Integrationsmaßnahmen verbessern

Die ab Sommer 2015 stark angestiegenen Zugangszahlen von Geflüchteten haben das Land Berlin vor enorme – finanzielle und organisatorische – Herausforderungen bei der Unterbringung, Versorgung, Betreuung und Integration dieser Menschen gestellt. Der Rechnungshof hat sich – wie schon in den Vorjahren – mit einzelnen Aspekten dieses Themenfeldes befasst und dabei erneut unwirtschaftliches und unkoordiniertes Verwaltungshandeln festgestellt.

- So mussten unter Zeitdruck ständig neue Unterkünfte beschafft und hergerichtet werden, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Die – neben anderen Akteuren – mit dieser Aufgabe beauftragte BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH hat Ende 2015 eine Liegenschaft in Berlin-Heiligensee zur Unterbringung von Geflüchteten (befristet bis zum 30. April 2019) gemietet, obwohl die Liegenschaft für diesen Zweck nicht geeignet und die Nutzung nicht zulässig war. Die BIM hat den Mietvertrag geschlossen, obwohl keine vorbehaltlose Zustimmung des damals zuständigen Landesamtes für Gesundheit und Soziales zum Abschluss des Mietvertrages vorlag. Für die notwendigen Umbauten bestand kein Baurecht. Die erforderliche Genehmigung zur Nutzungsänderung von einem Gewerbeobjekt in eine Flüchtlingsunterkunft hat die BIM vor Abschluss des Mietvertrages nicht eingeholt. Das Grundstück wird bis heute nicht für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt. Dem Land Berlin sind aus der Anmietung bisher (Stand: 30. Juni 2017) bereits Kosten von mehr als 4,6 Mio. € entstanden (T 551 bis 566).

- Mit dem Ziel, die erhebliche Integrationsaufgabe zu bewältigen und die Chancen einer erfolgreichen Integration sicherzustellen, hat der Senat am 24. Mai 2016 den Masterplan Integration und Sicherheit beschlossen. Zur Umsetzung des Masterplans wurden für die Jahre 2016 und 2017 Ausgaben von insgesamt rd. 390 Mio. € mit unmittelbarem Bezug zum Masterplan an verschiedenen Stellen im Haushaltsplan von Berlin veranschlagt. Die zentrale ressortübergreifende Steuerung der Umsetzung des Masterplans ist der für Integration zuständigen Senatsverwaltung übertragen. Diese Aufgabe umfasst insbesondere die Entwicklung und Steuerung eines Integrationsmonitorings. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass die Senatsverwaltung die notwendigen Steuerungsaufgaben bei der Integration geflüchteter Menschen zur Umsetzung des Masterplans nicht umfassend wahrgenommen hat. So hat sie weder die im Masterplan vorgesehene detaillierte Maßnahmenplanung mit Meilensteinen erstellt noch durch verbindliche Vorgaben für Datenzulieferungen der einzelnen Fachressorts ein wirksames kontinuierliches Controlling sichergestellt. Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung zur Unterstützung der Integration geflüchteter Menschen die zugewiesenen Steuerungsaufgaben aktiv wahrnimmt, um ein wirtschaftliches und vor allem zielgerichtetes und erfolgreiches Vorgehen aller Beteiligten zu bewirken (T 375 bis 389).

Zielerreichung und Wirksamkeit von Förderprogrammen müssen messbar sein

Im Land Berlin gibt es eine Vielzahl von Programmen, mit denen unter Einsatz erheblicher Finanzmittel bestimmte Zwecke gefördert werden. Mit der konkreten Ausgestaltung und Finanzierung von Förderprogrammen verfolgen der Senat sowie einzelne Senatsverwaltungen und Behörden politische und administrative Ziele. Ausgehend von diesen Zielsetzungen prüft der Rechnungshof die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Umsetzung der Förderprogramme durch die Verwaltungen. Nach seinen Feststellungen fehlt es dabei oft an der gebotenen Fokussierung auf die Wirtschaftlichkeit, insbesondere mit Blick auf die Zielerreichung und die Wirksamkeit des Mitteleinsatzes. Hierzu sind schon in der Planungsphase von Förderprogrammen angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Darin müssen insbesondere der Handlungsbedarf analysiert sowie die Ziele konkretisiert und messbar festgelegt werden. In systematischen Erfolgskontrollen ist festzustellen, ob und in welchem Ausmaß die Ziele erreicht wurden, ob das Programm ursächlich für die Zielerreichung und ob der Mitteleinsatz wirtschaftlich war. Erst mit diesen Informationen sind fundierte Entscheidungen möglich, ob und wie ein Förderprogramm fortgeführt werden soll. Der Rechnungshof zeigt an mehreren Beispielen grundlegende Versäumnisse der Verwaltungen bei der Umsetzung von Förderprogrammen auf:

- Die bis Ende 2016 zuständige Senatskanzlei hat zur Förderung und Unterstützung von Kunst, Kultur- und Kreativwirtschaft in Berlin im Bereich der Popmusik und -kultur im Jahr 2013 das Musicboard eingerichtet. Sie hat für diese Zwecke in den Jahren 2013 bis 2016 rd. 6,0 Mio. € verausgabt, ohne vorab geeignete Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Sie hat keine ausreichenden Zielvorgaben definiert und keine messbaren Kriterien für die notwendigen Erfolgskontrollen festgelegt (T 250 bis 281).

- Die bis Ende 2016 zuständige Senatskanzlei hat im Jahr 2016 Stipendien an Künstlerinnen und Künstler im Umfang von über 2 Mio. € vergeben, ohne zuvor eine geeignete Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt zu haben. Die von ihr herangezogenen Förderungsgrundsätze enthielten keine konkreten und messbaren Zielvorgaben, sodass eine Erfolgskontrolle nicht vorgenommen werden konnte. Von den Stipendiatinnen und Stipendiaten auszufüllende Evaluationsbögen wurden nicht systematisch ausgewertet (T 282 bis 303).

- Die für Bildung zuständige Senatsverwaltung hat in den Jahren 2014 und 2015 zur Finanzierung von Praxislerngruppen an Integrierten Sekundarschulen Haushaltsmittel von jährlich mehr als 2,5 Mio. € an freie Träger ausgereicht. Ziel war es, Schülerinnen und Schüler durch einen praxisorientierten Bildungszugang zu motivieren, einen Schulabschluss zu erreichen. Die Senatsverwaltung hat jedoch bereits in der Planungsphase versäumt, die notwendige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung als Entscheidungsgrundlage durchzuführen. Sie hat keine messbaren Zielgrößen definiert und keine Kriterien für Erfolgskontrollen vorgegeben. Die erforderlichen begleitenden Kontrollen des Programms hat sie nicht vorgenommen (T 330 bis 343).

- Das Landesdenkmalamt hat in den Jahren 2013 bis 2015 für die Zuwendungsförderung von Maßnahmen des Denkmalschutzes rd. 6,5 Mio. € verausgabt. Das Verfahren zur Bewilligung der Fördermittel weist erhebliche Mängel auf. Die Zuwendungsbescheide lassen ausnahmslos nicht ausreichend erkennen, was von der Zuwendungsempfängerin oder dem Zuwendungsempfänger konkret gefordert wird. Zudem hat das Landesdenkmalamt in den Zuwendungsbescheiden nicht die notwendigen Grundlagen für die vorgeschriebenen Erfolgskontrollen gelegt. Um zu einer ordnungsgemäßen Bewilligung von Fördermitteln zu gelangen, bedarf es dringend einer grundlegenden und systematischen Änderung des Verwaltungshandelns (T 304 bis 329).

Angesichts dieser Feststellungen sieht der Rechnungshof die Gefahr, dass das Erreichen der durch den Einsatz der Fördermittel beabsichtigten Ziele nicht festgestellt und Optimierungspotenziale nicht erkannt werden können. Der Mitteleinsatz kann sich verstetigen, ohne dass der Bedarf und die Eignung des gewählten Förderinstruments ausreichend nachgewiesen wurden. Der Rechnungshof erwartet, dass die Verwaltungen die für einen wirtschaftlichen Mitteleinsatz notwendigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Erfolgskontrollen durchführen und insbesondere stets konkrete Förderziele und dafür geeignete Messkriterien festlegen.

Personalstandards im Bildungs- und Jugendbereich gewährleisten

Der Rechnungshof prüft auch, ob die Behörden Berlins die Einhaltung qualitativer Standards bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen kontrollieren und sicherstellen. Vor allem die Gewährleistung einer vorzuhaltenden Mindestausstattung an Fachpersonal ist nicht nur unter den Gesichtspunkten des Schutzes und der angemessenen Betreuung und Förderung von Kindern und Jugendlichen, sondern auch im Hinblick auf die öffentliche Finanzierung der Betreuungsangebote von Bedeutung. In seinem Jahresbericht weist er auf Versäumnisse in diesen Bereichen hin.

- Die für Bildung zuständige Senatsverwaltung hat die Prüfung der festgelegten Mindestpersonalausstattung der Träger der freien Jugendhilfe für die ergänzende und außerunterrichtliche Förderung und Betreuung an öffentlichen Grundschulen unzureichend wahrgenommen. Das Verwaltungsverfahren ist den gesetzten Anforderungen nicht gerecht geworden. Feststellungen der Senatsverwaltung über eine Personalminderausstattung im Schuljahr 2015/2016 führten nicht zu einer Kürzung oder Rückforderung geleisteter Zahlungen. Der Rechnungshof geht allein für die geprüften 47 Grundschulen für dieses Schuljahr von finanziellen Nachteilen von ungefähr 1,7 Mio. € für den Landeshaushalt aus. Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung umgehend für eine ordnungsgemäße Überwachung der Mindestpersonalausstattung sorgt und sicherstellt, dass vereinbarte Leistungen erbracht werden (T 344 bis 357).

- Für den Betrieb von Jugendhilfeeinrichtungen bedarf der jeweilige Träger einer Erlaubnis. Die Einrichtungsaufsicht der für Jugend und Familie zuständigen Senatsverwaltung hat keine einheitlichen Mindeststandards festgelegt, die sie im Erlaubnisverfahren zur Gewährleistung des Wohls von Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen anwendet. Es wurden Betriebserlaubnisse erteilt, obwohl gesetzlich zwingende Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Die Senatsverwaltung erließ Bescheide, die inhaltlich nicht ausreichend bestimmt waren. Die Träger konnten ihr Handeln somit nicht an den Regelungen im Bescheid ausrichten. Die Aufsichtsbehörde hat auch nach Erteilung der Betriebserlaubnis das weitere Vorliegen der hierfür geltenden Voraussetzungen zu überwachen. Dies hat sie nur unzureichend getan. So ist sie bei fehlenden Personalmeldungen der Träger ebenso untätig geblieben wie bei Unterschreitungen des festgelegten Personal-Solls. Der Rechnungshof fordert, dass die Senatsverwaltung einheitliche, rechtsverbindliche Mindeststandards zur Sicherstellung des Kindeswohls anwendet und ihre ordnungsrechtlichen Aufgaben und Befugnisse wahrnimmt.

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