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Gemeinsame Ausführungsvorschriften Eingliederungshilfe (AV EH)

vom 05.02.2020 (ABl. S. 972), Neufassung vom 20.11.2023

Inhalt

Teil A. Allgemeine Vorschriften

Kapitel I. Anwendungsbereich und Begrifflichkeiten

Nummer 1 Geltungsbereich

  • (1) Diese Ausführungsvorschriften gelten für die Behörden im Land Berlin, die Aufgaben nach §§ 2 bis 4 AG SGB IX des Trägers der Eingliederungshilfe gemäß § 1 AG SGB IX ausführen, also insbesondere für
    • a) die Teilhabefachdienste der Ämter für Soziales und Jugend der Bezirke,
    • b) die Gesundheitsämter der Bezirke,
    • c) das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und
    • d) die zuständigen Geschäftsbereiche der Hauptverwaltung.
  • (2) Teil A, Teil B und Teil C dieser Ausführungsvorschriften gelten für Behörden des Landes Berlins entsprechend, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit Leistungen nach Teil 2 SGB IX gewähren. Das sind insbesondere der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, der Träger der Kriegsopferversorgung und -fürsorge sowie die Behörden, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erbringen.
  • (3) Für die Leistungen nach § 35a SGB VIII finden die Regelungen dieser Ausführungsvorschriften insoweit Anwendung, wie die zu Grunde liegenden Vorschriften des SGB IX ebenfalls auf diese Leistungen Anwendung finden (vgl. § 7 Abs. 2 SGB IX) oder eine Anwendung von Regelungen in diesen Ausführungsvorschriften ausdrücklich vorgegeben wird.

Nummer 2 Begriffsbestimmungen

  • (1) Die in diesen Ausführungsvorschriften genannten Adjektive der „ratsuchenden“,
    „antragsstellenden“, „leistungssuchenden“ sowie „leistungsberechtigten“ Person dienen der besseren Darstellung im jeweiligen Prozessschritt. Es ist jeweils die natürliche Person gemeint, die Beratung oder Leistungen erhält oder erhalten will.
  • (2) Die für diese Ausführungsvorschriften verwendete Bezeichnung des Berliner Rahmenvertrags (im Folgenden: BRV) bezieht sich auf den Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX in der jeweils aktuellsten Fassung (derzeit: BRV vom 5.6.2019).
  • (3) „Teilhabefachdienst“ ist die Bezeichnung für die mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Trägers der Eingliederungshilfe Berlin beauftragten Organisationseinheiten der bezirklichen Ämter für Soziales, der bezirklichen Jugendämter sowie dem LAGeSo. Vom Begriff „Teilhabefachdienste Soziales“ sind die nach Satz 1 zuständigen bezirklichen Ämter für Soziales sowie der zuständige Teil des LAGeSo erfasst. Mit den Wörtern „bezirkliche Teilhabefachdienste Soziales“ sind die nach Satz 1 beauftragten Organisationseinheiten der Ämter für Soziales gemeint; mit „LAGeSo“ die nach Satz 1 zuständige Organisationseinheit im LAGeSo. Die „Teilhabefachdienste Jugend“ sind die beauftragten Organisationseinheiten nach Satz 1 in den bezirklichen Jugendämtern.

Kapitel II. Ziele und Aufgaben der Eingliederungshilfe

Nummer 3 Zielbestimmungen

  • (1) Ziel dieser Ausführungsvorschriften ist den Teilhabefachdiensten des Trägers der Eingliederungshilfe Berlin konkrete Arbeits- bzw. Auslegungshinweise zu den abstrakt-generellen bundes- und landesgesetzlichen Regelungen zum Verfahren und den Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX zu geben.
  • (2) Leistungsberechtigten Personen sollen im Rahmen der Zuständigkeit des Teilhabefachdienstes und des Leistungsumfangs der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX unterstützt werden, ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erreichen, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.
  • (3) Soweit diese personenzentrierten Leistungen durch Leistungserbringer erbracht werden, arbeiten die Teilhabefachdienste mit den Leistungserbringern und anderen Stellen partnerschaftlich, vertrauensvoll und transparent zusammen (§ 96 SGB IX), um durch Lernprozesse Weiterentwicklungen im Sinne des Willens der leistungsberechtigten Person zu ermöglichen.

Nummer 4 Allgemeine Aufgaben der Eingliederungshilfe; Sicherstellungsauftrag

  • (1) Die Aufgaben der Eingliederungshilfe werden in § 90 Abs. 1 SGB IX im Lichte der UN- Behindertenrechtskonvention zunächst allgemein beschrieben. Eingliederungshilfe soll demnach im Rahmen ihres Leistungsrechts in allen Lebensbereichen eine Unterstützung bieten, die Ziele der leistungsberechtigten Person so weit wie möglich wirksam und nachhaltig erfüllen zu können und der leistungsberechtigten Person die Teilhabe am Leben der Gesellschaft zu ermöglichen. Sie soll dem neuen gesellschaftlichen Verständnis von einer inklusiven Gesellschaft und der möglichst weitgehenden Selbstbestimmung und individuellen Lebensplanung der Menschen mit Behinderungen Rechnung tragen. Die Konkretisierung der besonderen Aufgaben der einzelnen Leistungsgruppen erfolgt in § 90 Abs. 2 bis 5 SGB IX.
  • (2) Teil der Aufgabe des Trägers der Eingliederungshilfe ist es auch, dass die Bedarfsdeckung durch geeignete Leistungserbringer möglich ist. Zu diesem Sicherstellungsauftrag zählen auch die aufgrund einer Pandemie oder anderer unvorhergesehenen Ereignisse erforderlichen Maßnahmen, um die Bedarfsdeckung weiterhin zu gewährleisten. Dies betrifft insbesondere auch Ersatzleistungen oder Zuschüsse, die aufgrund gesonderter Bundes- oder landesrechtlichen Regelungen personenindividuell zu gewährleisten sind oder angebotsbezogen vereinbart werden. Zu den gesonderten Bundesregelungen gehört insbesondere das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG).

Kapitel III. Datenschutz und Datenauswertungen

Nummer 5 Datenschutz

  • (1) Für den Schutz personenbezogener Daten bei der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung bei der Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten § 35 SGB I, die dort genannten EU-Richtlinien und Verordnungen, insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung, sowie das 2. Kapitel des SGB X (§§ 67 ff. SGB X). Soweit Leistungen nach § 35a SGB VIII betroffen sind, sind die Regelungen der §§
    61. ff SGB VIII zu beachten.
  • (2) Der zuständige Teilhabefachdienst ist die verantwortliche Stelle des Trägers der Eingliederungshilfe für den Sozialdatenschutz bei der Durchführung des Teilhabe- und Gesamtplanverfahrens (vgl. Nr. 7 ff.). Im Übrigen kann die Verantwortung gemeinsam von den in §§ 2 und 3 AG SGB IX benannten Stellen der Haupt- und Bezirksverwaltung getragen werden (vgl. §§ 11, 12 AG SGB IX). Datenschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für Forschungsvorhaben im Sinne des § 75 SGB X im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX werden von dem für das IT-Verfahren zuständigen Teil der Hauptverwaltung durchgeführt.
  • (3) Da davon auszugehen ist, dass in einer Teilhabe- bzw. Gesamtplankonferenz Sozialdaten verarbeitet werden, deren Erforderlichkeit für die Erstellung des Teilhabe- bzw. Gesamtplans nicht vorab abschließend bewertetet werden kann, ist gemäß § 23 Abs. 2 S. 1 SGB IX eine gesonderte Einwilligung der leistungsberechtigten Person einzuholen.
  • (4) Werden Leistungserbringer in Anspruch genommen, so können Sozialdaten nur unter den in § 96 Abs. 4 SGB IX genannten Voraussetzungen erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Die Verwendung von Sozialdaten im Sinne des Satzes 1 ist jedenfalls in den in § 13 AG SGB IX genannten Fällen zulässig.
  • (5) Die leistungsberechtigte Person ist jeweils zu informieren und auf ihr Widerspruchsrecht hinzuweisen, § 96 Abs. 4 S. 2, S. 3 SGB IX.

Nummer 6 Teilhabeverfahrensbericht, Statistik

  • (1) Die während des Verfahrens zu erhebenden statistischen Daten sind gemäß den Ausführungsvorschriften Teilhabeverfahrensbericht – AV THVB – vom 01.01.2019 (ABl. S. 838) zu erheben. Die Datenauswertung erfolgt zentral durch den zuständigen Geschäftsbereich der Hauptverwaltung, vgl. Nr. 1 Abs. 2 S. 3 AV THVB.
  • (2) Die übrige Bundesstatistik (z.B. §§ 143 ff. SGB IX) bleibt unberührt.

Teil B. Sozialverwaltungsverfahren

Kapitel I Allgemeine Verfahrensvorschriften

Nummer 7 Verfahrensschritte (§ 117 SGB IX)

  • (1) Das Berliner Gesamtplanverfahren dient der Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses (vgl. § 121 Abs. 2 S. 1 SGB IX) der Menschen mit Behinderungen, auf die sich die Zuständigkeit der Teilhabefachdienste erstreckt. Die Durchführung dieses Prozesses ist an den Kriterien des § 117 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX auszurichten. Das Teilhabeplanverfahren (vgl. §§ 19 ff. SGB IX) ist Teil des Berliner Gesamtplanverfahrens (§ 121 Abs. 4 SGB IX).
  • (2) Das Berliner Gesamtplanverfahren gliedert sich regelmäßig in folgende Teilprozesse:
    • a) Beratung (Nr. 15 ff.),
    • b) Antrag (Nr. 18 ff.),
    • c) Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen (Nr. 23 ff.),
    • d) Teilhabe-Assessment (Nr. 84 ff.),
    • e) Ziel- und Leistungsplanung (Nr. 105 ff.),
    • f) Feststellung der Leistungen und Erlass des Verwaltungsakts (Nr. 108 ff.),
    • g) Rechtsbehelfe (Nr. 111 ff.),
    • h) Begleitung im Leistungszeitraum (Nr. 115 ff.) und
    • i) Evaluation (Nr. 118 ff.).
  • (3) Die Beteiligung der leistungsberechtigten Person (vgl. Nr. 8) ist in jedem Verfahrensschritt zu gewährleisten. Insbesondere die Teilprozesse des Absatzes 2 lit. a), d), e), h) und i) setzen ein direktes persönliches Gespräch jedenfalls zwischen dem Teilhabefachdienst und leistungsberechtigter Person voraus. Die Einzelheiten sind den folgenden einzelnen Verfahrensschritten zu entnehmen.
  • (4) Bei Folgebewilligungen wird nach der Evaluation eine Ziel- und Leistungsplanung sowie regelmäßig spätestens alle zwei Jahre ein Teilhabe-Assessment und eine Ziel- und Leistungsplanung durchgeführt. Bedarfsveränderungen nach Nr. 91 ff. bleiben unberührt.
  • (5) Die Teilprozesse gliedern das Verfahren und stellen einen einheitlichen Verfahrensstandard für die Teilhabefachdienste dar. Sie sind wie der Gesamtplan selbst kein eigener Verwaltungsakt, sondern vorbereitende, unselbstständige Verfahrensbestandteile (siehe Abs. 2 lit. a) – f), h), i)). Alle Teilprozesse sind nach den vorgegebenen Instrumenten und Standards zu dokumentieren und Kennzahlen im dafür vorgegebenen IT-Fachverfahren Soziales oder Jugend oder in zukünftigen, digitalen Portalen zu erheben. Die Erfassung im Rahmen der AV THVB bleibt unberührt.

Nummer 8 Beteiligte

  • (1) Beteiligte in Teilprozessen des Berliner Gesamtplanverfahrens sind insbesondere
    • a) Die leistungssuchende Person sowie
    • b) auf Wunsch der leistungsberechtigten Person eine oder mehrere Vertrauenspersonen (vgl. Nr. 10), sofern vorhanden deren gesetzliche Vertreter, wie gesetzliche Sorgeberechtigte und Vormünder, bestellte gesetzliche oder Verfahrens-Betreuer/innen sowie rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte, Beistände sowie
    • c) die für Teilhabeplanung und Leistungskoordination zuständigen Dienstkräfte des jeweiligen Teilhabefachdiensts (vgl. Nr. 208). Die Dienstkräfte nach Satz 1 tragen gemeinsam die Fallverantwortung.
  • (2) Vom Teilhabefachdienst in Teilprozessen des Berliner Gesamtplanverfahrens zu beteiligen sind insbesondere:
    • a) die vom Leistungsträger zu beteiligenden zuständigen Rehabilitationsträger, Sozialleistungsträger (§§ 15, 117 Abs. 3, Abs. 4 SGB IX) oder andere öffentliche Stellen (§§ 117 Abs. 5, 22 SGB IX) in den Teilprozessen der Nr. 7 Abs. 2 lit. c) und d), Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen, Nr. 23 ff. und Teilhabe-Assessment, Nr. 84 ff.);
    • b) die Gesundheitsämter oder andere geeignete Sachverständige im Teilprozess Nr. 7 Abs. 2 lit. d) (Teilhabe-Assessment) für eine erforderliche Einschätzung einer Funktionsbeeinträchtigung nach Nr. 85, 86 und als Grundlage für die Zuordnung der antragstellenden Person zum leistungsberechtigten Personenkreis nach Nr. 101 Abs. 2 und
    • c) der Leistungserbringer in den Teilprozessen Nr. 7 Abs. 2 lit. e) (Ziel- und Leistungsplanung siehe Nr. 105 ff.), h) (Begleitung im Leistungszeitraum nach Nr. 115 ff.) und i) (Evaluation siehe Nr. 118 ff.), da der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für ihn hat (§ 12 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4, Abs. 2 SGB X).
  • (3) Es wird diesbezüglich dokumentiert, wann welche Beteiligte nach Absatz 1 und Absatz 2 am Verfahren mitgewirkt haben oder zur Mitwirkung aufgefordert wurden, warum davon ggf. abgesehen wurde und wer welche Verfahrenshandlung vorgenommen hat oder auf wessen Veranlassung die Verfahrenshandlung erfolgt ist sowie zu welchen Ergebnissen dies geführt hat.
  • (4) Der Teilhabefachdienst kann zur Ermittlung des Bedarfs oder zur Durchführung des Berliner Gesamtplanverfahrens weitere Beteiligte hinzuziehen, soweit er sich eine Aufklärung des Sachverhalts verspricht. Dies gilt insbesondere für Bezugsbetreuer/innen.

Nummer 9 Verfahrensbeteiligte zur Stärkung der leistungssuchenden Person

  • (1) Zur Stärkung der leistungssuchenden Person sind, soweit vorhanden, die gesetzlichen oder bevollmächtigten Sorgeberechtigten sowie die in den §§ 10 ff. SGB X genannten Bevollmächtigten, Beistände, gesetzlichen oder Verfahrens-Betreuer im Verfahren zu beteiligen. Soweit nicht vom Gesetz besondere Voraussetzungen benannt werden, können auch Mitarbeitende der Leistungserbringer Verfahrensbeteiligte zur Stärkung der leistungssuchenden Person sein (z.B. Bezugsbetreuer/in als Beistand).
  • (2) Soweit eine rechtsgeschäftliche Vollmacht oder eine Bestellung von Amts wegen (§ 15 SGB X) erforderlich ist, um im Verfahren beteiligt zu sein, ist die entsprechende Urkunde zu den Akten zu nehmen. Daraus ergibt sich z.B. auch der Umfang der Beteiligung.

Nummer 10 Vertrauensperson (§ 117 Abs. 2 SGB IX)

  • (1) Gemäß § 117 Abs. 2 SGB IX ist über die gesetzlichen Beteiligten nach SGB X hinaus auf Verlangen der leistungssuchenden Person eine oder mehrere Personen ihres Vertrauens zu beteiligen. Aufgaben der Vertrauenspersonen sind insbesondere der leistungssuchenden Person Sicherheit im Verfahren und – falls erforderlich – Hilfestellung zur Verständigung und Kommunikation zu geben. Sie trägt in dieser Rolle insgesamt zur Stärkung und Partizipation der leistungssuchenden Person bei. Neben Personen aus dem persönlichen und sozialen Umfeld, kommen als Vertrauenspersonen insbesondere auch Mitarbeiter/innen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) und Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung oder Bezugsbetreuer/innen in Betracht.
  • (2) Die leistungssuchende Person entscheidet, ob, inwieweit und wie lange eine Vertrauensperson beteiligt wird. Daher ist insbesondere in den Teilprozessen Nr. 7 Abs. 4 der Wunsch nach Beteiligung der Vertrauensperson abzufragen und zu dokumentieren. Der Teilhabefachdienst hat die Vertrauensperson zurückzuweisen, soweit gemäß § 13 Abs. 5 SGB X selbstständige Rechtsdienstleistungen erbracht werden, ohne dass eine entsprechende Erlaubnis vorliegt. Er kann nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens die Vertrauensperson zurückweisen, soweit die Voraussetzungen gemäß § 13 Abs. 6 SGB X vorliegen. Die Nr. 88 ff. bleiben unberührt.
  • (3) Sofern eine dem bisher oder zukünftig gewählten Leistungserbringer zugehörige, natürliche Person (z.B. Mitarbeitende) nicht funktionsgemäß nach Nr. 8, sondern als Vertrauensperson ausschließlich die Interessen der leistungssuchenden Person vertreten soll, ist dies nur dann möglich, soweit dazu beraten und auf einen möglichen Interessenskonflikt hingewiesen wurde. Die Entscheidung nach Satz 2 ist zu begründen und zur Akte zu nehmen. Die Beteiligungsrechte des Leistungserbringers nach Nr. 8 Abs. 2 lit. c bleiben unberührt.

Nummer 11 Unterstützung bei der Mitwirkungspflicht; fehlende Mitwirkung

  • (1) Die Mitwirkungspflichten der leistungssuchenden Person im Gesamtplanverfahren bestimmen sich nach §§ 60, 62 und 65 SGB I. Vor der Feststellung einer fehlenden Mitwirkung ist der Teilhabefachdienst verpflichtet gemäß § 106 Abs. 2 und Abs. 3 SGB IX umfassend über die Folgen in einer für die leistungsberechtige Person wahrnehmbaren Form zu beraten sowie soweit erforderlich bei der Erfüllung der Mitwirkungspflicht zu unterstützen. Die Durchführung und das Ergebnis der Beratung und Unterstützung nach Satz 1 sind aktenkundig zu dokumentieren.
  • (2) Insbesondere kann die Leistung nach § 66 SGB I zeitweilig bis zum Nachholen der fehlenden Handlung nur versagt oder entzogen werden, wenn zuvor (soweit relevant):
    • a) Hilfe bei der Antragsstellung angeboten wurde und diese nicht angenommen wurde (§ 106 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX),
    • b) die Unterstützung auf das Hinwirken auf zeitnahe Entscheidungen und
    • c) Leistungen anderer Sozialleistungsträger angeboten wurde und nicht angenommen wurde (§ 106 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB IX),
    • d) auf externe Beratungs- und Unterstützungsangebote, insbesondere auf die Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen (EUTBs), hingewiesen wurde (§ 106 Abs. 4 SGB IX),
    • e) erfolglos Hilfe bei der Erfüllung von Mitwirkungspflichten angeboten wurde (§ 106 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX) und es rechtlich oder tatsächlich (z.B. behinderungsbedingt) unmöglich für die leistungssuchende Person ist, die gebotene Mitwirkungshandlung selbst vorzunehmen,
    • f) vom Teilhabefachdienst, insbesondere die Möglichkeiten von Einholung von Nachweisen nach § 6 Abs. 2 EGovG Bln ausgeschöpft wurden,
    • g) die leistungssuchende Person aufgefordert wurde eine Handlung vorzunehmen und sie rechtlich und tatsächlich insbesondere trotz ihrer Beeinträchtigung im Stande ist, die geforderte Handlung vorzunehmen,
    • h) die Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert und die Voraussetzungen (noch) nicht (anderweitig) nachgewiesen sind. Insbesondere die Nutzung von anderen Verfahrensbeteiligten zur Stärkung der leistungssuchenden Person (Nr. 9 f.) sind fehlgeschlagen, und die leistungssuchende Person auf die Folgen fehlender Mitwirkung hingewiesen wurde und eine angemessene Frist zur Nachholung der Mitwirkung nach § 67 SGB I gesetzt wurde.

Nummer 12 Vorläufige Leistungen (§ 120 Abs. 4 SGB IX)

  • (1) In einem Eilfall gemäß § 120 Abs. 4 SGB IX können nach pflichtgemäßem Ermessen hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen und des voraussichtlichen Umfangs der Leistungen nach summarischer Prüfung bereits vor Beginn der Gesamtplankonferenz Leistungen erbracht werden. § 43 SGB I ist nicht anzuwenden (§ 24 S. 3 SGB IX).
  • (2) Unabdingbar ist die Ermittlung des Willens der leistungssuchenden Person, Leistungen der Eingliederungshilfe zu erhalten (Nr. 22) und das Vorliegen der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit nach Nr. 24 ff.; hinsichtlich Einkommen und Vermögen ist eine summarische Betrachtung anzustellen. Ist die Einkommens- und Vermögenslage nicht abschließend zu klären und ist ein Einsetzen von Eingliederungshilfe zeitlich geboten, ist unter der Bedingung der ggf. erforderlichen Rückzahlung zu leisten. Der Rückzahlungsanspruch kann dinglich oder in anderer Weise gesichert werden.
  • (3) Ein Eilfall für die Erbringung von Eingliederungshilfe liegt insbesondere vor:
    • a) bei unaufschiebbaren, einmaligen Leistungen (z.B. Hilfsmittel), bei denen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 6 SGB IX erfüllt sind
    • b) bei Konstellationen, die unter die in § 7 Abs. 2 BRV genannten Fallgruppen fallen und
    • c) in Kontexten von Gewaltbetroffenheit / Gewaltschutz.
  • (4) Ein Eilfall entbindet nicht von der (nachträglichen) Durchführung des Gesamtplanverfahrens, insbesondere der Anwendung desTeilhabebedarfsermittlungsinstruments Berlin sowie soweit einschlägig des IAP in der entsprechenden Fassung. Soweit einschlägig gilt dies auch im Falle des § 21 Satz 2 SGB IX für die Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII.
  • (5) Hinsichtlich wohnungsloser leistungsberechtigter Personen die Assistenzleistungen nach § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX benötigen, ist zusätzlich § 5 Abs. 5 BRV zu beachten.

Nummer 13 Befristung und Umfang der Leistung im Eilfall

  • (1) Eine Bewilligung im Einzelfall als Eilfall ist grundsätzlich auf drei Monate zu befristen. Die Frist ist zu verlängern, soweit Gründe für eine längere, reguläre Verfahrensdauer vorliegen, die nicht in der fehlendenden Erfüllung der Mitwirkungspflichten und der ausgeschöpften Unterstützung bei der Mitwirkung (Nr. 11) in der leistungssuchenden Person liegen. Eine Bewilligung als Eilfall kann auf insgesamt maximal sechs Monate verlängert werden, sofern die Voraussetzungen von Satz 2 vorliegen. Die Möglichkeiten der Sicherung des Anspruchs der darlehensweisen Gewährung in Nummer 73 Abs. 5, 6 sind zu beachten.
  • (2) Der Umfang der Leistungen im Einzelfall gegenüber der leistungsberechtigten Person und der Umfang der Kostenübernahme gegenüber dem Leistungserbringer berücksichtigt die in den §§ 5 bis 7 BRV vereinbarten Regelungen.

Nummer 14 Genehmigungsfiktion nach § 18 SGB IX

  • (1) Die Genehmigungsfiktion nach § 18 Abs. 1 SGB IX, wonach ein Antrag als genehmigt gilt, wenn er grundsätzlich nach zwei Monaten nicht entschieden wurde, findet wegen § 18 Abs. 7 SGB IX keine Anwendung für die Teilhabefachdienste.
  • (2) Der Ausschluss nach Absatz 1 gilt sowohl für Anträge und Bedarfe nach dem eigenen Leistungsrecht des SGB IX Teil 2, als auch für solche anderer Rehabilitationsträger (z.B. Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse nach dem SGB V), für die er als leistender Rehabilitationsträger nach §§ 14 f. SGB IX zuständig geworden ist.
  • (3) Anwendbar ist hingegen die Erstattungspflicht selbstbeschaffter Leistungen, sofern sie notwendig, erforderlich und das Maß des Wirtschaftlichen nicht übersteigt (§ 18 Abs. 6 SGB IX). Die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ist jedenfalls dann gewahrt, wenn die Höhe eine vergleichbare Sachleistung nicht übersteigt.

Kapitel II Beratung und Unterstützung

Nummer 15 Erstes Persönliches Beratungsgespräch durch den Teilhabefachdienst

  • (1) Ein erstes Persönliches Beratungsgespräch mit dem Teilhabefachdienst dient dazu, die ratsuchende Person unabhängig von unter Umständen anderweitig erfolgter Beratung bei anderen Anlaufstellen oder hinsichtlich einer etwaigen nachfolgenden Antragstellung zu beraten und insbesondere
    • a) das Anliegen und den Unterstützungsbedarf der ratsuchenden Person für den Antrag und für das Verfahren zu ermitteln
    • b) einen Überblick über Unterstützungsangebote im Sozialraum zu geben,
    • c) einen Überblick über die Rehabilitationsträger, Leistungsträger und anderer öffentlicher Stellen zu geben,** d) das Verfahren und das Leistungssystem der Eingliederungshilfe und dessen Nachrangigkeit bzw. dessen Verhältnis gegenüber anderen Sozialleistungssystemen zu erklären,
    • e) über das Wunsch- und Wahlrecht aufzuklären und
    • f) Hinweise zu sonstigen Beratungsstellen zu geben, insbesondere die Orte und Angebote der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung; nach Möglichkeit sind der ratsuchenden Person geeignete, wohnortnahe Angebote zu benennen.
  • (2) Die Beratung ist unabhängig davon durchzuführen, ob ein Antrag auf Leistung der Eingliederungshilfe gestellt wurde oder wird; sie muss nicht zu einem solchen Antrag führen. Es ist jedoch auf zeitnahe und vollständige Antragstellung, soweit Teilhabebedarfe ersichtlich sind, hinzuwirken (gem. § 12 SGB IX).
  • (3) Der Beratungsort ist von der ratsuchenden Person zu bestimmen. Er muss geeignet sein, ein Beratungsgespräch mit den Beteiligten durchführen zu können. Die ratsuchende Person bestimmt auch die Hinzuziehung der Vertrauenspersonen (Nr. 10).
  • (4) Die Beratung hat in einer für die Person wahrnehmbaren Form zu erfolgen (§ 106 Abs. 1 S. 2 SGB IX), so dass die leistungsberechtigte Person dem Gespräch unmittelbar folgen kann. Bei Bedarf ist beispielsweise ein/e Gebärdensprachdolmetscher/in gemäß § 17 Abs. 2 SGB I hinzuziehen. Barrierefreiheit kann z.B. auch bedeuten, dass Leichte Sprache zu verwenden ist oder in Leichte Sprache übersetzt wird, dass mit nonverbaler oder unterstützter Kommunikation gearbeitet wird.

Nummer 16 Beratungsergebnis

  • (1) Mit der in jeglicher Form möglichen Willensbekundung, eine Unterstützung durch Leistungen der Eingliederungshilfe mit dem Antragsinhalt nach Nr. 19 zu erhalten, gilt der Antrag als gestellt. In diesen Fällen sind bereits beigebrachte Unterlagen zur Akte zu nehmen oder auf die Beibringung der erforderlichen Unterlagen sowie auf mögliche Unterstützungsangebote und Mitwirkungspflichten nach Nr. 11 hinzuweisen.
  • (2) Wird aus dem Gespräch ohne weitere Ermittlungen eindeutig erkennbar, dass Beratungsbedarf hinsichtlich Leistungen anderer Leistungsträger oder anderer öffentlicher Stellen besteht, wird die ratsuchende Person beraten und bei einer notwendigen Antragstellung unterstützt. Dies ist keine Weiterleitung im Sinne des § 14 SGB IX.
  • (3) Über die Beratung und die Ergebnisse, insbesondere hinsichtlich des Unterstützungsbedarfs nach Nr. 15 Abs. 1 ist ein Beratungsprotokoll zu erstellen, zur Akte zu nehmen und der leistungsberechtigten Person auszuhändigen.

Nummer 17 Weitere Beratungen des Teilhabefachdienstes im Sozialverwaltungsverfahren

  • (1) Eine erforderliche Beratung durch den Teilhabefachdienst ist anlassbezogen auch während des Sozialverwaltungsverfahrens oder des Gesamtplanverfahrens durchzuführen. Nr. 15 Absatz 1 und Absatz 3 und Nr. 16 Absatz 3 gilt entsprechend.
  • (2) An geeigneten Stellen des Gesamtplanverfahrens wird auf mögliche externe Beratungsmöglichkeiten hingewiesen, insbesondere auf die Ergänzende, unabhängige Teilhabeberatung. Das kann prinzipiell jeder Prozessschritt sein, beginnend mit der Antragsstellung. Nr. 15 Abs. 1 ist zu beachten.
  • (3) Beratungen durch andere Stellen als den Teilhabefachdienst, etwa den Fachdiensten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes nach dem Gesundheitsdienste-Gesetz bleiben von dieser Regelung unberührt.

Kapitel III Antrag

Nummer 18 Antragserfordernis (§ 108 Absatz 1 SGB IX)

  • (1) Für die erstmalige Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe ist gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 SGB IX ein Antrag zu stellen. Soweit das Ende der letzten Leistungsgewährung mindestens sechs Monate ohne fortlaufenden Leistungsbezug der Eingliederungshilfe des Trägers der Eingliederungshilfe Berlin zurückliegt, ist ebenfalls ein Antrag zu stellen. In anderen Fällen kann das Verfahren ohne Antrag beginnen (Nr. 21).
  • (2) Demgemäß ist stets ein Antrag zu stellen, sofern zuvor Leistungen aus einem anderen Rechtskreis erbracht wurden (z.B. von SGB VIII zu SGB IX, von SGB XII zu SGB IX) und es sich bisher nicht um eine Leistung des Trägers der Eingliederungshilfe handelte.
  • (3) Werden während der Laufzeit eines ab dem 01.01.2020 aufgestellten Gesamtplans dem Teilhabefachdienst wesentliche Änderungen hinsichtlich Art, Inhalt und/oder Umfang des Bedarfs bekannt, die eine Änderung der Leistung oder der Leistungserbringung erfordern (z.B. mehr/ weniger, andere Leistung, Wechsel des Leistungserbringers), ist kein gesonderter Antrag erforderlich. Es ist jedoch unverzüglich ein entsprechender Bescheid zu erteilen -soweit erforderlich- auf Grundlage einer erneuten Ermittlung des Bedarfs (Nr. 78 ff.) sowie einer Aktualisierung der Ziel- und Leistungsplanung.

Nummer 19 Definition Antrag und Willensbekundung

  • (1) Ein Antrag liegt vor, wenn eine Willensbekundung vorliegt. Die Willensbekundung ist an keine bestimmte Form gebunden (Nr. 20 Abs. 1).
  • (2) Eine Willensbekundung liegt
    • a) in der Erklärung der Person Unterstützung durch Leistungen der Teilhabe nach §§ 4, 5 SGB IX insbesondere Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 SGB IX in Anspruch nehmen zu wollen oder
    • b) in dem durch Auslegung ermittelten wirklichen Willen ohne Bindung an den Wortlaut (Meistbegünstigungsprinzip). Falsche oder missverständliche Formulierungen sind dafür unerheblich. Auch die Erfolgsaussichten des Antrages sind für die Frage irrelevant, ob ein Antrag gestellt wurde.
  • (3) Mit dem Antrag wird auch der Unterstützungsbedarf für das Verfahren ermittelt. Dieser ist zur Akte zu nehmen.

Nummer 20 Form und Zeitpunkt

  • (1) Eine Antragsstellung kann formlos gegenüber dem jeweiligen Teilhabefachdienst erfolgen (z.B. schriftlich, elektronisch, (fern-)mündlich oder durch schlüssiges Verhalten). Als Antrag zählt auch eine Weiterleitung nach §§ 14, 15 SGB IX durch einen Rehabilitationsträger oder andere öffentliche Stelle (§ 16 SGB I).
  • (2) Antragszeitpunkt ist der Zeitpunkt, an dem der Wille zur Antragsstellung dem Teilhabefachdienst erkennbar ist oder bei ordnungsgemäßer Bearbeitung erkennbar werden musste. Dies ist durch eine Eingangsbestätigung in geeigneter Form (z.B. Poststempel) kenntlich zu machen. Der Antrag ist von Amts wegen zu datieren und gemäß Nr. 30 ff. die örtliche Zuständigkeit des Teilhabefachdienstes zu ermitteln. Erforderlichenfalls ist durch Auslegung zu bestimmen, ab wann von einer solchen Willensbekundung objektiv auszugehen ist. Ergänzend gestellte Anträge, die innerhalb von zwei Wochen nach erstmaliger Antragsstellung gestellt werden, werden dem Erstantrag zugerechnet. DerAntrag sowie insbesondere das Antragsdatum sind zur Akte zu nehmen und gemäß der AV THVB im IT-Fachverfahren Soziales zu dokumentieren.
  • (3) Soweit die Antragsstellung nicht auf dem dafür vorgesehenen Antragsformular erfolgt ist, ist der antragstellenden Person dieses auszuhändigen, zum Ausfüllen und Beibringen der notwendigen Unterlagen aufzufordern und bei Bedarf beim Ausfüllen und Beibringen nach Maßgabe von Nr. 11 zu unterstützen. Der Zeitpunkt der Antragsstellung bleibt davon unberührt und ist nach Absatz 2 zu bestimmen.
  • (4) Ist in Berlin ein anderer Teilhabefachdienst gemäß §§ 2, 3 AG SGB IX als der angegangene Teilhabefachdienst des Bezirks oder des LAGeSo sachlich zuständig, wird der Antrag unverzüglich an den örtlich und sachlichen zuständigen Teilhabefachdienst weitergeleitet. Eine solche Weiterleitung innerhalb des Trägers der Eingliederungshilfe Berlin gemäß § 1 AG SGB IX stellt keine Weiterleitung im Sinne von § 14 SGB IX dar. Die antragstellende Person ist über die interne Weiterleitung zu informieren.

Nummer 21 Beginn des Verfahrens ohne Antrag (§ 108 Abs. 2 SGB IX)

Soweit die leistungssuchende Person Leistungen der Eingliederungshilfe ohne oder mit einer Unterbrechung von weniger als sechs Monaten erhält und der Wille bekundet oder ermittelt wird (Nr. 19 Abs. 2) zukünftig Eingliederungshilfe zu erhalten, beginnt das Verfahren ohne Antrag. Bezogen auf das Gesamtplanverfahren ist dieser Verfahrensbeginn damit im Teilprozess Evaluation (Nr. 118 ff.) oder im Teilprozess Begleitung im Leistungszeitraum (Nr. 115 ff.) möglich. Das bloße Weitererbringen von Leistungen der Eingliederungshilfe ist noch keine Willensbekundung, vielmehr benötigt es den Willen der leistungsberechtigten Person, weiterhin Eingliederungshilfe erhalten zu wollen.

Nummer 22 Rechtsfolge der Willensbekundung

  • (1) Hat die Willensbekundung (Nr. 19) ergeben, dass die leistungssuchende Person weiterhin Leistungen erhalten will, informiert der Teilhabefachdienst die antragsstellende Person über das weitere Verfahren, insbesondere die erforderlichen Unterlagen. Er wirkt auf deren Beibringung hin und leistet die dafür erforderliche Unterstützung (§ 106 Abs. 3 SGB IX).
  • (2) Ein im Sinne des Abs. 1 bekundeter Wille gilt als Antrag nach § 14 SGB IX (Nr. 18 ff.) und ist der Beginn für die in Nr. 37 und Nr. 42 genannten Verfahrens- und Entscheidungsfristen. Soweit noch nicht geschehen, folgt der Antragsstellung das Erste Persönliche Beratungsgespräch.
  • (3) Gegen den Willen der Person nach Nr. 19 Absatz 1 ist ein Gesamtplanverfahren nicht durchführbar und eine Leistungsgewährung der Eingliederungshilfe ausgeschlossen. Ohne den Willen der Person ist ein solcher Leistungsausschluss nach Satz 1 nur dann möglich, soweit durch Abwägung der Umstände und der anderen Verfahrensbeteiligten bei verständiger, objektiver Betrachtungsweise eindeutig erkennbar wird, dass die Person keine Leistung der Eingliederungshilfe erhalten will. Die Entscheidung und deren Begründung sind zur Akte zu nehmen.
  • (4) Ist nach Auffassung des Teilhabefachdienstes eine Unterstützung für die Person im Sinne einer gegenwärtigen Notlage nach § 18 SGB XII offenkundig unabdingbar oder erforderlich und liegt ein Fall von Absatz 3 vor, vermittelt der Teilhabefachdienst an die nach seiner Auffassung zuständige Stelle weiter (z.B. Öffentlicher Gesundheitsdienst, andere Stelle im Amt für Soziales), damit die Person dort beraten und ggf. Hilfen nach dem SGB XII oder anderen Gesetzen in Anspruch nehmen kann.

Kapitel IV Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen

Nummer 23 Anspruchsvoraussetzungen

  • (1) Die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 SGB IX und damit zusammenhängender Fragen erfolgt nach diesem Kapitel, soweit sie nicht Bestandteil des Teilhabe-Assessments (Nr. 84 ff.) ist.
  • (2) Die Prüfung beinhaltet insbesondere:
    • a) die Zuständigkeit einschließlich der Feststellung und Wahrnehmung der Koordinationsverantwortung sowie Fragen der Erstattung,
    • b) die Nachrangigkeit und
    • c) den Einsatz von Einkommen und Vermögen.

Abschnitt 1 Zuständigkeit

Unterabschnitt a) Sachliche Zuständigkeit Teilhabefachdienst Soziales

Nummer 24 Aufgabenwahrnehmung durch den bezirklichen Teilhabefachdienst Soziales (§ 2 Abs. 1 AG SGB IX)

  • (1) Der bezirkliche Teilhabefachdienst Soziales nimmt die einzelfallbezogenen Aufgaben des Trägers der Eingliederungshilfe im Land Berlin (§ 1 AG SGB IX) wahr, soweit nicht der Teilhabefachdienst Jugend, das LAGeSo (§ 3 AG SGB IX) oder die Hauptverwaltung zuständig ist.
  • (2) Der bezirkliche Teilhabefachdienst Soziales nimmt auch die Aufgaben des Trägers der Sozialhilfe im Land Berlin wahr (§ 4 AG SGB IX i.V.m. § 2a AG-SGB XII), soweit er aufgrund von Absatz 1 zuständig ist. Mit Ausnahme der Regelungen zur Zuständigkeit gelten die insoweit gesondert geregelten landesrechtlichen Vorschriften. Liegt eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB XII vor, bleibt der Teilhabefachdienst Soziales für alle Mitglieder dieser Haushaltsgemeinschaft im Sinne des Absatzes 2 zuständig, solange ein Mitglied dieser Haushaltsgemeinschaft Eingliederungshilfe erhält.
  • (3) Der bezirkliche Teilhabefachdienst Soziales ist auch für Zuschüsse und Leistungen zuständig, die im Rahmen des Sicherstellungsauftrags des Trägers der Eingliederungshilfe (vgl. Nr. 4 Abs. 2) für Personen gewährt werden, für die er nach Absatz 1 zuständig ist. Dazu gehören insbesondere Zuschüsse nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (im Folgenden: SodEG).

Unterabschnitt b. Sachliche Zuständigkeit Teilhabefachdienst Jugend

Nummer 25 Organisation und besondere Aufgabenwahrnehmung durch den Teilhabefachdienst Jugend (§ 2 Abs. 2 AG SGB IX)

  • (1) Die Bezeichnung des Teilhabefachdienstes Jugend lautet „Jugendamt…- Teilhabefachdienst Jugend“. Die Organisationseinheit erfüllt insbesondere folgende Strukturmerkmale:
    • a) Eigenständige Einheit mit eigener Leitung,
    • b) Wahrnehmung der Rollen Leistungskoordination und Teilhabeplanung
    • c) Multiprofessionalität,** d) Barrierefreie Zugänglichkeit, einschließlich barrierefreier Information und Kommunikation und
    • e) Berlineinheitliche Fachstandards.
  • (2) Die Zuständigkeit nach Absatz 1 erfasst insbesondere folgende Aufgaben:
    • a) Leistungen der Eingliederungshilfe für
      • aa. Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 2 Abs. 2 AG SGB IX iVm. § 53 AG KJHG) und
      • bb. junge Volljährige soweit diese gleichzeitig Leistungen nach § 41 SGB VIII erhalten,
    • b) Beteiligung bei der Feststellung des Förderbedarfs Kindertagesbetreuung sowie ergänzende Förderung und Betreuung an Schulen (EFöB),
    • c) Kooperation mit anderen Rehabilitationsträgern sowie Koordination dieser, soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen (§ 5 SGB IX) oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind,
    • d) Leistungen nach dem Landespflegegeldgesetz und
    • e) Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII.
  • (3) Der Teilhabefachdienst Jugend nimmt gemäß § 53 AG KJHG Aufgaben des Trägers der Sozialhilfe nach dem Siebten Kapitel SGB XII wahr. Die dazu von der für Pflegewesen zuständigen Senatsverwaltung ergangenen Ausführungsvorschriften und Rundschreiben sind zu beachten. Die Aufgaben weiterer Leistungen nach dem SGB XII, die über Satz 1 hinausgehen, werden gemäß § 1 AG SGB XII von den Ämtern für Soziales wahrgenommen, nicht aber vom Teilhabefachdienst Soziales.
  • (4) Für leistungsberechtigte Personen, bei denen nach Prognose des Teilhabefachdienst Jugend weitere Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 SGB IX über die Altersgrenzen nach den Absätzen 1 und 2 in Betracht kommen, ist gemäß Nr. 47 zu verfahren.

Nummer 26 Organisation Teilhabefachdienst Jugend

  • (1) Im Teilhabefachdienst Jugend wird ein Eingangsmanagement eingerichtet, in welchem alle Anträge auf Teilhabeleistungen eingehen. Das Eingangsmanagement erfüllt hierbei insbesondere folgende Aufgaben:
    • a) Information insbesondere auch über die Angebote der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB);
    • b) Prüfung der örtlichen Zuständigkeit;
    • c) fristgerechte Weiterleitung gem. § 14 SGB IX von Anträgen, die in die Zuständigkeit anderer Rehabilitationsträger fallen.
    • d) Weiterleitung der Anträge an andere Stellen des Bezirksamtes, soweit die dortigen Bereiche zuständig sind (z.B. Wohngeld);
    • e) Veranlassung der nächsten Verfahrensschritte bei einem angenommenen Rehabilitationsbedarf.
  • (2) Wird ein Bedarf einer Leistung der Eingliederungshilfe im Regionalen Sozialpädagogischen Dienst (RSD) bekannt, wird der Teilhabefachdienst Jugend mit dem Einverständnis des Sorgeberechtigten informiert und das weitere Verfahren unter Beachtung der Zuständigkeitsregelungen abgestimmt. Ist ein Teilhabeplanverfahren nach Teil 1 Kapitel4 SGB IX und Nr. 7 ff. AV EH durchzuführen, erfolgt dies unter der Federführung des Teilhabefachdienstes Jugend.
  • (3) In den Fällen, in denen sowohl ein Bedarf an Leistungen zur Teilhabe als auch weiterer Bedarf an Leistungen gemäß SGB VIII besteht, wird im Jugendamt bei Sicherstellung der Teilhabeleistung die strukturelle Verknüpfung von RSD und Teilhabefachdienst Jugend in Form einer Tandemlösung gewährleistet, wobei die Verfahrenszuständigkeit für die Leistungen zur Teilhabe beim Teilhabefachdienst Jugend unberührt bleibt.
  • (4) Der Zuständigkeitsübergang in den bezirklichen Teilhabefachdienst Soziales oder an den Teilhabefachdienst des LAGeSo wird durch den Teilhabefachdienst Jugend eingeleitet (Nr. 43 ff.). Dieser stellt die Einhaltung der Verfahrensvorgaben für den Bereich dieses Überganges sicher. Dies gilt auch in den Fällen nach Nummer 27 Abs. 2 und 5.

Nummer 27 Besondere Form der Einbeziehung des RSD

  • (1) Tritt in einem Verfahren des Teilhabefachdienstes Jugend der Verdacht auf das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung auf, sind die Vorschriften des AV Kinderschutz JugGes anzuwenden.
  • (2) Auf Grund einer allgemeinen und schriftlichen Verfahrensfestlegung, die eine Laufzeit analog zu dieser AV hat, kann abweichend von der Regelzuständigkeit des Teilhabefachdienstes Jugend nach Nummer 25 und bei vorliegender Zustimmung der Sorgeberechtigten für folgende Fälle bezirklich geregelt werden, dass die innerdienstliche Gewährleistung der Durchführung der Eingliederungshilfe unter Beachtung der für die Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII maßgeblichen Vorgaben durch den RSD übernommen wird:
    • a) Es besteht für ein Kind oder einen Jugendlichen in der betreffenden Familie bereits ein laufender, individueller Hilfeprozess des Jugendamtes in der Zuständigkeit des RSD, oder es ist aufgrund der familiären Situation ein solcher zu erwarten.
    • b) Der RSD wirkt in Verfahren vor den Familiengerichten mit.
      Auch in diesen Fällen ist sicherzustellen, dass der Teilhabefachdienst mit dem Einverständnis der Sorgeberechtigten bei der Entscheidung über den Inhalt und Umfang der Leistung als Fachdienst für Eingliederungshilfe beteiligt wird.
  • (3) Soweit eine Teilhabeplanung erforderlich ist, muss diese vom RSD in Abstimmung mit dem Teilhabefachdienst Jugend erarbeitet und umgesetzt werden (Hilfen wie aus einer Hand).
  • (4) Bei Leistungen gem. § 35a SGB VIII sind die Vorschriften über die Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII anzuwenden. Im Rahmen der Leistungen gem. § 35a SGB VIII wird eine Teilhabeplanung durchgeführt, soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen, Leistungen mehrerer Rehaträger oder der Wunsch des Leistungsberechtigten oder des gesetzlichen Vertreters auf Erstellung eines Teilhabeplans vorliegen. Im Teilhabeplanverfahren nach § 21 Abs. 2 SGB IX finden die Vorschriften des § 36, 36b und 37c SGB VIII ergänzend Anwendung.
  • (5) Ebenfalls kann auf Grund einer allgemeinen und schriftlichen Verfahrensfestlegung die Gewährleistung der Durchführung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII im Zusammenwirken des Teilhabefachdienstes mit dem Regionalen Sozialpädagogischen Dienst erfolgen (Tandemstruktur). Soweit eine Teilhabeplanung erforderlich oder nach § 19 Abs. 2 Satz 3 SGB IX gewünscht wird, ist diese auch in diesen Fällen federführend vom Teilhabefachdienst durchzuführen.
  • (6) Eine Durchführungsübernahme des RSD gemäß der Absätze 2 bis 4 muss mit der Zustimmung der Betroffenen erfolgen. Die Betroffenen sind über die Auswirkungen zu informieren. Der Rechtsgrund und die Verfahrens- und Leistungsbedingungen für die Leistungen als Eingliederungshilfe bleiben von der Durchführungsübernahme unberührt und sind zu beachten.
  • (7) Die schriftlichen Verfahrensfestlegungen zwischen dem THFD Jugend und dem RSD nach Abs. 2 sind nach in Kraft treten der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung zu übermitteln.

Nummer 28 Leistungen außerhalb von Berlin (§ 3 Nr. 1 AG SGB IX)

  • (1) Das LAGeSo ist sachlich gemäß § 3 Nr. 1 AG SGB IX zuständig, wenn die leistungsberechtigte Person
    • a) nicht dem Teilhabefachdienst Jugend gemäß Nr. 25 zugewiesen ist,
    • b) ihren Wohnsitz außerhalb Berlins verlegt hat und
    • c) die Leistungen nicht nur temporär oder vereinzelt (sporadisch) außerhalb Berlins wahrgenommen werden. Sporadisch sind insbesondere Leistungen zur kulturellen und politischen Teilhabe (z.B. Teilnahme am Auswärtsfußballspiel).
  • (2) Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben, die vom Träger der Eingliederungshilfe Berlin gewährt werden und die ohne Änderung des Wohnsitzes außerhalb Berlins wahrgenommen werden, bleiben in der bezirklichen Aufgabenwahrnehmung im Bezirk des Wohnsitzes.
  • (3) Die Abgabe erfolgt bei noch nicht gewährter Leistung unverzüglich. Bei einem Umzug während der Laufzeit des Gesamtplans erfolgt die Fallabgabe gemäß AV Zust Soz.

Nummer 29 Zuständigkeit für Leistungen der Persönlichen Assistenz (§ 3 Nr. 2 AG SGB IX)

  • (1) Das LAGeSo ist für die Komplexleistung Persönliche Assistenz sachlich nach § 3 Nr. 2 AG SGB IX zuständig, soweit der Teilhabefachdienst Jugend nicht zuständig ist. Soweit die Voraussetzungen für Persönliche Assistenz (Vgl. Nr. 183) vorliegen, gewährt das LAGeSo auch andere Leistungen der Eingliederungshilfe zur Deckung etwaig vorhandener, weiterer Bedarfe. Nr. 24 Absatz 2 und Absatz 3 gelten entsprechend.
  • (2) Soweit es sich nicht um Persönliche Assistenz handelt, werden Leistungen durch die bezirklichen Teilhabefachdienste gewährleistet. Leistungen des Landespflegegeldes sind nicht in Zuständigkeit des LAGeSo zu gewähren.
  • (3) Die abschließende Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen, ob Persönliche Assistenz vorliegt, trifft der zuständige Fachbereich des LAGeSo. Etwaig entgegenstehende Auffassungen der bezirklichen Teilhabefachdienste sind insoweit unbeachtlich. Das Rundschreiben Soz. Nr. 02/2022 „Zuständigkeitsklärung und Verfahren bei Persönlicher Assistenz“ ist zu beachten. In Streitfällen kann die Schlichtungsstelle (Nr. 48) angerufen werden.

Unterabschnitt c. Örtliche und funktionale Zuständigkeit

Nummer 30 Geltungsbereich der Regelungen der örtlichen Zuständigkeit

  • (1) Für die Feststellung der örtlichen Zuständigkeit gelten diese Ausführungsvorschriften, soweit
    • a) Eingliederungshilfe gemäß § 108 SGB IX beantragt wird,** b) neben der Eingliederungshilfe weitere Leistungen des SGB XII beantragt werden (wegen § 98 Abs. 6 SGB XII),
    • c) die auf Basis von nicht trennbaren Leistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen aus anderen Rechtsgebieten (Komplexleistung) diese Vorschriften für anwendbar erklärt haben (aufdrängende Zuständigkeit) oder
    • d) pandemiebedingt oder aufgrund anderer Umstände für leistungsberechtigte Personen anderweitige Zuschüsse oder Geldzahlungen auf gesonderter Rechtsgrundlage des Bundes oder des Landes Berlin im Zusammenhang mit der Eingliederungshilfe gewährt werden.
      Leistungen der Komplexleistung Persönlichen Assistenz (vgl. Nr. 185 ff.) sind von Satz 1 lit.
      c. erfasst.
  • (2) Dieser Unterabschnitt der Ausführungsvorschriften gilt nicht für Leistungen nach Absatz 1,
    • a) für die explizit die Anwendung einer anderen Zuständigkeitsregelung vorgesehen ist oder
    • b) die auf Basis von nicht trennbaren Leistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen aus anderen Rechtsgebieten (Komplexleistung) eine andere Regelung zur örtlichen Zuständigkeit festgelegt haben (abdrängende Zuständigkeit).
      Zu Leistungen nach Satz 1 lit. b. gehören Leistungen gemäß des Rundschreibens Soz Nr. 08/2015 über Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe nach SGB XII für Elternteile mit einer geistigen und/oder körperlichen Behinderung in Mutter/Vater-Kind-Einrichtungen nach
      § 19 SGB VIII vom 10. November 2015, für welche die AV ZustJug gilt.
  • (3) Die AV EH gilt hinsichtlich der Regelung zur Zuständigkeit nicht für den Personenkreis, die sich im Anwendungsbereich des AsylbLG befinden. Für Zuständigkeitsfragen gilt in diesen Fällen die AV ZustAsylbLG.

Nummer 31 Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts

  • (1) Für die Feststellung der örtlichen Zuständigkeit nach diesen Ausführungsvorschriften ist grundsätzlich der Teilhabefachdienst des Bezirks zuständig, in dessen Bereich die antragstellende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Antragsstellung oder der Ermittlung des Beginns des Gesamtplanverfahrens (Nr. 18 ff.) hat. Ist das LAGeSo gemäß Nr. 28 und Nr. 29 sachlich zuständig, ist der örtliche Zuständigkeitsbereich im Sinne des § 98 SGB IX das Land Berlin.
  • (2) Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person bestimmt sich nach § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I. Maßgeblich ist, wo sie ihren Mittelpunkt haben will. Dafür ist der Wille der antragstellenden Person, bzw. des gesetzlichen Vertreters, und objektive Umstände heranzuziehen. Für die objektiven Umstände ist es erforderlich, dass das Verweilen an einem bestimmten Ort prognostisch von Dauer sein wird mindestens jedoch sechs Monate. Dazu zählt die eigene Wohnung oder Wohngemeinschaft. In den Fällen des § 98 Abs. 3 SGB IX gilt nicht der gewöhnliche Aufenthalt der Person selbst, sondern der gewöhnliche Aufenthalt der leiblichen Mutter.
  • (3) Der gewöhnliche Aufenthalt kann innerhalb Berlins auch in
    • a) einer eigenen Mietwohnung einschließlich Wohneigentums,
    • b) einer Wohngemeinschaft nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (im Folgenden: WBVG) oder anderen Rechtsgrundlagen,
    • c) besonderen Wohnformen nach § 113 Absatz 5 SGB IX i.V.m. § 42a Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 SGB XII,
    • d) von jungen Erwachsenen in Einrichtungen nach § 134 Absatz 1 SGB IX,
    • e) von Volljährigen in einer besonderen Ausbildungsstätte, die Leistungen der Eingliederungshilfe bei Tag und Nacht gewährt, § 134 Abs. 4 Satz 1 Satz SGB IX oder
    • f) von Volljährigen, die Leistungen von Leistungserbringern nach § 134 Absatz 4 Satz 2 SGB IX bei Tag und Nacht erhalten begründet werden. Voraussetzung ist, dass der Wille der antragstellenden Person (auf die Dauer von mindestens sechs Monaten) darauf gerichtet ist, dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen und die Person dies durch Einzug manifestiert hat. Eine zusätzliche eigene Wohnung kann ein Indiz sein, dass der Wohnsitz nicht in den in a) bis f) genannten Beispielen begründet werden soll, mithin kein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt. Hat die Person nicht ihren Willen darauf gerichtet dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen, ist der tatsächliche Aufenthalt maßgeblich.

Nummer 32 Nichtzuständigkeitsbegründender Aufenthalt in anderen Wohnformen, § 98 Abs. 4 SGB IX

  • (1) Kein gewöhnlicher Aufenthalt wird in anderen Wohnformen begründet. Zu diesen anderen Wohnformen zählen insbesondere
    • a) Frauenhäuser und andere Zufluchtswohnungen,
    • b) Gemeinschaftsunterkünfte des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten,
    • c) Einrichtungen oder andere Unterbringungen (z.B. in sog. ASOG-Einrichtungen), in denen wohnungslose Personen untergebracht sind,
    • d) Einrichtungen nach §§ 67 ff. SGB XII,
    • e) sonstigen, nicht unter Nr. 31 Abs. 1, lit. d), lit. e) und lit. f) fallenden stationären Einrichtungen in Zuständigkeit des Teilhabefachdienstes Jugend.
  • (2) In stationären Einrichtungen, in deren Konzept eine Betreuung bei Tag und Nacht gewährleistet wird, wird mit Ausnahme der in Nr. 31 Abs. 3 genannten Einrichtungen keine Zuständigkeit begründet. Satz 1 gilt für Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung beruhende Aufenthalte einer Vollzugsanstalt.

Nummer 33 Bestimmung der Zuständigkeit bei anderen Wohnformen und stationären Einrichtungen in Zuständigkeit des Teilhabefachdienstes Jugend

  • (1) Bei einem Aufenthalt in diesen anderen Wohnformen wird innerhalb Berlins der Teilhabefachdienst örtlich zuständig, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zwei Monate vor dem Beginn der Leistung durch Aufnahme in eine andere Wohnform nach Nr. 32 Absatz 1 hatte.
  • (2) Innerhalb des Trägers der Eingliederungshilfe Berlin findet eine Prüfung nur bis zwei Monate vor der Aufnahme in eine andere Wohnform oder einer stationären Einrichtung oder Vollzugsanstalt im Sinne der Nr. 32 Absatz 2 statt. Außerhalb Berlins ist der gewöhnliche Aufenthalt vor der letzten Unterbrechung der Einrichtungskette maßgeblich.
  • (3) Kann der gewöhnliche Aufenthalt bei Aufenthalt in anderen Wohnformen nicht binnen vier Wochen ermittelt werden oder besteht kein gewöhnlicher Aufenthalt, so ist gemäß der Geburtsdatenregelung der AV ZustSoz zu verfahren (derzeit Nr. 3 Absatz 3 und Absatz 4 AV ZustSoz).

Nummer 34 Bestimmung der Zuständigkeit in anderen Fällen (tatsächlicher Aufenthalt)

  • (1) Soweit ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht bestimmt werden kann und die Person nicht in einer anderen Wohnform nach Nr. 32 lebt, ist der tatsächliche Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der Antragsstellung maßgeblich. Um Doppelungen zu vermeiden, erfolgt eine berlinweite Abfrage des Teilhabefachdienstes bei anderen Teilhabefachdiensten, etwa über die IT- Fachsoftware.
  • (2) In Fällen in denen andere Stellen (z.B. LAGeSo) angegangen werden, wird der Bezirk örtlich zuständig, in dem der tatsächliche Aufenthalt liegt, soweit die angegangene Stelle nicht sachlich zuständig sein kann.

Nummer 35 Geltungsdauer der festgestellten örtlichen Zuständigkeit

  • (1) Eine einmal im Sinne der Nr. 30 bis 34 festgestellte örtliche Zuständigkeit bleibt bis zur Neufeststellung der örtlichen Zuständigkeit bestehen. Mit der Neufeststellung der örtlichen Zuständigkeit ist auch die Zuständigkeit insgesamt nach diesem Abschnitt neu zu prüfen.
  • (2) Eine Neufeststellung im Sinne des Absatzes 1 ist nur in folgenden Fällen möglich:
    • a) es wurden mindestens sechs Monate keine Leistungen der Eingliederungshilfe durch den Träger der Eingliederungshilfe Berlin erbracht (Ende des letzten Gesamtplans) oder
    • b) der gewöhnliche Aufenthalt wird innerhalb der Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe Berlin in der (örtlichen) Zuständigkeit eines anderen Teilhabefachdienstes eines anderen Bezirkes begründet.

Die Zuständigkeit des LAGeSo bleibt bei einem Wohnungswechsel innerhalb Berlins unberührt.

Nummer 36 Funktionale Zuständigkeit innerhalb der Teilhabefachdienste

Die funktionale Zuständigkeit der jeweiligen für Teilhabeplanung und Leistungskoordination zuständigen Fachkräfte richtet sich nach dem Sozialraum (Nr. 206), in dem die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Unterabschnitt d) Koordinierende Zuständigkeit im Außenverhältnis

Nummer 37 Leistender Rehabilitationsträger (§ 14 SGB IX)

  • (1) Innerhalb von zwei Wochen ab Eingang des Antrags (Nr. 18) im Teilhabefachdienst oder ab Kenntnis des Teilhabefachdienstes vom Willen eines voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs (Nr. 21) klärt der Teilhabefachdienst, ob er insgesamt örtlich (Nr. 30 ff.) und sachlich (Nr. 24 ff.) zuständig ist.
  • (2) Insgesamt unzuständig ist der Teilhabefachdienst
    • a) der für keine der Leistungen zur Teilhabe zuständig ist, weil alle Leistungen zur Teilhabe insgesamt vorrangig, andere Rehabilitationsträger oder das Inklusionsamt zur Leistung verpflichtet sind,
    • b) das Begehr der antragstellenden Person sich ausschließlich auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen zur Teilhabe im Sinne des § 5 Nr. 3 SGB IX richtet,
    • c) offensichtlich keine Teilhabeleistung beantragt wurde oder
    • d) das Land Berlin als Träger der Eingliederungshilfe örtlich nicht zuständig ist.
  • (3) Im Fall der vollständigen Unzuständigkeit nach Absatz 2 leitet der Teilhabefachdienst den Antrag innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 14 SGB IX an die nach seiner Auffassung zuständige Stelle weiter, begründet die Weiterleitung und informiert die antragstellende Person.
  • (4) Ist der Teilhabefachdienst ganz oder teilweise zuständig, leitet er als leistender Rehabilitationsträger das Gesamtplanverfahren einschließlich der Prüfung der Voraussetzungen sowie die Koordination mit anderen Rehabilitationsträgern und anderen öffentlichen Stellen ein.

Nummer 38 Weiterleitung im Sinne des § 14 SGB IX

  • (1) Eine Weiterleitung im Sinne von § 14 SGB IX ist jede Zusendung eines Antrags mit Verweis auf eine komplette Unzuständigkeit nach § 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX von einem Rehabilitationsträger oder Inklusionsamt zu einem weiteren Rehabilitationsträger oder Inklusionsamt.
  • (2) Eine Weiterleitung im Sinne des § 14 SGB IX liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Teilhabefachdienst Jugend im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung als Träger der Jugendhilfe nach SGB VIII dem Teilhabefachdienst Soziales als Träger der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX einen Antrag oder eine Kenntnis von einer Willensbekundung (vgl. Nr. 21) weiterleitet.
  • (3) Keine Weiterleitung im Sinne des § 14 SGB IX sind Zusendungen innerhalb des Trägers der Eingliederungshilfe des Landes Berlin, insbesondere:
    • a) Teilhabefachdienst Jugend im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung als Träger der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX (Nr. 25) des Landes Berlin nach § 1 AG SGB IX an einen Teilhabefachdienst Soziales,
    • b) zwischen bezirklichem Teilhabefachdienst Soziales oder Teilhabefachdienst Jugend und dem Teilhabefachdienst im Landesamt für Gesundheit und Soziales,
    • c) zwischen dem Fachbereich Hilfe zur Pflege und dem Teilhabefachdienst Soziales und
    • d) Hauptverwaltung zu einem Teilhabefachdienst.

Nummer 39 Zuständigkeit im Außenverhältnis

  • (1) Eine Zuständigkeit im Außenverhältnis gegenüber der antragstellenden Person als leistender Rehabilitationsträger wird begründet, wenn
    • a) nicht rechtzeitig in den Fällen von Nr. 37 Absatz 2 weitergeleitet wurde, also binnen zwei Wochen ab Antragseingang oder
    • b) ein weitergeleiteter Antrag nach Nr. 38 vorliegt und
    • c) eine einvernehmliche (weitere) Weiterleitung nach § 14 Abs. 3 SGB IX zu einem anderen Rehabilitationsträger (Turboklärung) nicht erfolgsversprechend ist oder scheitert.
  • (2) Die Zuständigkeit im Außenverhältnis begründet keinen Anspruch auf Bewilligung. Sie soll eine zügige Entscheidung zur Deckung von Rehabilitationsbedarfen sicherstellen.
  • (3) Bei einer Zuständigkeit im Außenverhältnis, die nicht auf einer tatsächlichen sachlichen (Nr. 24 ff.) oder örtlichen (Nr. 30 ff.) Zuständigkeit beruht, also das Land Berlin als Träger der Eingliederungshilfe unzuständig ist, prüft der im Außenverhältnis zuständig gewordene Teilhabefachdienst, ob ein Erstattungsanspruch gegen den eigentlich zuständigen Rehabilitationsträger (z.B. § 16 SGB IX), Sozialleistungsträger (z.B. §§ 102 ff. SGB X) oder der eigentlich zuständigen anderen (öffentlichen) Stelle gegeben ist und macht diesengeltend. Der Erstattungsanspruch gegen Rehabilitationsträger nach § 16 SGB IX umfasst regelmäßig auch eine Verwaltungskostenpauschale und ist zu verzinsen (§ 16 Abs. 3, Abs. 6 SGB IX).

Nummer 40 Antragssplitting (§ 15 Abs. 1 SGB IX)

  • (1) Ein Antragssplitting nach § 15 Abs. 1 SGB IX kann nicht durch den Träger der Eingliederungshilfe als leistenden Rehabilitationsträger ausgelöst werden, da er für alle wesentlichen Leistungsgruppen nach §§ 5, 6 Nr. 7 SGB IX prinzipiell zuständig sein kann.
  • (2) Leitet ein leistender Rehabilitationsträger einen „gesplitteten“ Antrag nach § 15 Abs. 1 SGB IX an den Teilhabefachdienst weiter, prüft dieser seine Zuständigkeit gemäß § 14 SGB IX als erstangegangener Rehabilitationsträger und hat dementsprechend gem. § 14 SGB IX die Möglichkeit bei Unzuständigkeit fristgerecht weiterzuleiten. Die leistungsberechtigte Person ist von einer Weiterleitung zu unterrichten. Andernfalls entscheidet der Teilhabefachdienst über diesen Teil eigenverantwortlich. Die Entscheidungsfrist richtet sich nach § 15 Abs. 4 SGB IX.

Nummer 41 Beteiligung anderer Rehabilitationsträger (§ 15 Abs. 2 SGB IX) und weiterer öffentlicher Stellen (§ 22 SGB IX)

  • (1) Der Teilhabefachdienst prüft auf Basis des Anliegens der antragsstellenden Person die Erforderlichkeit der Beteiligung anderer Sozialleistungsträger, Rehabilitationsträger oder anderer öffentlicher Stellen. Dazu gehören:
    • a) andere Rehabilitationsträger nach § 6 SGB IX,
    • b) das Inklusionsamt,
    • c) die Betreuungsbehörde, soweit der Teilhabefachdienst zur Auffassung gelangt, dass andere Hilfen, insbesondere die Beratung und Unterstützung des Teilhabefachdienstes nicht ausreichen, um eine Betreuung im Sinne des Betreuungsrechtes zu vermeiden,
    • d) andere (öffentliche) Stellen, also insbesondere gesetzliche und private Pflegekassen,
      Jobcenter, (Hoch-)Schulen sowie die Jugendberufsagentur oder
    • e) das Jugendamt auf Wunsch der Sorgeberechtigten, soweit es nicht schon als Rehaträger beteiligt ist.
  • (2) Die Beteiligung anderer Stellen, insbesondere Betreuungsbehörde (§ 22 Abs. 4 SGB IX) und Pflegekasse (§ 22 Abs. 2 SGB IX), ist nur nach vorheriger Zustimmung der leistungsberechtigten Person statthaft. Die leistungsberechtigte Person kann die Beteiligung und Information anderer Beteiligter anregen.
  • (3) Durch die Beteiligung anderer öffentlicher Stellen im Sinne des § 22 SGB IX werden die Entscheidungsfristen nicht verlängert. Andere öffentliche Stellen sind nicht an die Fristen von
    §§ 14, 15 SGB IX gebunden. Eine Entscheidung in der Sache kann nur durch mangelnde Mitwirkung der leistungsberechtigten Person oder eine für die Entscheidung maßgebliche Tätigkeit einer anderen Stelle (z.B. fachärztliche Stellungnahme, Gutachten) verzögert werden.
  • (4) Das Ergebnis der Prüfung, die Aufforderung zur Beteiligung und die Ergebnisse der Beteiligung sind einschließlich der erforderlichen Fristen zur Akte zu nehmen.

Nummer 42 Rechtsfolge der Beteiligung nach § 15 SGB IX

  • (1) Der Teilhabefachdienst als leistender Rehabilitationsträger ist an die Feststellung der angefragten Rehabilitationsträger gebunden, soweit diese innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind (§ 15 Abs. 2 S. 2 SGBIX). Die Rehabilitationsträger bewilligen und erbringen die Leistungen nach ihren jeweiligen Leistungsgesetzen (§ 15 Abs. 3 SGB IX), dokumentiert in einem Gesamt- und Teilhabeplan des Teilhabefachdienstes. Gleiches gilt für fristgerechte Stellungnahmen anderer öffentlicher Stellen.
  • (2) Soweit Rehabilitationsträger nicht oder nur unzureichend der Aufforderung zur Stellungnahme innerhalb der Fristen des § 15 Abs. 2 S. 2 SGB IX nachkommen, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen der Rehabilitationsträger nach § 6 SGB IX in eigenem Namen. Das jeweilige Ergebnis ist im Gesamt- oder Teilhabeplan zu dokumentieren. Nr. 39 Abs. 2 gilt entsprechend.
  • (3) Sollte der Teilhabefachdienst die Aufforderung zur Stellungnahme nach § 15 Abs. 2 S. 2 SGB IX erhalten, ist binnen der Fristen das Nötige zu veranlassen und dem leistenden Rehabilitationsträger über etwaige Hinderungsgründe des Abgebens einer umfassenden Stellungnahme zu informieren und sich diesbezüglich ins Benehmen zu setzen.
  • (4) Eine Entscheidung nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen im Sinne des Absatz 1 Satz 1 ist ausgeschlossen in Fallkonstellationen
    • a) des Antragsplittings nach § 15 Abs. 1 SGB IX,
    • b) der Turboklärung nach § 14 Abs. 3 SGB IX und
    • c) in denen das Integrationsamt oder andere (öffentliche) Stellen zu beteiligen sind. Davon unberührt bleiben jedoch Pflegeversicherung und Hilfe zur Pflege (vgl. Nr. 122 ff.).

Unterabschnitt e) Wechsel der örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit zwischen den Teilhabefachdiensten

Nummer 43 Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zwischen den Teilhabefachdiensten

  • (1) Soll ein Wechsel der Zuständigkeit (Abgabe) nach Auffassung des abgebenden Teilhabefachdienstes zu einem anderen Teilhabefachdienst erfolgen, legt der abgebende Teilhabefachdienst dem anderen Teilhabefachdienst dar, warum eine Abgabe erforderlich ist.
  • (2) Eine Abgabe von einem Teilhabefachdienst zum anderen Teilhabefachdienst setzt voraus, dass
    • a) das Gesamtplanverfahren einschließlich des feststellenden Bescheids erstellt und abgeschlossen worden ist und
    • b) die Ergebnisse der Feststellungen dazu führen, dass der gewöhnliche Aufenthalt in der Zuständigkeit eines anderen Teilhabefachdienstes begründet wurde.
      Wird während des Gesamtplanverfahrens absehbar, dass der gewöhnliche Aufenthalt in einem anderen bezirklichen Teilhabefachdienst begründet wird, informiert der abgebende Teilhabefachdienst den voraussichtlich zukünftigen Teilhabefachdienst.
  • (3) Im Einvernehmen mit dem zukünftigen Teilhabefachdienst und nach (gesonderter) Zustimmung der leistungsberechtigten Person kann auch während des Verfahrens nach Nr. 45 ff. eine Abgabe erfolgen. Die Zustimmung ist zur Akte zu nehmen.

Nummer 44 Fallabgaben zwischen den bezirklichen Teilhabefachdiensten Soziales und Fallabgaben zwischen den Teilhabefachdiensten Jugend

  • (1) Fallabgaben erfolgen zwischen den bezirklichen Teilhabefachdiensten Soziales, soweit der Bescheid von dem abgebenden bezirklichen Teilhabefachdienst Soziales erteilt wurde und die Person in den Zuständigkeitsbereich eines anderen bezirklichen Teilhabefachdienstes Soziales gezogen ist. Der zur Abgabe verpflichtete bezirkliche Teilhabefachdienst hat vor der Abgabe alle Arbeiten und Anträge zu erledigen. Nr. 38 ist zu beachten. Die leistungsberechtigte Person wird von der Fallabgabe vom abgebenden bezirklichen Teilhabefachdienst Soziales informiert.
  • (2) Einvernehmlich kann auch ein anderer Zeitpunkt zwischen den bezirklichen Teilhabefachdiensten Soziales verabredet werden.
  • (3) Der OPEN/PROSOZ-Fall sowie die Aktenvorgänge sind innerhalb von drei Werktagen nach Abschluss des Monatsprüf-/Zahllauf abzugeben. Es ist sicherzustellen, dass alle Leistungen bis einschließlich für den Folgemonat ausgezahlt wurden und der OPEN/PROSOZ-Fall keine offenen SOLL-Stellungen oder Überzahlungen ausweist. Alle vor dem Monatsprüflauf eingehende Rechnungen sind zu begleichen.
  • (4) Die Absätze 1 und 3 gelten für die Teilhabefachdienste Jugend entsprechend, soweit die für Jugend zuständige Senatsverwaltung nichts Abweichendes durch Rundschreiben regelt.

Nummer 45 Fallabgaben bei der Komplexleistung Persönliche Assistenz

  • (1) Stellt ein bezirklicher Teilhabefachdienst Soziales fest, dass er sachlich nicht zuständig ist, weil Leistungen der Persönlichen Assistenz nach Nr. 29 in Betracht kommen, so zeigt er dies dem LAGeSo an und fügt folgende Unterlagen bei:
    • a) Vermerk über das positive Ergebnis der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe Berlin; bei Streitigkeiten ist die abschließende Entscheidung bzw. der Vergleich der ersten Instanz (Sozialgericht) abzuwarten; ist neben dem Eilverfahren der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache anhängig gemacht worden, so steht die Entscheidung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes der abschließenden Entscheidung gleich;
    • b) begründete Stellungnahme, dass auch Persönliche Assistenz gewünscht ist und nicht lediglich Unterstützung durch Leistungen der Eingliederungshilfe und Pflege,
    • c) Prüfungsvermerk des bezirklichen Teilhabefachdienstes Soziales, der bzgl. einer wesentlichen Behinderung (Nr. 94 ff.) auf Basis der Einschätzung des Gesundheitsamtes (Vgl. Nr. 85) ergeben hat, dass eine wesentliche Körperbehinderung vorliegt,
    • d) Leistungsbescheid der zuständigen Pflegekasse, der beinhaltet, dass mindestens ein Pflegegrad 3 gegeben ist,
    • e) begründete Stellungnahme, dass nach Auffassung des Teilhabefachdienstes voraussichtlich ein Bedarf von mindestens fünf Stunden insgesamt täglich besteht (vgl. Nr. 183 Absatz 5) und eine Ausdifferenzierung in Einzelleistung nicht sinnvoll ist und
    • f) Kopie der Unterrichtung der leistungsberechtigten Person über die Abgabe. Im Übrigen wird auf das Rundschreiben Soz Nr. 02/2022
      Zuständigkeitsklärung und Verfahren bei Persönlicher Assistenz vom 15.03.2022 verwiesen.
  • (2) Eine Abgabe der bezirklichen Teilhabefachdienste Soziales erfolgt nicht, wenn offenkundig mindestens eine Unterlage nach Absatz 1 a) bis f) nicht vorliegt.
  • (3) Das LAGeSo prüft in den zugeleiteten Fällen nach Absatz 1 seine sachliche Zuständigkeit. Sind die Voraussetzungen der Persönlichen Assistenz seiner Auffassung nach nicht erfüllt und eine sachliche Zuständigkeit nicht gegeben, erteilt es mindestens einen Teilablehnungsbescheid gegenüber der leistungsberechtigten Person und verweist ggf. auf potentielle Unterstützung durch den örtlich zuständigen Bezirk.
  • (4) Geht der Antrag beim LAGeSo ein, prüft das LAGeSo die örtliche, sachliche und koordinierende Zuständigkeit nach Nr. 24 ff. und erteilt im Ergebnis seiner Prüfung gegenüber der leistungsberechtigten Person einen Leistungsbescheid oder entsprechend Absatz 3 einen Teilablehnungsbescheid. Soweit das LAGeSo in den Fällen einer (Teil-
    )ablehnung weitere Hilfen für erforderlich hält, leitet es den Antrag dem bezirklichen Ansprechpartner zu. Die bezirklichen Ansprechpersonen werden auf einer zentralen Liste festgehalten, die beim LAGeSo geführt wird. Wurden dem LAGeSo noch keine Ansprechpersonen benannt, erfolgt die Weiterleitung an die jeweilige Amtsleitung. Kommt das LAGeSo zum Ergebnis, dass keine weiteren Hilfen gewünscht sind, unterlässt es die Weiterleitung.
  • (5) Soweit Leistungen der Persönlichen Assistenz im Geltungszeitraum der Fassung der Gemeinsamen Ausführungsvorschriften Eingliederungshilfe vom 05.02.2020 (ABl. 2020, 972) gewährt wurden und sich die Voraussetzungen nach der aktuellen Fassung dieser Gemeinsamen Ausführungsvorschriften verändert haben, besteht ein Bestandsschutz bis zum Ende des Leistungszeitraums. Zu beachten sind bei der Prüfung der Voraussetzungen ggf. auch die Vereinbarungsinhalte in § 17 BRV sowie der Anlage 5 des BRV.

Nummer 46 Fallabgaben bezirklicher Teilhabefachdienst Soziales und LAGeSo bei auswärtiger Unterbringung

Stellt der bezirkliche Teilhabefachdienst Soziales fest, dass eine auswärtige Unterbringung erfolgt, gibt er den Fall an das LAGeSo ab und informiert die leistungsberechtigte Person. Bei auswärtiger Unterbringung durch den Teilhabefachdienst Jugend bleibt dieser bei anhängigen gerichtlichen Verfahren zur Zuständigkeit bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung zuständig, auch wenn er sachlich nicht mehr zuständig ist. Erst dann erfolgt eine Fallabgabe an das LAGeSo.

Nummer 47 Fallabgaben zwischen den Teilhabefachdiensten Jugend und Soziales

Die Fallabgaben zwischen den Teilhabefachdiensten Jugend und Soziales werden durch ein Gemeinsames Rundschreiben der für Jugend und Soziales zuständigen Senatsverwaltungen (Rundschreiben JugSoz. Nr. 01/2021) geregelt, welches anzuwenden ist. Hierbei ist sicherzustellen, dass es aufgrund des Übergangs zu keinen Leistungsabbrüchen kommt, die Übergabeplanung rechtzeitig erfolgt und insbesondere am aktuellen Bedarf orientierte Leistungsfortsetzungen oder Leistungsanschlüsse rechtzeitig und umfassend erfolgen. Nr.
38 ist zu beachten.

Nummer 48 Anrufen der Schiedsstelle für Zuständigkeitsfragen

  • (1) Zuständigkeitsfragen werden grundsätzlich zwischen den Teilhabefachdiensten geklärt.
  • (2) Konnte eine Einigung auf Amtsleitungsebene (bezirkliche Teilhabefachdienste Soziales) bzw. Referatsleitungsebene (LAGeSo) zu Zuständigkeitsfragen nach diesen Ausführungsvorschriften nicht erreicht werden, kann die für Soziales zuständige Senatsverwaltung (III B 2) als Schiedsstelle angerufen werden. Will der Teilhabefachdienst Jugend eine Streitschlichtung erreichen, ruft er die für Jugend zuständige Senatsverwaltung an.
  • (3) Eine Schlichtung ist nur zulässig, wenn
    • a) der schriftliche Antrag von der Behördenleitung mindestens des antragstellenden Teilhabefachdienstes schlussgezeichnet wurde,
    • b) die beteiligten Amtsleitungen vorab erklären, dass sie die jeweilige Entscheidung der Schlichtungsstelle umsetzen werden,
    • c) eine Stellungnahme des anderen Teilhabefachdienstes (Amtsleitung bzw. Referatsleitungsebene) enthält,
    • d) im Antrag erklärt wurde, wie eine Verfahrensregelung für die Zwischenzeit bis zur Entscheidung der Schlichtungsstelle erfolgt, um die notwendige Versorgung und Unterstützung der antragsstellenden Person sicherzustellen und
    • e) eine Unterrichtung der antragstellenden Person über die eingeleitete Zuständigkeitsklärung erfolgt ist und dem Antrag ein Nachweis darüber beigefügt ist.
      Das Nichtvorliegen bzw. die fehlende Darlegung einer oder mehrerer Voraussetzungen nach Satz 1 führt zur Unzulässigkeit des Antrags.
  • (4) Dem Antrag nach Absatz 2 ist der Sachverhalt sowie alle entscheidungsrelevanten Unterlagen beizufügen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist eine Antragstellung auf Schlichtung per (einfacher) E-Mail ausgeschlossen.

Nummer 49 Streitschlichtung durch die Hauptverwaltung

  • (1) Die nach Nr. 48 Absatz 2 federführende Senatsverwaltung prüft den Sachverhalt und kann ggf. weitere Unterlagen anfordern. Vor der Entscheidung in der Sache beteiligt sie bei fachlicher Betroffenheit andere zuständige Senatsverwaltungen.
  • (2) Die Entscheidung der federführenden Senatsverwaltung gilt für mindestens ein Jahr ab dem Datum der Schlusszeichnung der Schlichtung. Daraufhin führt der dann zuständige Teilhabefachdienst das Verfahren abschließend durch. Eine Zuständigkeit eines anderen Teilhabefachdienstes kann frühestens nach Ablauf der Frist nach Satz 1 begründet werden oder wenn sich wesentliche Änderungen beim Vorliegen der für die Entscheidung im Schlichtungsverfahren maßgeblichen Voraussetzungen ergeben.

Abschnitt 2 Nachrangigkeit, Verhältnis zu anderen Leistungssystemen

Nummer 50 Nachrangigkeit nach § 91 SGB IX

  • (1) Eingliederungshilfe ist grundsätzlich nachrangig zu gewähren (§ 91 SGB IX). Dies gilt insbesondere für vorrangige Leistungsverpflichtungen von Rehabilitationsträgern und anderer Stellen sowie für tatsächliche Leistungen von Angehörigen der leistungsberechtigten Personen und anderer Dritter.
  • (2) Der Nachrang gilt nicht in den Fällen des § 113 Abs. 6 SGB IX bei einer stationären Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V, wenn
    • a) die Begleitung und Befähigung der leistungsberechtigten Person zur Sicherstellung der Durchführung der Behandlung erbracht werden,
    • b) (andere) Leistungen der Eingliederungshilfe durch vertraglich gebundene Leistungserbringer nach § 123 SGB IX erbracht werden,
    • c) ein Vertrauensverhältnis zu einer Bezugsperson des vertraglich gebundenen Leistungserbringers besteht,** d) besondere nichtmedizinische Bedürfnisse eine Weiterversorgung im Krankenhaus erfordern und
    • e) der Teilhabefachdienst vorab einen solchen Bedarf im Gesamtplan gemäß Nr. 108 festgestellt hat.
      Satz 1 gilt nicht soweit die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig sind.

Nummer 51 Verhältnis zu Hilfen zur Gesundheit, § 93 Abs. 3 SGB IX

  • (1) Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfen zur Gesundheit nach §§ 47, 48 SGB XII vor, so wird die Eingliederungshilfe nur gewährt, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass trotz Gewährung von Leistungen der vorbeugenden Gesundheitshilfe oder Hilfe bei Krankheit eine durch das zu behandelnde Leiden hervorgerufene dauerhafte Beeinträchtigung zurückbleiben wird, die in Wechselwirkung mit einstellungs- oder umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate behindert.
  • (2) Kann hierüber bei Beginn der Behandlung noch keine Aussage gemacht werden, wird solange vorbeugende Gesundheitshilfe oder Hilfe bei Krankheit gewährt, bis die Feststellung, ob eine (wesentliche) Behinderung trotz dieser Leistungen zu erwarten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit getroffen werden kann.

Nummer 52 Verhältnis zu Leistungen der Pflege

  • (1) Leistungen der Pflegeversicherung und Leistungen der Eingliederungshilfe sind gleichrangig, § 91 Abs. 3 SGB IX. Das Gleiche gilt grundsätzlich für Leistungen der Hilfen zur Pflege nach dem SGB XII. Im Übrigen sind für das Verfahren gesonderte Vorschriften (Nr. 134 ff.) vorgesehen, so dass die Eingliederungshilfe Leistungen der Pflegeversicherung (vgl.
    § 103 Absatz 1 SGB IX und § 13 Abs. 4 SGB XI) oder Leistungen der Hilfe zur Pflege umfassen kann (vgl. § 103 Absatz 2 SGB IX).
  • (2) Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V (Grund- und Behandlungspflege) sowie weiterer (z.B. intensivpflegerischer) Leistungen des SGB V sind vorrangig zur Eingliederungshilfe, soweit sie im Rahmen der medizinischen Rehabilitation erbracht werden.

Nummer 53 Verhältnis zu Leistungen des Schul- bzw. Hochschulsystems

  • (1) Leistungen der inklusiven Schule werden vorrangig vor Maßnahmen der Eingliederungshilfe erbracht. Die Unterstützung durch Schulhelferinnen und Schulhelfer gemäß der Sopäd VO und den hierzu bestehenden aktuellen VV ist eine schulstrukturelle Maßnahme der inklusiven Schule, die von der für Bildung zuständigen Senatsverwaltung organisiert und finanziert wird (Maßnahmen der ergänzenden Pflege und Hilfe). Zusätzliche Leistungen der Eingliederungshilfe im Zusammenhang mit Schule sollen unter Einbeziehung der antragstellenden Sorgeberechtigten in Abstimmung zwischen dem Teilhabefachdienst Jugend, dem SIBUZ und der Schule ggf. geprüft und im Rahmen einer Teilhabeplankonferenz abgestimmt werden, sofern ein Teilhabeplan erstellt werden muss. Die Schule soll als andere öffentliche Stelle im Sinne des § 22 SGB IX einbezogen werden. Hinsichtlich weiterer konkretisierender Verfahren wird auf ein Rundschreiben der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung verwiesen.
  • (2) Berliner Hochschulen sind gemäß § 9 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 7 BerlHG verpflichtet, besonderen Bedürfnisse ihrer Studierenden oder ihrer Studienbewerber mit Behinderung zu berücksichtigen und in allen Bereichen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Leistungen der Eingliederungshilfe sind daher ausgeschlossen, soweit der Bedarf durch Leistungen derHochschule gedeckt wird. Leistungen der Eingliederungshilfe an Hochschulen, die nicht unter das BerlHG fallen (z.B. private Hochschulen), sind ebenfalls ausgeschlossen, soweit der Bedarf im Geltungsbereich des BerlHG gedeckt werden kann. Dies gilt auch für den Besuch einer Hochschule außerhalb des Landes Berlin.
  • (3) Für Leistungen anderer Bundesländer zu Hochschulen sind die jeweiligen landesrechtlichen Regelungen zu Rate zu ziehen. Soweit eine gleichwertige Regelung fehlt, kommen prinzipiell ergänzend für den außerhalb des Kernbereichs pädagogischer Arbeit liegenden Bedarfe auch Leistungen der Eingliederungshilfe (z.B. Teilhabe an Bildung) in Betracht.

Nummer 54 Verhältnis zum SGB II

Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX gehen inhaltsgleichen Leistungen des SGB II (z.B. Leistungen für Bildung und Teilhabe, §§ 28 ff. SGB II) vor.

Abschnitt 3 Eingliederungshilfe für Ausländer im Inland und für Deutsche im Ausland

Nummer 55 Eingliederungshilfe für Ausländer, § 100 SGB IX

  • (1) Eingliederungshilfe für Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und sich tatsächlich im Zuständigkeitsbereich des Teilhabefachdienstes des Trägers der Eingliederungshilfe aufhalten, wird grundsätzlich als Ermessensleistung gewährt. In einigen nachfolgend in Absatz 2 bis 4 dargestellten Fallgruppen besteht gleichwohl ein gebundener Anspruch auf Leistungen.
  • (2) Einen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben etwa Unionsbürger/innen mit einem Aufenthaltsrecht, die sich voraussichtlich dauerhaft in Deutschland aufhalten. Dies ist insbesondere anzunehmen bei einem Daueraufenthaltsrecht, einer (fortbestehenden) Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer/in bzw. Selbständige/r oder einer Freizügigkeitsberechtigung als Familienangehörige bzw. als nahestehende Person gem. FreizügG/EU einer solchen Person. Bei Unionsbürger/innen, die als Arbeitsuchende freizügigkeitsberechtigt sind oder die als Schüler/innen bzw. Auszubildende oder als deren sorgeberechtigte/r Eltern/teil ein Aufenthaltsrecht aufgrund der EU-Verordnung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit haben, kommt es auf den Einzelfall an, ob ein Ermessensanspruch oder ein gebundener Anspruch auf Eingliederungshilfe gegeben ist.
  • (3) Einen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben ferner nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannte Flüchtlinge und anerkannte Asylberechtigte. Sonderregelungen bestehen ebenfalls für österreichische Staatsangehörige und Personen, auf die das Europäische Fürsorgeabkommen anzuwenden ist.
  • (4) Drittstaatsangehörige haben gemäß § 100 Abs. 1 S. 2 SGB IX Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG) oder einen befristeten Aufenthaltstitel besitzen und sich voraussichtlich dauerhaft in Deutschland aufhalten werden. Diese Voraussetzung ist bei befristeten Aufenthaltstiteln in der Regel erfüllt, Ausnahmen sind befristete Aufenthaltstitel, deren Verlängerung ausgeschlossen ist, weil die Ausländerbehörde die Erlaubnis mit einem entsprechenden Vermerk nach § 8 Abs. 2 AufenthG versehen hat. Ist dies der Fall, ist die Gewährung von Eingliederungshilfe als Ermessensleistung zu prüfen.

Nummer 56 Entscheidungsmaßstab

Bei der Entscheidung über die Unterstützungsleistungen sind neben den Benachteiligungsverboten des Grundgesetzes und den einschlägigen UN-Konventionen insbesondere die Maßgaben der EU-Richtlinien für besonders schutzbedürftige Geflüchtete zu beachten sowie die EU-Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU) und der Richtlinie Flüchtlingsschutz (2011/95/EU), da u.a. geflüchtete Menschen mit Behinderung zu den besonders schutzbedürftigen Personenkreisen mit entsprechenden Leistungsansprüchen zählen.

Nummer 57 Ausschlussgründe

  • (1) Eine Gewährung von Eingliederungshilfe scheidet jedenfalls unmittelbar nach SGB IX aus bei Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG (§ 100 Abs. 2 SGB IX). Dies betrifft im Wesentlichen Inhaber einer Aufenthaltsgestattung, einer Duldung oder Grenzübertrittsbescheinigung. Dies steht der analogen Anwendung des 2. Teils des SGB IX nach § 2 AsylbLG jedoch nicht entgegen, da es sich dabei dem Grunde nach um Leistungen des AsylbLG handelt (vgl. Rundschreiben Soz Nr. 24/2020). Ein Anspruch nach § 2 AsylbLG auf analoge Leistungsgewährung gemäß SGB IX besteht in der Regel nach einem Aufenthalt von 18 Monaten. Liegt diese Voraussetzung (noch) nicht vor, erhalten Leistungsberechtigte mit Anspruch auf Grundleistungen nach § 3 AsylbLG bei Vorliegen eines entsprechenden Bedarfes die erforderlichen Leistungen entsprechend der Eingliederungshilfe nach § 6 Abs. 1 AsylbLG als Ermessensleistung. Bei der Auslegung und Anwendung sind die europarechtlichen Vorgaben und völkerrechtlichen Verträge, an die Deutschland gebunden ist (UN-Kinderrechtskonvention, UN-Behindertenrechtskonvention), zu berücksichtigen. Das behördliche Ermessen ist insoweit zugunsten des Menschen mit Behinderung eingeschränkt.
  • (2) Personen, die eingereist sind, um Eingliederungshilfe zu erhalten, haben keinen Anspruch auf diese Leistungen (§ 100 Abs. 3 SGB IX). Zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Eingliederungshilfe muss ein finaler Zusammenhang (prägendes Motiv) bestehen. Eine billigende Inkaufnahme allein ist nicht ausreichend.
  • (3) Für die Gewährung von Eingliederungshilfen nach § 35a SGB VIII gelten die anspruchseinschränkenden Regelungen des § 100 SGB IX nicht, insoweit ist § 6 SGB VIII vorrangig.

Nummer 58 Eingliederungshilfe im Ausland, § 101 SGB IX

Auch § 101 SGB IX trifft gegenüber dem § 24 SGB XII keine Neuregelung, sondern übernimmt Letzteren inhaltsgleich. Der Begriff stationäre Betreuung in einer Einrichtung ist als jeder mögliche Aufenthaltsort im Ausland zu verstehen, der allerdings eine Rückkehr aus den im Gesetz genannten Gründen unmöglich macht und die die unterstützungsbedürftige Person nicht zu vertreten hat.

Nummer 59 Weitergeltung von landesrechtlichen Regelungen

Die im Zusammenhang mit diesem Abschnitt im Bereich der Sozialhilfe oder des Asylbewerberleistungsgesetzes bereits geltenden oder zukünftig geltenden Ausführungsvorschriften und Rundschreiben gelten auch für den Bereich Eingliederungshilfe nach diesem Abschnitt.

Abschnitt 4 Einkommen und Vermögen

Nummer 60 Beitragspflicht (§§ 92, 135 ff. SGB IX)

  • (1) Für Leistungen der Eingliederungshilfe ist grundsätzlich ein Beitrag zu den entstehenden Kosten zu leisten, wenn und soweit
    • a) sie nicht ohne Rücksicht auf vorhandenes Einkommen oder Vermögen gewährt werden (§ 138 Abs. 1 SGB IX) und
    • b) die Grenzen für Einkommen oder verwertbares Vermögen überschritten sind.
  • (2) Flankierende Maßnahmen des Trägers der Eingliederungshilfe, wie der Beratungs- und Unterstützungsauftrag nach § 106 SGB IX, sind unabhängig von dem Einsatz von Einkommen und Vermögen zu erbringen.

Nummer 61 Verhältnis von Leistungen der Eingliederungshilfe zu anderen Gesetzen

  • (1) Beim Zusammentreffen von Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII wird gemäß Nr. 134 ff. verfahren.
  • (2) Bei gleichzeitiger Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II, nach dem dritten oder vierten Kapitel des SGB XII, nach § 27a des Bundesversorgungsgesetzes und der Gesetze, die das Bundesversorgungsgesetz für entsprechend anwendbar erklären (vgl. § 68 SGB I) an die leistungsberechtigte Person oder an eine Person, die zu ihrer Einsatzgemeinschaft gehören, richtet sich der Einsatz von Einkommen und Vermögen ausschließlich nach den jeweiligen Leistungsgesetzen. Eine Beitragspflicht im Rahmen der Eingliederungshilfe besteht in diesen Fällen nicht (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 8 SGB IX).
  • (3) Die Regelungen des SGB VIII zur Kostenheranziehung bleiben hiervon unberührt.

Nummer 62 Ausnahme von der Beitragspflicht (§ 138 SGB IX)

Für die in § 138 Abs. 1 SGB IX genannten Leistungen der Eingliederungshilfe ist kein Beitrag aufzubringen. Eine Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nach dem SGB IX ist in diesen Fällen nicht erforderlich.

Nummer 63 Einsatzpflichtiger Personenkreis

  • (1) Im Rahmen der Eingliederungshilfe sind zum Einsatz des Einkommens und Vermögens verpflichtet:
    • a) die leistungsberechtigte Person (auch die Minderjährige, aber nur für sich selbst)
    • b) Eltern oder Elternteile für im Haushalt lebende minderjährige Kinder (zu Einkommen:
      § 136 Abs. 1 SGB IX, zu Vermögen: § 140 Abs. 1 SGB IX); bei Leistungserbringung über Tag und Nacht an minderjährige Leistungsberechtigte und junge Volljährige ist § 142 SGB IX zu beachten.
  • (2) Der Einsatz von Einkommen und Vermögen kann demnach insbesondere nicht verlangt werden von
    • a) Ehegatten oder Lebenspartner/Lebenspartnerin oder Partner/Partnerin einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft der leistungsberechtigten Person und
    • b) den minderjährigen oder volljährigen Kindern für ihre mit ihnen im Haushaltsgemeinsacht lebenden Eltern und Geschwister.

Nummer 64 Beitrag (§§ 92, 137 Abs. 3 SGB IX)

  • (1) Im Bewilligungsbescheid gegenüber der leistungsberechtigten Person wird der von der leistungsberechtigten Person zu entrichtende Beitrag (Eigenanteil) ausgewiesen und von den Kosten abgezogen (Netto-Prinzip). Der Beitrag wird direkt vom Leistungsberechtigten anden Leistungserbringer entrichtet. Der Beitrag reduziert entsprechend auch die Kostenübernahme gegenüber dem Leistungserbringer.
  • (2) Werden Leistungen von mehreren Leistungserbringern ausgeführt, sollte der Eigenanteil im Leistungsbescheid entweder eindeutig einem Leistungsanbieter zugeordnet oder anteilig verteilt werden.
  • (3) Werden mehrere Leistungen nacheinander bewilligt, die im gleichen Zeitraum laufen, erfolgt die Festsetzung des Eigenanteils im Rahmen des ersten Bewilligungsbescheides. Für weitere Leistungen im gleichen Zeitraum oder weitere Leistungen an minderjährige Kinder im gleichen Haushalt im gleichen Zeitraum ist kein weiterer Beitrag aufzubringen (§ 138 Abs. 2 SGB IX).

Nummer 65 Nachweis des Einkommens (§ 135 SGB IX)

  • (1) Die Bemessung des Einkommens richtet sich nach dem Einkommensbegriff des Einkommenssteuerrechts (§ 2 EStG). Zum Nachweis der Einkünfte ist die Vorlage des Einkommenssteuerbescheides oder Rentenbescheides des Vorvorjahres ausreichend. Die Leistung kann nicht vom Vorliegen eines Einkommenssteuerbescheides abhängig gemacht werden. Liegt kein Einkommenssteuerbescheid vor, sind die Einkünfte anderweitig nachzuweisen.
  • (2) Einkünfte im Sinne des Gesetzes sind die sich nach Abzug der Betriebsausgaben oder Werbungskosten ergebenden Einkünfte im steuerrechtlichen Sinne.
  • (3) Als Renteneinkünfte sind mindestens die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) genannten, den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen, anzusehen. Beamtenpensionen sind keine Renten.
  • (4) Steuerfreie Einnahmen nach § 3 EStG werden nicht berücksichtigt. Dies gilt insbesondere für steuerfreie Einkünfte gem. § 3 Ziffer 1, lit. a) EStG unter anderem aus Leistungen aus einer privaten Pflegeversicherung (z.B. sog. „Bahr-Pflege“).
  • (5) Im Fall des Bezuges von existenzsichernden Leistungen nach SGB II und SGB XII ist die Vorlage des Bescheides als Nachweis dieser Leistung ausreichend.

Nummer 66 Einkommensprognose im Ausnahmefall (§ 135 Abs. 2 SGB IX)

  • (1) Eine Ermittlung der Jahreseinkünfte für das laufende Jahr erfolgt nur bei erheblichen Abweichungen in den Einkünften, z.B. wegen Arbeitslosigkeit, Rentenbezug, Wechsel von Voll- in Teilzeit oder erstmalige Aufnahme einer Beschäftigung. Bloße Schwankungen des Einkommens bei einer unveränderten Beschäftigungssituation sollen nicht zu einer Neuberechnung führen. Eine Neuberechnung soll nur durchgeführt werden, wenn eine Abweichung von mehr als 15 % zu erwarten ist. Es findet in der Regel kein nachträglicher Ausgleich statt.
  • (2) Soweit kein entsprechender Einkommensteuerbescheid vorhanden ist, kann die Ermittlung in folgenden Schritten erfolgen:
    • a) Feststellung der voraussichtlichen Einnahmen (Bruttoeinnahmen) des betreffenden Kalenderjahres,
    • b) Feststellung der steuerfreien und der steuerpflichtigen Einnahmen,
    • c) Zuordnung der steuerpflichtigen Einnahmen zu einer Einkunftsart im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG,
    • d) Feststellung der Werbungskosten oder Betriebsausgaben für die jeweilige Einkunftsart,
    • e) Abzug der Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei der jeweils relevanten Einkunftsart und
    • f) Summierung der einzelnen Einkünfte zur „Summe der Einkünfte“.

Nummer 67 Beitrag aus Einkommen (§ 136 SGB IX)

  • (1) Aufwendungsbeiträge sind gemäß § 136 Abs. 2 SGB IX aufzubringen, wenn das Jahreseinkommen im Sinne des § 135 SGB IX die Einkommensfreibeträge übersteigt, die sich nach der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV ausrichten.
  • (2) Die jährliche Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales jährlich in der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung) festgelegt. Hierzu wird gesondert durch Rundschreiben informiert.
  • (3) Bei der Ermittlung des Beitrages aus Einkommen ist zunächst die Art der Haupteinkommensquelle festzustellen. Nur wenn das Jahreseinkommen den geltenden Freibetrag übersteigt, ist ein Beitrag zu fordern. Der Freibetrag errechnet sich wie folgt:
    • a) Bei Einkommen aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit: 85 % der jährlichen Bezugsgröße,
    • b) Bei Einkommen aus nicht sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung (z.B.: Beamtenbesoldung, Einkünften aus Kapitalvermögen, Vermietung, Verpachtung oder Pensionszahlungen): 75 % der jährlichen Bezugsgröße und
    • c) Bei Einkommen aus Renteneinkünften: 60 % der jährlichen Bezugsgröße.
  • (4) Der Freibetrag erhöht sich gemäß § 136 Abs. 3 SGB IX bei Vorhandensein
    • a) eines nicht getrenntlebenden Ehegatten, Lebenspartners oder Partners in eheähnlicher oder lebenspartnerähnlichen Gemeinschaft (folgend Partner) um 15 % (Partner-Zuschlag); liegt das Einkommen des Partners oberhalb der Bemessungsgrenze aus
      § 136 Abs. 2 SGB IX tritt keine Erhöhung ein (§ 136 Abs. 4 SGB IX),
    • b) von unterhaltsberechtigten Kindern im Haushalt um 10% für jedes Kind (§ 136 Abs. 3 SGB IX), liegt das Einkommen des Partners oberhalb der Bemessungsgrenze aus § 136 Abs. 2 SGB IX reduziert sich die Erhöhung auf 5% für jedes Kind (§ 136 Abs. 4 SGB IX).
  • (5) Bei der Prüfung, ob das Partnereinkommen oberhalb der Bemessungsgrundlage liegt, ist die Einkommensart und der sich daraus ergebende Prozentsatz maßgeblich.
  • (6) Von einer Unterhaltsberechtigung ist dann auszugehen, wenn für das Kind Kindergeld bezogen wird. Ein weiterer Nachweis ist in diesem Fall nicht erforderlich.

Nummer 68 Beitragshöhe (§ 137 SGB IX)

  • (1) Übersteigt das Einkommen der leistungsberechtigten Person die ermittelte Einkommensgrenze, ist ein Eigenanteil für die Leistungen der Eingliederungshilfe aufzubringen.
  • (2) Der Beitrag nach § 137 Abs. 2 SGB IX beträgt monatlich zwei Prozent der ermittelten Grenze (Betrag nach § 136 Absatz 2 bis 4 SGB IX) des übersteigenden Einkommens und wird auf volle Zehnerstellen abgerundet. Für laufende Leistungen ist der Beitrag monatlich aufzubringen.
  • (3) Für einmalige Leistungen kann im Wege einer Ermessensentscheidung nach § 138 Abs. 3 SGB IX neben dem Einsatz des Einkommens im Monat der Entscheidung über die Leistung auch der Einsatz des Einkommens für die drei folgenden Monate gefordert werden.Es ist dabei zu prüfen, in welchem Umfang in dem jeweiligen Monat eine Eigenbeteiligung zumutbar ist. Folgende Merkmale müssen kumulativ vorliegen:
    • a) einmalige Leistungen: Durch Leistung wird der Bedarf abgedeckt und der Leistungserfolg tritt ein;
    • b) Bedarfsgegenstände: Der Gegenstand ist für den individuellen und unmittelbaren Gebrauch durch die leistungsberechtigte Person bestimmt und unterliegt in der Regel einer Abnutzung (z.B. orthopädische und andere Hilfsmittel, wie z.B. Schuhe oder ein Rollstuhlverladesystem bei einem KFZ, Körperersatzstücke, Möbel, Fahrzeuge, nicht dagegen Wohnungen) und
    • c) voraussichtliche Gebrauchsdauer von mindestens einem Jahr (hierbei ist auf die mögliche Nutzungsdauer und auf die erforderliche Nutzung auf Grund des konkreten Bedarfs abzustellen).
  • (4) Die in § 137 Abs. 4 SGB IX genannte Ausnahme – für Fälle der Gefährdung der Durchführung – ist nicht für den Fall anwendbar, dass der Leistungsberechtigte selbst den Beitrag leisten muss. Geht der Träger der Eingliederungshilfe in Vorleistung, erwirbt er nach
    § 137 Abs. 4 Satz 2 SGB IX einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe des nach § 137 Abs. 2 SGB IX aufzubringenden Betrages; mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

Nummer 69 Sonderregelung des § 142 SGB IX

  • (1) § 142 SGB IX normiert Sonderreglungen für minderjährige Leistungsberechtigte und in Fällen für Volljährige in Einrichtungen nach § 134 Abs. 4 SGB IX. Gemäß § 142 Abs. 1 SGB IX ist Minderjährigen und ihren Eltern bei Bezug von Leistungen gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 5 und 7 SGB IX die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts nur in der Höhe der häuslichen Ersparnis zuzumuten.
  • (2) Es muss eine tatsächliche Ersparnis vorliegen, eine lediglich fiktive Haushaltsersparnis ist nicht ausreichend. Zu deren Bemessung bedarf es grundsätzlich einer Prognose darüber, welche Aufwendungen anfallen würden, wenn die antragstellende Person nicht in einer (teil-)stationären Einrichtung Leistungen erhielte. Ein Indiz zur Ermittlung der Höhe der ersparten Aufwendungen wird in den im Regelbedarf für den häuslichen Lebensunterhalt vorgesehenen Positionen nach den Ausführungen des SGB XII gesehen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird vermutet.
  • (3) Im Regelfall ist der jeweils maßgebliche Regelsatz nach § 28 SGB XII für die Berechnung der häuslichen Ersparnis bei Unterbringung über Tag und Nacht anzusetzen. Bei einer Leistung über Tage findet eine prozentuale Ableitung des Anteils für das Mittagessen auf Basis der jeweils gültigen Regelsätze nach Regelbedarfsstufe Anwendung.
  • (4) In den Fällen des § 138 Nr. 3, 6 und 8 SGB IX findet keine Erhebung eines Beitrages in Höhe einer häuslichen Ersparnis statt.

Nummer 70 Vermögen

  • (1) Zum Vermögen gehören
    • a) Geld und Geldeswerte (wie Wertpapiere), soweit sie nicht dem Einkommen zuzurechnen sind,
    • b) sonstige Sachen, wie Grundstücke, Eigentumswohnungen, Kraftfahrzeuge, Schmuck, Kunstgegenstände,
    • c) Forderungen (z.B. Ansprüche aus Wertpapieren, Bankguthaben, Versicherungs- Bauspar- und sonstigen Verträgen, Schadensersatzansprüche) und** d) sonstige Rechte.
  • (2) Nicht als Vermögen im Sinne des § 139 SGB IX sind Gegenstände anzusehen, die wegen ihres relativ geringen Wertes allgemein nicht als Vermögen betrachtet werden.
  • (3) Geld oder Geldeswerte sind in der Regel dem Einkommen zuzuordnen, wenn sie Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts sind.
  • (4) Hat ein minderjähriges unverheiratetes Kind der leistungsberechtigten Person, dass dessen Haushalt angehört, eigenes Vermögen, dass innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor Antragstellung von der leistungsberechtigten Person übertragen wurde, um eigenes Vermögen unangreifbar zu machen, ist ein Fall des § 528 BGB zu prüfen.
  • (5) Besteht aufgrund eines Ausnahmetatbestands des § 138 Abs. 1 SGB IX keine Beitragspflicht, muss das Vermögen nicht nachgewiesen werden (§ 140 Abs. 3 SGB IX).

Nummer 71 Schonvermögen – Geschütztes Vermögen (§§ 139 Satz 2 SGB IX, 90 Abs. 2 Nr. 1-8 SGB XII)

  • (1) Nach § 139 Satz 2 SGB IX darf die Eingliederungshilfe vom Einsatz bestimmter Vermögensteile nicht abhängig gemacht werden.
  • (2) Nach § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII darf die Leistung nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines nach § 10a EStG geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 EStG, worunter auch die Riesterrente fällt. Nicht geschützt ist die sog. „Rürup-Rente“, da es sich nicht um nach Bundesrecht ausdrücklich zur Altersvorsorge gefördertes Vermögen handelt. Das Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge dient, ist nur insoweit geschützt, als es aus staatlich geförderten Beiträgen gebildet wurde. Zusätzliche Kapitalanlagen folgen den allgemeinen Regelungen, das heißt, es ist zu prüfen, ob der Einsatz des Vermögens eine Härte darstellen würde.
  • (3) Zur Auslegung von § 90 Abs. 2 Nr. 1-8 SGB XII wird auf die Ausführungsvorschriften über den Einsatz von Vermögen nach dem SGB XII (AV-VSH) in der jeweils geltenden Fassung verwiesen.
  • (4) Die Freistellung für Barvermögen oder sonstige Geldwerte erfolgt in Höhe des Anderthalbfachen der Bezugsgröße der Sozialversicherung nach § 18 Abs. 1 SGB IV, die durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales jährlich in der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung (Sozialversicherungs- Rechengrößenverordnung – SVBezGrV) festgelegt wird. Bis zu diesem Betrag ist das Ansparen von Einkommensüberschüssen für größere Ausgaben möglich. Die Barbetragsverordnung nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII kommt nicht mehr zur Anwendung.
  • (5) Die Eingliederungshilfe darf neben den bisher in § 139 SGB IX genannten Fällen auch nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Hiervon ist zum Beispiel bei der Verwertung von Schmerzensgeldzahlungen auszugehen. Als Auslegungshilfe kann darüber hinaus Nr. 22 AV-VSH herangezogen werden.

Nummer 72 Einsatz von Vermögen (zu § 139, 140 SGB IX)

  • (1) Der Einsatz von Vermögen richtet sich nach § 139, 140 SGB IX. Die Höhe des freigestellten Vermögens ist unabhängig vom Personenstand und der familiären Situation der leistungsberechtigten Person.
  • (2) Der Einsatz des Vermögens kann durch Verbrauch, Vermietung, Verpachtung, Beleihung, Verkauf sowie durch sonstige Verwertung erfolgen. Über die Art des Einsatzes des Vermögens entscheidet grundsätzlich die vermögensinhabende Person.

Nummer 73 Verwertbarkeit

  • (1) Verwertbar ist das Vermögen, wenn wirtschaftlich ein Markt für den Gegenstand vorhanden ist und keine rechtlichen Verfügungsverbote bestehen. Auch verwertbares Vermögen im Ausland ist nicht ausgenommen.
  • (2) Nicht verwertbar ist ein Vermögen, wenn die Eigentümerin oder der Eigentümer in seiner Verfügung hierüber rechtlich oder tatsächlich beschränkt ist und diese Beschränkung nicht beseitigt werden kann. Wenn der Eintritt der zur Verwertung notwendigen Bedingung völlig ungewiss ist und nicht innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Bewilligungszeitraumes zu erwarten ist, liegt eine generelle Unverwertbarkeit vor.
  • (3) Nicht verwertbar sind Nutzungsrechte, die ausschließlich an die Person des Rechtsinhabers gebunden sind.
  • (4) Ist die Verwertung des Vermögens zum Prüfzeitpunkt nach vernünftiger Wirtschaftsführung als völlig unwirtschaftlich anzusehen, kann von der Verwertung abgesehen und stattdessen ein Darlehen gewährt werden.
  • (5) Kann ein Anspruch erst später, aber voraussichtlich im Bezugszeitraum realisiert werden, ist bis zu diesem Zeitpunkt die Eingliederungshilfe darlehensweise zu gewähren. Bei Sachleistungen ist Grundlage des Darlehens dann die an den Leistungserbringer zu zahlenden Aufwendungen.
  • (6) Die Leistungserbringung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird (§ 140 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Bei Grundstücken kann dies durch die Bestellung von Grundpfandrechten wie einer Hypothek oder Grundschuld erfolgen. Bei sonstigen Sachen oder Rechten kann der Anspruch auf Rückzahlung durch Bürgschaft, Sicherungsübereignung, Forderungsabtretung oder Bestellung eines Pfandrechts gesichert werden. Der Abschluss sowie die Rückgewähr dieser Sicherungsgeschäfte richten sich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Das pflichtgemäße Ermessen muss dabei fehlerfrei ausgeübt werden. Ermessensaspekt sind u. a. die Dauer der Hilfeleistung, so dass die Sicherung unterbleiben kann, wenn es sich um ein kurzfristiges und geringfügiges Darlehen handelt.

Nummer 74 Erbschaften

  • (1) Erbschaften (Erbeinsetzung und Vermächtnis) und Pflichtteilszahlungen sind als Vermögen und nicht mehr als Einkommen zu behandeln, da Erbschaften nicht unter den Begriff des Einkommens nach § 135 SGB IX fallen.
  • (2) Sind die Ansprüche aus der Erbschaft nicht sofort verwertbar, kann ein Darlehen gewährt werden.
  • (3) Ist die leistungsberechtigte Person Vorerbe geworden, kann er grundsätzlich nicht frei über den Nachlass verfügen. Der Vorerbe in der Regel ist lediglich berechtigt, den Nachlass zu nutzen und dessen Erträge zu verbrauchen. Die Einsetzung einer leistungsberechtigten Person als Vorerbe ist zulässig.
  • (4) Kostenersatz des Erben ist unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin für bis zum 31.12.2019 erlangte Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB XII möglich. Für Eingliederungshilfeleistungen nach SGB IX kann kein Kostenersatz des (Nach-)Erben verlangt werden.

Nummer 75 Darlehen (zu § 140 Abs. 2 SGB IX)

  • (1) Die Gewährung eines Darlehens richtet sich nach § 140 Abs. 2 SGB IX. Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist Eingliederungshilfe als Darlehen zu gewähren.
  • (2) Ein Darlehen kann zum Beispiel durch Hypothek, Bürgschaft, Sicherungsübereignung, Abtretung von Forderungen gesichert werden. Im Falle der Weigerung einen Rückzahlungsanspruch zu sichern, kann die Leistung unter Beachtung von Nr. 11 versagt werden. Das Verfahren der Darlehensgewährung und die Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen, richtet sich nach den Vorschriften des SGB X. Es ist daher möglich, die Einzelheiten der Darlehensgewährung, der Rückzahlungsbedingungen und etwaiger Sicherungen im Rahmen eines Verwaltungsaktes oder eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (§§ 53 ff. SGB X) zu regeln.
  • (3) Das Darlehen ist zinslos zu gewähren.
  • (4) Die Auszahlung des Darlehens erfolgt im Regelfall direkt an die leistungsberechtigte Person. Der Rückforderungsanspruch wird durch öffentlich-rechtlichen Vertrag dokumentiert.

Nummer 76 Rechtsgrundlagen

  • (1) Leistet der Teilhabefachdienst, weil ein anderer seiner Leistungsverpflichtung nicht rechtzeitig nachgekommen ist, so kann er nach Maßgabe des § 141 SGB IX die Leistungen des anderen – soweit dieser kein Leistungsträger im Sinne des § 12 SGB I ist – bis zur Höhe seiner Aufwendungen in Anspruch nehmen.
  • (2) Hinsichtlich der Erstattungsansprüche gegenüber Leistungsträgern im Sinne des § 12 SGB I gelten § 16 SGB IX (Erstattungsansprüche zwischen Rehabilitationsträgern) sowie die
    §§ 102 ff. SGB X.
  • (3) Soweit in anderen Gesetzen besondere Vorschriften für Ersatzansprüche eines Eingliederungshilfeträgers enthalten sind, haben sie Vorrang gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 141 SGB IX. Dies gilt zum Beispiel für Ansprüche gegen den Arbeitgeber nach § 115 SGB X.

Nummer 77 Ermessen

  • (1) Haben die leistungsberechtigten Personen, der nicht getrenntlebende Ehegatte oder Lebenspartner für die antragstellende Person einen Anspruch gegen andere, können sie diesen aber nicht zeitnah realisieren, muss der Teilhabefachdienst Leistungen erbringen. Um in diesen Fällen den Nachranggrundsatz (§ 91 SGB IX) wiederherzustellen, ist der Teilhabefachdienst berechtigt den Anspruch auf sich überzuleiten.
  • (2) Die Überleitung von Ansprüchen nach § 141 SGB IX ist eine Ermessensentscheidung. Es ist deshalb in jedem Fall zu prüfen, ob von der im § 141 SGB IX eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll. Dabei ist nicht nur die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel, sondern ebenso die soziale Besonderheit des Einzelfalles zu berücksichtigen.

Nummer 78 Anspruch

  • (1) Voraussetzung für eine Überleitung ist
    • a) das Bestehen eines Anspruchs der leistungsberechtigten Person oder seiner im konkreten Fall einsatzpflichtigen Eltern gegen einen anderen für die Zeit, für die Hilfe erbracht wird oder
    • b) das Bestehen eines Anspruches des nicht getrenntlebenden Ehegattens oder Lebenspartners für die leistungsberechtigte Person, zum Beispiel Beihilfeansprüche nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Versicherungsansprüche.
  • (2) Die Ansprüche können privaten und öffentlichen Rechts sein und auf Gesetz, Vertrag, Gewohnheitsrecht oder auf einem anderen Rechtsgrund beruhen. Dabei muss es sich nicht ausschließlich um einen Anspruch auf eine Leistung handeln. Eine Überleitung ist auch möglich, wenn der andere im Rahmen des Ermessens über eine Leistung zu entscheiden hat (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Insoweit bezieht sich die Überleitung in erster Linie auf den Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung, die zu einem Leistungsanspruch führen kann. Ob der Anspruch durchsetzbar oder der andere leistungsfähig ist, ist für die Wirksamkeit der Überleitung ohne Bedeutung.
  • (3) Mögliche Ansprüche sind:
    • a) Rückforderung des Geschenkten wegen Verarmung des Schenkers (§ 528 BGB),
    • b) Ansprüche aus Versorgungsverträgen insbesondere Altenteilen,
    • c) Ansprüche aus Wohnungsrechten,
    • d) offene Forderungen aus Verträgen,
    • e) vertragliche Schadensersatzansprüche,
    • f) Bereicherungsansprüche (§ 812 BGB)
    • g) Ansprüche aus Erbverträgen,
    • h) Ansprüche aus Pflichtteilsrechten (§§ 2303 ff. BGB),
    • i) Leistungen aus Versicherungsverträgen, sofern nicht § 116 SGB X vorrangig ist (§ 141 Abs. 4 Satz 2 SGB IX),
  • (4) § 141 Abs. 1 gilt nicht für bürgerlich-rechtliche Unterhaltsansprüche.

Nummer 79 Gleichzeitigkeit

  • (1) Voraussetzung für den Übergang von Ansprüchen ist, dass der Anspruch gegen einen Dritten im Zeitpunkt der Sozialhilfeleistung fällig und seinem Wesen nach geeignet ist, die Notlage abzuwenden oder die leistungsberechtigte Person zur Selbsthilfe zu befähigen. Bei der Zeitraumidentität kommt es nicht darauf an, dass die Ansprüche gegen einen Dritten für einen mit dem Bedarfszeitraum identischen Zeitraum bestimmt sind. Insoweit sind auch solche in der Vergangenheit entstandenen Ansprüche gegen Dritte überleitungsfähig, die im Zeitpunkt der Hilfeleistung noch nicht erfüllt sind.
  • (2) Bei laufenden Leistungen der Eingliederungshilfe und entsprechenden Ansprüchen gegen den Dritten ist die Voraussetzung der Gleichzeitigkeit Monat für Monat festzustellen. Die summarische Gegenüberstellung der Eingliederungshilfeleistungen und der gleichzeitig zu erbringenden Leistungen des Dritten innerhalb eines größeren Zeitraums (z.B. eines Jahres) würde dem Grundsatz der Gleichzeitigkeit nicht gerecht werden.
  • (3) Einmalige Leistungen der Eingliederungshilfe, die einen Bedarf für längere Zeit decken, können betraglich auf einen angemessenen Zeitraum nach der Bewilligung verteilt werden. Dabei ist jedoch der Grundsatz der Kausalität in besonderem Maße zu beachten.

Nummer 80 Kausalität

  • (1) In Anspruch genommen werden dürfen nur solche Leistungen, welche zur Deckung des Bedarfs hätten eingesetzt werden müssen (§ 141 Abs. 2 SGB IX), wenn sie im Zeitpunkt der Hilfeleistung bereits als Einkommen zur Verfügung gestanden hätten.
  • (2) Es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Nichtgewährung der Leistung des Dritten zur Zeit des Bedarfs der leistungsberechtigten Person und der Leistung des Teilhabefachdienstes bestehen. Hätte die Eingliederungshilfe trotz der Leistung erbracht werden müssen, so ist eine Überleitung insoweit nicht zulässig.

Nummer 81 Umfang

Der Träger der Eingliederungshilfe kann den Übergang des Anspruchs nur bis zur Höhe seiner Aufwendungen bewirken.

Nummer 82 Rechtsfolge

Durch die Überleitung erlangt der Träger der Eingliederungshilfe die Rechtsstellung des Gläubigers anstelle des Anspruchsberechtigten. Die Rechtsnatur des übergeleiteten Anspruchs verändert sich dadurch nicht.

Nummer 83 Verfahren

  • (1) Der Träger der Eingliederungshilfe bewirkt den Übergang des Anspruchs durch schriftliche Anzeige an den anderen. Die Überleitungsanzeige ist ein Verwaltungsakt und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen.
  • (2) Die Überleitungsanzeige wirkt nicht nur gegen den Dritten, sondern auch gegen den eigentlich Anspruchsberechtigten. Aus diesem Grunde ist der leistungsberechtigten Person oder ihrem gesetzlichen Vertreter oder ihren Eltern, ihrem nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartner ein mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehener Bescheid über die erfolgte Überleitung zu erteilen. Diese Personen sind ebenfalls berechtigt, gegen die Überleitungsanzeige Widerspruch und, sofern dem Widerspruch nicht abgeholfen wurde, Anfechtungsklage zu erheben.
  • (3) Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung (§ 93 Abs. 3 SGB XII, § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Die Überleitungsanzeige und der Bescheid an den Anspruchsberechtigten oder seinen gesetzlichen Vertreter sollen einen Hinweis darauf enthalten, dass gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG das Sozialgericht Berlin auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen kann.

Kapitel V Teilhabe-Assessment

Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften

Nummer 84 Teilhabe-Assessment

  • (1) Das Teilhabe-Assessment besteht aus den Teilen
    • a) Ermittlung der Struktur- und Funktionsbeeinträchtigungen in der Regel durch ein (sozial-)medizinisches, -psychologisches und/oder kinder- und jugendpsychiatrisches Gutachten oder Stellungnahme des zuständigen Fachdienstes des Gesundheitsamtes einschließlich der insoweit eingeschätzten Zuordnung zum Personenkreis,
    • b) Ermittlung der Teilhabebedarfe in Anwendung des Teilhabeinstruments Berlin (TIB), entsprechende Modifikationen für den Teilhabefachdienst Jugend sind zu beachten (§ 35a SGB VIII),
    • c) Gesamtplankonferenz zum Teilhabeplan (§§ 19, 20 SGB IX), Gesamtplan (§§ 119, 121 SGB IX) oder Hilfeplan nach § 36 SGB VIII,
    • d) Feststellung, ob die Aufgaben der Eingliederungshilfe nach § 90 SGB IX erreichbar sind sowie
    • e) Feststellung, ob eine wesentliche Behinderung oder eine zur Leistung führende, gleichwertige Behinderung vorliegt.
  • (2) Teil des Teilhabe-Assessments sind auch die in der Gesamtplankonferenz durchgeführten Beratungen über die der leistungsberechtigten Person verbleibenden Barmittel und die aktivierbaren und verfügbaren Selbsthilferessourcen. Ist für die Beratung der Barmittel die Vorlage eines Vertrages nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) oder eines solchen Angebots erforderlich, ist die Beratung nach Auswahl des Leistungserbringers in der Ziel- und Leistungsplanung vorzunehmen.
  • (3) Die im Teilhabe-Assessment eingebundenen Beteiligten (Nr. 8) arbeiten in enger Abstimmung miteinander, insbesondere das Gesundheitsamt und der bezirkliche Teilhabefachdienst.

Abschnitt 1 Gutachterliche Einschätzungen

Nummer 85 Anforderung von gutachterlichen Einschätzungen durch den bezirklichen Teilhabefachdienst, § 5 AG SGB IX

  • (1) Ist für die Ermittlung der Funktions-/ Strukturbeeinträchtigung ein sozialmedizinisches Gutachten oder eine gutachterliche Stellungnahme im Sinne von § 5 AG SGB IX (im Folgenden: gutachterliche Einschätzung) erforderlich, so fordert der bezirkliche Teilhabefachdienst unter Verwendung des entsprechenden Formulars „Gutachten“ die gutachterliche Einschätzung beim Gesundheitsamt desselben Bezirks an. Gesondert geregelte Verfahren im Bereich der Inklusion in Kita und Schule sowie gesondert geregelte Kooperationsformen zwischen den Teilhabefachdiensten Jugend und dem RSD bleiben hiervon unberührt. Im Bereich § 35a SGB VIII soll regelhaft der KJPD beauftragt werden.
  • (2) Eine Anforderung einer gutachterlichen Einschätzung nach Absatz 1 ist insbesondere entbehrlich, soweit die aufgeworfenen Fragestellungen anhand (beigebrachter) Unterlagen beantwortet werden können. Dies trifft insbesondere auf gutachterliche Einschätzungen zu, die im Sinne von Satz 1 aussagekräftig sind und die
    • a) von einem anderen Teilhabefachdienst in Berlin oder von einem anderen Träger der Eingliederungshilfe, insbesondere für frühere Leistungsbewilligungen angefordert wurden,
    • b) für den Bereich der Kinder und Jugendlichen von einem Arzt/ Ärztin für Kinder und Jugendpsychiatrie oder -psychotherapie, einem Kinder- und Jugendpsychotherapeut/in oder einem Arzt/ Ärztin oder von einem psychologischen Psychotherapeut/in, der oder die über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt, erstellt wurden oder
    • c) von einem (psychiatrischen) Krankenhaus/ einer (psychiatrischen) Krankenhausabteilung (Entlassungsberichte allein erfüllen diese Voraussetzungen in der Regel nicht) erstellt wurden,
    • d) soweit sich keine neue Fragestellung aufgrund von Veränderungen der Funktions-
      /Strukturbeeinträchtigung stellt.
  • (3) Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist allerdings im Rahmen der Entwicklung regelhaft von Veränderungen im Sinne von Absatz 2 Satz 2, letzter Halbsatz auszugehen, so dass eine regelmäßige Überprüfung vorliegender gutachterlicher Einschätzungen spätestens alle zwei Jahre erfolgen muss. Beim Übergang vom Teilhabefachdienst Jugend zumTeilhabefachdienst Soziales ist bei Personen, die bisher Leistungen nach § 35a SGB VIII erhalten haben, immer eine erneute gutachterliche Einschätzung einzuholen, um die Wesentlichkeit der seelischen Beeinträchtigung einzuschätzen. Näheres wird durch Rundschreiben geregelt.
  • (4) Die erneute Anforderung von gutachterlichen Einschätzungen nach Absatz 2 ist der leistungsberechtigten Person mitzuteilen, gesondert zu begründen und mit der Begründung der Anforderung zur Akte zu nehmen.

Nummer 86 Anforderung durch andere Stellen

  • (1) Zeigt das Gesundheitsamt es an oder hat es angezeigt, dass es eine gutachterliche Einschätzung nach Nr. 85 nicht oder nicht rechtzeitig innerhalb der (gesetzlichen) Frist von zwei Wochen erstellen kann, so schlägt der Teilhabefachdienst der zu begutachtenden Person unverzüglich, drei geeignete nach Möglichkeit wohnortnahe Sachverständige vor. Die Anzeige des Gesundheitsamtes hat unverzüglich zu erfolgen. Eine Anzeige nach Satz 1 ist entbehrlich, soweit der Deutsche Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 InfSchG festgestellt hat oder eine vergleichbare Lage von berlinweiter Tragweite durch das Abgeordnetenhaus festgestellt wurde.
  • (2) Der bezirkliche Teilhabefachdienst erstellt und führt über geeignete Sachverständige des Bezirks eine Übersichtsliste. Die Listen können über die bezirklichen Steuerungskreise im Berliner Steuerungskreis gebündelt werden.
  • (3) Bei Bedarf ist die zu begutachtende Person unter Beachtung ihres Wunsch- und Wahlrechts in der Auswahl zu unterstützen (vgl. Nr. 11 oder § 106 Abs. 3 SGB IX). Der Vorschlag, die Auswahl und die ggf. erforderliche Unterstützung sind zur Akte zu nehmen.
  • (4) Wünscht die antragsstellende Person keine Begutachtung nach Nr. 85, so ist nach Absatz 1 zu verfahren. Ist nach Auffassung des Teilhabefachdienstes eine Einschätzung nach § 5 AG SGB IX erforderlich und wird der Wille erkennbar, dass weder eine Einschätzung nach Nr. 85, noch eines externen Sachverständigen nach Absatz 1 befürwortet wird, ist eine Unterstützung bei der Mitwirkungspflicht anzubieten und im Übrigen gemäß Nr. 11 zu verfahren.

Nummer 87 Anforderung von gutachterlichen Einschätzungen durch das LAGeSo

  • (1) Für die Aufgabenwahrnehmung des LAGeSo gelten die Nr. 85 f. entsprechend. An die Stelle des bezirklichen Gesundheitsamtes treten vorhandene eigene Sachverständige.
  • (2) Soweit das LAGeSo eine solche Einschätzung nach Nr. 85 benötigt, bittet es in Fällen nach § 3 Nr. 1 AG SGB IX um Amtshilfe der örtlichen Stellen. Ist diese im Ergebnis erfolglos, fordert das LAGeSo das Gutachten oder die Stellungnahme nach Ausübung von Ermessen durch örtlich externe Sachverständige nach Absatz 1 oder durch Beteiligung eigener Sachverständiger an. Die Anforderung und Ergebnisse nach Satz 1 sowie die Ausübung des Ermessens und die Ergebnisse nach Satz 2 sind zur Akte zu nehmen.

Nummer 88 Umfang der gutachterlichen Einschätzungen; Ausschluss der Vertrauensperson

  • (1) Der Teilhabefachdienst teilt dem Beauftragten anhand des Formulars „Gutachten“ die Anforderungen an die gutachterliche Einschätzung mit, insbesondere
    • a) Gutachtenfragen,
    • b) Gutachtenfrist und
    • c) Art und Weise der erforderlichen, wesentlichen Inhalte der Beantwortung.Das Gutachten oder die gutachterliche Stellungnahme enthalten insbesondere die zur Diagnose führenden ICD11-Schlüssel oder DSM-5-Schlüssel und für Kinder und Jugendliche ggf. Achse VI des Multiaxialen Klassifikationsschemas für psychische Störungen des Kinder- und Jugendalters (MAS) sowie den Klartext der Diagnose – soweit dieser für die Ermittlung des Bedarfs Funktionsbeeinträchtigung relevant ist.
  • (2) Auf Aufforderung ist die leistungsberechtigte Person über die dem beauftragten Gutachter gestellten Fragen zu informieren.
  • (3) Sofern das Gesundheitsamt begutachtende Stelle gemäß Nr. 86 ist, darf das Gesundheitsamt die Vertrauensperson nach Nr. 10 ausnahmsweise von der Begutachtung ausschließen, wenn offenkundig ist, dass bei Anwesenheit der Vertrauensperson das Gutachtenergebnis erheblich verfälscht wird. Der bloße Verdacht genügt nicht. Die Gründe für den Ausschluss sind aktenkundig zu machen.

Nummer 89 Bindungswirkung

  • (1) Die gutachterliche Stellungnahme bindet den Teilhabefachdienst hinsichtlich der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung.
  • (2) Die gutachterliche Stellungnahme soll darüber hinaus Hinweise hinsichtlich der Teilhabebeeinträchtigung oder zu empfehlende Maßnahmen enthalten. Dieser Teil die gutachterliche Stellungnahme hat für den Teilhabefachdienst empfehlenden Charakter, insbesondere für die Zuordnung zum Personenkreis des § 99 SGB IX oder § 35 a SGB VIII. Die Empfehlungen ersetzen keine Bedarfsermittlung des Teilhabefachdienstes.

Nummer 90 Anforderungen aus anderen Rechtskreisen

Die aus anderen Rechtskreisen herrührenden Anforderungen und Pflichten im Rahmen der regionalen psychiatrischen Pflichtversorgung nach dem PsychKG oder dem GDG bleiben unberührt.

Abschnitt 2 Ermittlung des Bedarfs und Erreichbarkeit der Aufgaben der Eingliederungshilfe

Nummer 91 Teilhabeinstrument Berlin, § 1 TIBV

  • (1) Nach der Feststellung der Funktionsbeeinträchtigung Nr. 85 ff., wendet der Teilhabefachdienst das Teilhabeinstrument Berlin (TIB) an. Das TIB wird entsprechend dem jeweiligen fachlichen Standard von der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung unter Wahrung der Beteiligungsrechte weiterentwickelt (vgl. § 2 TIBV).
  • (2) Das TIB stellt einen dialogischen, konsensorientierten und transparenten Prozess zwischen antragsstellender Person und der für Teilhabeplanung zuständigen Dienstkraft des Teilhabefachdienstes dar. Bei der Wahl des geeigneten Ortes soll dem Wunsch der antragstellenden Personen entsprochen werden. Die Auswahl und Benennung einer oder mehrerer Vertrauensperson(en) obliegt gemäß Nr. 10 der antragstellenden Person. Mit der schriftlichen oder elektronischen Einladung zur Bedarfsermittlung wird auf die Möglichkeit der Beteiligung von Personen zur Stärkung der antragsstellenden Person hingewiesen (Nr. 9 f.) und auf die Beratung und Unterstützung durch die ergänzende, unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) hingewiesen. Der Hinweis ist aktenkundig zu machen.
  • (3) Die im Sinne des Absatz 2 ermittelten Teilhabebedarfe und Ziele werden im TIB dokumentiert. Insbesondere die Ziele bedürfen der Abstimmung zwischen der antragstellenden Person und dem Teilhabefachdienst. Die Ergebnisse der Bedarfsermittlung sind der antragstellenden Person in geeigneter Weise mitzuteilen und die im TIBvorgesehenen Unterschriften zur Beteiligung einzuholen. Sollte die Einholung der Unterschrift nicht gelingen, sind der Versuch und die Gründe für das Fehlen der Unterschrift zu vermerken und zur Akte zu nehmen.
  • (4) Eine abgeschlossene Teilhabezielvereinbarung nach § 122 SGB IX ist Voraussetzung für die Leistungsformen der (pauschalen) Geldleistung, z.B. der Einzelfallhilfe. Die Zielvereinbarung nach § 29 Abs. 4 SGB IX ist Voraussetzung für die Gewährung des Persönlichen Budgets der Eingliederungshilfe (vgl. Nr. 153). Werden sie nicht abgeschlossen, obwohl der Teilhabefachdienst seiner Beratungs- und Unterstützungspflicht nach Nr. 11 nachgekommen ist, kann das Verfahren unter Beachtung der Mitwirkungsvoraussetzungen nach §§ 60 ff. SGB I nicht weitergeführt werden. Die Leistung kann bis zur Nachholung der Mitwirkung versagt oder entzogen werden (§ 66 Abs. 1 SGB I).
  • (5) Die Bedarfsermittlung mittels TIB ist immer durchzuführen, wenn der Zeitraum von zwei Jahren seit der letzten Bedarfsermittlung überschritten wurde. Eine Bedarfsermittlung ist mittels TIB vor Ablauf von zwei Jahren durchzuführen, wenn der Teilhabefachdienst Kenntnis von einer wesentlichen Änderung der Bedarfe bekommt oder sich die vereinbarten Ziele während des Bewilligungszeitraumes als nicht mehr passend erweisen und somit eine wesentliche Änderung der Bedarfe vermutet werden kann.

Nummer 92 Ermittlung des Bedarfs bei Persönlicher Assistenz

  • (1) Liegt ein Antrag auf bzw. eine Willensbekundung nach Nr. 19 für die Inanspruchnahme von Persönlicher Assistenz vor und ist die Zuständigkeit des LAGeSo gegeben, so richtet sich die Ermittlung des Bedarfs vorrangig nach dem Berliner Bedarfsermittlungsinstrument der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII (Individuelle Ambulante Pflegegesamtplanung – IAP).
  • (2) Eine ergänzende Bedarfsermittlung nach TIB wird angeboten. Bei Annahme des Angebots erfolgt die Bedarfsermittlung mittels TIB (siehe Nr. 91). Ziel ist, einen möglichen weitergehenden Teilhabebedarf zu ermitteln, der nicht mit dem in der Persönlichen Assistenz enthaltenen Eingliederungshilfeanteil an einfacher Assistenz gedeckt werden kann.
  • (3) Die erforderlichen Feststellungen nach Nr. 84 Abs. 1 lit. d und lit. e sind vorzunehmen, etwaige Gutachten sind entsprechend Nr. 86 ff. anzufordern.

Nummer 93 Erreichbarkeit der Aufgaben der Eingliederungshilfe, §§ 99, 90 Abs. 1 SGB IX

  • (1) Der zuständige Teilhabefachdienst prüft auch, ob die Aussicht besteht, dass mit der Unterstützungsleistung nach Feststellungen des Gesamtplans die Aufgaben der Eingliederungshilfe nach Nr. 4 erreicht werden können. Die Ziele und Aufgaben der Eingliederungshilfe sind in § 90 SGB IX zunächst allgemein und danach für jede Leistungsgruppe (§ 102 Abs. 1 SGB IX) konkret aufgelistet.
  • (2) Können in keiner Weise die Aufgaben und Ziele der Eingliederungshilfe durch Unterstützungsleistungen erreicht werden, ist dies als Ergebnis festzuhalten und auf Basis dessen der Verwaltungsakt zu erlassen.

Abschnitt 3 Feststellung der wesentlichen Behinderung

Nummer 94 Wesentliche Behinderung, § 99 SGB IX, §§ 1-3 EinglHV

  • (1) Die Leistungsberechtigung für Leistungen der Eingliederungshilfe ergibt sich ausschließlich nach § 99 SGB IX. Nach § 99 Abs. 1 SGB IX erhalten Personen Leistungen der Eingliederungshilfe, sofern sie
    • a) zu Menschen mit einer (drohenden) Behinderung zählen, also körperliche Beeinträchtigungen (einschließlich Sinnesbeeinträchtigungen), geistige oder seelische Beeinträchtigungen (einschließlich Suchterkrankungen) im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 2 SGB IX haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- oder umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern könnten und
    • b) wesentlich in ihrer gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind (wesentliche Behinderung).
  • (2) Die Prüfung, ob ein Mensch wesentlich in seiner gleichberechtigten Teilhabe eingeschränkt oder davon bedroht ist, ist immer im Einzelfall vorzunehmen. Die Prüfung, ob eine wesentliche Behinderung vorliegt, erfolgt unter Anwendung der §§ 1 bis 3 EinglHV in der am 31.12.2019 geltenden Fassung. Diese gilt gemäß § 99 Absatz 4 Satz 2 SGB IX solange, bis eine neue Rechtsverordnung die EinglHV ersetzt.
  • (3) Ein Verweis im Leistungsbescheid auf § 53 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGB XII in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung ist seit dem Inkrafttreten des Teilhabestärkungsgesetzes (1. Januar 2022) nicht mehr erforderlich, da nunmehr der § 99 SGB IX direkt auf die Eingliederungshilfeverordnung (EinglHV) verweist und somit § 53 SGB XII endgültig außer Kraft tritt. Eine Einschränkung oder Ausweitung des leistungsberechtigten Personenkreises ist mit der Rechtsänderung nicht verbunden.

Nummer 95 Wesentliche Körperbehinderung (§ 1 EinglHV)

  • (1) Eine wesentliche Körperbehinderung im Sinne von § 99 Absatz 1, Absatz 4 Satz 2 i.V.m.
    § 1 EinglHV liegt vor, soweit die Funktionseinschränkung des Körpers einschließlich der Sinne wesentlich die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft einschränken.
  • (2) Dabei ist hinsichtlich
    • a) § 1 Nr. 4 EinglHV zu beachten, dass § 1 Nr. 4 EinglHV auf den Blindheitsbegriff des § 72 Abs. 5 SGB XII sowie der Anlage Versorgungsmedizinische Grundsätze nach § 2 VersmedV zurückgreift und
    • b) § 1 Nr. 5 EinglHV zu beachten, dass darunter auch Hörfunktionen fallen, aufgrund derer mithilfe der Deutschen Gebärdensprache, lautsprachbegleitenden Gebärden oder anderen geeigneten Kommunikationshilfen (vgl. § 3 Kommunikationshilfen-Verordnung) kommuniziert werden kann.

Nummer 96 Wesentliche geistige Behinderung (§ 2 EinglHV)

  • (1) Eine wesentliche geistige Behinderung gemäß § 99 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 2 EinglHV liegt vor, wenn die Funktionsbeeinträchtigung eine Intelligenzminderung (gemäß ICD-11: IQ- Wert unter 70), die mit einer erheblichen Einschränkung der Anpassungsfähigkeit in konzeptuellen, sozialen und alltagspraktischen Bereichen verbunden ist und in der früheren Entwicklungsphase, also vor dem 18. Lebensjahr, beginnt. Für die Funktionseinschränkung ist die ICD-11 bzw. das diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen (DSM- 5) und das Multiaxiale Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kinder- und Jugendalters (MAS) heranzuziehen.
  • (2) Menschen mit Behinderungen, die ausschließlich geistige Teilleistungsstörungen erfahren, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren in ihrer Teilhabe einschränken (Lernbehinderung), sind nach ständiger Rechtsprechung nicht im Sinne von Absatz 1 wesentlich geistig behindert. Eine Zurechnung zu einer wesentlich geistigen Behinderung kann in Betracht kommen, soweit andere Elemente einer Behinderung (weiterewesentliche Funktionseinschränkungen in Wechselwirkung mit weiteren wesentlichen Barrieren) hinzutreten.

Nummer 97 Wesentliche seelische Behinderung (§ 3 EinglHV)

Für eine wesentliche seelische Behinderung im Sinne der EinglHV müssen kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • a) Es muss eine Beeinträchtigung der psychischen Funktionen durch die in den § 3 Nummern 1 bis 4 EinglHV abschließend genannten Diagnosen vorliegen.
  • b) Infolge der Beeinträchtigung der psychischen Funktionen muss die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren wesentlich eingeschränkt sein. Entscheidend ist daher für das Vorliegen einer wesentlichen seelischen Behinderung nicht das Ausmaß der Beeinträchtigung der psychischen Funktionen, sondern, wie sich die Beeinträchtigung auf die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft auswirkt. Hinweise für das Ausmaß dieser Teilhabeeinschränkung können dabei beispielsweise Brüche im Lebenslauf geben (z.B. kein Erreichen eines Schulabschlusses trotz entsprechender Begabung, misslungene berufliche Integration, Verlust sozialer Bezüge in Partnerschaft, Familie und Freundeskreis).

Nummer 98 Drohende wesentliche Behinderung, § 99 Abs. 2 SGB IX

  • (1) Die drohende Behinderung muss den Eintritt der wesentlichen Behinderung nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen.
  • (2) Es ist eine Prognoseentscheidung zu treffen, ob die wesentliche Behinderung für einen Zeitraum mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate eine Abweichung von dem für das Lebensalter typischen Zustand vorliegt. Der Beginn der drohenden Behinderung ist in den Zeitraum einzubeziehen, auch wenn sich diese zunächst als akute Krankheit darstellt. Ausschließlich kranke Menschen erfüllen den gesetzlichen Zeitraum nicht. Bei Personen, die ausschließlich pflegebedürftig sind, liegt keine Abweichung vom Lebensalter typischen Zustand im Sinne der Eingliederungshilfe vor.

Nummer 99 Andere Behinderungen, § 99 Abs. 3 SGB IX

  • (1) Personen mit mehreren Behinderungen, die jeweils für sich genommen keine wesentliche Behinderung darstellen, in der Summe aber so gravierend sind, dass sie einer (einzelnen) wesentlichen Behinderung gleichwertig sind, sind anspruchsberechtigt im Sinne des § 99 Abs. 1 SGB IX.
  • (2) Bei anderen Behinderungen, die weder wesentlich noch unter Absatz 1 fallen, ist zu prüfen, ob Leistungen der Eingliederungshilfe gerechtfertigt sind (§ 99 Abs. 2 SGB IX / Ermessensentscheidung). Maßstab ist dabei, inwieweit die Behinderung den Merkmalen nach §§ 1-3 EinglHV nahekommt, etwa, weil mehrere Beeinträchtigungsarten in nicht unerheblicher Weise vorliegen oder drohen. Nr. 100 ist zu beachten.

Nummer 100 Keine Behinderung im Sinne des § 99 SGB IX

Personen, die ausschließlich

  • a) eine Lernbehinderung (vgl. Nr. 96 Absatz 2),
  • b) als Beeinträchtigung eine Legasthenie oder Arithmasthenie / Dsykalkulie,
  • c) Erziehungsschwierigkeiten (Personen mit nicht konstanter Verhaltensauffälligkeit, die pädagogischen Maßnahmen zugänglich sind),
  • d) Krank oder pflegebedürftig sind, insbesondere Personen mit Diabetes soweit die Person in der Lage ist, die verordnete Diät einzuhalten oder
  • e) gefährdet sind (z.B. Strafentlassene, Obdachlose)

und die keine andere darüber hinaus gehende Funktionseinschränkung in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren haben, mithin in ihrer Teilhabe wesentlich eingeschränkt sind, sind nicht nach § 99 SGB IX anspruchsberechtigt.

Nummer 101 Zuständigkeit für die Feststellung der wesentlichen oder anderen Behinderung

  • (1) Der Teilhabefachdienst prüft und stellt fest, ob eine Behinderung im Sinne des § 99 SGB IX vorliegt. Ohne die Feststellung einer (drohenden) wesentlichen oder einer anderen Behinderung nach den vorstehenden Regelungen (Nr. 94 ff.) ist eine Leistung der Eingliederungshilfe nicht möglich.
  • (2) Voraussetzung einer Prüfung und Feststellung durch den Teilhabefachdienst nach Absatz 1 Satz 1 ist das Vorliegen einer medizinisch-psychologischen Diagnose im Klartext sowie des jeweiligen Diagnoseschlüssels im Sinne der angewandten Klassifikationen oder Manuale, also insbesondere die jeweils aktuelle Fassung
    • a) der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO (ICD) – derzeit also ICD-11 und
    • b) des Diagnostischen und Statistischen Manuals psychischer Störungen (derzeit: DSM- 5).
  • (3) Die Prüfung und das Feststellen einer medizinisch-psychologischen Diagnose im Sinne des Absatzes 2 obliegt grundsätzlich dem jeweiligen bezirklichen Gesundheitsamt nach Nr. 85, ansonsten ist nach Nr. 86 zu verfahren. Von der antragsstellenden Person beigebrachte ärztliche Einschätzungen sind zu berücksichtigen. Ist das Landesamt für Gesundheit und Soziales zuständiger Teilhabefachdienst im Sinne von Absatz 1 gelten die Sätze 1 und 2 nach Maßgabe von Nr. 87 entsprechend.
  • (4) Gesonderte geregelte Verfahren im Bereich der Inklusion in Kita und Schule sowie gesondert geregelte Kooperationsformen gemäß Nr. 27 zwischen den Teilhabefachdiensten Jugend und dem RSD bleiben unberührt.

Abschnitt 4 Gesamtplankonferenz, § 119 SGB IX

Nummer 102 Erforderlichkeit einer Gesamtplankonferenz

  • (1) Die Gesamtplankonferenz ist der leistungsberechtigten Person stets anzubieten, es sei denn
    • a) die Entscheidungsfrist von zwei Monaten kann noch eingehalten werden, wenn der Sachverhalt schriftlich ermittelt wird oder
    • b) die antragsstellende Person verweigert ihre (datenschutzrechtliche) Einwilligung unter Ausschöpfung der Möglichkeiten nach Maßgabe von Nr. 11,
    • c) der Aufwand zur Durchführung steht nicht in angemessenem Verhältnis zum Umfang der Leistung. Dies ist insbesondere bei einmaligen Leistungen sowie Sach- oder
      Geldleistungen im Wert von höchstens 5.000 € gegeben, in denen kein anderer Reha- oder Leistungsträger oder keine andere öffentliche Stelle beteiligt ist.
  • (2) Vor der Einberufung einer solchen Konferenz ist auf die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB), die Fachdienste des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und andere externe Beratungsangebote hinzuweisen.
  • (3) Ist die Entscheidung zuvor in einem Eilfall nach Nr. 12 f. getroffen worden oder liegen Bedarfe oder beantragte Leistungen für Väter oder Mütter mit Behinderungen bei Versorgung und Betreuung ihrer Kinder vor (§§ 20 Abs. 2 S. 2, 119 Abs. 4 SGB IX), ist stets eine Gesamtplankonferenz nach Absatz 1 anzubieten.
  • (4) Sofern neben einer Gesamtplankonferenz auch eine Hilfeplankonferenz nach § 36 SGB VIII erforderlich ist, sollen diese miteinander verbunden werden. Sie dient den in § 119 Abs. 2 genannten Zwecken, insbesondere auch dazu, verschiedene Leistungen verschiedener Leistungsträger abzustimmen. Die Abstimmung mit dem (dann ausgewählten) Leistungserbringer erfolgt in der Ziel- und Leistungsplanung.

Nummer 103 Voraussetzung für die Durchführung der Gesamtplankonferenz

  • (1) Eine Gesamtplankonferenz nach Nr. 102 ist nur mit vorheriger Zustimmung der leistungsberechtigten Person durchführbar. Die Zustimmung umfasst die datenschutzrechtliche Einwilligung nach § 23 Abs. 2 SGB IX.
  • (2) Erteilt die leistungsberechtigte Person keine Zustimmung zur Durchführung der Gesamtplankonferenz ist dies und die Gründe der fehlenden Zustimmung zu dokumentieren.
  • (3) Es ist auch zu dokumentieren, soweit der Teilhabefachdienst keinen Hinweis auf Durchführung der Gesamtplankonferenz gegeben hat oder vom Wunsch der leistungsberechtigten Person in den Fällen von Nr. 102 Abs. 1 lit. a bis lit. c abgewichen ist.

Nummer 104 Beteiligte, Ergebnisse und Dokumentation

  • (1) An der Konferenz nach Nr. 102 sind beteiligt:
    • a) die leistungsberechtigte Person und auf deren Verlangen deren Verfahrensbeteiligte nach Nr. 9 f., insbesondere die Vertrauensperson,
    • b) der Teilhabefachdienst und
    • c) Vertretungen anderer, am Verfahren beteiligter Leistungsträger, insbesondere Rehabilitationsträger, Pflegekasse und Träger der Sozialhilfe sowie andere beteiligte öffentliche Stellen.
  • (2) Die Ergebnisse der Gesamtplankonferenz, die Gründe der Nichtdurchführung der Gesamtplankonferenz sowie der Hinweis nach Nr. 102 Absatz 2 sind zu dokumentieren. Die Ergebnisse der Konferenz sind gesetzlicher Mindestinhalt des Gesamtplans (§ 121 Abs. 4, 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 9 SGB IX).

Kapitel VI Ziel- und Leistungsplanung

Nummer 105 Anwendungsbereich

Nach diesem Kapitel ist für (mögliche) Leistungen nur zu verfahren, soweit die Leistung nicht

  • a) in Form eines Persönlichen Budgets nach Nr. 142 ff.,
  • b) als Budget für Arbeit oder Budget für Ausbildung nach Nr. 144 Abs. 2 und 3
  • c) als Persönliche Assistenz in Form des Arbeitgebermodells oder
  • d) in Form von Einzelfallhilfe (Nr. 172 AV EH) gewährt wird.

Nummer 106 Auswahl der Leistungserbringer

  • (1) Nach Durchführung der Bedarfsermittlung einschließlich ggf. der Durchführung der Gesamtplankonferenz wird gemeinsam mit der leistungsberechtigten Person unter Beachtung ihres Wunsch- und Wahlrechtes ein oder mehrere Leistungserbringer ausgewählt. Hierbei kann die leistungsberechtigte Person auf Wunsch bei der Auswahl nach
    § 106 Abs. 3 Nr. 8 SGB IX durch den Teilhabefachdienst unterstützt werden Die Unterstützung nach § 106 SGB IX umfasst neben der Prüfung der Eignung der Leistungserbringer auch Empfehlungen hinsichtlich der Wohnortnähe oder die Anbindung an den Sozialraum.
  • (2) Soweit erkennbar ist, dass die leistungsberechtigte Person in der Zuständigkeit des bezirklichen Teilhabefachdienstes Soziales einen Bedarf an Leistungen aufgrund von seelischen Beeinträchtigungen hat, ist mit Einwilligung der leistungsberechtigten Person das zuständige Steuerungsgremium Psychiatrie/Suchthilfe nach § 10 Abs. 4 PsychKG durch den Teilhabefachdienst verpflichtend zu beteiligen. Die Einwilligung umfasst auch die Weitergabe von erforderlichen Daten. Ausgenommen sind Personen mit einer ärztlichen Substitutionsbehandlung nach dem SGB V. Das Nähere regelt die Rahmengeschäftsordnung für die Steuerungsgremien Psychiatrie in den Berliner Bezirken (RGO-SGP).
  • (3) Das Steuerungsgremium spricht der leistungsberechtigten Person eine Empfehlung zu einem geeigneten Leistungserbringer aus. Die Empfehlung ist im Rahmen der Versorgungsverpflichtung nach dem PsychKG für den Leistungserbringer verbindlich. Die leistungsberechtigte Person ist nicht an die Empfehlung gebunden.
  • (4) Wird die Einwilligung für die Beteiligung des Steuerungsgremiums nach Absatz 2 nicht erteilt, ist nach Absatz 1 zu verfahren. Eine fehlende Einwilligung allein kann keine Verletzung der Mitwirkungspflicht der leistungsberechtigten Person oder eine Ablehnung der Leistung begründen.

Nummer 107 Ziel- und Leistungsplanung

  • (1) Die Ziel- und Leistungsplanung erfolgt mit der leistungsberechtigten Person, dem von der leistungsberechtigten Person ausgewählten Leistungserbringer sowie dem Teilhabefachdienst. In einem gemeinsamen Gespräch werden die zuvor in der Bedarfsermittlung erarbeiteten Ziele konkretisiert, priorisiert und für die Zielerreichung geeignete Leistungen hinsichtlich Art, Inhalt und Umfang geplant. Der Teilhabefachdienst Jugend führt die Ziel- und Leistungsplanung regelmäßig jährlich durch, es sei denn, dass dies aufgrund einer offensichtlich unveränderten Bedarfslage unzweckmäßig erscheint.
  • (2) Für das Gespräch zur Ziel- und Leistungsplanung sind dem Leistungserbringer nach Maßgabe der datenschutzrechtlichen Zustimmung folgende Unterlagen zur Verfügung zu stellen:
    • a) Teil D des TIB,
    • b) Leit- und Teilhabeziele der leistungsberechtigten Person,
    • c) für die Leistungserbringung erforderliche notwendige biografische Informationen und
    • d) alle Daten, die zur Beratung im Steuerungsgremium Psychiatrie und Sucht vorgelegt wurden.
  • (3) Teil der Planung ist auch die Einwilligung der leistungsberechtigten Person über den Informations- und Datenaustausch zwischen Teilhabefachdienst und Leistungserbringer.

Kapitel VII Feststellung der Leistung und Erlass des Verwaltungsakts

Nummer 108 Feststellen der Leistung, Aufstellung des Gesamtplans (§§ 120, 121 SGB IX)

  • (1) Nach Abschluss der Bedarfsermittlung sowie der Ziel- und Leistungsplanung stellt der Teilhabefachdienst die Leistungen getrennt nach Leistungsgruppen (vgl. Nr. 124) fest und stellt den schriftlichen, befristeten Gesamtplan mit den Mindestinhalten nach § 121 Abs. 4 SGB IX und § 19 Abs. 2 S. 2 SGB IX auf. Für die Aufstellung des Gesamtplans werden die von der dafür zuständigen Senatsverwaltung herausgegebenen Formulare und Standards verwendet.
  • (2) Eines Gesamtplans bedarf es nicht, soweit der Antrag oder die Willensbekundung nach Nr. 21 zu keiner Leistungsgewährung führen soll.
  • (3) Der Gesamtplan ist aus Gründen der Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation regelmäßig auf längstens ein Jahr zu befristen. In Ausnahmefällen, in denen ein gleichbleibender Bedarf nach Prognoseentscheidung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, kann die Gültigkeit auf insgesamt maximal zwei Jahre erweitert werden (vgl.
    § 121 Abs. 2 S. 2 SGB IX).
  • (4) Der Gesamtplan ist eine Entscheidungshilfe des Trägers der Eingliederungshilfe und begründet keine subjektiven Rechte der leistungsberechtigten Person. Er ist kein Verwaltungsakt.

Nummer 109 Erlass des Verwaltungsaktes gegenüber der leistungsberechtigten Person

  • (1) Nachdem der Gesamtplan aufgestellt wurde, ist auf dessen Grundlage die Bewilligung als Verwaltungsakt gegenüber der leistungsberechtigten Person schriftlich bekannt zu geben (Leistungsbescheid). Der Leistungsbescheid enthält die gesetzlich geforderten Bestandteile. Der Gesamtplan ist als Begründung beizufügen.
  • (2) Im Rahmen der Beratung wird die leistungsberechtigte Person darauf hingewiesen, dass für etwaige nahtlose Bewilligungen für einen künftigen Leistungszeitraum der Wille hinsichtlich künftiger Leistungen spätestens drei Monate vor Ablauf des aktuellen Leistungsbescheides dem Teilhabefachdienst bekannt sein sollte. Das Verfahren kann nur ab dem Bekanntwerden bzw. der Ermittlung des Willens, eine Fortsetzung der Leistung zu erreichen begonnen werden.
  • (3) Soll keine Leistung bewilligt werden, gelten Abs. 1 und 2 entsprechend. Der Leistungsbescheid oder Ablehnungsbescheid sowie die Kostenübernahme (Nr. 105) ergeht unter Nutzung des dafür vorgesehen IT-Fachverfahrens.Die Ablehnung ist im Teilhabeverfahrensbericht zu dokumentieren, vgl. AV THVB.

Nummer 110 Kostenübernahme gegenüber dem Leistungserbringer

  • (1) Soweit eine Sachleistung (Nr. 139 Abs. 2) gewährt wird, erklärt der Teilhabefachdienst schriftlich gegenüber dem im Verwaltungsakt benannten Leistungserbringer nach der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes nach Nr. 109 Absatz 1 die Kostenübernahme nach Art, Höhe und Umfang der Leistung. Die Kostenübernahme enthält auch die Modalitäten von etwaigen Teilzahlungen. Die Kostenübernahme ist kein Verwaltungsakt, sondern ein privatrechtlicher Schuldbeitritt in die Geldschuld der leistungsberechtigten Person gegenüber dem Leistungserbringer aufgrund des Vertrages (z.B. nach WBVG).
  • (2) Der Kostenübernahme werden für die Leistungserbringung wesentliche Bestandteile des Gesamtplans beigefügt. Die vorherige Zustimmung (Einwilligung) der leistungsberechtigtenPerson für die Übersendung der Teile des Gesamtplans ist einzuholen. Wesentlich sind jedenfalls die in § 13 AG SGB IX relevanten Teile des Gesamtplans.

Kapitel VIII Rechtsbehelfe

Nummer 111 Bearbeitung der Widersprüche

  • (1) Wird gegen einen Leistungsbescheid Widerspruch eingelegt, liegt die Zuständigkeit für die Widerspruchsbearbeitung bei dem Teilhabefachdienst, der den Bescheid erlassen hat. Der Teilhabefachdienst prüft die Zulässigkeit des Widerspruchs und führt eine Abhilfeprüfung durch. Kann dem Widerspruch nicht vollständig abgeholfen werden, ist sicherzustellen, dass die weitere Widerspruchsbearbeitung entweder durch eine gesonderte Widerspruchsstelle oder durch Dienstkräfte erfolgt, die nicht an der Teilhabeplanung oder Leistungskoordination im Ausgangsverfahren beteiligt waren. Zu den Dienstkräften nach Satz 3 gehört auch die Gruppenleitung, deren Dienstkräfte am Ausgangsbescheid mitgewirkt haben Das Vorgehen ist aktenkundig zu machen.
  • (2) Ist für die Entscheidung über den Widerspruch ein gesondertes Gutachten oder gutachterliche Stellungnahme erforderlich, ist die Person ausgeschlossen, die die Ersteinschätzung vorgenommen hat.
  • (3) Falls erforderlich, wird eine erneute Bedarfsermittlung mit dem TIB, bei Persönlicher Assistenz (auch) mittels des IAP bzw. bei einem zusätzlichen pflegerischen Bedarf außerhalb der Persönlichen Assistenz ergänzend (vgl. Nr. 92 bzw. Nr. 137) durch den IAP unter Beachtung des Mitwirkungsverbots von Absatz 1 veranlasst.
  • (4) Kann dem Bescheid nicht vollständig abgeholfen werden, wird zur Durchführung der Anhörung im Bereich der Eingliederungshilfe nach SGB IX der Widerspruchsbeirat nach § 6 AG SGB IX beteiligt. Der Widerspruchsbeirat ist gemäß § 34 AZG auch zu beteiligen, soweit Sachverhalte des SGB XII betroffen sind.
  • (5) Widersprüche, Widerspruchsbescheide und deren Inhalte werden halbjährlich dem bezirklichen Steuerungskreis unter Beachtung des Datenschutzes gemeldet. Dieser gibt halbjährlich dem Berliner Steuerungskreis Auskunft über Inhalt der Widersprüche und Widerspruchsbescheide. Das von der Senatsverwaltung zur Verfügung gestellte Dokument ist dafür zu nutzen. Die Pflichten nach der Ausführungsvorschrift zum Teilhabeverfahrensbericht (AV THVB) bleiben davon unberührt.

Nummer 112 Bearbeitung der gerichtlichen Verfahren

  • (1) Grundsätzlich sind auf Seiten des Trägers der Eingliederungshilfe, die im Bezirk oder im LAGeSo zuständigen Stellen mit gerichtlichen Verfahren befasst.
  • (2) Die nach Absatz 1 zuständigen Stellen melden dem jeweiligen bezirklichen Steuerungskreis anhängige Rechtsverfahren, deren Inhalte und Ausgang. Die bezirklichen Steuerungskreise geben dem Berliner Steuerungskreis unter Beachtung des Datenschutzes jährlich Auskunft über Verfahren nach Absatz 1, insbesondere über Inhalt und Ausgang. Die Pflichten nach der AV THVB bleiben davon unberührt.

Nummer 113 Rechtsbehelfe im LAGeSo

  • (1) Das LAGeSo stellt eine Bearbeitung der Widersprüche und gerichtlichen Verfahren entsprechend der Nr. 111 f. sicher.
    Die Meldung nach Nr. 111 Absatz 5 erfolgt unter Beachtung des Datenschutzes an den Berliner Steuerungskreis.

Nummer 114 Rechtsbehelfe im Berliner Steuerungskreis

Der Berliner Steuerungskreis berät zu den gemeldeten Rechtsbehelfen (Widersprüche und gerichtlichen Verfahren) und gibt Empfehlungen für einen gemeinsamen Umgang.

Kapitel IX Begleitung im Leistungszeitraum

Nummer 115 Begleitung im Leistungszeitraum

  • (1) Der Teilhabefachdienst begleitet die leistungsberechtigte Person und steht als Ansprechperson zur Verfügung. Mit der Begleitung wird sichergestellt, dass die vereinbarten (personenzentrierten) Ziele verfolgt werden (können), oder ob die festgestellten Leistungen noch passgenau sind.
  • (2) Formen der Begleitung sind z.B. direkte Kontakte zur leistungsberechtigten Person, zur rechtlichen Betreuung, zum Leistungserbringer, ggf. zu Angeboten im Sozialraum. Die Begleitung soll je nach Leistungszeitraum mindestens ein bis drei Mal im direkten Kontakt erfolgen.
  • (3) Erhält der Teilhabefachdienst überdies Hinweise, die Gegenstand von Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen beim Leistungserbringer sein oder die zu einer ordnungsrechtlichen Prüfung im Sinne des WTG führen könnten, teilt er dies dem für Prüfungen zuständigen Geschäftsbereich der zuständigen Senatsverwaltung mit. Im Bereich des Teilhabefachdienst Soziales ist dies die für Soziales zuständige Senatsverwaltung (III C). Diese prüft, ob und inwieweit eine Prüfung des Leistungserbringers erforderlich ist. Das anlasslose Prüfrecht der Hauptverwaltung nach § 14 AG SGB IX, § 9 AG-SGB XII bleibt davon unberührt.
  • (4) Erlangt der Teilhabefachdienst Kenntnis von Pflichtverletzungen des Leistungserbringers übermittelt er diese neben der eigenen Bearbeitung unverzüglich an die zuständige Senatsverwaltung. In diesem Fall ist die leistungsberechtigte Person im Rahmen der Unterstützung nach § 106 Abs. 3 SGB IX auf etwaige Schadensersatzansprüche hinzuweisen (z.B. § 129 Abs. 2 SGB IX).

Nummer 116 Änderungen der Verhältnisse während der Laufzeit des Gesamtplans

Stellt der Teilhabefachdienst im Rahmen der Begleitung im Leistungszeitraum (vgl. Nr. 115) fest, dass sich die Voraussetzungen, die Bedarfe oder Ziele geändert haben oder erlangt er davon anderweitig Kenntnis, sind die persönlichen und/ oder sachlichen Voraussetzungen, Bedarfe oder Ziele und Leistungen neu nach Maßgabe dieser Ausführungsvorschriften zu prüfen. Dies gilt insbesondere für eine Bedarfsermittlung.

Nummer 117 Folgen des geänderten Gesamtplans

  • (1) Die Änderung der Verhältnisse während der Laufzeit des Gesamtplans erfordert eine Anpassung des Leistungsbescheides unter Beachtung der gesetzlichen Grundlagen, insbesondere §§ 45 ff. SGB X und der schuldrechtlichen Kostenübernahme gegenüber dem Leistungserbringer mit Wirkung für die Zukunft.
  • (2) Leistungen sind grundsätzlich erst zum im Gesamtplan festgestellten Zeitpunkt zu bewilligen und zu erbringen. Sie können frühestens ab dem Ersten des Monats der Kenntnisnahme des Teilhabefachdienstes bewilligt und erbracht werden. Dies setzt gemäß § 108 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 SGB IX voraus, dass zu diesem Zeitpunkt die (festgestellten) Voraussetzungen bereits vorlagen. Für vor der Kenntnis liegende Bedarfe und Zeiten kann regelmäßig keine geänderte Eingliederungshilfe erbracht werden.
  • (3) Die Kostenübernahme richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt nach Absatz 2; §§ 5 bis 7 BRV ist zu beachten.

Kapitel X Evaluation

Nummer 118 Evaluation bei beabsichtigter fortgesetzter Leistung

  • (1) Mit der Willensbekundung der leistungsberechtigten Person, weitere Leistungen erhalten zu wollen (vgl. Nr. 21), prüft der Teilhabefachdienst mit ihr im Gespräch, ob die vereinbarten Ziele im Bewilligungszeitraum erreicht wurden. Die vom Leistungserbringer aufgrund vertraglicher Verpflichtung (vgl. § 11 BRV) beigebrachten Unterlagen, sowie ggf. die von der leistungsberechtigten Person beigebrachten Unterlagen, sind dabei heranzuziehen.
  • (2) Am Gespräch nach Absatz 1 nehmen zunächst die leistungsberechtigte Person und ihre Vertrauenspersonen (vgl. Nr. 10) und der Teilhabefachdienst teil. Im Gespräch sind insbesondere Gründe zu erörtern, warum ggf. die Ziele (noch) nicht erreicht werden konnten. Gegenstand kann auch sein, ob und wie der ausgewählte Leistungserbringer noch für die Bedarfsdeckung aus Sicht der leistungsberechtigten Person geeignet ist. Das Gespräch kann mit einer Bedarfsermittlung verbunden werden.
  • (3) Wird im Gespräch erkennbar, dass die leistungsberechtigte Person weitere Beratung wünscht, ist gemäß Nr. 15 zu verfahren.
  • (4) Dem Gespräch nach Absatz 1 schließt sich, soweit die letzte Bedarfsermittlung nicht länger als zwei Jahre zurückliegt bzw. nicht nach Absatz 2 mit dem Evaluationsgespräch verbunden wurde, die Ziel- und Leistungsplanung gemeinsam mit dem (ausgewählten) Leistungserbringer an. Gegenstand ist hier insbesondere die Passgenauigkeit von Zielen und Leistungen.

Nummer 119 Prüfung im Rahmen der Evaluation

Neben einer möglichen Beratung und der (erforderlichen) Bedarfsermittlung und der Ziel- und Leistungsplanung prüft der Teilhabefachdienst im Rahmen der Evaluation

  • a) das Erfordernis etwaiger Unterstützungsbedarfe nach § 106 Abs. 3 SGB IX und
  • b) die Anspruchsvoraussetzungen nach Kapitel IV, insbesondere die Nachrangigkeit und den Einsatz von Einkommen und Vermögen.

Nummer 120 Lückenlose Weiterführung der Leistung und Vergütung

Der Teilhabefachdienst stellt eine nahtlose Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe sicher, soweit die Voraussetzungen von § 6 BRV erfüllt sind, also insbesondere regelmäßig zwölf Wochen vor Ablauf des Bewilligungszeitraums dem Träger der Eingliederungshilfe ein Bericht vorliegt und die leistungsberechtigte Person gegenüber dem Teilhabefachdienst erklärt hat, dass sie weitere Leistung wünscht (Willensbekundung vgl. Nr. 19 Abs. 2). Vor der Willensbekundung der leistungsberechtigten Person ist keine Fortführung möglich.

Nummer 121 Evaluation bei Ende der Leistung

Der Teilhabefachdienst stellt eine nahtlose Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe sicher, soweit die Voraussetzungen von § 6 BRV erfüllt sind, also insbesondere regelmäßig zwölf Wochen vor Ablauf des Bewilligungszeitraums dem Träger der Eingliederungshilfe ein Bericht vorliegt und die leistungsberechtigte Person gegenüber dem Teilhabefachdienst erklärt hat, dass sie weitere Leistung wünscht (Willensbekundung vgl. Nr. 19 Abs. 2). Vor der Willensbekundung der leistungsberechtigten Person ist keine Fortführung möglich.

Teil C. Leistungen

Kapitel I. Übergreifende Vorschriften für alle Leistungen

Abschnitt 1 Leistungsgrundsätze

Nummer 122 Individualanspruch (§ 107 Abs. 1 SGB IX)

Leistungsberechtigt im Sinne von Nr. 94 ff. können nur natürliche Personen sein. Der Anspruch ist als höchstpersönliche Leistung nicht übertragbar oder (ver-)pfändbar. Die Erbringung von familiengerechten Leistungen führt nicht zu einem Anspruch der Familie auf Eingliederungshilfe. Eine gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen (vgl. Nr. 141) setzt jeweils eine eigene Leistungsberechtigung voraus.

Nummer 123 Gebundener Anspruch und Ermessen (§ 107 Abs. 2 SGB IX)

  • (1) Auf Eingliederungshilfe besteht ein Anspruch, soweit eine wesentliche Behinderung vorliegt oder droht (vgl. Nr. 94 ff.). Demgemäß ist insoweit das pflichtgemäße Ermessen nach Maßgabe des Wunsch- und Wahlrechts (Nr. 131 ff.) auszuüben und zu begründen.
  • (2) In Fällen, in denen eine andere, nicht wesentliche Behinderung (Nr. 99) vorliegt, ist zunächst zu prüfen, ob eine der wesentlichen Behinderung nahekommende andere Behinderung vorliegt, die so gravierend ist, dass Eingliederungshilfe in Betracht kommt (Entschließungsermessen). Sodann ist das Ermessen nach Absatz 1 Satz 2 auszuüben.
  • (3) Kriterien für das Ermessen sind die in der leistungsberechtigten Person und deren Umfeld und persönlichen Verhältnissen liegende Gründe. Das sind insbesondere:
    • a) die Art des personenzentriert auf Basis der Wünsche ermittelten Bedarfs,
    • b) das persönliche, familiäre und nachbarschaftliche Umfeld und
    • c) der Sozialraum der leistungsberechtigten Person.

Nummer 124 Zuordnung der Leistungen (§ 102 SGB IX)

  • (1) Leistungen zur Teilhabe werden im § 4 SGB IX näher definiert und im § 5 SGB IX in Leistungsgruppen unterteilt. Danach werden folgende Leistungsgruppen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unterschieden:
    • a) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
    • b) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
    • c) Leistungen zur Teilhabe an Bildung und
    • d) Leistungen zur sozialen Teilhabe.
  • (2) Die Zuordnung einer Leistung zu einer Leistungsgruppe erfolgt, sofern sie potentiell in mehreren Leistungsgruppen zugehörig sein kann, nach ihrem schwerpunktmäßigen, vorrangigen oder alleinigen (Haupt-)zweck. Mittelbare Zwecke bleiben dabei außer Betracht. Der unmittelbare, finale Bezug zu einem spezifischen Teilhabebedarf muss objektiv vorliegen.
  • (3) Eine einem Hauptzweck zugeordnete Leistung kann keiner anderen Leistungsgruppe zugeordnet werden. Ist die Leistung einem Zweck nach § 102 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB IX zugeordnet, sind gemäß § 102 Abs. 2 SGB IX zweckgleiche Leistungen der sozialen Teilhabe (§ 102 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX) ausgeschlossen.
  • (4) Eine Zweckfestlegung im Sinne von § 102 SGB IX liegt nicht vor, wenn keiner der Zwecke in § 102 SGB IX erreicht werden soll, weil der Zweck außerhalb des Rechts der Rehabilitation und Teilhabe liegt (z.B. medizinische Krankenbehandlung, jugendrechtliche Inobhutnahme). Hilfsmittel sind keine Leistungen der sozialen Teilhabe. Sie können – je nach Zweckrichtung – aber Leistung der medizinischen Rehabilitation sein.

Abschnitt 2 Leistungsort

Nummer 125 Leistungsort

  • (1) Der Leistungsort ist der Ort, an dem die Leistung erbracht wird. Er soll möglichst wohnortnah sozialräumlich nach Maßgabe des ermittelten Bedarfs der leistungsberechtigten Person gewählt werden.
  • (2) Der Begriff des Wohnorts ist dabei weit zu verstehen; es werden sämtliche Formen des Wohnens erfasst, insbesondere also auch
    • a) die eigene Wohnung,
    • b) eine eigene Wohngemeinschaft und Trägerwohnraum oder
    • c) besondere Wohnformen, einschließlich Einrichtungen der Jugendhilfe mit Leistungen bei Tag und bei Nacht für Volljährige nach § 134 SGB IX.

Dem Wunsch der leistungsberechtigten Person nach einem Wohnen außerhalb von besonderen Wohnformen inklusive des stationären Wohnens nach § 134 SGB IX ist zu entsprechen, sofern der Bedarf gleichwertig außerhalb von besonderen Wohnformen gedeckt werden kann. Auf diese Weise kann das Normalisierungsprinzip gestärkt werden, also das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen im Sozialraum im Sinne der Inklusion.

  • (3) Sozialraum ist, bezogen auf den Leistungsort, der Ort oder die örtliche Infrastruktur,
    • a) in der die leistungsberechtigte Person wohnt oder
    • b) den die leistungsberechtigte Person erreichen will oder in zumutbarer Weise mit Unterstützung erreichen kann.
      Sozialraumorientierung ist jedoch über den Ortsbezug hinaus umfassend zu verstehen (vgl. Nr. 209). Maßgeblich sind die Feststellungen im Gesamtplan.
  • (4) Prinzipiell kann jeder Ort Leistungsort sein. Für das Ausland bestehen jedoch aufgrund von § 101 SGB IX und § 104 Abs. 5 SGB IX Einschränkungen (vgl. Nr. 133 Abs. 2). Aufgrund der Hinwirkungspflicht auf u.a. sozialraumorientierte Angebote (vgl. § 94 Abs. 3 SGB IX) ist die wohnortnahe Leistungserbringung bzw. Nutzung der Angebote bei gleichwertiger Bedarfsdeckung gegenüber der Nutzung des entfernteren Angebots vorzuziehen.

Abschnitt 3 Fahrtkosten

Nummer 126 Fahrten zum Leistungsort mit dem ÖPNV und dem Sonderfahrdienst

  • (1) Die Kosten für Fahrten mit dem öffentlichen Personennahverkehr, die entstehen, weil Angebote der Eingliederungshilfe bewilligt werden, sind als Teil des Leistungsangebots zu übernehmen, soweit die Person den öffentlichen Personennahverkehr nutzen kann.
  • (2) Hat die Person ein Beiblatt mit einer Wertmarke zum Schwerbehindertenausweis für den öffentlichen Personennahverkehr, sind nur die Kosten der Wertmarke zu übernehmen. Gleiches gilt für Inhaber des berlinpass.
  • (3) Schwerbehinderte Personen, die berechtigt sind den vorgehaltenen besonderen Fahrdienst für Freizeitfahrten (sog. Sonderfahrdienst) zu nutzen, decken ihren Bedarf an Beförderung vorrangig über diesen Fahrdienst soweit Leistungen der sozialen Teilhabe in Betracht kommen. Beförderungskosten im Rahmen der Eingliederungshilfe beschränken sich dann auf die ggf. erforderliche Eigenbeteiligung beim Fahrdienst.

Nummer 127 Fahrten mit einem Fahrdienst

  • (1) Behinderungsbedingt erforderliche Beförderungen können auch von Fahrdiensten durchgeführt werden, die in keinem Vertrags- oder Vereinbarungsverhältnis nach § 123 Abs. 1 SGB IX oder § 123 Abs. 5 SGB IX mit dem Träger der Eingliederungshilfe Berlin stehen.
    Dies gilt für Beförderungen
    • a) im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben zum oder vom Ort an dem im Arbeitsbereich der Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (WfbM) oder eines anderen Anbieters Leistungen der Eingliederungshilfe erbringen,
    • b) an oder von einem Arbeitsort, an dem Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Budgets für Arbeit oder Ausbildung in Anspruch genommen werden,
    • c) im Rahmen der sozialen Teilhabe zu oder von einem Angebot der sozialen Teilhabe, oder
    • d) als Leistungen der Mobilität (Nr. 198).
  • (2) Der Teilhabefachdienst tritt mit der Bekanntgabe des Leistungsbescheids nach Maßgabe der folgenden Regelungen in das Vertragsverhältnis zwischen leistungsberechtigter Person und Fahrdienst ein. Insofern tritt der Teilhabefachdienst zur Schuld der leistungsberechtigten Person gegenüber dem Fahrdienst „wie sie steht und liegt“, also in Höhe des Leistungsbescheids bei (privatrechtsgestaltender Leistungsbescheid), jedoch ohne dass ein Vereinbarungs- bzw. Vertragsverhältnis zwischen Teilhabefachdienst Soziales und dem Fahrdienst entsteht.

Nummer 128 Voraussetzungen von Beförderungsleistungen

  • (1) Behinderungsbedingt erforderlich ist eine Beförderung, sofern
    • a) der Bedarf an Beförderung ermittelt worden ist,
    • b) für die eine Leistung für ein Kraftfahrzeug nicht wirtschaftlicher ist,
    • c) die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist und
    • d) kein Anspruch auf die Beförderung mit dem sog. Sonderfahrdienst gemäß der Verordnung über die Vorhaltung eines besonderen Fahrdienstes vom 31. Juli 2001 (GVBl. S. 349) in der jeweiligen Fassung haben. Soweit Personen noch keinen entsprechenden Antrag gestellt oder noch keinen Schwerbehindertenausweis mit entsprechendem Merkzeichen beantragt haben, ist auf eine entsprechende Antragsstellung hinzuwirken.
      Es wird vermutet, dass die Voraussetzung nach lit. a) jedenfalls dann gegeben sind, soweit die leistungsberechtigte Person das Merkzeichen „G“ im Schwerbehindertenausweis zuerkannt bekommen hat. Ein Schwerbehindertenausweis mit oder ohne Merkzeichen ist keine Bedingung für eine behinderungsbedingt erforderliche Beförderung. Maßgeblich sind stets die Feststellungen im Gesamtplan auf Basis der Bedarfsermittlung.
  • (2) Die Geldleistung ist unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts (vgl. Nr. 131 ff.) sowie ordnungsrechtlicher Maßgaben, insbesondere unter Wahrung des Landesmindestlohns ausgestaltet.
  • (3) Beförderungen sind regelmäßig gemeinschaftlich durchzuführen, soweit die Voraussetzungen dafür vorliegen und im Gesamtplan festgestellt worden sind. Ist mit der Geldleistung kein vergleichbares Angebot nach Nr. 133 Abs. 1 zu erreichen oder ist ein Abweichen vom Wunsch- und Wahlrecht unzumutbar (vgl. Nr. 132 Abs. 3), ist die Beförderung in der erforderlichen Höhe zu gewähren.
  • (4) Das Nähere insbesondere zur Ausgestaltung und zum Umfang wird gesondert geregelt (derzeit Rundschreiben Soz Nr. 02/2021).

Nummer 129 Reisen

  • (1) Die Übernahme von Kosten für Erholungsurlaub, Gemeinschaftsausflüge und Ferienangebote der leistungsberechtigten Person sind keine Leistung der Eingliederungshilfe. Fahrten gemäß Nrn. 6 ff. zum Leistungsort der Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe oder im Rahmen der (sonstigen) Leistungen der sozialen Teilhabe der Eingliederungshilfe, insbesondere Besuchsbeihilfen (Nr. 204) sind vom Anwendungsbereich dieser Nummer nicht erfasst.
  • (2) Ausnahmsweise können Reisen und erforderlichenfalls Unterkunftskosten der leistungsberechtigten Person im Rahmen der Eingliederungshilfe anfallen, wenn sie als sozialpädagogische Gruppenreise nach Nr. 189 ff. durchgeführt werden.
  • (3) Bei Urlaubsreisen der leistungsberechtigten Person, können für die Begleitperson Kosten der Unterkunft und Fahrtkosten übernommen werden, soweit die Mitnahme einer Begleitperson notwendig ist und die Kosten angemessen sind. Näheres wird in einem Rundschreiben geregelt.

Nummer 130 Begleitperson außerhalb von Urlaubsreisen

  • (1) Personen, bei denen die Notwendigkeit der Begleitung durch das Merkzeichen „B“ im Schwerbehindertenausweis nachgewiesen ist, können im Rahmen der Hauptleistung der Eingliederungshilfe als Annexleistung die notwendigen Fahrtkosten für ihre Begleitperson erstattet bekommen, soweit sich die Notwendigkeit aus den Feststellungen im Gesamtplan ergibt. Es werden – soweit anfallend – höchstens die Beträge erstattet, die bei der Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels (bei Bahnbeförderung maximal 2. Klasse) entstanden wären.
  • (2) Weitere Aufwendungen der Begleitperson können als Assistenzleistung nach Maßgabe des Einzelfalls notwendig werden. Annexleistungen, für die keine Hauptleistung der Eingliederungshilfe besteht, können keine weiteren Aufwendungen darstellen.

Abschnitt 4 Wunsch- und Wahlrecht

Nummer 131 Wunsch- und Wahlrecht (§ 104 Abs. 2 bis Abs. 4 SGB IX)

  • (1) Dem vorhandenen Wunsch der leistungsberechtigten Person ist zu entsprechen, soweit
    • a) der vorhandene Wunsch angemessen ist oder
    • b) ein Abweichen vom Wunsch für die Person unzumutbar ist.

Der Teilhabefachdienst unterstützt die leistungsberechtigte Person in der Wahrnehmung des Wunsch- und Wahlrechts. Er unterstützt die leistungsberechtigte Person dabei – soweit noch keine Meinungsbildung vorliegt – Wünsche auszubilden und weist insbesondere auf Beratungsangebote Dritter, wie der Ergänzenden, unabhängigen Teilhabeberatung hin. Das Handeln des Teilhabefachdienstes ist aktenkundig zu dokumentieren.

  • (2) Das Wunsch- und Wahlrecht nach § 104 Abs. 2 SGB IX bezieht sich auf
    • a) die Auswahl des Leistungserbringers einschließlich der möglichen Berücksichtigung des religiösen Bekenntnisses gemäß § 104 Abs. 4 SGB IX,
    • b) den Ort der Leistungserbringung einschließlich der Wohnform unter den Einschränkungen von § 104 Abs. 3 SGB IX sowie
    • c) die Gestaltung der Unterstützungsleistung hinsichtlich Art und Umfang.
  • (3) Das Wunsch- und Wahlrecht nach Absatz 2 bezieht sich nicht auf das Vorliegen der tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen.

Nummer 132 Zumutbarkeit des Abweichens vom Wunsch (§ 104 Abs. 3 SGB IX)

  • (1) Soweit der Teilhabefachdienst vom Wunsch der leistungsberechtigten Person abweichen will, ist zunächst die Zumutbarkeit der Abweichung zu prüfen. Kriterien der Zumutbarkeit sind die in Nr. 123 Abs. 3 genannten persönlichen und Umfeld bezogenen Gründe. Die Suche nach Alternativen ist nicht per se unzulässig, sie entspricht dem Beratungs- und Unterstützungsauftrag des Teilhabefachdienstes nach § 106 Abs. 3 SGB IX.
  • (2) Es ist für die leistungsberechtigte Person regelmäßig zumutbar, gleichgeeignete, bedarfsdeckende vorhandene Angebote in Form von Sach- oder Geldleistung in Anspruch zu nehmen.
  • (3) Ist das Abweichen für die Person unzumutbar, ist dem Wunsch nachzukommen; ein Kostenvergleich nach Nr. 133 ist in diesen Fällen nicht vorzunehmen.

Nummer 133 Prüfung der Angemessenheit (§ 104 Abs. 2 und Abs. 5 SGB IX)

  • (1) Ist der leistungsberechtigten Person ein Abweichen vom Wunsch zumutbar, wird im Rahmen der Angemessenheit ein Kostenvergleich zwischen gewünschter und vergleichbar bedarfsdeckender Leistung durchgeführt. Dabei ist auch die Qualität der Leistung sowie deren Erfolgswahrscheinlichkeit im Hinblick auf die im Gesamtplan festgehaltenen Teilhabeziele in den Vergleich einzubeziehen. Im Ergebnis sollen für zumutbare Alternativen unverhältnismäßige Mehrkosten vermieden werden.
  • (2) Der Teilhabefachdienst kann nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (vgl. Nr. 123) für die leistungsberechtigte Person die Eingliederungshilfe auch abweichend vom bisherigen Leistungsort (vgl. Nr. 125) im Ausland erbringen lassen, wenn
    • a) die Wahrscheinlichkeit der Erreichung der vereinbarten Ziele durch die Leistungen im Ausland nicht sinken,
    • b) es im Interesse der Zielerreichung geboten ist
    • c) die Dauer der Leistungen der Eingliederungshilfe nicht wesentlich verlängert wird und
    • d) keine unvertretbaren Mehraufwendungen entstehen.

Abschnitt 5 Verfahrensweise beim Aufeinandertreffen von Pflege und Eingliederungshilfe

Abschnitt 5 Verfahrensweise beim Aufeinandertreffen von Pflege und Eingliederungshilfe

Nummer 134 Zuordnung von Leistungen zur Pflegeversicherung (SGB XI), Hilfe zur Pflege (SGB XII) und Eingliederungshilfe

  • (1) Unter Berücksichtigung des Gleichrangs zwischen Pflege und Eingliederungshilfe (Nr. 52) ist zu beachten, dass bestehende Bedarfe sowohl durch Pflegeleistungen, als auch durch Leistungen der Eingliederungshilfe gedeckt werden können. Daher ist anhand der ermittelten, individuellen Ziele der leistungsberechtigten Person die Zuordnung je Ziel vorzunehmen. Pflegeleistungen sollen den Pflegebedürftigen helfen, ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Hilfen sind darauf auszurichten, die körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte der pflegebedürftigen Personen, auch in Form der aktivierenden Pflege, wiederzugewinnen oder zu erhalten (vgl. § 2 Abs. 1 SGB XI). Die Ziele und Aufgaben der Eingliederungshilfe sind Nr. 3 f. zu entnehmen.
  • (2) Die Ziele sind nach Lebenssachverhalten zu bestimmen. Planbare oder außerplanmäßige Leistungen innerhalb eines Lebenssachverhalts, die isoliert betrachtet dem jeweils anderen System zuzuordnen wären sind nach dem Hauptziel zu bestimmen. Einheitliche Lebenssachverhalte stehen stets im engen, räumlichen und sachlichen Zusammenhang.
  • (3) In Fällen, in denen neben der Leistungszuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe auch die der Pflegekasse bzw. des Trägers der Sozialhilfe wegen des Bedarfs auf Hilfe zur Pflege gegeben ist, sind Sie am Verfahren in geeigneter Form zu beteiligen.

Nummer 135 Besondere Verfahrensregelungen nach § 103 Abs. 1 SGB IX

  • (1) In besonderen Wohnformen nach § 103 Abs. 1 S. 1 SGB IX i.V.m. §§ 71 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 3, 43a SGB XI, die im Verzeichnis gemäß der Vereinbarung mit den Pflegekassen in Berlin stehen, werden die Pflegesachleistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung durch den Teilhabefachdienst erbracht. Der Bedarf an Eingliederungshilfe wird mit dem TIB ermittelt (vgl. Nr. 91). Im Leistungsbescheid wird der jeweils durch den Medizinischen Dienst festgestellte Pflegegrad ausgewiesen.
  • (2) Die jeweilige Pflegekasse ist mit Zustimmung der leistungsberechtigten Person am Gesamtplanverfahren, insbesondere an der Gesamtplankonferenz nach Nr. 102, zu beteiligen. Die ermittelten Leistungen der Eingliederungshilfe und die Leistungen der Pflegeversicherung werden im Bescheid gesondert ausgewiesen.
  • (3) Erhält der Teilhabefachdienst Kenntnis von einer Veränderung der Verhältnisse gemäß Nr. 116 f., etwa weil der bisherige Leistungserbringer geltend macht, dass die Pflege nicht sichergestellt werden kann, wird eine neue Bedarfsermittlung, Gesamtplankonferenz und Ziel- und Leistungsplanung durchgeführt. Bestätigt sich das Vorbringen der nicht möglichen Sicherstellung des pflegerischen Bedarfes in besonderen Wohnformen nach § 103 Abs. 1 S. 1 SGB IX i.V.m. §§ 71 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 3, 43a SGB XI vereinbaren der Teilhabefachdienst und die Pflegekasse mit dem bisherigen Leistungserbringer, dass ein anderer (neuer) Leistungserbringer mit einem Vertrag nach dem SGB XI die Leistungserbringung nach Maßgabe von § 103 Abs. 1 S. 2 SGB IX übernimmt. Sofern die Eingliederungshilfe als Sachleistung erbracht werden soll, benötigt der Leistungserbringer (zusätzlich) einen Vertrag nach § 123 Abs. 1 oder Abs. 5 SGB IX. Die Veränderungen werden im Gesamtplan dokumentiert.
  • (4) Der gesetzliche Erstattungsbetrag nach § 43a SGB XI ist von der zuständigen Pflegekasse anzufordern. Der Erstattungsbetrag wird grundsätzlich an die betreffende Einrichtung gezahlt.
  • (5) Ein Zusammentreffen von Leistungen der Eingliederungshilfe und der Pflegeversicherung außerhalb von Einrichtungen nach § 103 Abs. 1 SGB IX richtet sich nach § 13 Abs. 4 SGB XI. Die Pflegekasse ist am Gesamtplanverfahren beratend zu beteiligen (§ 117 Abs. 3 S. 2 SGB IX, § 13 Abs. 4a SGB XI). Nach Zustimmung der leistungsberechtigten Person treffen die Pflegekasse und der Teilhabefachdienst im Einzelfall zur Leistungsgewährung, Kostentragung und Modalitäten der Übernahme und Durchführung der Leistungen eine Vereinbarung.

Nummer 136 Besondere Verfahrensregelungen nach § 103 Abs. 2 SGB IX; Altersgrenze

  • (1) § 103 Abs. 2 SGB IX enthält eine Verfahrensregelung bei Zusammentreffen der Leistungen der Eingliederungshilfe und der häuslichen Pflege als Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Die leistungsberechtigte Person muss Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 SGB IX in der Vergangenheit bis spätestens vor der Regelaltersgrenze nach § 35 S. 2 SGB VI erhalten haben. Der Leistungsbescheid Eingliederungshilfe einschließlich des Beginns der Leistungserbringung muss vor Vollendung des derzeitig 67. Lebensjahrs liegen.
  • (2) § 103 Abs. 2 SGB IX ist auch eröffnet, soweit
    • a) vor der Regelaltersgrenze Eingliederungshilfe erbracht worden ist,
    • b) eine Unterbrechung des Leistungsbezugs von mindestens sechs Monaten vorliegt und
    • c) eine erneute Antragsstellung auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach der Regelaltersgrenze erfolgt.
      Die leistungsberechtigte Person kann dabei eine Beibringungspflicht im Sinne der Mitwirkung treffen, insbesondere dann, wenn die erste Bewilligung von Eingliederungshilfe nicht durch einen Teilhabefachdienst des Landes Berlin gewährt wurde oder die letztmalige Bewilligung vor Ende der Aktenaufbewahrungsfrist liegt. Die Beibringung der Unterlagen ist nach Maßgabe von Nr. 11 zu unterstützen.
  • (3) Liegt der erstmalige Bezug von Eingliederungshilfe nach der Regelaltersgrenze, ist der Anwendungsbereich von § 103 Abs. 2 SGB IX nicht eröffnet.

Nummer 137 Weitere Voraussetzungen von § 103 Abs. 2 SGB IX

  • (1) Darüber hinaus muss die leistungsberechtigte Person einen bewilligten Pflegegrad 2 bis 5 und einen festgestellten Bedarf an ambulanter häuslicher Pflege nach dem SGB XII haben. Für die Bedarfsermittlung der ambulanten häuslichen Pflege nach dem SGB XII ist das jeweils gültige Instrument zu verwenden.
  • (2) Der Anwendungsbereich von § 103 Abs. 2 S. 1 SGB IX ist zudem nur außerhalb von Einrichtungen und Räumlichkeiten nach §§ 43a, 71 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 bis 3 SGB XI eröffnet. Sie dürfen also nicht zu stationären Pflegeeinrichtungen zählen. Ausgeschlossen für eine Anwendung des § 103 Abs. 2 SGB IX sind deshalb insbesondere Einrichtungen und Räumlichkeiten in denen Eingliederungshilfe erbracht wird, in denen nach einer Gesamtbetrachtung die Versorgung durch Leistungserbringer weitgehend der Versorgung in einer vollstationären Einrichtung entspricht (vgl. § 71 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 lit. c, 2. Halbsatz). Dabei hat der GKV-Spitzenverband das Nähere zu dieser Abgrenzung in einer Richtlinie zu regeln.

Nummer 138 Rechtsfolgen

  • (1) Ist der Anwendungsbereich von § 103 Abs. 2 SGB IX im Sinne von Nr. 136 f. eröffnet, ist der Einsatz von Einkommen und Vermögen allein nach den Regelungen für die Eingliederungshilfe zu bestimmen (Nr. 60 ff.).
  • (2) Ist der Anwendungsbereich von § 103 Abs. 2 SGB IX im Sinne von Nr. 136 f. nicht eröffnet oder werden neben den Leistungen nach Absatz 1 auch existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII erforderlich, bestimmt sich der Einsatz von Einkommen und Vermögen allein nach den Regelungen des SGB XII.
  • (3) Im Leistungsbescheid werden Leistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen des SGB XII getrennt ausgewiesen. Bestehen keine Leistungen der Eingliederungshilfe mehr, ist nach den für das SGB XII erlassenen Vorschriften zu verfahren.

Kapitel II Leistungsformen

Abschnitt 1: Allgemeine Regelungen zu Leistungsformen

Nummer 139 Leistungsformen (§ 105 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX)

  • (1) Leistungen der Eingliederungshilfe werden als Sach-, Geld- oder Dienstleistung erbracht.
  • (2) Sachleistungen setzen (vorhandene) Verträge mit geeigneten Leistungserbringern nach § 123 Abs. 1 SGB IX voraus. Die Aufwendungen für Sachleistungen werden direkt an den Leistungserbringer im Rahmen der Kostenübernahme gezahlt (vgl. Nr. 110). Die Teilhabefachdienste können im Einzelfall eine Vereinbarung nach § 123 Abs. 5 SGB IX schließen, sofern die dortigen Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist. Soweit der Bedarf durch eine Sach- oder Geldleistung mit Leistungserbringern nach § 123 SGB IX gedeckt werden kann, sind die Voraussetzungen von § 123 Abs. 5 SGB IX regelmäßig nicht erfüllt.
  • (3) Geldleistungen werden vor allem auf Basis gesonderter Regelungen, etwa Rundschreiben sowie für einmalige Leistungen erbracht. Geldleistungen werden regelmäßig an die leistungsberechtigte Person selbst gezahlt.
  • (4) Dienstleistung sind vor allem die in § 106 SGB IX genannten Beratungs- und Unterstützungsleistungen des Teilhabefachdienstes also insbesondere:
    • a) Die Beratung gemäß Nr. 15, insbesondere über die Möglichkeit der Inanspruchnahme von anderen Beratungs- und Unterstützungsstellen wie der ergänzenden, unabhängigen Teilhabeberatung, den Kontakt- und Beratungsstellen, Fachberatungsstellen und den Beratungsangeboten der Fachdienste des ÖGD,
    • b) die Beratung über das Verwaltungsverfahren nach Teil B,
    • c) die Beratung über mögliche eigene und andere Leistungen von Leistungsträgern, mögliche Leistungsformen nach diesem Abschnitt und Möglichkeiten der Leistungserbringung,
    • d) die erforderliche Unterstützung bei Antragsstellung und Mitwirkungspflichten (vgl. Nr. 11) und
    • e) die erforderliche Unterstützung bei der Suche nach einem geeigneten Leistungserbringer (vgl. Nr. 106) einschließlich Aushandlung und Abschluss von Verträgen zwischen leistungsberechtigter Person und Leistungserbringer

Nummer 140 Pauschale Geldleistungen

  • (1) Geldleistungen können auch nach Maßgabe gesonderter Regelungen durch die zuständige Senatsverwaltung als Pauschale erbracht werden. Für Pauschalen im Rahmen von Leistungen der sozialen Teilhabe ist eine Zustimmung der leistungsberechtigten Person erforderlich, §§ 116 Abs. 1, 105 Abs. 3 SGB IX.
  • (2) Der von der leistungsberechtigten Person gewählte Leistungserbringer hat keinen Vertrag mit dem Träger der Eingliederungshilfe. Dies gilt nur für Leistungserbringer, die keinen Vertrag nach § 123 SGB IX mit dem Träger der Eingliederungshilfe geschlossen haben. Allerdings tritt der Teilhabefachdienst in die Geldleistungsschuld des Vertrages zwischen leistungsberechtigter Person und Leistungserbringer mit dem Bewilligungsbescheid ein und begründet damit ein Rechtsverhältnis zwischen Teilhabefachdienst und Leistungserbringer. Spätere Veränderungen des Vertrages im Verhältnis zwischen leistungsberechtigter Person und Leistungserbringer wirken grundsätzlich nicht zulasten des Teilhabefachdienstes. Der Teilhabefachdienst kann aber der Veränderung zustimmen, sofern sie erforderlich ist. Mit erteilter Zustimmung in Form eines Änderungsbescheides gegenüber der leistungsberechtigten Person wird die Veränderung wirksam. Eine rückwirkend erteilte Zustimmung ist nur ab dem Ersten des Monats der Antragsstellung möglich, soweit zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen vorlagen.
  • (3) Pauschalen werden regelmäßig an die leistungsberechtigte Person ausgezahlt. Auf Wunsch der leistungsberechtigten Person kann auch eine Direktzahlung an den Leistungserbringer erfolgen.

Nummer 141 Gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen

  • (1) Eine gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen für mehrere leistungsberechtigte Personen ist grundsätzlich möglich. Jeder leistungsberechtigten Person muss dies jedoch zumutbar im Sinne von Nr. 132 sein, insbesondere muss die Leistung vergleichbar den Bedarf decken. Dies ist im Gesamtplanverfahren zu ermitteln und zu dokumentieren.
  • (2) Neben den individuellen Voraussetzungen bedürfen Leistungen, die gemeinsam von mehreren leistungsberechtigten Personen in Anspruch genommen werden sollen, der gesonderten Regelung durch die zuständige Senatsverwaltung. Eine gesonderte Regelung liegt hierfür auch in durch Beschluss der Kommission 131 getroffenen Vereinbarungen für Leistungen, die durch Leistungserbringer nach § 123 Abs. 1 SGB IX erbracht werden.

Abschnitt 2: Persönliches Budget nach § 105 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 29 SGB IX

Nummer 142 Rechtliche Einordnung

  • (1) Ein Persönliches Budget nach § 105 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 29 SGB IX setzt einen Anspruch auf Teilhabeleistungen bzw. andere budgetfähige Sozialleistungen voraus. Diese Leistungsansprüche können in Form von Geldleistungen als Alternative zu Sachleistungen verwirklicht werden. Als Budgetnehmender erhält die leistungsberechtigte Person die bewilligte Leistung als Geldbetrag. Sie kann damit nach Maßgabe einer Zielvereinbarung selbst darüber entscheiden, wann, wo, wie und durch wen sie ihre der Leistung zu Grunde liegenden Bedarfe deckt und wie und wodurch die vereinbarten Ziele erreicht werden. Dies gilt auch bei einer Hinzuziehung einer Person zu rechtlichen Betreuung oder gesetzlichen Vertretung.

Nummer 143 Leistungen in Form des Persönlichen Budgets

  • (1) Nach § 105 Abs. 4 SGB IX i. V. m. § 29 Abs. 1 SGB IX werden auf (gesonderten) Antrag der leistungsberechtigten Person Leistungen zur Teilhabe durch die Leistungsform eines Persönlichen Budgets ausgeführt, um dieser in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die Zuordnung der Leistungen ergibt sich aus Nr. 124 Abs. 1. Budgetfähig sind auch die daneben erforderlichen Leistungen der Krankenkassen und der Pflegekassen, Leistungen der Träger der Unfallversicherung bei Pflegebedürftigkeit sowie Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen und als Geldleistungen oder durch Gutscheine erbracht werden können. Die Leistungen der Pflegeversicherung sind nur mit den in § 35a SGB XI enthaltenen Einschränkungen budgetfähig.
  • (2) Das Persönliche Budget wird grundsätzlich trägerübergreifend gewährt (vgl. § 29 Abs. 1 S. 3 SGB IX). Die Teilhabefachdienste können auch, soweit lediglich Leistungen der Eingliederungshilfe in Betracht kommen, diese als Persönliches Budget ausreichen.
  • (3) Die Leistungsform des Persönlichen Budgets ist auch als Teilbudget in Kombination mit Sachleistungen möglich. Ferner sind einmalige Teilhabeleistungen grundsätzlich budgetfähig.

Nummer 144 Abgrenzung Persönliches Budget, Budget für Arbeit, Budget für Ausbildung und Leistungen der Persönlichen Assistenz

  • (1) Das Persönliche Budget ist eine Form der Leistung, bei der leistungsberechtigte Personen anstelle von Sachleistungen eine Geldleistung (oder in begründeten Einzelfällen und in Absprache mit der leistungsberechtigten Person als Gutschein) erhält. Mit diesem Budget kann sie ihre persönliche Leistung selbstständig einkaufen – vgl. Nr. 142 ff.. Das Persönliche Budget wird in der Regel monatlich im Voraus zur Verfügung gestellt.
  • (2) Im Gegensatz zum Persönlichen Budget ist das Budget für Arbeit eine Leistung und keine Leistungsform. Ziel des Budgets für Arbeit ist es, Menschen mit Behinderungen einen Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, für die es bislang wenig Alternativen zur Beschäftigung in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) gab – vgl. Nr. 159.
  • (3) Das Budget für Ausbildung lehnt sich an das Budget für Arbeit an. Ziel ist es hier, dass Menschen mit Behinderungen, die werkstattberechtigt sind, bei einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber eine anerkannte Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt absolvieren. Dies umfasst Regelausbildungen und Ausbildungen als Fachpraktiker und Fachpraktikerinnen. Das in § 111 SGB IX neu geregelte Budget für Ausbildung gilt für die Eingliederungshilfe seit dem 01.01.2022 – vgl. Nr. 159.
  • (4) Auch die Komplexleistung Persönliche Assistenz (vgl. Nr. 54 ff.) ist eine Leistung und keine Leistungsform. Sie wurde speziell für Menschen mit wesentlicher Körperbehinderung mit besonderem Pflegebedarf und besonderem Unterstützungsbedarf entwickelt, die einen sehr hohen, vielschichtigen und nur begrenzt planbaren Hilfebedarf haben (s. Nr. 183). Diese Komplexleistung kann auch in Form des Persönlichen Budgets gewährt werden.
  • (5) Eine selbstbeschaffte Leistung im Sinne des § 18 Abs. 6 SGB IX unterscheidet sich vom Persönlichen Budget dahingehend, dass dort eine Kostendarlegung im Einzelfall nachträglich für eine Kostenerstattung erforderlich wird. Das Persönliche Budget ist dagegen eine vorab geleistete Leistung.

Nummer 145 Berechtigter Personenkreis

  • (1) Alle leistungsberechtigten Personen der Eingliederungshilfe haben Anspruch auf ein Persönliches Budget. Dies gilt unabhängig vom Alter der leistungsberechtigten Person undunabhängig von der Art, der Schwere und der Ursache der Behinderung. Anspruchsberechtigt sind somit auch Kinder und Jugendliche, auch Berechtigte gem. § 35a SGB VIII. Die Notwendigkeit bei der Verwendung bzw. der Verwaltung des Persönlichen Budgets auf Beratung und Unterstützung durch Dritte (z. B. Familienangehörige oder rechtliche Betreuer) angewiesen zu sein, steht diesem Anspruch nicht entgegen.
  • (2) Für Kinder und Jugendliche mit körperlich, geistig, seelisch oder mehrfachen Behinderungen, die das persönliche Budget nicht selbst verwalten können, wird diese Aufgabe durch den gesetzlichen Vertreter wahrgenommen. Bei Antrag auf ein Persönliches Budget muss der gesetzliche Vertreter hinreichend Gewähr dafür bieten, dass er, allein oder mit professioneller Unterstützung in der Lage ist, die fachlichen und fiskalischen Voraussetzungen für die Einhaltung der Zielvereinbarung sicher zu stellen. Näheres wird von der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung in einem Rundschreiben gesondert geregelt.
  • (3) Die leistungsberechtigte Person muss in der Lage sein, das Budget zielgebunden einzusetzen und selbständig oder mit Unterstützung zu verwalten. Das Persönliche Budget kann eingesetzt werden, indem die leistungsberechtigte Person zur Bedarfsdeckung eine oder mehrere Personen anstellt oder eine juristische Person (z.B. gGmbH) beauftragt.
  • (4) Bei erheblichen Zweifeln an der sachgerechten Nutzung eines Persönlichen Budgets ist zunächst eine engmaschige Begleitung und Belegführung in der Zielvereinbarung festzulegen. Ist dies nicht erfolgsversprechend, kann eine Ausgabe von Gutscheinen in Betracht gezogen werden (vgl. § 29 Abs. 2 S. 3 SGB IX). Kommt der Teilhabefachdienst zu der Überzeugung, dass eine zielgerichtete Verwendung und verantwortliche Budgetverwaltung nicht möglich ist, ist die Gewährung von Sachleistungen zu prüfen. Ein Persönliches Budget ist in den Fällen von Satz 3 ausgeschlossen. Das Vorliegen des Ausschlussgrundes nach Satz 3 und die verworfenen Ausgestaltungen nach Satz 1 bis 3 sind zu dokumentieren; ein rechtsmittelfähiger Bescheid ist zu erlassen.

Unterabschnitt b Verfahren und Bedarfsdeckung

Nummer 146 Beratung

Die Beratung nach Nr. 15 ff. umfasst die Budgetberatung. Im Rahmen dieser ist aktiv über die Möglichkeit sowie über Inhalt und Bedeutung der Ausführung von Teilhabeleistungen durch ein Persönliches Budget und den damit verbundenen individuellen Gestaltungsmöglichkeiten zu informieren. Dazu gehören insbesondere Informationen über die Ziele, Chancen, Verantwortlichkeiten, organisatorischen Herausforderungen, Risiken und den Umgang mit dem Persönlichen Budget. Dies gilt vor allem, wenn bei der Beratung deutlich wird, dass zur Deckung aller Bedarfe ein trägerübergreifendes Persönliches Budget erforderlich ist.

Nummer 147 Antragstellung

Unabdingbare Voraussetzungen für ein Persönliches Budget sind ein gesonderter (formloser) Antrag (vgl. Nr. 20) der leistungsberechtigten Person und ein bestehender Anspruch auf Teilhabeleistungen – nicht zwingend nur der Eingliederungshilfe. Der Antrag auf ein Persönliches Budget kann nicht durch den Leistungserbringer bzw.
Teilhabefachdienst gestellt werden, der Wille der leistungsberechtigten Person ein Persönliches Budget beantragen zu wollen, ist stets zu ermitteln (Nr. 19 Abs. 2). Dies gilt auch dann, wenn ein Persönliches Budget wirtschaftlicher wäre oder die Koordination der erforderlichen Leistungen in dieser Ausführungsform besser zu gewährleisten wäre.

Nummer 148 Verfahrensverantwortung und Verantwortlichkeiten der Rehabilitations- und Leistungsträger

  • (1) Sofern der Teilhabefachdienst bereits leistender Rehabilitationsträger nach § 14 SGB IX ist, wird der Rehabilitationsbedarf ermittelt und im Rahmen der Leistungsausführung über eine Umsetzung in der Leistungsform des Persönlichen Budgets entsprechend dem Antrag der budgetnehmenden Person entschieden.
  • (2) Liegt noch kein Antrag auf Teilhabe vor und ist noch kein Gesamtplanverfahren eingeleitet, so ist eine Willensbekundung zur Inanspruchnahme eines Persönlichen Budgets als Antrag auf Teilhabeleistungen zu werten.
  • (3) Beinhaltet das beantragte Persönliche Budget weitere Leistungen, die nicht in der Leistungsverantwortung der Teilhabefachdienste sind, ist der Antrag unverzüglich nach § 15 Abs. 2 SGB IX an dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger weiterzuleiten.
  • (4) Im Vorfeld ist mit der leistungsberechtigten Person abzuklären, ob ein trägerspezifisches oder trägerübergreifendes Persönliches Budget gewünscht wird. Erforderlichenfalls ergeben sich in der Folge weitere Koordinierungsnotwendigkeiten (Nr. 41, 42).

Nummer 149 Verfahrensdurchführung beim Persönlichen Budget

  • (1) Ist lediglich der Teilhabefachdienst an dem Persönlichen Budget beteiligt, so ist er für die Verfahrensdurchführung zuständig. Dies gilt auch, soweit der Teilhabefachdienst leistender Rehabilitationsträger geworden ist (vgl. Nr. 37 ff.)
  • (2) Ist ein anderer Rehabilitationsträger der Leistende, kann er auch beim Persönlichen Budget eine Antragsplittung vornehmen (vgl. § 29 Abs. 3 SGB IX). Der Teilhabefachdienst entscheidet dann über den gesplitteten Antrag. Die Persönlichen Budgets werden dann als Teilbudgets gewährt.

Nummer 150 Bedarfsermittlung, Höhe des Persönlichen Budgets

  • (1) Der zu deckende individuelle Bedarf ergibt sich aus der Bedarfsermittlung nach Nr. 84 ff. und ist im Gesamtplan zu dokumentieren.
  • (2) Die Höhe des Persönlichen Budgets richtet sich nach den Kosten der Leistungen, die zur Deckung des individuellen Bedarfs erforderlich sind. Das Persönlichen Budget soll die Höhe der vergleichbaren Sachleistung (wirtschaftlich angemessen) nicht überschreiten, die ohne das Persönliche Budget zu erbringen sind (vgl. § 29 Abs. 2 S. 6 SGB IX). Wirtschaftlich angemessen ist dabei stets das untere Drittel im Sinne von § 124 Abs. 1 S. 3 SGB IX. Von diesem Grundsatz kann in besonders begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden. Dies könnte z. B. geboten sein, wenn den bisher stationär betreuten Leistungsberechtigten nur so ein Umsteigen auf ambulante Betreuung unter Inanspruchnahme des Persönlichen Budgets übergangsweise ermöglicht werden kann (vgl. § 124 Abs. 1 S. 4 SGB IX).
  • (3) Das Persönliche Budget ist gemäß der Zielvereinbarung zweckgebunden zu verwenden.

Nummer 151 Budgetunterstützung

Das Persönliche Budget beinhaltet auch die im Einzelfall erforderlichen Kosten für eine Budgetunterstützung. Budgetunterstützung bezieht sich dabei vor allem auf Verwaltungs- und Regiebedarfe bei der Umsetzung des Persönlichen Budgets, insbesondere Unterstützung bei Abschluss von Arbeits-, Dienstleistungs- und Beschaffungsverträgen. Soweit Budgetunterstützungsleistungen erforderlich sind, müssen diese aus dem Persönlichen Budget beglichen werden.

Nummer 152 Ausschlussgründe

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass besondere Aspekte des Einzelfalls bei Art und Umfang der Leistungen, die dem Budget zu Grunde liegen, berücksichtigt werden. Im Einzelfall kann jedoch ein Ausschlussgrund vorliegen. Dies kann dann der Fall sein, wenn die antragstellende Person nicht in der Lage ist, die erforderliche Budgetverwaltung „in eigener Verantwortung“ sicherzustellen. Die Vorgabe der Budgetverwaltung „in eigener
Verantwortung“ bedeutet nicht, dass diese immer eigenständig und somit persönlich von der antragstellenden Person ausgeführt werden muss. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass der antragstellenden Person sowie ggf. sie unterstützende Personen, alleine bzw. gemeinsam, die Budgetverwaltung bewältigen.

Nummer 153 Zielvereinbarung / Bescheiderteilung / Kündigung der Zielvereinbarung

  • (1) Der Teilhabefachdienst und die leistungsberechtigte Person schließen zur Umsetzung eines Persönlichen Budgets für die Dauer des Bewilligungszeitraumes eine Zielvereinbarung ab. Die Zielvereinbarung wird im Rahmen des Gesamtplanverfahrens für Leistungen in Form des Persönlichen Budgets abgeschlossen (§ 29 Abs. 4 S. 8 SGB IX). Die budgetnehmende Person kann auf Grundlage der Zielvereinbarung selbst entscheiden, wie sie ihren Bedarf mit dem Persönlichen Budget deckt, um das Teilhabeziel zu erreichen.
  • (2) Die Zielvereinbarung regelt die Ausrichtung der individuellen Ziele und enthält Regelungen über
    • a) die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele,
    • b) die Erforderlichkeit eines Nachweises zur Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs,
    • c) die Qualitätssicherung und
    • d) die Höhe der Teil- und des Gesamtbudgets.
  • (3) In Abstimmung mit der budgetnehmenden Person werden in der Zielvereinbarung die individuellen Förder- und Leistungsziele einschließlich ihrer Ausrichtung konkret und detailliert beschrieben. Hierbei ist es hilfreich, vorgesehene einzelne Schritte und Indikatoren zum Erreichen des Teilhabeziels einschließlich der jeweils zu realisierenden individuellen Qualifizierungselemente, Maßnahmen oder Hilfen zu definieren.
  • (4) Die Zielvereinbarung wird für die Dauer der Gültigkeit des Bewilligungszeitraumes abgeschlossen. In diesen Fällen hat der Gesamtplan einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zu umfassen, da Entscheidungen über ein persönliches Budget nach § 29 Abs. 1 S. 6 SGB IX die leistungsberechtigten Personen für die Dauer von sechs Monaten bindet.
  • (5) Das Persönliche Budget ist durch Bescheiderteilung zu bewilligen. Im Bescheid wird die Gewährung als Persönliches Budget dokumentiert sowie die Zielvereinbarung als Bestandteil der Begründung des Bescheides beigefügt.
  • (6) Die leistungsberechtigte Person oder der Teilhabefachdienst können die Zielvereinbarung aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen (vgl. § 29 Abs. 4 S. 3-6 SGB IX), wenn ihnen die Fortsetzung der Vereinbarung nicht zumutbar ist. Ein wichtiger Grund kann für die budgetnehmende Person insbesondere in der persönlichen Lebenssituation liegen. Für den zuständigen Teilhabefachdienst kann ein wichtiger Grund dann vorliegen, wenn die leistungsberechtigte Person die Vereinbarung, insbesondere hinsichtlich der zweckentsprechenden Verwendung des Budgets, des Nachweises zur Bedarfsdeckung oder der Qualitätssicherung nicht einhält bzw. eine notwendige Budgetanpassung nicht zustande kommt.
  • (7) Bevor eine Kündigung ausgesprochen wird, soll die budgetnehmende Person Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern. Mit der Kündigung sind die notwendigen Leistungen als Sachleistung zu bewilligen
  • (8) Im Falle einer Kündigung hebt der Teilhabefachdienst den Bewilligungsbescheid nach § 48 Abs. 1 SGB X auf und gibt die neue Leistungsform und Leistungserbringung bekannt. Bewilligte Budgets werden in diesem Fall anteilmäßig auf die tatsächliche Laufzeit berechnet und gegebenenfalls gekürzt. Eine Nebenbestimmung zum konkreten Nachweis der Mittelverwendung führt nicht dazu, dass die Bewilligung für die Vergangenheit widerrufen werden kann, wenn die Nachweise nicht vorgelegt wurden. Die Nichtvorlage von Verwendungsnachweisen hat zur Folge, dass sich die ursprüngliche Prognose ggf. als unzutreffend erweist (§§ 45, 48 SGB X) und/oder weitere Leistungen über die Leistungsform eines Persönlichen Budgets in der Zukunft entzogen oder versagt werden können. Der Bedarf ist regelmäßig neu zu ermitteln und die Vorlage entsprechender Belege im Rahmen der §§ 60 ff. SGB I zu verlangen, bei fehlender Mitwirkung kann die Leistung entzogen oder zu versagt werden (§ 66 SGB I).

Nummer 154 Auszahlung des Persönlichen Budgets

  • (1) Nach § 29 Abs. 2 S. 1 SGB IX handelt es sich beim Persönlichen Budget um eine in Geld bemessene, budgetierte Einzelleistung, die als Geldbetrag oder in begründeten Fällen (vgl. Nr. 145 Abs. 4) als Gutschein monatlich zu erbringen ist.
  • (2) Die Leistungen sind zum Monatsbeginn auszuzahlen.

Nummer 155 Nachweis der Mittelverwendung / Qualitätssicherung

  • (1) Es ist zu überprüfen, ob die mit dem Persönlichen Budget angestrebten Ziele erreicht wurden. Die Prüfung liegt dabei in der Ergebnisqualität. Hier spielt die Zufriedenheit der budgetnehmenden Person eine wesentliche Rolle. Diese ist verpflichtet, den Budgetbetrag ausschließlich zur Erreichung der in der Zielvereinbarung genannten Ziele zu verwenden. Ihr allein obliegt die zweckgebundene Verwendung.
  • (2) In der Zielvereinbarung ist zu regeln, in welcher Form und in welchen Zeitabständen Nachweise der Mittelverwendung einzureichen sind. Bei der Anforderung von Nachweisen ist die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Von einer Nachweisaufforderung, Einzelrechnungen zu Einzelbestandteilen des Persönlichen Budgets einzureichen, ist abzusehen. Als Form für Nachweise kommen das Führen eines Haushaltsbuchs bis zur Vorlage von Belegen in Betracht. Auch die Vorlage von Arbeitsverträgen kann vereinbart werden. Die Ausgestaltung der Nachweise sollte in einer einfachen und unbürokratischen Form abhängig von der Art der Leistung und dem Bedarf stattfinden. Auf diese Weise soll auch die Bereitschaft der budgetnehmenden Person zu Eigenverantwortung und Selbstbestimmung gestärkt werden. Eine weitergehende Überprüfung der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel ist eine Entscheidung im Einzelfall.
  • (3) Budgetreste sind an den Teilhabefachdienst abzuführen. In der Folge-Zielvereinbarung kann vereinbart werden, wie mit nicht ausgeschöpften Budgetmitteln umgegangen werden soll.

Nummer 156 Teilhabeverfahrensbericht (§ 41 SGB IX)

Die für den Teilhabeverfahrensbericht u.a. erforderlichen Kennzahlen zum Persönlichen Budget sind gemäß AV THVB zu erheben.

Kapitel III Medizinische Rehabilitation

Nummer 157 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, § 109 SGB IX

  • (1) Leistungen im Rahmen der Leistungsgruppe der medizinischen Rehabilitation sind nur dann Gegenstand der Eingliederungshilfe, insoweit
    • a) keine Leistungen vorrangiger Rehabilitationsträger für medizinische Rehabilitation gemäß §§ 5 Nr. 1, 6 Abs. 1 SGB IX in Betracht kommen, insbesondere der gesetzlichen Krankenversicherungen und der (ergänzenden) arbeits- und berufsfördernden Leistungen des SGB III,
    • b) der Leistungsumfang der Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausgeschöpft ist, weil eine Aufstockung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen der medizinischen Rehabilitation durch die Eingliederungshilfe nicht stattfindet (§ 109 Abs. 2 SGB IX). Ob der Leistungsumfang ausgeschöpft ist, ist nicht davon abhängig, welche individuelle gesetzliche, freiwillige gesetzliche oder private Versicherung die leistungsberechtigte Person abgeschlossen hat, sondern generell anhand des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenkassen nach dem SGB V und den nachgeordneten Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss der Krankenkassen bzw. des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen zu bestimmen.
      Typischerweise wird von § 109 SGB IX nur der Personenkreis der Empfänger von Hilfen zum Lebensunterhalt nach § 264 Abs. 2 S. 2 SGB V prinzipiell erfasst.
  • (2) Leistungen der medizinischen Rehabilitation sind nur möglich, soweit keine Leistungen der Krankenbehandlung in Betracht kommen. Außerdem gehen die Hilfen zur Gesundheit nach dem SGB XII den Leistungen der medizinischen Rehabilitation der Eingliederungshilfe vor.
  • (3) Ist ein Bedarf einer Leistung der medizinischen Rehabilitation zugeordnet, ist für den gleichen Bedarf keine (ergänzende) Leistung zur sozialen Teilhabe möglich (Nr. 124). Dies gilt insbesondere für Psychotherapie, Rehabilitationssport sowie Hilfsmittel.
  • (4) Es ist davon auszugehen, dass Leistungen der medizinischen Rehabilitation nur in Betracht kommen, soweit davon auszugehen ist, dass die Beeinträchtigung bei prognostischer Betrachtung in Wechselwirkung mit den verschiedenen Barrieren länger als sechs Monate voraussichtlich andauernd wird (Feststellung der Behinderung, vgl. Nr. 94).

Nummer 158 Umfang der Leistungen der medizinischen Rehabilitation

  • (1) Leistungen der medizinischen Rehabilitation umfassen Leistungen gemäß § 109 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 42 Abs. 2 und Abs. 3 SGB IX sowie ergänzende Leistungen nach § 64 SGB
    IX. Dazu gehören insbesondere
    • a) Behandlung durch Angehörige von Heilberufen (z.B. Ärzte) gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX, Kuraufenthalte soweit sie im Rahmen des SGB V übernahmefähig sind; Heil- und Hilfsmittel nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 bis 6 SGB IX; es handelt sich bei Hilfsmitteln im Sinne des
      § 47 SGB IX um Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel, die von leistungsberechtigten Personen getragen, mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können;
    • b) Medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen nach § 42 Abs. 3 SGB IX, soweit diese Leistungen erforderlich sind, um die Ziele der medizinischen Rehabilitation zu erreichen;
    • c) Ergänzende Leistungen nach § 64 SGB IX einschließlich erforderlichen ärztlich betreut und überwachten Rehabilitationssports (§ 64 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX i.V.m.Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining – www.bar- frankfurt.de), Übungen für Frauen und Mädchen zur Stärkung des Selbstbewusstseins im Rahmen der Gewaltprävention, und notwendiger Reisekosten gemäß § 73 SGB IX.
  • (2) Heil- und Hilfsmittel der medizinischen Rehabilitation nach Absatz 1 lit. b ergeben sich aus dem im Internet veröffentlichten Hilfsmittelverzeichnis des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (https://hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de) sowie der Heilmittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (https://www.g-ba.de/) einschließlich der verordnungsfähigen Heilmittel (2. Teil der Heilmittelrichtlinie – Heilmittelkatalog) sowie der nichtverordnungsfähigen Heilmittel (Anlage 1 der Heilmittelrichtlinie).
  • (3) Nicht von der medizinischen Rehabilitation im Rahmen der Eingliederungshilfe umfasst sind, weil sie keine Leistungen des SGB V im Rahmen der medizinischen Rehabilitation sind, u.a.:
    • a) Leistungen der Krankenbehandlung nach § 27 SGB V,
    • b) Häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V,
    • c) Musiktherapie,
    • d) Hippotherapie und
    • e) Petö-Therapie.
  • (4) Das Leistungserbringungsrecht richtet sich nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 110 SGB IX). Insbesondere ist ein Vertrag zwischen Krankenversicherung und Leistungserbringer erforderlich.

Kapitel IV Teilhabe am Arbeitsleben

Nummer 159 Leistungen zur Beschäftigung (§ 111 SGB IX)

  • (1) Im Bereich der Eingliederungshilfe nennt das Gesetz die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Leistungen zur Beschäftigung ohne inhaltlich andere Schwerpunkte damit zu verbinden. Leistungen zur Beschäftigung sind abschließend im § 111 SGB IX geregelt:
    • a) Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (§ 111 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX) oder einem anderen Leistungsanbieter (§ 111 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX),
    • b) Leistungen des Budgets für Arbeit und Budget für Ausbildung (§ 111 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 SGB IX) und
    • c) Nebenleistungen, insbesondere Leistungen zur Mobilität, Arbeitsförderungsgeld (§ 111 Abs. 3 SGB IX) sowie Gegenstände und Hilfsmittel (§ 111 Abs. 2 SGB IX).
      Leistungen zur Mobilität können auch die Hilfen gemäß Kraftfahrzeughilfe-Verordnung umfassen. Diese Verordnung ist anzuwenden, soweit § 111 Abs. 2 SGB IX keine Spezialregelung bildet. Kfz-Hilfen als Leistungen zur Mobilität im Rahmen der sozialen Teilhabe (§ 113 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX) bleiben davon unberührt.
  • (2) Zu den Voraussetzungen gehört auch, dass die Person unter Beachtung des Jugendarbeitsschutzgesetzes die Altersgrenze von 15 Jahren (§§ 2, 5 JArbSchG) regelmäßig nicht unterschreitet und in den Fällen des § 11 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB IX die Regelaltersgrenze im Sinne des § 35 S. 2 SGB VI von derzeit 67 Jahren nicht überschreitet. Nach der Regelaltersgrenze ist die Unterstützung im Rahmen von Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erreichen.
  • (3) Die Begrenzung auf das Rentenalter gilt nicht für die Arbeitsassistenz im Rahmen des Budgets für Arbeit nach § 111 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX für eine Person die voll erwerbsgemindert ist oder als voll erwerbsgemindert nach § 45 SGB XII gilt. Die Feststellung der Erwerbsminderung obliegt ausschließlich der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 43 SGB VI bzw. des Jobcenters nach § 8 SGB II für die Feststellung der Erwerbsfähigkeit. Ist diese erforderlich, weil die Person nicht im Eingangs-, Berufsberufsbildungs- oder Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für Menschen mit Behinderungen sich bereits befindet, beteiligt der Teilhabefachdienst diese im Rahmen des Gesamtplanverfahrens.
  • (4) Ausbildungsleistungen sind keine Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben, sondern vorrangig von anderen Rehabilitationsträgern zu erbringen. Nachrangig können Leistungen der Teilhabe an Bildung in Betracht kommen.

Nummer 160 Leistungen im Arbeitsbereich

  • (1) Eine Leistung im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für Menschen mit Behinderungen wird als Sachleistung nach den geltenden Vereinbarungen gemäß § 14 BRV
    i.V.m. Anlage 3 erbracht und setzt einen Vertrag nach § 123 SGB IX voraus. Sie enthält das Arbeitsförderungsgeld und kann weitere Nebenleistungen als Geldleistung enthalten (Nr. 159 Abs. 1 lit. c). Leistungen im Arbeitsbereich setzen regelmäßig voraus, dass der Eingangs- und Berufsbildungsbereich gemäß § 57 SGB IX absolviert wurde oder eine (sozialversicherungspflichtige) Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von nicht unter einem Jahr bestand.
  • (2) Teil der Leistung nach Absatz 1 kann auch die Beförderung vom Wohn- zum Arbeitsort sein. Es wird davon ausgegangen, dass Leistungserbringer gemäß Nr. IV.3 der Anlage 3 des BRV i.V.m. § 14 BRV die Organisation des Fahrdienstes unterstützen und aktiv fördern.
  • (3) Soweit tatsächlich keine Beförderung der leistungsberechtigten Person durch vertraglichen Leistungserbringer erbracht wird, können Beförderungsleistungen im Zuständigkeitsbereich des Teilhabefachdienst Soziales als Geldleistung übernommen werden (vgl. Nr. 126 ff.).

Nummer 161 Minderleistungsausgleiche in Form von Budgets

Öffentliche und private Arbeitgeber können für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsverhältnisse von leistungsberechtigten Personen eine Geldleistung als Minderleistungsausgleich erhalten. Absatz 1 Satz 3 gilt für die Budgets für Arbeit und Ausbildung entsprechend. Das Nähere wird gesondert geregelt. Für das Budget für Arbeit gilt derzeit das Rundschreiben Soz Nr. 16/2020 vom 1.7.2020.

Kapitel V. Teilhabe an Bildung

Nummer 162 Teilhabe an Bildung

Eingliederungshilfe kann Leistungen zur Teilhabe an Bildung nach § 112 SGB IX umfassen. Dies sind unterstützende Leistungen, um die Wahrnehmung von Bildungsangeboten zu ermöglichen (z.B. Unterstützung beim Aufsuchen des Lernortes und Unterstützung bei der Teilnahme am Unterricht).

Nummer 163 Nachrang gegenüber (hoch-)schulischen Maßnahmen und Hilfen

  • (1) Die Verpflichtung der Bildungsträger zur inklusiven Öffnung bleibt vom individuellen Leistungsanspruch auf Teilhabe an Bildung unberührt. Inklusive Angebote der Bildungsträgerhaben deshalb Vorrang gegenüber Leistungen zur Teilhabe an Bildung des Trägers der Eingliederungshilfe, sofern der individuelle Bedarf gedeckt wird (§104 SGB IX).
  • (2) Die Vorgabe und Vermittlung von Lerninhalten (Unterricht), die Erstellung des pädagogischen Konzepts der Wissensvermittlung und die endgültige Bewertung der Schülerleistung ist ausschließliche Aufgabe der Schule (Kernbereich). Leistungen der Eingliederungshilfe kommen für den Kernbereich pädagogischer Arbeit nicht in Betracht.
  • (3) Außerhalb des Kernbereichs pädagogischer Arbeit werden zum Beispiel im Anwendungsbereich des Berliner Schulgesetzes (z.B. Sonderpädagogik VO – SopädVO, VV Schulhelfer) und des Berliner Hochschulgesetzes (z.B. Hilfen zur Integration) weitere gegenüber der Eingliederungshilfe vorrangige Leistungen gewährt.
  • (4) Bestehen Zweifel, ob der Bedarf dem Kernbereich zuzuordnen ist oder eine nachrangige, ergänzende Leistung in Betracht kommt, ist nach ständiger Rechtsprechung die Abgrenzung ausschließlich anhand der Aufgaben der Eingliederungshilfe zu bestimmen.
  • (5) Die Verfahrensvorgaben der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie im Bereich des vorrangigen Angebots der inklusiven Berliner Schule sind zu beachten.

Nummer 164 Einbindung Schule in Gesamtplanverfahren

  • (1) Die jeweilige Schule ist an der Aufstellung des Gesamtplans zu beteiligen. Daneben kann das jeweils zuständige Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ) eingebunden werden. Bei Unstimmigkeiten ist die Schulaufsichtsbehörde einzubeziehen.
  • (2) Der Teilhabefachdienst kann nach Einwilligung die Entscheidung der leistungsberechtigten Person über die gewählte Schulart nach SchulG im Gesamtplan aufnehmen, sofern es für die Ziele der Eingliederungshilfe wesentlich ist.

Kapitel VI Soziale Teilhabe

Abschnitt 1 Allgemeine Regelungen zur sozialen Teilhabe

Nummer 165 Strukturierung

  • (1) Die Leistungen der sozialen Teilhabe wurden im Vergleich zu den bisherigen Leistungen am Leben in der Gemeinschaft nicht erweitert. Sie wurden neustrukturiert in neun Regelbeispiele und weitere unbenannte Leistungen (teiloffener Leistungskatalog).
  • (2) Leistungen zur sozialen Teilhabe sind in den §§ 113 bis 115 SGB IX benannt. Sie werden soweit in diesen Normen keine Spezialregelungen getroffen sind gemäß § 113 Abs. 3 SGB IX in den §§ 76 ff. SGB IX konkretisiert.
  • (3) Leistungen der sozialen Teilhabe sind zu anderen Leistungsgruppen innerhalb der Eingliederungshilfe nachrangig (Nr. 124). Insbesondere ist auch zu beachten, dass zur Sicherung des Lebensunterhalts anteilig Mittel für Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft berücksichtigt sind (z.B. § 20 Abs. 1 S. 2 SGB II, §§ 27a Abs. 1 S. 2, 42 Nr. 1 SGB XII).
  • (4) Die Aufgaben der sozialen Teilhabe werden in § 90 Abs. 5 SGB IX benannt. Das Unabhängig-machen von Pflege ist kein besonderes Ziel der sozialen Teilhabe, sondern der medizinischen Rehabilitation selbst.Abschnitt 1 Wohnraumleistungen der Eingliederungshilfe

Nummer 166 Leistungen und Aufwendungen für Wohnraum, § 113 Abs. 2 und Abs. 5 SGB IX

  • (1) Leistungen für Wohnraum der Eingliederungshilfe teilen sich auf in
    • a) Leistungen für Wohnraum nach § 113 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 77 Abs. 1 SGB IX, der den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung entspricht,
    • b) Aufwendungen für Wohnraum nach § 113 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 77 Abs. 2 SGB IX, die nur soweit erstattet werden, wie ein entsprechender Bedarf vorliegt, sowie
    • c) Aufwendungen für Wohnraum nach § 113 Abs. 5 S. 1 SGB IX i.V.m. § 42a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und S. 3 SGB XII oberhalb der Angemessenheitsgrenze (Fachleistung II), sofern dies wegen der besonderen Bedürfnisse für Menschen mit Behinderungen erforderlich ist.
  • (2) Leistungen für Wohnraum nach § 113 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 SGB IX i.V.m. § 77 Abs. 1 SGB IX beinhalten laufende und einmalige Leistungen für die Beschaffung, Umbau, Ausstattung und Erhaltung von bedarfsgerechten Wohnraum. Maßstab ist dabei die Eignung der Wohnung für das Führen eines selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebens. Leistungen nach Satz 1 werden ausschließlich als Geldleistung gewährt, da bisher keine Sachleistung im Rahmen des BRV vereinbart wurde, § 19 BRV. Nicht von der Eingliederungshilfe umfasst sind Leistungen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit, die sich nach §§ 67 ff. SGB XII richten.
  • (3) Leistungen für Wohnraum sind zu Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 40 SGB XI abzugrenzen.
  • (4) Die Fachleistung II kommt nur in Betracht, soweit die Angemessenheitsgrenze von 125% der existenzsichernden Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Abs. 6 SGB XII überschritten wurde und die Leistungen in Räumlichkeiten erbracht werden, für die der Leistungserbringer einen Vertrag nach § 123 SGB IX abgeschlossen hat. Die Fachleistung II ergibt sich dabei im Einzelnen aus den Gesamtkosten für die Fachleistung, etwa Assistenzleistungen, abzüglich der existenzsichernden Leistung und muss im Leistungsbescheid gesondert ausgewiesen werden. Bei Zweifeln an der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung ist Nr. 115 Abs.3 zu beachten.
  • (5) Werden die Kosten der Unterkunft deckend im Rahmen der existenzsichernden Leistungen oder der Bedarf über die in Nummer 166 Abs. 1 a) und c) dargestellten Anspruchsgrundlagen abgedeckt, so findet § 77 Abs. 2 SGB IX keine Anwendung.

Abschnitt 2 Assistenzleistungen

Unterabschnitt a. Assistenzleistungen im Allgemeinen

Nummer 167 Assistenzleistungen, § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX

  • (1) Die Erbringung von Assistenzleistungen nach §§ 113 Absatz 2 Nummer 2, Absatz 3, 78 SGB IX, die in Form der Sachleistung nach Nr. 139 Abs. 2 durch Leistungserbringer mit Vereinbarungen erbracht werden, erfolgt grundsätzlich auf Grundlage des § 16 BRV i.V.m. Anlage 4. Dieser gilt auch für Leistungen der Eingliederungshilfe in Zuständigkeit des Teilhabefachdienst Jugend, mit Ausnahme für ambulante Leistungen; hier sind die aktuell gültigen Vereinbarungen und Regelungen der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung zu beachten.
  • (2) Handelt es sich bei der beantragten Leistung um einen neuen Leistungstyp, für den (noch) keine Vereinbarungen nach S. 1 vorliegen, ist unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles der Abschluss einer Einzelvereinbarung nach § 123 Abs. 5 SGB IX mit einem geeigneten Leistungserbringer in Betracht kommt. Bestehen an der Leistungsfähigkeit und Geeignetheit des Leistungserbringers für die von ihm dementsprechend wirtschaftlich und sparsam zu erbringende Leistung keine Zweifel und scheitert ein externer Vergleich daran, dass der Leistungserbringer mit seinem Angebot alternativlos ist, reduziert sich das Ermessen. Über den Abschluss von Einzelverhandlungen nach § 123 Absatz 5 SGB IX informieren die Teilhabefachdienste die für den Abschluss von Vergütungs- und Leistungsvereinbarungen nach § 123 SGB IX zuständigen Bereich der Senatsverwaltungen in geeigneter Form. Vor Bewilligung von Leistungen nach Satz 1 ist zur Abwicklung im IT-Fachverfahren über die IT- Koordination bei der BASIS-Hotline nachzufragen.
  • (3) Es ist zwischen der einfachen Assistenz nach § 113 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 und § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB IX und der qualifizierten Assistenz nach § 113 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 und § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB IX zu unterscheiden.
  • (4) Assistenzleistungen für Eltern mit Behinderungen werden unter Berücksichtigung der Nr. 168 geleistet.
  • (5) Aufwendungen zur Wahrnehmung eines Ehrenamts werden unter den Bedingungen der Nr. 169 erstattet.
  • (6) Persönliche Assistenz wird durch § 17 BRV i.V.m. Anlage 5 BRV beschrieben. Die Leistung Persönliche Assistenz kann durch einen Leistungserbringer – ambulanter Dienst mit Vereinbarung nach SGB IX und XI – (Sachleistung) oder im Arbeitgebermodell (Geldleistung oder in Form des Persönlichen Budgets) bewilligt werden. Persönliche Assistenz in Form des Arbeitgebermodells wird gesondert geregelt.
  • (7) Assistenzleistungen können außerhalb von Leistungserbringern nach Absatz 1 in Form einer Geldleistung, insbes. in Form der Einzelfallhilfe nach Nr. 172 ff. oder als Persönliches Budget nach Nr. 142 erbracht werden.

Nummer 168 Assistenzleistungen für Eltern mit Behinderungen (§§ 113 Abs. 2 Nr. 2, 78 Abs. 3 SGB IX)

  • (1) Assistenzleistungen an Eltern mit Behinderungen bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder gemäß § 113 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, § 78 Abs. 3 SGB IX werden als einfache Assistenz nach § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB IX (sog. Elternassistenz) oder als qualifizierte Assistenz nach § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB IX (sog. Begleitete Elternschaft) geleistet. Die qualifizierte Assistenz wird nur von Fachkräften (vgl. § 78 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) erbracht.
  • (2) Eltern mit Behinderungen, die Unterstützung in Form der sog. Elternassistenz benötigen, können diese als Einzelfallhilfe in Anspruch nehmen (siehe Nr. 172) oder sofern eine entsprechende Regelung vorhanden ist, auch als Sachleistung in Anspruch nehmen. Elternassistenz wird grundsätzlich in Anwesenheit des Elternteils in Anspruch genommen.
  • (3) Elternassistenz unterstützt das Elternteil mit Behinderungen bei der Betreuung und Versorgung von Kindern und Jugendlichen im eigenen Familienhaushalt zur Ausübung einer selbstbestimmten Elternschaft. Erzieherische Belange bleiben den sorgeberechtigten Eltern bzw. dem Elternteil vorbehalten. Die Eltern entscheiden, wann, wo und wie und durch wen die Hilfen erfolgen. Die Leistungen zielen darauf ab, die vom betreuenden Elternteil gewollten und von ihm benötigten Handlungen bei der Ausübung der Elternschaft auszuführen. Die Elternassistenz zielt nicht darauf ab, den Elternteil zu fördern, um dieGrundbedürfnisse seines Kindes wahrnehmen, verstehen und ihnen nachkommen zu können.
  • (4) Eltern mit Behinderungen, die Unterstützung in Form der sog. begleiteten Elternschaft (qualifizierte Assistenz) als Sachleistung benötigen, können diese soweit sie nicht Leistungen nach § 16 BRV i.V.m. Anlage 4 (§ 2 Abs. 4) in Anspruch nehmen, auch auf Basis der Komplexleistung in Mutter/Vater-Kind-Einrichtungen nach § 19 SGB VIII erhalten. Näheres wird gesondert geregelt (derzeit: Rundschreiben Soz Nr. 08/2015).

Nummer 169 Ehrenamts-Assistenz, § 78 Abs. 5 SGB IX

  • (1) Angemessene Aufwendungen für notwendige Unterstützung bei Ausübung eines Ehrenamts (Ehrenamts-Assistenz) sind als Assistenzleistung in Form einer Geldleistung nach §§ 113 Absatz 2 Nummer 2, Absatz 3, 78 Absatz 5 Satz 1 SGB IX unter Beachtung des Absatzes 2 zu erstatten.
  • (2) Eine Ehrenamts-Assistenz ist gemäß § 78 Absatz 5 Satz 2 SGB IX nicht von den Teilhabefachdiensten als Eingliederungshilfe zu leisten, soweit das Gremium oder die Organisation oder eine andere Person die erforderliche Unterstützung leistet. Die Personen müssen nicht der Familie oder engen Freundschaften entstammen, in der Gesetzesbegründung werden auch Personen im gleichen Sportverein oder im gleichen Chor genannt. Lediglich, wenn die Unterstützung durch diese nicht leistbar ist, kann die notwendige Unterstützung durch eine Assistenzkraft erbracht werden. Maßstab ist, ob die andere Unterstützungsperson die Unterstützung zumutbar unentgeltlich erbringen kann. Dazu sind die Lebensumstände der Unterstützungsperson sowie allgemeine gesellschaftliche Wertungen auf Basis des bürgerschaftlichen Engagements bzw. der Förderung des Ehrenamts heranzuziehen.
  • (3) Eine Ehrenamts-Assistenz umfasst insbesondere politische oder gewerkschaftliche Ehrenämter, Tätigkeit in Selbstverwaltungsgremien oder sozialen Verbänden. Nicht mehr umfasst sind Leistungssport oder über den Breitensport hinausgehende Wettkämpfe. Maßstab ist auch hier die Gleichbehandlung mit vergleichbaren Menschen ohne Behinderungen, die ebenfalls dieses Ehrenamt ausüben.
  • (4) Eine Ehrenamts-Assistenz kann auch im Rahmen der Einzelfallhilfe (Unterabschnitt b) erbracht werden, wenn dadurch der Bedarf gedeckt werden kann. Soweit keine andere Regelung getroffen ist, werden für Selbstständige, insbesondere Gebärdensprachdolmetschungen die Honorarverordnung Soziales angewandt.

Nummer 170 Verhältnis der Assistenzleistungen zueinander

Werden Leistungen der Assistenz auf Basis gesonderter Regelungen wie der Einzelfallhilfe (Nr. 171ff.) oder der Persönlichen Assistenz (Nr. 184 ff.) gewährt, sind diesbezügliche Bedarfe abschließend gedeckt. Unberührt bleiben darüberhinausgehende qualifizierte Assistenzbedarfe bzw. Bedarfe gegenüber anderen vorrangig zu beanspruchenden Leistungsträgern. Diese Bedarfe und Leistungen treten neben die in Satz 1 genannten besonderen Leistungen der Assistenz. Die Regelung soll Doppelleistungen auf ein und denselben Bedarf verhindern.

Unterabschnitt b. Besondere Assistenzleistung: Einzelfallhilfe

Nummer 171 Definition der Einzelfallhilfe als Eingliederungshilfe nach § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX

  • (1) Eine Form der Unterstützung als Geldleistung für volljährige leistungsberechtigte Personen ist die Einzelfallhilfe, einschließlich der Unterstützung von Eltern mit Behinderungen. Die folgenden Regelungen gelten nicht für den Bereich der Teilhabefachdienst Jugend.
  • (2) Einzelfallhilfe ist ein niedrigschwelliges Leistungsangebot zur Unterstützung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Teil der Assistenzleistungen nach § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX.
  • (3) Sie wird im Land Berlin ausschließlich von freiberuflich/ selbständig-arbeitenden Einzelfallhelferinnen und Einzelfallhelfern ausgeübt.

Nummer 172 Abgrenzung qualifizierte und einfache Assistenz in der Einzelfallhilfe

  • (1) Einfache Assistenzleistungen im Rahmen der Einzelfallhilfe umfassen die vollständige und/oder teilweise Übernahme von Handlungen zur Alltagsbewältigung sowie die Begleitung der Leistungsberechtigten;
    • a) zur Teilhabe am gemeinschaftlichen, kulturellen und politischen Leben einschließlich Formen bürgerschaftlichen Engagements, der Freizeitgestaltung und sportlicher Aktivitäten und
    • b) zu allgemeinen Erledigungen des Alltags wie der Haushaltsführung, Arztbesuchen, Behördengängen, Einkäufen usw.
  • (2) Leistungen der qualifizierten Assistenz im Rahmen der Einzelfallhilfe haben die Befähigung der Leistungsberechtigten zu einer eigenständigen Alltagsbewältigung zum Ziel und können zum Beispiel sein:
    • a) Training von Arztbesuchen, Behördengängen, Einkäufen usw.,
    • b) Unterstützung bei der Inanspruchnahme sonstiger Hilfs- und Beratungsangebote,
    • c) Vermittlung der Einsicht in die Beeinträchtigung und bewusster Umgang mit den daraus resultierenden Erfordernissen und
    • d) Begleitung in Krisensituationen (Aggressivität; Wahnvorstellungen etc.),
    • e) Förderung sozialer Kontakte

Nummer 173 Elternassistenz als Leistung der Einzelfallhilfe nach Nr. 171 Abs. 1 der AV EH

  • (1) Elternassistenz als Leistung der Einzelfallhilfe ist in Form der einfachen Assistenz nach
    §§ 113 Abs. 2 Nr. 2, 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Abs. 3 SGB IX zur Deckung des Teilhabebedarfs wegen einer wesentlichen Behinderung zu gewähren. Inhalte der Hilfe können zum Beispiel sein:
    • a) Unterstützung in den Bereichen Kinderpflege (Zubereitung der Speisen, Füttern, Waschen, Baden, Wickeln, Anziehen),
    • b) Unterstützung bei der Beaufsichtigung des Kindes,
    • c) Spielen und Beschäftigung mit dem Kind,
    • d) Hausarbeit, soweit sie im Zusammenhang mit dem Kind steht,
    • e) Hausaufgabenunterstützung (z.B. bei Elternteilen mit einer Sinnesbehinderung),
    • f) außerhalb der Häuslichkeit Begleitung und Unterstützung, insbesondere bezogen auf die Mobilität bei Unternehmungen mit dem Kind (Einkäufe, Arztbesuche, Behördengänge),
    • g) Begleitung zu Freizeitaktivitäten (Spielplatz, Kinderturnen, Musikschule etc.) oder öffentlichen Betreuungsangeboten (Krippe, Kindergarten, Schule).
  • (2) Andere ggf. erforderliche Unterstützungsleistungen der Eingliederungshilfe oder anderer Rehabilitations- und Leistungsträger (z.B. Pflege) unabhängig von Unterstützungsbedarfen von Eltern mit Behinderungen bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder bleiben unberührt.

Nummer 174 Abgrenzung zu anderen Assistenzleistungen

Assistenzleistungen, insbesondere auch in Form der o.g. Elternassistenz, die mit Leistungserbringern über Verträge nach § 131 SGB IX vereinbart wurden, bleiben von den hier dargelegten Regelungen unberührt.

Nummer 175 Abgrenzung zu Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach SGB VIII

  • (1) Bei Leistungen nach § 35a SGB VIII handelt es sich nicht um Leistungen der Einzelfallhilfe im Sinne dieser Ausführungsvorschriften.
  • (2) Hilfen zur Erziehung gemäß § 27 SGB VIII umfassen insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen (§ 27 Abs. 3 SGB VIII). In Abgrenzung dazu setzt die Elternassistenz die uneingeschränkte Erziehungs- und Anleitungskompetenz der Eltern voraus.
  • (3) Die Sozialpädagogische Familienhilfe (im Folgenden: SPFH) nach § 31 SGB VIII zielt darauf ab, Familien in ihren Erziehungsaufgaben zu unterstützen und zu begleiten. Dies geschieht durch den Einsatz von Sozialarbeitern, so genannten Familienhelfern. Insbesondere soll die Familienhelfe die Familie unterstützen, besser mit vorhandenen Konflikten umzugehen und selbständige Lösungswege zu finden. Die SPFH versteht ihre Arbeit als pädagogisch beratend und handelnd und reicht zum Beispiel von der entsprechend ausgerichteten Unterstützung bei Haushaltsproblemen bis zur Beratung in Erziehungs- und Beziehungsfragen.
  • (4) Die nach § 20 SGB VIII vorgesehenen familienpflegerischen Leistungen unterstützen Familien bei der Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen. Fällt der Elternteil, der ein Kind allein oder überwiegend betreut, aus, kann eine Notsituation entstehen, deren Bewältigung familienunterstützende Hilfen erfordert. Die Überbrückung einer familiären Notsituation nach § 20 SGB VIII setzt u.a. voraus, dass andere Betreuungsformen wie Tagespflege oder Kindertagesstätten den Betreuungsbedarf des Kindes während des Ausfalls des Elternteils, der die überwiegende Betreuung übernommen hat, nicht in ausreichendem Maße decken.

Nummer 176 Qualifikation des Einzelfallhelfenden

  • (1) Für die Einzelfallhilfe gibt es kein definiertes Berufsbild. Daher können die folgenden persönlichen Voraussetzungen bei der Entscheidung für einen Einzelfallhelfenden für die einfache und die qualifizierte Assistenz zu berücksichtigen sein:
    • a) Soziale Kompetenzen: Toleranz, Einfühlungsvermögen, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein, Kontaktfreude und ein hohes Maß an Kooperations- und Konfliktfähigkeit, Achtung der Selbstbestimmung und die Fähigkeit, die gebotene professionelle Distanz zu wahren,
    • b) Einzelfallbezogene Qualifikation: Kenntnisse und Fähigkeiten in Hinblick auf die Einschränkungen des Leistungsberechtigen,
    • c) Beherrschung adäquater ggf. alternativer Kommunikationstechniken (z.B. Gebärdensprache),
    • d) Körperliche und psychische Belastbarkeit.
  • (2) Für die einfache Assistenz als Elternassistenz sind folgende Eigenschaften und Fähigkeiten im Hinblick auf die Auswahl eines/r geeigneten Einzelfallhelfenden zusätzlich wünschenswert:
    • a) Anerkennung des Elternteils mit Behinderungen als eigenverantwortliche Erziehungsperson,
    • b) Erfahrung in der Versorgung von Kindern,
    • c) Eine Fachschulausbildung oder vergleichbare Ausbildung der Helferin wird nicht vorausgesetzt.
  • (3) Für die qualifizierte Assistenz und als Voraussetzung für die Anerkennung der entsprechenden Staffelung der Geldleistung kommen Personen in Betracht, die ein Hochschulstudium (Diplom, Magister, B.A., M.A.) in den Bereichen Soziale Arbeit, Pädagogik beziehungsweise Heilpädagogik, Psychologie und verwandten Studienrichtungen abgeschlossen haben.
  • (4) In begründeten Einzelfällen können in Abstimmung mit dem Teilhabefachdienst auch Personen mit vergleichbaren Erfahrungen und Kompetenzen als Einzelfallhelfer/in in der qualifizierten Assistenz eingesetzt werden. Dazu zählen
    • a) Personen, die einen Hochschulabschluss in anderen als den genannten Fachrichtungen vorweisen können, oder
    • b) Personen, die über eine dreijährige erfolgreich abgeschlossene Ausbildung und die Erlaubnis zum Führen einer gesetzlich geschützten Berufsbezeichnung beziehungsweise über eine staatliche Anerkennung in einem sozialpflegerischen, sozialpädagogischen oder heilpädagogischen Beruf verfügen,
      sofern beide Berufsgruppen durch langjährige Berufserfahrung oder Zusatzqualifizierungen eine vergleichbare Qualifikation aufweisen. Die Vergleichbarkeit muss plausibel hergeleitet werden und ist in der Akte zu dokumentieren.

Nummer 177 Nachweis der Qualifikation für die Einzelfallhilfe

  • (1) Die erforderlichen Unterlagen zum Nachweis der Qualifikation für die Einzelfallhilfe müssen dem Teilhabefachdienst durch die leistungsberechtigte Person im Verfahren, möglichst bei Antragstellung/ erneuter Willensbekundung (z.B. in Kopie) vorgelegt werden. Falls erforderlich sind Unterstützungsleistungen nach § 106 SGB IX zu leisten (vgl. Nr. 11).
  • (2) Der Teilhabefachdienst prüft zur Feststellung der Eignung immer, ob ein aktuelles erweitertes Führungszeugnis nach § 30 a Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz vorliegt. Aktuell ist das Führungszeugnis, wenn es nicht älter als drei Jahre ist. Für die Einzelfallhilfe ungeeignet ist insbesondere, wer wegen einer in § 124 Abs. 2 Satz 3 SGB IX aufgeführten Straftat verurteilt ist.
  • (3) Für den möglichen Nachweis der Qualifikation für die qualifizierte Assistenz werden zusätzlich:
    • a) relevante Berufsabschlusszeugnisse und
    • b) ggf. ein Kurz-Lebenslauf geprüft.

Nummer 178 Leistungsgewährung

  • (1) Die Leistungsgewährung der Einzelfallhilfe im Sinne dieser AV erfolgt als Geldleistung nach § 105 Abs. 1 SGB IX oder in Form eines Persönlichen Budgets (§ 105 Abs. 4 Satz 1 SGB IX).
  • (2) Für die Gewährung der Einzelfallhilfe im Rahmen der Leistungsform des Persönlichen Budgets wird auf die Nummern 142 ff. verwiesen.

Nummer 179 Vertrag, Abrechnung und Auszahlungsmodalitäten an die Einzelfallhelfenden

  • (1) Die leistungsberechtigte Person ist in geeigneter Form (vorzugsweise im Bescheid) über den Verfahrensablauf und ihre Pflichten zur abschließenden Abrechnung der Leistungen im Bewilligungszeitraum gegenüber dem Teilhabefachdienst zu informieren. Vorzulegen bzw. einzureichen sind:
    • a) Rechnungen für geleistete Einzelfallhilfe,
    • b) Nachweise über die beglichenen Einzelfallhilfeabrechnungen (Kontoauszüge).
      Außerdem muss die leistungsberechtigte Person davon in Kenntnis gesetzt werden, dass ggf. festgestellte Überzahlungen an den Teilhabefachdienst zu erstatten sind.
  • (2) Zwischen der/dem Einzelfallhelfer/in und dem/der Leistungsberechtigten wird ein formloser Vertrag abgeschlossen.
  • (3) Die Zahlungen durch den Teilhabefachdienst an die leistungsberechtigte Person erfolgen nach Erhalt und Prüfung einer monatlichen Rechnung. Der Stundenumfang pro Woche wird als Jahreskontingent bewilligt. Dies ermöglicht eine Hilfe, die besser an den häufig schwankenden Bedarfen der leistungsberechtigten Person ausgerichtet werden kann. Die Übertragung von Zeitguthaben in einen nachfolgenden Bewilligungszeitraum ist nicht zulässig. Darüber hinaus prüft der Teilhabefachdienst anhand der monatlichen Rechnungen, ob die Leistung mehr als 50 % vom bewilligten Stundenumfang abweicht und entscheidet, nach vorheriger Anhörung der leistungsberechtigten Person, über die Notwendigkeit der Neubemessung des Hilfebedarfes über das TIB gemäß der AV EH und darauf aufbauend der Anpassung der Leistung und des Bescheides. Ist eine andauernde Bedarfsunterschreitung aufgrund von fehlender Verfügbarkeit von Einzelfallhelfern gegeben, so ist die leistungsberechtigte Person über alternative Leistungsformen aufzuklären (z.B. Leistung über Leistungserbringer).
  • (4) Die leistungsberechtigte Person erhält die Rechnungen für die erbrachte Einzelfallhilfe direkt von der/dem Einzelfallhelfer/in und ist für die Begleichung des Rechnungsbetrages selbst verantwortlich.
  • (5) Soweit die leistungsberechtigte Person einwilligt und eine entsprechende Abtretungserklärung an die/den Einzelfallhelfer/in unterzeichnet, kann die Geldleistung durch den Teilhabefachdienst Soziales auch direkt an die/den Einzelfallhelfer/in überwiesen werden. Voraussetzung ist, dass die leistungsberechtigte Person aufgrund des Störungsbildes (bspw. im Bereich der psychischen Beeinträchtigungen), die für diese Auftraggeberrolle gebotene Zuverlässigkeit nicht aufweist oder daran begründete Zweifel bestehen. Diese Abtretungserklärung ist zur Akte zu nehmen.

Nummer 180 Vertretung und Abwesenheiten

  • (1) Auf ausdrücklichen Wunsch des/der Leistungsberechtigten kann bei vorübergehender Abwesenheit des Einzelfallhelfenden eine Vertretung durch die leistungsberechtigte Person unter Vertrag genommen werden. Die leistungsberechtigte Person hat dafür rechtzeitig die nötigen Unterlagen beim Teilhabefachdienst Soziales einzureichen.
  • (2) Voraussetzung der Bewilligung sind für den vertretenden Einzelfallhelfenden alle in Nummer 176 f. genannten Kriterien für die Qualifikation, inklusive dem zu erbringenden Nachweis der Eignung gegenüber dem Teilhabefachdienst Soziales, falls erforderlich mit den relevanten Zeugniskopien.
  • (3) Eine Vertretung ist nur möglich, soweit der/die Leistungsberechtigte der Datenweitergabe zwischen den Einzelfallhelfenden vorher zustimmt. Um sicherzustellen, dass die Leistung weiterhin gemäß den Zielen des Gesamtplans erbracht wird, erklärt der/die ursprünglich beauftragten Einzelfallhelfer/in schriftlich gegenüber dem Teilhabefachdienst Soziales, dass alle Informationen zum Leistungsumfang, Inhalt, den Zielen und geplanten Leistungen der Vertretung rechtzeitig und vollumfänglich mitgeteilt wurden. Die Vertretung erklärt diese Informationen erhalten zu haben.
  • (4) Eine vorübergehende Abwesenheit des/der Leistungsberechtigten (z.B. Krankenhausaufenthalt, Reise, etc.) führt zur Unterbrechung der Leistung, soweit diese nicht am anderen Ort erbracht werden kann. Wenn die Leistung während einer Abwesenheitszeit fortgeführt werden soll, ist der Teilhabefachdienst Soziales darüber unverzüglich zu informieren und die Fortführung ist plausibel zu begründen.

Nummer 181 Vergütung

  • (1) Angelehnt an das Besserstellungsverbot, das sich aus der Landeshaushaltsordnung (LHO) und den entsprechenden Ausführungsvorschriften ableitet, gebietet sich bei der Bestimmung der übernahmefähigen Vergütungshöhe eine Orientierung am in Berlin gültigen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), verstanden als Maximalgrenzwerte für die beim Teilhabefachdienst Soziales anerkennungsfähigen Stundensätze der Einzelfallhilfe.
  • (2) Die Stundensätze sind nach „einfacher Assistenz“ und „qualifizierter Assistenz“ festgelegt. Der Teilhabefachdienst Soziales entscheidet auf Basis des ermittelten Bedarfs und der Qualifikation des Einzelfallhelfenden, ob die Einzelfallhilfe als „einfache Assistenz“ oder „qualifizierte Assistenz“ erbracht wird und legt damit die entsprechende Höhe der Geldleistung fest. Die jeweils aktuell gültigen Stundensätze sind dem Rundschreiben Soz. Nr. 12/2020 zu entnehmen.
  • (3) Der Stundensatz wird mit der Anzahl der notwendigen Zeitstunden für die direkte, klientenbezogene Tätigkeit mit dem Leistungsberechtigten multipliziert. Investitionskosten, Arbeitsmittel, Fahrtkosten, Wegezeiten, fallübergreifende und indirekte Arbeit für den Klienten, Administration, und die Teilnahme an notwendigen Fortbildungen sind damit abgegolten.
  • (4) Freiberufliche Einzelfallhelfende haben ihre steuerrechtlichen Verpflichtungen selbstständig zu erfüllen. Sie organisieren eigenständig ihre Mitgliedschaft in den vorgeschriebenen Sozialversicherungen.
  • (5) Es ist möglich, dass einfache und qualifizierte Assistenz „aus einer Hand“ durch ein und dieselbe Einzelperson erbracht wird. Sobald die Leistung das Verhältnis von 25% qualifizierter Assistenz zu 75% einfacher Assistenz zugunsten der qualifizierten Assistenz überschreitet, wird für das gesamte Stundenkontingent die Stufe der qualifizierten Assistenzbewilligt und vergütet. Andernfalls gilt für das gesamte Stundenkontingent die Vergütungsstufe der einfachen Assistenz.

Unterabschnitt c): Komplexleistung Persönliche Assistenz (SGB IX und SGB XII) als Leistung für volljährige Personen ohne Zuordnung zu § 41 SGB VIII

Nummer 182 Art und Inhalt der Komplexleistung Persönliche Assistenz

  • (1) Die Leistung Persönliche Assistenz ist eine Komplexleistung im Sinne dieser Ausführungsvorschriften (vgl. Nr. 30 Absatz 1 lit. c). Sie besteht aus einem Teil Leistungen der Pflegeversicherung nach dem SGB XI, der häuslichen Pflege gemäß §§ 61, 64b SGB XII und (einfachen) Assistenzleistung nach § 113 Absatz 2 Nr. 2, Absatz 3 SGB IX i.V.m. § 78 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 SGB IX. Ein ausschließlich pflegerischer, auch nicht planbarer Bedarf, fällt nicht darunter.
  • (2) Persönliche Assistenz ist dadurch gekennzeichnet, dass sie als Unterstützungsleistung tägliche Verrichtungen zur eigenständigen Gestaltung des Alltags in der eigenen Wohnung bzw. in einer selbstgewählten Umgebung außerhalb von besonderen Wohnformen nach § 113 Abs. 5 SGB IX umfasst. Eine Ausdifferenzierung in Einzelleistungen erscheint bei dieser Komplexleistung schon deshalb nicht sinnvoll, weil nicht planbare pflegerische Leistungen im großen Umfang parallel zu anderen (Teilhabe-)Leistungen anfallen.
  • (3) Zuständig für die Leistungsgewährung der Persönlichen Assistenz ist das LAGeSo (Nr. 29).

Nummer 183 Voraussetzung der Persönlichen Assistenz

  • (1) Die Gewährung der Komplexleistung Persönliche Assistenz setzt das kumulative Vorliegen der folgenden Absätze voraus.
  • (2) Die leistungsberechtigte Person wünscht die Bedarfsdeckung durch die Komplexleistung Persönliche Assistenz, der Bedarf kann durch die Persönliche Assistenz gedeckt werden und es besteht ein kontinuierlicher Pflege- und Betreuungsbedarf, der die Anwesenheit einer Assistenzkraft (einfache Assistenz, §§ 113 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB IX) erforderlich macht.
  • (3) Die Person hat einen festgestellten Grad der Pflegebedürftigkeit von mindestens Pflegegrad 3 auf Basis eines Gutachtens nach § 18 SGB XI ggf. i.V.m. §§ 62, 62a SGB XII. Ist bisher keine Pflegebedürftigkeit festgestellt, ist ein entsprechendes Verfahren durchzuführen.
  • (4) Bei der Person wurde eine wesentliche Körperbehinderung gemäß § 1 Nr. 1 und/oder Nr. 3 EinglHV in der am 31.12.2019 geltenden Fassung durch einen (bezirklichen) Teilhabefachdienst Soziales nach Nr. 101 Absatz 3 festgestellt. Andere wesentliche Körperbehinderungen rechtfertigen ohne eine zusätzliche wesentliche Körperbehinderung gemäß § 1 Nr. 1 und/oder Nr. 3 EinglHV in der am 31.12.2019 geltenden Fassung keine Bedarfsdeckung durch die Komplexleistung Persönliche Assistenz. Die Komplexleistung Persönliche Assistenz kommt nicht in Betracht bei Personen mit wesentlichen geistigen oder seelischen Behinderungen nach Nr. 96 und Nr. 97. Der bestehende Bedarf ist dann durch andere (Assistenz-)Leistungen der Eingliederungshilfe und/ oder der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII des bezirklichen Teilhabefachdienstes Soziales oder den bezirklichen Fachbereich Hilfe zur Pflege zu decken. Bei mehreren wesentlichen (ausschließlich) körperlichen Behinderungen nach Satz 1 findet die Komplexleistung hingegen grundsätzlich Anwendung.
  • (5) Der individuelle Gesamtbedarf, der einer Persönlichen Assistenz zugeordnet werden kann, liegt regelmäßig bei mindestens fünf Stunden täglich. Bei schwankenden Bedarfen gilt der tägliche Bedarfsumfang im Monatsdurchschnitt. Der für die Zuordnung zur Persönlichen Assistenz erforderliche Stundenumfang ergibt sich aus den festgestellten, grundsätzlich bestehenden Bedarfen im Bereich der Pflege (SGB XI und SGB XII) und einfachen Assistenz (Teil 2 SGB IX). Bei der Beurteilung des Stundenumfangs ist der durch unentgeltlich tätige Pflegepersonen gedeckte Bedarf für die Zuordnungsprüfung nicht abzuziehen. Wird ein ggf. darüberhinausgehender Gesamtbedarf anteilig bereits durch einen anderen Rehabilitationsträger gedeckt, so ist dieser anderweitig gedeckte Anteil nicht einzubeziehen.
  • (6) Eine Ausdifferenzierung in Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII und der Eingliederungshilfe ist nicht möglich bzw. nicht sinnvoll, weil die vielschichtigen Bedarfe der leistungsberechtigten Person sich nicht planen lassen und die damit verbundenen Ziele der leistungsberechtigten Person nicht einer der beiden Leistungen zugeordnet werden können.
  • (7) Die Person lebt in keiner besonderen Wohnform oder vollstationären Einrichtung.
  • (8) Die Bedarfe sind auf Dauer angelegt, also auf voraussichtlich mindestens sechs Monate.

Nummer 184 Erbringung von Leistungen der Persönlichen Assistenz

  • (1) Leistungen der Komplexleistung Persönlichen Assistenz können als Sachleistung durch einen Assistenzdienst erbracht werden, der einen Vertrag nach § 89 SGB XI und einen dazugehörigen Ergänzungsvertrag für Persönliche Assistenz im Rahmen des SGB XI sowie einen weiteren Ergänzungsvertrag nach dem SGB IX nach § 17 BRV i.V.m. Anlage 5, § 1 Absatz 10 geschlossen hat. Andernfalls ist die Erbringung von Persönlicher Assistenz als Sachleistung nicht möglich.
  • (2) Daneben kann die Komplexleistung der Persönlichen Assistenz auch im Rahmen des Persönlichen Budgets durch natürliche Personen ohne Verträge mit den Leistungsträgern des SGB IX bzw. SGB XI gewährt werden. Die Leistungserbringung durch natürliche Personen setzt in diesen Fällen keine gesonderte, spezifische Berufsausbildung bzw. Berufsabschluss voraus. Es genügt, dass die leistungsberechtigte Person die leistungserbringende Person anleitet. Das Wunsch- und Wahlrecht wird auch hinsichtlich der Leistungsform gewährleistet. Das Nähere wird gesondert in einem Rundschreiben geregelt.
  • (3) Persönliche Assistenz kann auch die einfache Assistenz für Eltern mit Behinderungen (sog. Elternassistenz) umfassen, soweit auch ohne die einfache Assistenz für Eltern mit Behinderungen die Voraussetzungen für die Komplexleistung vorliegen (vgl. Nr. 183).

Nummer 185 Verhältnis Persönliche Assistenz zu anderen Assistenzleistungen

Neben Leistungen der Persönlichen Assistenz sind weitere Leistungen der einfachen Assistenz, insbesondere der Einzelfallhilfe ausgeschlossen. Hinzutreten können nach Maßgabe des Einzelfalls etwaige Bedarfe im Bereich der qualifizierten Assistenz.

Abschnitt 3 Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie

Nummer 186 Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie

  • (1) Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie für minderjährige oder volljährige leistungsberechtigte Personen nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3, 80 SGB IX sollen gewährt werden, um einen familiären Lebenszusammenhang außerhalb der Herkunftsfamilie zu ermöglichen. Für (volljährige) leistungsberechtigte Personen in Zuständigkeit desTeilhabefachdienstes Soziales wird das Nähere durch Rundschreiben gesondert geregelt, soweit sich nicht aus diesen Ausführungsvorschriften etwas Abweichendes ergibt.
  • (2) Die Leistung ist nicht mehr zur Bedarfsdeckung geeignet, soweit die Abwägung auf Basis des Wunsch- und Wahlrechts der volljährigen leistungsberechtigten Person ergibt, dass das selbstbestimmte Leben als erwachsene Person in einer selbstgewählten Wohnform über dem Interesse steht in einem familiären Zusammenhang die Beziehungskontinuität zu sichern. Die selbstgewählte Wohnform kann auch beinhalten, bei der Pflegefamilie zu wohnen.
  • (3) Die Pflegefamilie kann die Leistung erbringen, soweit die aufnehmende Pflegefamilie keine Angehörige (ersten Grades) der leistungsberechtigten Person ist, insbesondere nicht in einer Partnerschaft (Ehe oder vergleichbare andere Konstellationen) mit der leistungsberechtigten Person lebt und als Pflegefamilie geeignet ist.
  • (4) Die Pflegefamilie ist für volljährige leistungsberechtigte Personen nicht mehr geeignet, soweit ein Pflegelternteil die Regelaltersgrenze nach § 35 S. 2 SGB VI erreicht hat (derzeit mit dem 67. Lebensjahr).

Nummer 187 Besondere Hinweise hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit

  • (1) In der sachlichen Zuständigkeit des Teilhabefachdienst Jugend (vgl. Nr. 25) sind Leistungen nach § 33 SGB VIII vorrangig vor Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie zu prüfen.
  • (2) Aufgrund der Konzentration der Eingliederungshilfe auf die Fachleistung im Bereich sachliche Zuständigkeit des Teilhabefachdienstes Soziales, kann ein gewöhnlicher Aufenthalt auch in einer Pflegefamilie begründet werden (vgl. Nr. 31), da es keine stationären Einrichtungen im Bereich des Teilhabefachdienst Soziales gibt.
  • (3) In sachlicher Zuständigkeit des Teilhabefachdienst Soziales werden Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie als Geldleistung gewährt.

Abschnitt 4 Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten

Nummer 188 Art und Inhalt der Leistung nach § 113 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX

  • (1) Die Beschreibung für Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß §§ 113 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3, 81 SGB IX nach dem BRV ergibt sich aus § 18 BRV i.V.m. Anlage 6. Sozialpädagogische Gruppenreisen, die nicht Gegenstand des BRV sind, werden durch nachfolgende Vorschriften als Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten beschrieben.
  • (2) Soweit die Bedarfsermittlung zum Ergebnis kommt, dass die Vorbereitung auf die Teilhabe am Arbeitsleben Ziel ist, richtet sich die Leistung ausschließlich an Menschen mit festgestellter voller Erwerbsminderung nach § 45 SGB XII.
  • (3) Soweit der Bedarf der leistungsberechtigten Person nicht unter diesen Abschnitt fallende Leistungen unabhängig vom Ort erforderlich macht, sind etwaige behinderungsbedingte Mehrbedarfe oder zusätzliche Kosten für Assistenzkräfte bereits in der Grundleistung enthalten.

Nummer 189 Zweck und Verfahren für die Durchführung sozialpädagogischer Gruppenreise

  • (1) Sozialpädagogische Gruppenreise dienen der Begegnung und dem Umgang mit Menschen ohne Behinderungen, der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie der Aufgabe der Eingliederungshilfe nach § 90 Abs. 4 SGB IX. Die Unterstützung muss erforderlich und geeignet sein, den gesellschaftlichen Kontakt des Menschen mit Behinderungen im Rahmen des ihm Möglichen in dem Maß zu fördern, wie er unter Menschen ohne Behinderungen üblich ist. Die Förderung muss über sonstige, bestehende Leistungen hinausgehen. Reisen aus therapeutischen Gründen sind keine sozialpädagogische Gruppenreise und keine Leistung der Eingliederungshilfe.
  • (2) Soweit keine sozialpädagogische Gruppenreise im Rahmen des BRV vereinbart wurden, gilt für sozialpädagogische Gruppenreisen auf Basis dieser Ausführungsvorschriften folgendes Verfahren:
    • a) Der Bezirk, in dessen Bereich der Reiseveranstalter seinen (Berliner) Hauptsitz hat, prüft zentral für alle Teilhabefachdienste Soziales, ob der Reiseveranstalter eine sozialpädagogische Gruppenreise nach Nr. 190 durchführen kann und
    • b) die zuständigen Teilhabefachdienste Soziales prüfen für jeden Einzelfall, ob die individuellen Voraussetzungen für eine sozialpädagogische Gruppenreise bestehen.
  • (3) Die zuständige Stelle nach Absatz 2 lit. a) schließt bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Einzelvertrag nach § 123 Abs. 5 SGB IX im Umfang von Nr. 195 mit dem Reiseveranstalter ab, sofern Reiseveranstalter nicht das Land Berlin (oder ein Teil davon) ist und unterrichtet davon die Teilhabefachdienste Soziales sowie die für Soziales zuständige Senatsverwaltung. Der zuständige Teilhabefachdienst Soziales nach Absatz 2 lit. b) bewilligt bei Vorliegen der Voraussetzungen die sozialpädagogische Gruppenreise im Umfang von Nr. 195 als Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten in Form einer Sachleistung.
  • (4) Regelungen für Gruppenreisen für Minderjährige nach dem SGB VIII werden von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gesondert geregelt.

Nummer 190 Generelle Voraussetzungen sozialpädagogischer Gruppenreise

  • (1) Die Prüfung hat zu ergeben, dass die folgenden Absätze kumulativ vorliegen.
  • (2) Das Konzept des Reiseveranstalters deckt die Zielsetzung nach Nr. 192 Abs. 1 ab. Eine sozialpädagogische Gruppenreise kann nicht bereits deswegen ausgeschlossen werden, wenn ein Bezirksamt oder andere Teile des Landes Berlins Reiseveranstalter sind.
  • (3) Der Reiseveranstalter kann sicherstellen, dass die notwendige Betreuung und Begleitung durch geeignetes Personal sichergestellt ist.
  • (4) Die Reise wird als Gruppenveranstaltung von mindestens zehn Personen durchgeführt. Die Kosten für die Teilnehmer/innen sind personenindividuell dargestellt. Die Reise dauert mindestens eine und nicht länger als zwei Wochen.

Nummer 191 Individuelle Voraussetzungen der sozialpädagogischen Gruppenreise

  • (1) Die Voraussetzungen der folgenden Absätze müssen kumulativ vorliegen.
  • (2) Die sozialpädagogische Gruppenreise wird nicht durch andere Stellen tatsächlich finanziert und es besteht auch kein Anspruch der leistungsberechtigten Person von vorrangigen Rehabilitationsträgern oder durch (Hoch-)Schulrecht.
  • (3) Die Person ist volljährig und hat in Zuständigkeit der Teilhabefachdienste Soziales keine sozialpädagogische Gruppenreise innerhalb der letzten vier Jahre bewilligt bekommen.
  • (4) Die Feststellungen im Gesamtplan basierend auf der Bedarfsermittlung nach Nr. 91 haben einen Bedarf der leistungsberechtigten Person festgestellt, der mit einer sozialpädagogischen Gruppenreise nach Nr. 189 Absatz 1 gedeckt werden kann, insbesondere liegt die Zustimmung der Person zu einer gemeinsamen Inanspruchnahme vor. Die Ziel- und Leistungsplanung nach Nr. 107 findet mindestens sechs Monate vor der geplanten Reise statt.
  • (5) Soweit Leistungen der qualifizierten Assistenz oder inhaltsgleiche Leistungen nach den Leistungstypen „Betreute Einzelwohnen“ bewilligt wurden, ist eine zusätzliche Bewilligung von sozialpädagogischen Gruppenreisen ausgeschlossen.

Nummer 192 Umfang der sozialpädagogischen Gruppenreise

  • (1) Sozialpädagogische Gruppenreisen werden in der tatsächlichen Höhe anerkannt, abzüglich der Kosten für Unterkunft und Verpflegung am Zielort. Veranstaltungen am Zielort, die dem Zweck nach Nr. 189 Absatz 1 dienen, also an denen Menschen mit und ohne Behinderungen teilnehmen, werden mit einem Zuschlag von 10 v.H. des Betrages anerkannt. Nach Maßgabe des Konzepts können bis zu 30 v.H. als Zuschlag anerkannt werden, wenn die Beeinträchtigungen der Personen ein höheres Maß an Unterstützung erfordern.
  • (2) Jede beantragte Reise wird individuell geprüft, insbesondere hinsichtlich der Angemessenheit nach Nr. 133. Vergünstigungen von Menschen mit Behinderungen – insbesondere im Reiseverkehr – sind zu beachten.

Abschnitt 5 Förderung der Verständigung

Nummer 193 Voraussetzungen der Leistungen zur Förderung der Verständigung, § 113 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX

  • (1) Leistungen der Förderungen der Verständigung nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 3, 82 SGB IX überträgt § 57 SGB IX a.F. Voraussetzung ist ein besonderer Anlass mit dem Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen die Verständigung mit der Umwelt ermöglicht oder erleichtert werden soll und das der Bedarf nicht über andere Leistungsgruppen (z.B. Teilhabe am Arbeitsleben) vorrangig zu decken ist. Die (allgemeine) Versorgung mit Hilfsmitteln ist nicht Gegenstand der Leistungen nach diesem Abschnitt.
  • (2) Ein besonderer Anlass im Sinne von Absatz 1 ist ein Anlass, bei dem über die Bewältigung des Alltags oder dem (allgemeinen) Erwerb und Erhalt praktischer Fähigkeiten und Kenntnisse hinaus ein nicht dauernd und regelmäßiges Kommunikationsbedürfnis mit der Umwelt im privaten, zivilgesellschaftlichen Bereich besteht und das schutzbedürftige, besondere Kommunikationsbedürfnis geeignet ist die Ziele und Aufgaben der Eingliederungshilfe zu verwirklichen. Das können nach der Rechtsprechung wie bisher wichtige Vertragsverhandlungen, besondere Familienfeiern oder die Teilnahme an Elternabenden sein.
  • (3) Entsprechende Leistungen im öffentlichen Bereich, etwa bei Verwaltungsverfahren wird im Sozialleistungsbereich durch die Behörden selbst (§ 17 Absatz SGB I, § 19 Absatz 1 Satz 2 SGB X) oder durch das Gericht selbst (vgl. § 186 GVG) sind wie bisher durch den jeweils zuständigen öffentlichen Träger bereitzustellen und zu finanzieren. Sie stellen keine Leistungen der Eingliederungshilfe dar, soweit der Träger der Eingliederungshilfe nicht zuständig im Sinne von Satz 2 ist.
  • (4) Für nicht besondere Anlässe können auch andere Leistungen der sozialen Teilhabe in Betracht kommen, etwa Assistenzleistungen, insbesondere im Ehrenamt nach Nr. 170 oder Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Fähigkeit und Fertigkeiten nach Nr.191.

Nummer 194 Umfang der Verständigungsförderungsleistungen

Leistungen nach diesem Abschnitt können Gebärdensprachdolmetscher/innen, Kommunikationshelfer/innen, bestimmte Kommunikationsmethoden oder -mittel gemäß § 3 KHV sein. Soweit nichts Anderes geregelt ist, ist die Honorarverordnung Soziales hinsichtlich der Höhe heranzuziehen. Die gemeinsame Inanspruchnahme der Leistungen ist zu prüfen.

Abschnitt 6 Mobilitätsleistungen

Nummer 195 Leistungen der Mobilität, § 113 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX

  • (1) Leistungen der Mobilität nach §§ 114, 113 Abs. 2 Nr. 7, Abs. 3 SGB IX i.V.m. § 83 SGB IX beinhalten als Leistungen der sozialen Teilhabe im Rahmen der Eingliederungshilfe abschließend Beförderungsleistungen in Form einer Geldleistung für Fahrtkosten (vgl. Nr. 126 ff.) oder Leistungen für ein Kraftfahrzeug.
  • 2) Existenzsichernde Leistungen zur Mobilität, insbesondere der berlinpass, sind keine Leistungen zur Mobilität im Sinne von § 113 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX. Mobilitätsleistungen im Rahmen anderer Leistungsgruppen nach § 102 SGB IX der Eingliederungshilfe, insbesondere der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, werden nach den dortigen Vorschriften erbracht.
  • (3) Sozialpädagogische Gruppenreisen sind keine Leistung der Mobilität, sondern sind den Leistungen nach § 113 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX zugeordnet (vgl. Nr. 189 ff.). Besuchsbeihilfen sind ebenfalls keine Leistungen zur Mobilität (vgl. Nr. 207). Andere Mobilitätshilfen (z.B. Rollstühle, Rollstuhlbikes, Autohilfen wie spezielle Kindersitze usw.) sind soweit sie Leistungen der Eingliederungshilfe und der sozialen Teilhabe sind, als Hilfsmittel nach Nr. 206 zu erbringen.

Nummer 196 Leistungen für ein Kraftfahrzeug, § 113 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX

  • (1) Leistungen für ein Kraftfahrzeug richten sich grundsätzlich nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 7, 83 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. der Kraftfahrzeug-Hilfeverordnung (KfzHV) unter den Einschränkungen von § 114 SGB IX.
  • (2) Vorrangig sind andere Rehabilitationsträger, Haftpflichtversicherungen, Ausbildungsförderungsämter und anderer Stellen zu prüfen, insbesondere der Nachrang der sozialen Teilhabe vor der Teilhabe am Arbeitsleben ist zu wahren.
  • (3) Eine Neubewilligung der Hilfe zur Beschaffung soll nicht vor Ablauf von fünf Jahren erfolgen. Zustand und Fahrleistung des Fahrzeugs können eine längere Nutzungsdauer rechtfertigen. Eine kürzere Nutzungsdauer ist nur möglich, soweit das Kfz unbrauchbar geworden oder abhandengekommen ist. Als unbrauchbar ist ein Kfz auch dann anzusehen, wenn eine Wiederherstellung unwirtschaftlich ist.
  • (4) Grundsätzlich bemisst sich die Leistung nach der KfzHV.

Nummer 197 Voraussetzungen Kfz-Hilfen, § 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX

  • (1) Bei einer volljährigen leistungsberechtigten Person kommt nach den Feststellungen des Gesamtplanverfahrens die Leistung nach Nr. 196 in Betracht, wenn
    • a) wegen Art und Schwere der Behinderung nicht zuzumuten ist, dass sie die notwendigen Wege zu Fuß oder auf eine andere Weise zurücklegt (z.B. Sonderfahrdienst),
    • b) wenn ihr nicht zugemutet werden kann, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
      Infrastrukturelle Nachteile sind dabei nicht zu berücksichtigen; oder
    • c) wenn ihr zwar zugemutet werden kann, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, es jedoch nicht zumutbar ist, den Weg zu den Haltestellen zu Fuß oder auf eine andere Weise zurückzulegen und
    • d) die erforderlichen Fahrten nicht mit anderen Beförderungsmöglichkeiten (z.B. Taxifahrten, Beförderungsdienste, Sonderfahrdienst) erfolgen kann, weil dies nicht zumutbar oder nicht wirtschaftlich wäre und
    • e) sie das Kfz führen kann oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Fahrzeug für sie führt und
    • f) sie ständig auf die Nutzung eines Kfz angewiesen ist.
  • (2) Notwendige Wege im Sinne des Absatzes 1 sind sämtliche Fahrten, die der antragstellenden Person die Erfüllung nachvollziehbarer sozialer Teilhabebedürfnisse ermöglicht und die zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unentbehrlich sind (ständige Rechtsprechung).
    • a) Die Rechtsprechung bejahte die Notwendigkeit bei Fahrten
      • aa) zu Gottesdiensten,
      • bb) zum Ehrenamt und
      • cc) zur Teilnahme am kulturellen und öffentlichen Leben (Besuch von Veranstaltungen, Freizeitaktivitäten, Parkausflügen, Zoo).
    • b) Die Rechtsprechung verneinte die Notwendigkeit bei Fahrten
      • aa) zur Pflege familiärer Kontakte, es sei denn bei (räumlich) entfernteren Verwandten besteht ausnahmsweise keine andere Teilhabemöglichkeit, insbesondere scheiden auch Besuchsbeihilfen (Nr. 164 f.) aus;
      • bb) zur Wahrnehmung medizinischer Behandlungen (z.B. Arztbesuch, Physiotherapie),
      • cc) zur medizinisch veranlassten Reittherapie; ist sie nicht medizinisch veranlasst, sondern aufgrund von Teilhabeaspekten indiziert, kann eine Fahrt notwendig werden; und
      • dd) zum Einkaufen (Einkaufsfahrten) sofern diese allein der Verpflegung und Erfüllung diesbezüglicher Grundbedürfnisse dienen und nicht ausnahmsweise über das Maß der zur Verpflegung erforderliche Fahrten hinausreichen und eine anderweitige Teilhabe nicht zu erreichen ist.
  • (3) Unzumutbarkeit im Sinne des Absatzes 1 liegt nicht bereits dann vor, wenn durch den Verweis auf andere Fortbewegungsmöglichkeiten ein Mehraufwand oder auch gewisse Unannehmlichkeiten bei der leistungsberechtigten Person entstehen. Die leistungsberechtigte Person hat sich ggf. auch auf Fortbewegungsmöglichkeiten verweisen zu lassen, die ihr lästig sind.
  • (4) Andere Fortbewegungsmöglichkeiten im Sinne des Absatzes 1 sind neben der Bewältigung zu Fuß auch die Bewältigung mit medizinischen Hilfsmitteln (z.B. Rollstuhl), Fahrten mit dem ÖPNV, Sonderfahrdienst oder Taxi.
  • (5) Ständig im Sinne des Absatzes 1 erfordert eine gewisse Regelmäßigkeit. Die jeweiligen Fahrten dürfen demnach nicht nur vereinzelt oder gelegentlich anfallen. Eine Regelmäßigkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn die berücksichtigungsfähigen Fahrten mindestens zwei bisdrei Fahrten pro Woche notwendig machen. Eine Unterschreitung zur Vermeidung von Härten kann nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Dabei muss der seltenere Fahrbedarf der Verschaffung einer gleichberechtigten Teilhabe von so erheblicher Bedeutung sein, dass eine ausschließlich quantitative Beurteilung unbillig erscheint.
  • (6) Berücksichtigungsfähig sind insbesondere nicht Fahrten zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Nummer 198 Beschaffung eines Kfz (§ 83 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB IX)

  • (1) Die Leistungen umfassen die notwendigen Kosten eines neuwertigen oder gebrauchten Kfz, einschließlich der Kosten für die erstmalige Inbetriebnahme (z.B. Winterbereifung).
  • (2) Eine Ausnahme von der Neuwertgrenze ist nach § 5 Abs. 2 KfzHV möglich, wenn dies nach Art und Schwere der Behinderung erforderlich ist, weil die leistungsberechtigte Person
    • a) auf die Benutzung eines Kfz mit mehr Innenraum oder Kofferraum oder mit größeren Türen angewiesen ist
    • b) auf die Benutzung von besonderen Bedienungseinrichtungen und Zusatzgeräten angewiesen ist, die nur in teureren Kfz angeboten oder darin eingebaut werden können.

Nummer 199 Zusatzausstattung (§ 83 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB IX)

Die erforderliche Zusatzausstattung ist im erforderlichen Umfang zu übernehmen. Hinweise dazu können sich z.B. aus der Fahrerlaubnis, aus Bescheinigungen von TÜV und Zulassungsbehörden ergeben.

Nummer 200 Erlangung der Fahrerlaubnis (§ 83 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB IX)

  • (1) Die Leistungen umfassen die notwendigen Kosten für
    • a) Fahrstunden,
    • b) Überprüfung der Fahrtauglichkeit,
    • c) Feststellung der mit der Fahrerlaubnis zu verbindenden Auflagen durch die zuständige Zulassungsbehörde oder anderer Stellen und
    • d) behinderungsbedingte Untersuchungen, Ergänzungsprüfungen und Eintragungen in den vorhandenen Führerschein.
  • (2) In Ausnahmefällen kann die Leistung auch für eine andere Person erbracht werden, wenn wegen Art und Schwere der Behinderung
    • a) die leistungsberechtigte Person selbst nicht in der Lage ist, die Fahrerlaubnis zu erwerben und
    • b) die andere Person sich bereit erklärt, die notwendigen Fahrten regelmäßig durchzuführen. Die Leistung kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Fahrten von der anderen Person gegen Entgelt vorgenommen werden sollen.

Nummer 201 Instandhaltung des Kfz (§ 83 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB IX)

Soweit im Verhältnis zur Neuversorgung nicht unwirtschaftlich, umfassen die Kosten für die Instandhaltung auch die Reparatur eines Kfz.

Nummer 202 Mit Betrieb des Kfz verbundene Kosten (§ 83 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 SGB IX)

Die Leistungen umfassen
** a) die notwendigen Kosten für den laufenden Betrieb eines Kfz. Als Richtwert für die monatlichen Kosten können die jeweils geltenden Sätze der Kriegsopferfürsorge zugrunde gelegt werden (derzeit 50 € pro Monat, vgl. Rundschreiben des BMAS vom 31.05.2001 – VIa 1-62707/1, veröffentlicht im Bundesarbeitsblatt 6-7/2001, S. 8),
** b) Beiträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung, soweit sie nicht bereits nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII bei der Berechnung existenzsichernder Sozialhilfe berücksichtigt wurden,
** c) Beiträge zur Kaskoversicherung bei gleichzeitiger Abtretung von Ansprüchen im Schadensfall,
** d) die Kfz-Steuer, sofern Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestände nicht erfüllt sind (Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen „G“, „aG“ oder „H“).

Abschnitt 7 Hilfsmittel

Nummer 203 Hilfsmittel der sozialen Teilhabe (§ 113 Abs. 2 Nr. 8 SGB IX)

  • (1) Die Regelung zu Hilfsmittel der sozialen Teilhabe nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 3 SGB IX i.V.m. § 84 SGB IX entsprechen denen des § 55 Abs. 2 SGB IX und §§ 9, 10 EinglHV jeweils in der am 31.12.20219 geltenden Fassung. Der Wortlaut und die Zwecksetzung dieser Vorschrift stellen ausdrücklich klar, dass Leistungen nach dieser Vorschrift nur Hilfsmittel umfassen, die zur sozialen Teilhabe erforderlich sind. Hilfsmittel anderer Leistungsgruppen (§ 102 SGB IX), insbesondere der medizinischen Rehabilitation (nach Nr. 157 Absatz 2) oder der Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. Nr. 159 ff.), die die Voraussetzungen von Absatz 3 nicht erfüllen, sind von dieser Vorschrift ausgeschlossen. Kein Hilfsmittel sind Kfz-Hilfen, die soweit sie soziale Teilhabe betreffen unter die Spezialregelung von § 113 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX fallen.
  • (2) Die Leistung von Hilfsmitteln ist innerhalb der sozialen Teilhabe auch nachrangig zu anderen Leistungen der sozialen Teilhabe der Eingliederungshilfe. Der Vorrang von anderen Rehabilitationsträgern, die Leistungen der sozialen Teilhabe gewähren (z.B. Unfallversicherung, Träger der Kriegsopferversorgung und -fürsorge) bleibt davon unberührt.
  • (3) Maßgebliches Kriterium, ob ein Hilfsmittel der sozialen Teilhabe dient, ist – insbesondere bei Hilfsmitteln, die mehreren Leistungsgruppen zugeordnet werden können – dessen (Haupt-)Zwecksetzung (vgl. Nr. 124). Die Zwecksetzung muss jedenfalls auch dazu dienen, bestehende Barrieren bezüglich der gleichberechtigten Teilnahme am Leben in der Gesellschaft zu überwinden. Allein positive Auswirkungen auf die Lebensumstände bei einer Versorgung mit einem Hilfsmittel bedingen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen Teilhabebedarf (BSG Urt. v. 18.7.2018 – B 8 SO 4/18 R).
  • (4) Weitere Voraussetzung ist, dass die leistungsberechtigte Person das Hilfsmittel bedienen kann. Eine Ausnahme hiervon gilt für Hilfsmittel, die nicht zur Bedienung durch die leistungsberechtigte Person konzipiert sind (z.B. Kraftknoten, Rollstuhlfahrrad).
  • (5) Die Hilfsmittelversorgung umfasst die erforderliche Unterweisung in den Gebrauch, um das Hilfsmittel zu bedienen, Instandhaltung zur Erhaltung und Sicherung der Funktionsfähigkeit des Hilfsmittels, Änderung, Doppel- oder Ersatzbeschaffungen. Von der Hilfsmittelversorgung sind barrierefreie Geräte zur (digitalen) Kommunikation für Menschen mit Behinderungen, v.a. für Sinnes- und Körperbeeinträchtigungen erfasst, die im Einzelfall die Zwecksetzung erfüllen nach Satz 1 und Satz 2 erfüllen, insbesondere
    • a) Verständigungsgeräte für Taubblinde, Sprachübungsgeräte für sprachbehinderte Menschen;
    • b) Verständigungsunterstützungen für Menschen mit Sehbehinderungen, wie etwa spezielle Programme oder Sonderausstattungen des Computers (z.B. besondere Bildschirme, Kamerasysteme, Brailleschriftleser);
    • c) Blindenuhren mit Zubehör, Weckuhren;
    • d) Blindenführhunde mit Zubehör, GPS-Systeme;
    • e) Optische Hilfsmittel (z.B. Fernrohrlupenbrillen), Hörgeräte, Hörtrainer;
    • f) Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und zur nichtberuflichen Verwendung bestimmte Hilfsgeräte vor allem im häuslichen Bereich (z.B. besondere Schalteinrichtungen für elektrische Geräte) und
    • g) Empfängnisverhütungsmittel soweit spezifische, behinderungsbedingte Nachteile ausgeglichen werden sollen (vgl. BSG Urt. v. 15.11.2012 – B 8 SO 6/11 R).

Abschnitt 8 Besuchsbeihilfen

Nummer 204 Besuchsbeihilfen, § 113 Abs. 2 Nr. 9 SGB IX

  • (1) Besuchsbeihilfen nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 9, 115 SGB IX sollen den Kontakt zwischen der leistungsberechtigten Person, die Leistungen in einer besonderen Wohnform nach § 113 Abs. 5 SGB IX oder einer Einrichtung über Tag und Nacht der Eingliederungshilfe nach § 134 SGB IX erhält, und ihrer Herkunftsfamilie, ihrem Lebenspartner, ihren Angehörige und deren Umfeld gewährleisten. Dabei ist es unerheblich, ob die leistungsberechtigte Person zu Besuch fährt oder die Besucher zur leistungsberechtigten Person. Wohnt die leistungsberechtigte Person nicht in einer der genannten Einrichtungen, kommen Besuchsbeihilfen nicht in Betracht.
  • (2) Die Leistung ist eine Ermessensleistung, die u.a. auch daran zu messen ist, ob die Reise notwendiger Bestandteil zur Zielerreichung ist und inwieweit gemessen am Normalitätsprinzip Besuche erforderlich werden. Besuchsbeihilfen sind jedenfalls dann erforderlich, wenn der Gesamtplan eine Leistung länger als acht Wochen vorsieht und der Gesamtplan noch mindestens 14 Tage läuft. Es kommt auch eine teilweise Kostenübernahme in Betracht.
  • (3) Die Entscheidung ist gesondert zu begründen und sowohl die Entscheidung als auch die Begründung zur Akte zu nehmen.
  • (4) Es werden grundsätzlich nach Bedarf der leistungsberechtigten Person die Fahrtkosten der notwendigen und niedrigsten Klasse der Beförderungsmöglichkeit und des Beförderungsmittels übernommen.

Teil D. Steuerung

Nummer 205 Personenzentrierung

  • (1) Instrumente und Verfahren der Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung sollen sich weder an Leistungserbringern noch an Leistungsorten oder Leistungsformen, sondern ausschließlich am individuellen Bedarf der leistungsberechtigten Person orientieren (Personenzentrierung). Dies bedeutet, dass das Instrument und/oder Verfahren der Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung keinerlei Einschränkungen oder Vorfestlegungen bezüglich des Ortes oder des Erbringers der Leistung treffen darf. Des Weiteren sind Instrumente und Verfahren der Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung nicht anvorhandenen Leistungsangeboten oder Leistungsgruppen auszurichten. Erst im Anschluss an eine ergebnisoffene Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung kann ein Abgleich mit der vorhandenen regionalen Angebotsstruktur erfolgen.
  • (2) Soweit für die ermittelten Bedarfe keine geeigneten Angebote vorhanden sind, ist darauf hinzuwirken, dass diese geschaffen werden. Im Anwendungsbereich des GDG bzw. PsychKG sind vorhandene Gremien und Strukturen zu nutzen. Um Personenzentrierung und Ergebnisoffenheit von Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung zu gewährleisten, ist ein an die individuelle Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung angepasstes Vergütungssystem erforderlich.
  • (3) Die Fachkräfte der Teilhabefachdienste sind entsprechend zu qualifizieren.
  • (4) Die Weiterentwicklung der Personenzentrierung der Eingliederungshilfe wird in den Gremien des Trägers der Eingliederungshilfe (Nr. 212 ff.) regelmäßig thematisiert.

Nummer 206 Sozialraumorientierung

  • (1) Sozialraumorientierung ist in fachlicher, methodischer und organisatorischer Hinsicht Strukturprinzip der Eingliederungshilfe und an verschiedenen Stellen im SGB IX verankert (z.B. § 117 SGB IX). Die Ressourcen aus der Lebenswelt der leistungsberechtigten Personen werden in Beratung und Planung einbezogen, um
    die Eingliederungshilfen flexibler, bedarfsgerechter, lebensnaher und alltagstauglicher zu gestalten.
    Wesentliche Merkmale sind insbesondere:
    • a) Anknüpfen am Willen der Betroffenen,
    • b) Aktivierung, Mobilisierung der Selbsthilfekräfte,
    • c) Ressourcen- und Lebensweltorientierung,
    • d) Zielgruppen- und bereichsübergreifendes Zusammenwirken der Fachkräfte im Sozialraum,
    • e) Hinwirken auf die Öffnung von Regelangeboten im Sozialraum.
  • (2) Menschen mit Behinderung sind in der Regel in mehreren, nicht nur in wohnortbezogenen Sozialräumen aktiv. Der Sozialraum ist demzufolge individuell zu bestimmen. Die Sozialraumorientierung schränkt das Wunsch- und Wahlrecht der leistungsberechtigten Personen (Nr. 131) in Bezug auf den Ort der Leistungserbringung nicht ein.
  • (3) Die Teilhabefachdienste richten die innere Zuständigkeit für kundenbezogene Dienstleistungen (vgl. Nr. 36) und die fallunspezifische Sozialraumarbeit nach räumlichen Kriterien aus. Die Teilhabefachdienste des Sozial- und Jugendamtes nutzen die gleiche Aufteilung der Räume, die sich an den im Senatsbeschluss vom 1.8.2006 definierten
    „Lebensweltlich orientierten Räumen (LOR)“, in der jeweils aktuellen Fassung, ausrichten.
  • (4) Die Teilhabefachdienste übernehmen Aufgaben der fallunspezifischen Arbeit für die ihnen zugewiesenen Sozialräume. Fallunspezifische Arbeit ist eine systematische und zielgerichtete Arbeit auch mit Bezug zum Handlungsfeld Eingliederungshilfe, die darauf gerichtet ist, Ressourcen in den jeweiligen Sozialräumen zu entdecken, zu erhalten oder deren Schaffung anzuregen, um im Bedarfsfall darauf zurückgreifen zu können. Der Austausch zu den Ergebnissen der fallunspezifischen Arbeit muss sichergestellt werden, dies kann z.B. durch die Erörterung im Bezirksteilhabebeirat geschehen, und in der Strukturplanung berücksichtigt werden. Die Gremien der regionalen psychiatrischen Pflichtversorgung werden einbezogen, wenn ihr Tätigkeitsgebiet betroffen ist. Bei derPrüfung in Betracht kommender Ressourcen im Einzelfall sind die Ergebnisse der fallunspezifischen Arbeit zu berücksichtigen.
  • (5) Die Teilhabefachdienste arbeiten mit der Organisationseinheit „Sozialraumorientierte Planungskoordination“ (OE SPK) nach Nr. III. 3. Anlage zu § 37 Abs. 1 S.1 BezVG und der Organisationseinheit „Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination des öffentlichen Gesundheitsdienstes (QPK)“ zusammen. Gibt es in der Bezirksregion eine Vertretung des Teilhabeorientierten Sozialraummanagements in einem gesamtstädtischen Stadtteilzentrum so ist mit diesem eng zusammen zu arbeiten. Die Zusammenarbeit betrifft die personenbezogene Arbeit (z. B. Austausch über Angebote für den Leistungsempfangenden im Sozialraum) sowie die strukturbezogene Arbeit (z. B. Teilnahme an Netzwerktreffen zum Abbau von Teilhabebarrieren im Sozialraum). Ist in der Bezirksregion ein Quartiersmanagement eingerichtet, wird auch dieses in die Arbeit einbezogen.

Nummer 207 Partizipation

  • (1) Alle Entscheidungsprozesse mit unmittelbaren oder mittelbaren strukturellen Auswirkungen auf den leistungsberechtigten Personenkreis erfolgen unter direkter Beteiligung von Menschen mit Behinderungen. Dem Einbezug im Einzelfall dient das Gesamtplanverfahren, der Einbezug bei fallübergreifenden Steuerungsentscheidungen erfolgt z.B. über die Teilhabebeiräte.
  • (2) Mitglieder in den Gremien und Arbeitsgruppen des Trägers der Eingliederungshilfe (z. B. Berliner Teilhabebeirat, Bezirksteilhabebeirat) erhalten alle für die Mitarbeit notwendigen Unterlagen in einer barrierefreien Version. Die gleichberechtigte Teilnahme an den Sitzungen wird durch eine barrierefreie Durchführung der Sitzungen, also zugängliche und nutzbare Sitzungsräume sowie barrierefreie Kommunikation sichergestellt.

Nummer 208 Fachkräftegebot (§ 97 SGB IX)

  • (1) § 97 Satz 1 und Satz 2 SGB IX verpflichtet den Träger der Eingliederungshilfe eine dem Bedarf entsprechende Anzahl an Fachkräften mit den dort beschriebenen Fähigkeiten und Kenntnissen zu beschäftigen. Die Fachkräfte sollen eine ihren Aufgaben entsprechende Ausbildung erhalten haben (§ 97 Satz 2 SGB IX) und die Gelegenheit zur Fortbildung erhalten (§ 97 Satz 3 SGB IX). Die Fachkräfte arbeiten nach dem Schwerpunkt ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse in den Rollen Teilhabeplanung und Leistungskoordination. Die Zusammenarbeit der Fachkräfte erfolgt in multi-professionellen Teams.
  • (2) In den Bezirken werden die operativen Aufgaben des Trägers der Eingliederungshilfe auf Fachkräfte mit den Aufgaben Teilhabeplanung und Leistungskoordination verteilt. Die Fachkraft der Teilhabeplanung arbeitet fallbezogen insbesondere mit den leistungsberechtigten Menschen zusammen und übernimmt im zugeordneten Sozialraum Aufgaben der Planung und des Risikomanagements. Die Fachkraft der Leistungskoordination übernimmt fallbezogen insbesondere die rechtliche Prüfung und die Aushandlung mit weiteren Akteuren und angrenzenden Leistungsbereichen, sofern der Leistungsberechtigte zustimmt. Sie übernimmt fallübergreifende Controlling-Aufgaben. Die unterschiedlichen Rollen der Teilhabeplanung und Leistungskoordination sind Voraussetzung:
    • a) zur Durchführung des verbindlich, festgesetzten Geschäftsprozesses des Teilhabe- und Gesamtplanverfahrens,
    • b) zur rechtssicheren Nutzung der verbindlich zu nutzenden IT-Fachverfahren der Eingliederungshilfe,
    • c) zur Teilnahme an den zentral bereitgestellten Qualifizierungen für die in jeweiligen Rollen Teilhabeplanung/Leistungskoordination.
  • (3) Die Fortbildung aller Fach- und Führungskräfte und deren regelmäßiger Austausch mit Menschen mit Behinderung ist gemäß § 97 Satz 3-4 SGB IX zu gewährleisten.
  • (4) Bei der Durchführung der Qualifizierung der Teilhabefachdienste Soziales ist die Perspektive von Menschen mit eigenem Erfahrungswissen im Bereich Behinderung einzubinden, zudem soll auf Angebote im Bereich Peer-to-Peer Beratung, etwa über die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung oder Angebote der Verbände und Vereine aufmerksam gemacht werden.

Kapitel II – Gremien

Nummer 209 Allgemeines

Die Steuerungskreise gemäß § 7 AG SGB IX sind verwaltungsinterne Gremien, die ein abgestimmtes und einheitliches Vorgehen des Trägers der Eingliederungshilfe sicherstellen sollen. Die Teilhabebeiräte (Berliner Teilhabebeirat und Bezirksteilhabebeiräte) sind Impulsgeber für die strategische Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe und beraten den Träger der Eingliederungshilfe.

Nummer 210 Bezirkliche Steuerungskreise

  • (1) In den Bezirken wird jeweils ein bezirklicher Steuerungskreis gebildet. Den Steuerungskreisen gehören die Leitungen des Sozial- und des Jugendamtes an, die die Aufgabe an die Leitungen der Teilhabefachdienste delegieren können. Weitere Mitglieder sind die Koordinator/innen „Haus der Teilhabe“ (Nr. 216). Soweit das Gesundheitsamt der Kooperationsvereinbarung zum bezirklichen Arbeitsbündnis „Haus der Teilhabe“ beitritt, benennt die Bezirksstadträtin oder der Bezirksstadtrat für Gesundheit eine Vertretung (z.B. QPK oder Gesundheitsamt) für den bezirklichen Steuerungskreis. Themenbezogen soll die Serviceeinheit Finanzen durch den bezirklichen Steuerungskreis eingebunden werden.
  • (2) Der bezirkliche Steuerungskreis tagt mindestens einmal im Quartal. Angelegenheiten von standortübergreifender Bedeutung werden an den Berliner Steuerungskreis überwiesen. Die Personal- und Organisationshoheit in den bezirklichen Ämtern bleibt von dieser Regelung unberührt.

Nummer 211 Berliner Steuerungskreis

  • (1) Dem Berliner Steuerungskreis gehört je eine Vertretung der für Soziales, Jugend, Gesundheit und Pflege zuständigen Senatsverwaltung an. Andere Geschäftsbereiche der Hauptverwaltung (z.B. Finanzen) werden themenbezogen eingebunden. Jeder bezirkliche Steuerungskreis sowie das LAGeSo (§ 7 Abs. 4 AG SGB IX) entsenden ein Mitglied an den Berliner Steuerungskreis (§ 7 Abs. 3 AG SGB IX).
  • (2) Im ersten Halbjahr entsendet die Amtsleitung Soziales aus den Bezirken mit ungeraden Nummern (Nummerierung aus § 1 Abs. 1 BezVwG) und die Amtsleitung Jugend entsendet aus den Bezirken mit geraden Nummern. Für die Sitzung im 2. Halbjahr wechselt die Zuständigkeit zur Entsendung.
  • (3) Das entsandte Mitglied wird nur durch andere Mitglieder des bezirklichen Steuerungskreises vertreten.
    Das entsandte Mitglied verantwortet die Kommunikation in alle betroffenen Fachbereiche des entsendenden Bezirks, insbesondere Soziales, Jugend, Gesundheit, Standortkoordination
    „Haus der Teilhabe“, sowie die Kommunikation in die jeweiligen gesamtstädtischen Fachgremien seiner Funktionsgruppe.
  • (4) Der Berliner Steuerungskreis tagt mindestens einmal im Halbjahr.

Nummer 212 Teilhabebeiräte

  • (1) Jedem Bezirksteilhabebeirat gehören mindestens die in Nr. 213 genannten Mitglieder des jeweils korrespondierenden bezirklichen Steuerungskreises an. Daneben gehören ihm die in
    § 9 und § 10 AG SGB IX benannten Kooperationspartner des Trägers der Eingliederungshilfe an. Die jeweilige Geschäftsordnung regelt weitere Mitglieder und das Verfahren. Im LAGeSo wird kein eigener Teilhabebeirat eingerichtet; diesbezügliche Fragestellungen können im Berliner Teilhabebeirat erörtert werden.
  • (2) Angelegenheiten von gesamtstädtischer Bedeutung werden an den Berliner Teilhabebeirat überwiesen. Dieser behält sich vor, die gesamtstädtische Zuordnung des eingereichten Themas zu überprüfen und ggf. zurückzuweisen.

Kapitel III – Arbeitsbündnis „Haus der Teilhabe“

Nummer 213 Definition des Gesetzgebers

  • (1) Das Arbeitsbündnis „Haus der Teilhabe“ nach § 2 Abs. 3 AG SGB IX steht gesamtstädtisch und in den Bezirken für eine neue Qualität vernetzter, kooperativer und personenzentrierter Zusammenarbeit der Partner der Eingliederungshilfe innerhalb der Berliner Verwaltung. Der Teilhabefachdienst Jugend und der Teilhabefachdienst Soziales kooperieren strukturell in diesem Arbeitsbündnis.
  • (2) Im „Haus der Teilhabe“ sollen Menschen mit Behinderung, egal welchen Alters, zukünftig in jedem Bezirk Beratung, Unterstützung und Begleitung rund um das Thema Eingliederungshilfe finden. Es sollen Orte der Vernetzung entstehen, in denen Menschen mit Behinderung, ihre Vertrauenspersonen und optional weitere Akteure gemeinsam mit den Teilhabefachdiensten für ein inklusives Berlin zusammenarbeiten.

Nummer 214 Aufgaben auf Landesebene

Gemeinschaftliche Aufgaben auf Landesebene sind insbesondere:

  • a) Entwicklung eines gemeinsamen Zielbildes auf Basis der Aufgaben des Hauses der Teilhabe,
  • b) Planung von Aktivitäten und Maßnahmen des Trägers der Eingliederungshilfe zur Förderung inklusiver Sozialräume, zur Förderung von Partizipation von Menschen mit Behinderung, zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe in Berlin,
  • c) gemeinsame Außen-Darstellung der Häuser der Teilhabe gegenüber der Zielgruppe und der Öffentlichkeit,
  • d) Abgestimmte Fortbildungen und Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den regionalen Standorten,
  • e) gemeinsames Berichtswesen zur Organisation des Hauses der Teilhabe und zu Fragen der Schnittstelle sowie
  • f) Bereitstellung der IT-Fachverfahren Soziales und Jugend und ggf. weiterer Fachverfahren gem. §§ 11,12 AG SGB IX
  • g) Überprüfung der Zielerreichung der neuen Qualität des Arbeitsbündnisses mit Blick auf Vernetzung und Kooperation sowie die Einbeziehung weiterer Akteure (insbesondere Gesundheit); hieraus sind Empfehlungen für eine Weiterentwicklung abzuleiten.

Nummer 215 Bezirkliche Aufgaben

  • (1) Die Berliner Bezirke errichten in ihrem Amt für Soziales und ihrem Jugendamt jeweils einen Teilhabefachdienst und benennen eine Person mit Leitungsfunktion. Sie koordinieren sich im Haus der Teilhabe. Dazu werden Vereinbarungen zum Arbeitsbündnis „Haus der Teilhabe“ innerhalb der Bezirke abgeschlossen (Nr. 219).
  • (2) Die gemeinsamen Aufgaben der Koordinator/innen „Haus der Teilhabe“ sind:
    • a) Vorantreiben des Abschlusses und dann der kontinuierlichen Weiterentwicklung der bezirklichen Vereinbarungen zum Arbeitsbündnis „Haus der Teilhabe“ unter Einbezug des Gesundheitsbereichs,
    • b) Monitoring der Einhaltung der bezirklichen Vereinbarungen,
    • c) gemeinsame Geschäftsstelle für die Gremien: bezirklicher Steuerungskreis und Bezirksteilhabebeirat,
    • d) Organisation von Maßnahmen zur gemeinsamen Kompetenzentwicklung in den Teilhabefachdiensten (z.B. Fortbildungen, Fachaustausch, Supervision),
    • e) Aufbau des fallbezogenen Übergangsmanagements zwischen Jugend und Soziales,
    • f) Konzeptioneller Aufbau- und Weiterentwicklung des Arbeitsbündnis „Hauses der Teilhabe“ (z.B. in den Themenfeldern Eingangsmanagement, aufsuchende Beratung und Sozialraumorientierung, übergreifendes Qualitätsmanagement),
    • g) Überprüfung der Zielerreichung der neuen Qualität des Arbeitsbündnisses mit Blick auf Vernetzung und Kooperation sowie die Einbeziehung weiterer Akteure (insbesondere Gesundheit); hieraus sind Empfehlungen für eine Weiterentwicklung abzuleiten.
  • (3) Die jeweiligen dienst-, personal-, datenschutz- und arbeitsrechtlichen Befugnisse sowie die geltenden Vorschriften für die Beschäftigtenvertretung bleiben unberührt.

Nummer 216 Bezirkliche Vereinbarungen zum Arbeitsbündnis „Haus der Teilhabe“

  • (1) Die bezirklichen Vereinbarungen zum Arbeitsbündnis „Haus der Teilhabe“ sind abzuschließen.
  • (2) Die bezirklichen Vereinbarungen müssen mindestens die Beschreibung der (geplanten) Organisation des örtlichen Arbeitsbündnisses enthalten. Hierbei sind die einbezogenen und einzubeziehenden Akteure wie die Fachdienste des ÖGD, die Psychiatrie- und Suchthilfekoordination, die an der Pflichtversorgung beteiligten Einrichtungen und Kliniken, die PSAG bzw. psychosozialen Verbünde und die Gremien und Strukturen der sozialpsychiatrischen Pflichtversorgung und die geplante räumliche Aufstellung darzulegen. Es sind konkrete Zuständigkeiten zu benennen.
  • (3) Der Teilhabefachdienst Jugend und der Teilhabefachdienst Soziales kooperieren strukturell im Rahmen des nach § 2 Absatz 3 AG SGB IX vorgegebenen Arbeitsbündnis. Hierfür schließen die Teilhabefachdienste eine Kooperationsvereinbarung, die Festlegungen zu folgenden Punkten umfasst:
    • a) Beschreibung der Ausgestaltung der gemeinsamen Aufbau- und Ablauforganisation sowie eines Controlling-Kreislaufes des jeweiligen bezirklichen Arbeitsbündnisses;
    • b) gemeinsame Mitarbeit im jeweiligen bezirklichen Steuerungskreis auf Leitungsebene, wobei der bezirkliche Steuerungskreis mindestens einmal im Quartal tagt;
    • c) Entsendung eines Mitgliedes für Jugend und eines für Soziales aus dem jeweiligen bezirklichen Steuerungskreises in den Berliner Steuerungskreis;
    • d) gemeinsame Mitarbeit im jeweiligen bezirklichen Teilhabebeirat;
    • e) Einrichtung einer gemeinsamen Geschäftsstelle für den bezirklichen Steuerungskreis und dem Bezirksteilhabebeirat;
    • f) Einrichtung regelmäßiger Arbeitsstrukturen mindestens auf Leitungsebene;
    • g) Vorgaben für Maßnahmen der Kompetenzentwicklung wie insbesondere Fortbildungen, Fachaustausch, Supervisionen insbesondere für den Bereich der Übergänge;
    • h) Vorgaben für das Monitorings- und übergreifenden Qualitätsmanagements.

Nummer 217 Evaluation

  • (1) Die Planung der in § 16 AG SGB IX vorgesehene fortlaufende Evaluierung wird periodisch mit dem Berliner Steuerungskreis und dem Berliner Teilhabebeirat nach § 9 AG SGB IX abgestimmt. Diese Ausführungsvorschriften werden dementsprechend ggf. angepasst. Der direkte Einbezug der Perspektive der Leistungsberechtigten ist jeweils vorzusehen.
  • (2) Die Teilhabefachdienste wirken an der Evaluierung gemäß § 16 AG SGB IX mit, insbesondere wird der Zugang zu und die Zulieferung benötigter Informationen sichergestellt und eine zentrale Ansprechperson benannt. Die Evaluation umfasst auch die Geschäftsprozesse an der Schnittstelle zwischen Teilhabefachdiensten und Fachämtern. Diese Evaluation ist in der Federführung durch die jeweilige Fachverwaltung und unter Einbeziehung von SenFin durchzuführen.

Kapitel IV – Fortbildung, Qualitätsmanagement und Controlling im Teilhabefachdienst

Nummer 218 Fortbildung

  • (1) Die für Soziales sowie die für Jugend zuständige Senatsverwaltung legen dem Berliner Steuerungskreis periodisch ein modulares Fortbildungscurriculum vor. Das Curriculum umfasst Angebote für neue Mitarbeitende und für Stammkräfte. Der Berliner Steuerungskreis setzt unter Beachtung etwaiger tarif- oder beamtenrechtlicher Rahmenbedingungen fest, welche Angebotsmodule zur Erfüllung des Fachkräftegebotes erforderlich sind (Pflichtmodule). Die Rechte der Personalvertretungen bleiben unberührt.
  • (2) Die Teilhabefachdienste Soziales, Jugend und LAGeSo haben als Personalentwicklungsmaßnahme für die Mitarbeitenden jährlich die Fortbildungsbedarfe und
    -wünsche zu erheben und an die zuständige Senatsverwaltung zu melden, die ihre Fortbildungsplanung darauf abstimmt.

Nummer 219 Qualitätsmanagement

Die Teilhabefachdienste Soziales, Jugend und LAGeSo etablieren jeweils ein systematisches Qualitätsmanagement. In diesem ist sichergestellt, dass die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität periodisch reflektiert und daraus abgeleitet systematisch Verbesserungspotentiale identifiziert, geplant, umgesetzt und evaluiert werden (z.B. mit Hilfe des Common Assessment Framework (CAF) oder dem PDCA/ Plan-Do- Check-Act – Regelkreis). Die Ergebnisse und Fortschritte werden mit den Berichten des Fach- und Finanzcontrollings zu einem gemeinsamen Berichtswesen verzahnt und der zuständigen Senatsverwaltung zur Verfügung gestellt. Sofern Optimierungspotentiale im Bereich Prozessqualität identifiziert werden, die Optimierungspotentiale des festgesetzten Soll- Prozesses aufzeigen, müssen die Ergebnisse aus der CAF- Reflektion an die für Sozialesund Eingliederungshilfe zuständige GPM- Einheit (StD BA-Mitte) weitergeleitet werden. Weitere betroffene GPM- Einheiten, die im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung tätig sind, werden zugleich über die Ergebnisse informiert.

Nummer 220 Fach- und Finanzcontrolling

  • (1) Die für Soziales sowie die für Jugend zuständige Senatsverwaltung etablieren ein datengestütztes Fach- und Finanzcontrolling. Bei der (Weiter)Entwicklung werden die Bezirke und das LAGeSo einbezogen.
  • (2) Die Daten sind, wo dies möglich ist, in den eingesetzten IKT-Fachverfahren in erforderlicher Qualität zu erfassen und automatisiert zu erheben. Bei der Weiterentwicklung von IKT-Fachverfahren ist das nach Absatz 1 entwickelte System zu berücksichtigen. Alle beteiligten Dienststellen setzen sich zur zielgerichteten Informationsgewinnung und Datenanalyse für eine hohe Transparenz ihrer Strukturen, Prozesse und Arbeitsergebnisse ein.
  • (3) Kennzahlen, die sich als geeignet erweisen, sollen in der Weiterentwicklung des Produktkatalogs der Kosten- und Leistungsrechnung einfließen, um Fach- und Finanzcontrolling wirksam miteinander zu verzahnen.
  • (4) In geeigneten Sozialräumen können Modellprojekte zur Erprobung anderer Budgetformen mit den zuständigen Senatsverwaltungen unter Einbindung der Senatsverwaltung für Finanzen vereinbart werden.

Teil E. Schlussbestimmungen

Nummer 221 Inkrafttreten, Außer-Kraft-Treten

  • (1) Diese Ausführungsvorschriften treten am 01.12.2023 in Kraft. Sie treten am 30.11.2028 außer Kraft. Die Gemeinsamen Ausführungsvorschriften Eingliederungshilfe (AV EH) vom 05.02.2020 (ABl. S. 972) werden nicht mehr angewendet.
  • (2) Folgende Rundschreiben der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung werden aufgehoben:
    • a) Rundschreiben I Nr. 22/2005 über Eigenbeteiligung für sozialhilfeberechtigte Nutzer des Sonderfahrdienstes für Menschen mit Behinderungen;
    • b) Übernahme der Fahrtkosten durch die Sozialämter im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53, 54 SGB XII vom 1. November 2005;
    • c) Rundschreiben Soz Nr. 02/2017 über Änderungen der §§ 1 und 2 Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII vom 22.03.2017;
    • d) Rundschreiben Soz Nr. 02/2019 über Überleitungen von Verträgen zwischen 2019 und 2020 für Leistungserbringer der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII und SGB IX sowie Änderungen der Zuständigkeit;
    • e) Rundschreiben Soz. I Nr. 09/2006 über Persönliches Budget nach § 17 SGB IX vom 31. Mai 2006.