Präsidentin Karin Klingen vor dem Abgeordnetenhaus am 10.2.2022
Rede zur Vorstellung des Jahresberichts 2021
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren!
Heute spricht der Rechnungshof in meiner Person zum ersten Mal vor Ihnen, dem neu gewählten Abgeordnetenhaus. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, auch wenn es schon einige Zeit her ist, Ihnen allen ganz herzlich zu Ihrer Wahl zu gratulieren.
Ich freue mich, Ihnen nun die wesentlichen Prüfungsergebnisse des Rechnungshofs aus dem Jahr 2021 zu präsentieren. Zuerst zur Haushaltslage: Hier hat die Coronakrise tiefe Spuren hinterlassen. Durch die Aufnahme von Notlagenkrediten sind die Schulden des Landes inzwischen auf 65,9 Milliarden Euro gestiegen. Um das aber erst einmal klarzustellen: Der Rechnungshof kritisiert nicht, dass in der Krise Kredite aufgenommen worden sind. Er mahnt allerdings, dass diese Kredite nur zur Bekämpfung der Notlage eingesetzt werden dürfen. Das ist in Berlin nur teilweise geschehen. Überwiegend werden die Notlagenkredite bis heute in einer Rücklage geparkt. Diese umfasst noch immer 5,4 Milliarden Euro. Das widerspricht dem Sinn der Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse.
Das dauerhafte Ansparen von Mitteln in erheblichem Umfang ohne konkreten Bedarf ist nicht erlaubt.
Der hessische Staatsgerichtshof hat das Coronasondervermögen des Landes aus ähnlichen Gründen für rechtswidrig erklärt. Weitere Verfassungsgerichtsentscheidungen werden erwartet. In Berlin wird es ein solches Verfahren nicht geben, denn die Schuldenbremse ist, anders als vom Rechnungshof empfohlen, nicht in die Landesverfassung aufgenommen worden. Der Rechnungshof wird die Verwendung der Notlagenkredite weiter intensiv und kritisch begleiten. Er appelliert eindringlich, diese frühestmöglich zurückzuzahlen. Ihre Tilgung sollte nicht wie angekündigt erst in der nächsten Legislaturperiode beginnen.
Aber es gibt auch gute Nachrichten. So bekennen sich die Richtlinien der Regierungspolitik ausdrücklich zu einer nachhaltigen Finanzpolitik und zur Einhaltung der Schuldenbremse. Allerdings eine kurze Anmerkung dazu; dort wird formuliert:
„Der Senat wird anregen, die Möglichkeit der notfallbedingten Kreditaufnahme auszunutzen.“
Ich gehe davon aus, dass es sich hier um einen Schreibfehler handelt, also dass er, falls erforderlich, die Ausnahmeregelungen der Schuldenbremse nutzen, aber nicht ausnutzen wird.
Eine weitere erfreuliche Nachricht ergibt sich aus den aktuellen Haushaltszahlen. Wurde im letzten Jahr anfangs noch mit einem Defizit von bis zu 3 Milliarden Euro gerechnet, beträgt dieses aktuell nur noch etwas mehr als 100 Millionen Euro. Aus finanzieller Sicht ist Berlin also wesentlich besser durch die Krise gekommen als befürchtet.
Sie alle haben nun in den bevorstehenden Haushaltsberatungen die schwierige Aufgabe, zu entscheiden, wie Berlin sich in den nächsten Jahren aufstellen wird. Ein zentraler Satz, der dazu immer wieder zu hören ist, heißt: Wir werden uns nicht aus der Krise heraussparen. Das erwartet auch der Rechnungshof nicht. Sparen würde ja heißen, Geld, das man hat, nicht auszugeben.
Der Finanzsenator hat die aktuelle Aufgabe schon etwas zutreffender beschrieben, und zwar als „Dämpfung der Mehrausgaben“.
Aus Sicht des Rechnungshofs muss es darum gehen, die begrenzten öffentlichen Mittel möglichst effektiv einzusetzen. Das erfordert auch ein wirtschaftlicheres Handeln auf der Ausgabenseite. Hierzu hat der Rechnungshof im ersten Teil seines Jahresberichts zahlreiche Prüfungsergebnisse veröffentlicht, deren Lektüre ich sehr empfehle.
Wegen der begrenzten Zeit nenne ich hier nur zwei herausragende Beispiele, zum einen die Digitalisierung. Der Rechnungshof musste feststellen, dass das Ziel der Zentralisierung der Berliner IT-Landschaft weitgehend gescheitert ist. In fünf Jahren ist es nicht einer einzigen Verwaltung gelungen, ihren IT-Betrieb zum zentralen Dienstleister zu migrieren. Eine weitere exemplarische Prüfung betraf ein wichtiges Bauprojekt, den Zentralen Omnibusbahnhof, kurz ZOB genannt. Hier haben sich durch fehlende und sich immer wieder ändernde Planungen die Kosten fast verzehnfacht und die Bauzeit mehr als verdoppelt.
Insgesamt haben die Prüfungen des Rechnungshofs gravierende Fehler im Verwaltungshandeln festgestellt. Die Ursachen liegen häufig bereits zu Beginn in den unzureichenden Planungsprozessen. Zudem sind immer wieder große Defizite bei der Aufgabenzuordnung und der gesamtstädtischen Steuerung festzustellen. Der Rechnungshof begrüßt daher, dass sich der neue Senat dieser Themen annehmen möchte. Er ist gerne bereit, sich in die weiteren Reformprozesse einzubringen.
In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen, insbesondere im Hauptausschuss und im Unterausschuss Haushaltskontrolle.
Vielen Dank!