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Ausführungsvorschriften über die Inanspruchnahme von Drittverpflichteten durch den Träger der Sozialhilfe Berlin (AV-Dritt)

p(. _(Neufassung)_ vom 30. November 2011 (ABl. S. 2955), zuletzt geändert mit Wirkung vom 1. Januar 2016 durch die Verwaltungsvorschriften vom 15. Januar 2016 (ABl. S. 238)

Inhalt

I. Grundsätze des Sozialhilferechts

1 – Allgemeines

Bei der Anwendung dieser Verwaltungsvorschriften sind die Vorschriften des Ersten und Zweiten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), insbesondere die §§ 1,2,9 und 16, zu beachten. Die Inanspruchnahme Drittverpflichteter darf nicht schematisch gehandhabt werden. Die Besonderheiten des Einzelfalles müssen stets berücksichtigt werden.

2 – Nachrangsgrundsatz

Nach § 2 Abs. 2 SGB XII haben Verpflichtungen anderer und bestimmte Ermessensleistungen anderer den Vorrang vor den Verpflichtungen des Trägers der Sozialhilfe.

II. Selbsthilfe

3 – Vorrang der Selbsthilfe

(1) Nach § 2 Abs. 1 SGB XII erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann.

(2) Im Rahmen der Selbsthilfe kann die nachfragende Person darauf verwiesen werden, Ansprüche gegen andere geltend zu machen, wenn die Leistungspflicht des anderen außer Zweifel steht und der nachfragenden Person zugemutet werden kann, ihren Anspruch so rechtzeitig zu verwirklichen, dass Sozialhilfe nicht mehr erforderlich ist. Dies gilt insbesondere bei der Übertragung von Vermögen vor der Unterbringung in Einrichtungen.

(3) Auf die Möglichkeit des Trägers der Sozialhilfe, nach § 95 SGB XII die Feststellung von Sozialleistungen selbst zu betreiben, wird verwiesen.

4 – Keine Selbsthilfe bei unaufschiebbarem Bedarf

Sozialhilfe darf nicht versagt werden, wenn ein unaufschiebbarer Bedarf besteht und weder im Rahmen der Selbsthilfe noch durch Leistungen anderer eine rechtzeitige Hilfeleistung sichergestellt ist.

5 – Selbsthilfe des Unterhaltsberechtigten

Sich selbst helfen kann auch, wer durch die Geltendmachung eines zu realisierenden Unterhaltsanspruchs die Mittel für die Deckung seines Bedarfs rechtzeitig und ausreichend zu erlangen vermag. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob die nachfragende Person darauf verwiesen werden kann, ihren Bedarf gegenüber dem Unterhaltspflichtigen geltend zu machen (Selbsthilfe), oder ob es angebracht ist, ihr Sozialhilfe zu leisten. Letzteres kann insbesondere aus persönlichen und familiären Gründen geboten sein.

6 – Voraussetzungen für den Verweis auf Selbsthilfe bei Unterhaltsberechtigten

Auf Selbsthilfe kann verwiesen werden, wenn
a. die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen den Umständen nach anzunehmen ist und
b. die begehrte Hilfe einen Aufschub bis zur Realisierung des Unterhaltsanspruchs duldet und
c. der nachfragenden Person nach ihren persönlichen und familiären Verhältnissen zuzumuten ist, ihre Ansprüche gegen den Unterhaltspflichtigen selbst geltend zu machen, und
d. Ansprüche gegen Ehegatten oder Verwandte ersten Grades geltend gemacht werden und
e. kein Fall der Nummern 13 bis 16 vorliegt.

7 – Naturalunterhalt für unverheiratete Kinder

Zur Selbsthilfe gehört auch, dass unverheiratete Kinder den Naturalunterhalt im elterlichen Haushalt annehmen, soweit es ihnen zuzumuten ist.

8 – Vorübergehende Hilfeleistung

Wird bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Nummer 6 von dem Verweis auf Selbsthilfe abgesehen, kann die Sozialhilfe vorübergehend mit der Aufforderung erbracht werden, binnen bestimmter angemessener Frist die Unterhaltsansprüche für die Zukunft selbst zu verfolgen.

9 – Beratung der nachfragenden Person

Der Träger der Sozialhilfe hat die nachfragende Person auf ihre Unterhaltsansprüche und auf die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung, insbesondere der Erwirkung einer einstweiligen Anordnung, hinzuweisen, wenn die Sozialhilfe unter Hinweis auf die zumutbare Selbsthilfe abgelehnt oder unter der Auflage baldiger Selbsthilfe gewährt wird.

10 – Absehen von dem Verweis auf Selbsthilfe

Von der Verweisung auf Selbsthilfe sollte in der Regel abgesehen werden, wenn
a. die voraussichtlichen Leistungen des Unterhaltspflichtigen nicht ausreichen werden, um den gesamten Bedarf abzudecken, oder
b. Hilfe für alte Menschen erbracht werden soll.

In diesen Fällen hat der Träger der Sozialhilfe die Möglichkeit, den künftigen Unterhalt einzuklagen (§ 94 Abs. 4 Satz 2 SGB XII). Die schriftliche Mitteilung (Bedarfsanzeige) hat mit Hilfebeginn unverzüglich zu erfolgen.

III. Inanspruchnahme von Unterhaltspflichtigen nach § 94 SGB XII

A. Tatbestandsvoraussetzungen

11 – Allgemeine Voraussetzungen

Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII geht der Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht, insbesondere nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Ehegesetz (EheG) und dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG), den die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Hilfe erbracht wird, hat, bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch (§§ 1361, 1605, 1580 BGB sowie §§ 12, 16 LPartG) auf den Träger der Sozialhilfe über. Nur soweit Unterhaltsanspruch und Sozialhilfeleistung sachlich, zeitlich und persönlich übereinstimmen und der Anspruchsübergang nicht nach § 94 SGB XII ausgeschlossen oder eingeschränkt ist, geht der Unterhaltsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Übergang des Anspruchs ist auf die Höhe der geleisteten Sozialhilfe beschränkt.

12 – Voraussetzung Unterhaltsbedarf und zivilrechtliche Unterhaltsbedürftigkeit

(1) Der Forderungsübergang findet nicht statt, wenn der in der Sozialhilfe anerkannte Bedarf keinen Unterhaltsbedarf im Sinne des bürgerlichen Rechts darstellt oder dieses zweifelhaft ist, insbesondere wenn z.B.
a. häusliche Pflege (§ 63 SGB XII) durch Unterhaltspflichtige in Natur, Pflegegeld nach § 64 SGB XII, Beiträge zur Alterssicherung für Pflegepersonen nach § 65 SGB XII
b. Unterstützung im Rahmen des § 11 Abs. 3 SGB XII zur Aufnahme einer zumutbaren Tätigkeit,
c. Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, soweit sie auf Grund § 92 Abs. 2 SGB XII unabhängig von Einkommen und Vermögen erbracht werden (insb. Leistungen zur Sicherung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nach § 41 SGB IX und 54 Abs. 1 Nr. 4 und 5 SGB XII sowie Hilfen in sonstigen Beschäftigungsstätten nach § 56 SGB XII bzw. in ABFB, soweit es sich nicht um die Sicherung des Lebensunterhalts handelt),
d. Beihilfen, die in einer Einrichtung lebenden behinderten Menschen für Besuche ihrer Angehörigen geleistet werden (§ 54 Abs. 2 SGB XII),
e. vorbeugende Hilfe nach § 47 SGB XII (z.B. Installation einer Hausnotrufanlage),
f. Hilfe zur Übernahme von Zahlungsrückständen, z.B. bei Übernahme von Mietschulden zur Sicherung der Unterkunft nach § 36 SGB XII,
g. Hilfe bei Sterilisation nach § 51 SGB XII,
h. Hilfe zur Familienplanung nach § 49 SGB XII oder wenn
i. Hilfen der leistungsberechtigten Person nicht für sich selbst, sondern zugunsten von Angehörigen geleistet werden (§ 70 SGB XII, soweit die Hilfe zur Weiterführung des Haushalts den Haushaltsangehörigen zugute kommt).

(2) Liegt zwar dem Grunde nach ein zivilrechtlicher Unterhaltsbedarf, jedoch keine zivilrechtliche Unterhaltsbedürftigkeit vor, so ist der Anspruchsübergang ebenfalls ausgeschlossen. Das kann zum Beispiel bei Leistungsberechtigten mit zivilrechtlicher Erwerbsobliegenheit der Fall sein, die neben Leistungen nach dem SGB II Hilfe zur Pflege bei Pflegestufe 0 erhalten.

B. Ausschluss oder Einschränkung des Anspruchsübergangs

13 – Ausschluss des Anspruchsübergangs kraft Gesetzes

Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen,
a. soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird (§ 94 Abs. 1 Satz 2 SGB XII),
b. wenn Unterhaltspflichtige zum Personenkreis des § 19 SGB XII gehören (§ 94 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz SGB XII),
c. wenn Unterhaltspflichtige mit der leistungsberechtigten Person vom zweiten Grad an verwandt sind (§ 94 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz SGB XII),
d. wenn Leistungen nach dem Vierten Kapitel (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) erbracht werden, gegen Eltern und Kinder (§ 94 Abs. 1 Satz 3 SGB XII i.V.m. § 43 Abs. 2 SGB XII),
e. wenn eine leistungsberechtigte Person schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines 6. Lebensjahres betreut und es sich um Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Grades handelt (§ 94 Abs. 1 Satz 4 SGB XII); leistungsberechtigte Person kann auch der betreuende Vater des Kindes sein.

14 – Ausschluss des Anspruchsübergangs bei bestehender oder voraussichtlicher Sozialhilfeberechtigung eines Unterhaltspflichtigen

(1) Nach § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII geht der Unterhaltsanspruch nicht über, wenn die unterhaltspflichtige Person bereits Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel oder Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel SGB XII erhält oder bei Erfüllung des Anspruchs erhalten würde.

Da der unterhaltsrechtliche Einkommensbegriff im Gegensatz zu § 82 ff. SGB XII auch fiktives Einkommen umfasst, könnte im Einzelfall ein nach zivilrechtlichen Maßstäben leistungsfähiger Unterhaltsverpflichteter oder seine Angehörigen bei voller Inanspruchnahme des Unterhalts durchaus sozialhilfeberechtigt werden. Um das zu vermeiden, ist insbesondere in den Fällen die Kontrollberechnung nach § 94 Absatz 3 Satz 1 SGB XII vorzunehmen, wo der Unterhaltspflichtige nach §§ 82 ff SGB XII geschütztes Einkommen hat.

Dabei ist derjenige Einkommensbetrag zu belassen, der den Unterhaltspflichtigen und ihren weiteren tatsächlich unterhaltenen unterhaltsberechtigten Angehörigen, mit denen sie in einer Bedarfsgemeinschaft nach § 19 Absatz 1 oder 2 SGB XII leben, nach sozialhilferechtlichen Maßstäben als Leistung zum Lebensunterhalt zustehen würde; dies gilt unabhängig vom unterhaltsrechtlichen Rang der leistungsberechtigten Person.

(2) Der dem Unterhaltspflichtigen mindestens zu belassende Einkommensbetrag errechnet sich wie folgt:
a. maßgeblicher Regelsatz für den Unterhaltspflichtigen,
b. maßgeblicher Regelsatz für die überwiegend vom Unterhaltspflichtigen unterhaltenen, im Haushalt lebenden gesteigert unterhaltsberechtigten Angehörigen,
c. etwaige Mehrbedarfszuschläge für diesen Personenkreis,
d. tatsächliche Kosten der Unterkunft und der Heizung dieses Personenkreises,
e. etwaige Beiträge für die Kranken- und die Pflegeversicherung, soweit diese nicht bereits nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII berücksichtigt wurden,
f. zusätzlicher Betrag für einmalige Beihilfen nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII, wenn ein derartiger Bedarf konkret abzusehen ist.

(3) Der sozialhilferechtliche Einkommensbetrag nach Abs. 2 wird nur insoweit anerkannt, als die Unterhaltsberechtigten in der Einsatzgemeinschaft ihren Bedarf nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder durch Inanspruchnahme Dritter decken können.

15 – Ausschluss des Anspruchsübergangs wegen unbilliger Härte (§ 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII)

(1) Der Übergang des Anspruchs auf den Träger der Sozialhilfe ist ausgeschlossen, wenn dies für die unterhaltspflichtige Person eine unbillige Härte bedeuten würde. Wenn die leistungsberechtigte Person zugleich Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz (ContStifG) bezieht, liegt gemäß § 18 Absatz 2 Satz 1 ContStifG beim Übergang ihrer Unterhaltsansprüche gegenüber ihrem Ehegatten, ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern immer eine unbillige Härte im Sinne von § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII vor.

_Hinweis: Es handelt sich hierbei um eine gesonderte sozialhilferechtliche Billigkeitsprüfung, bei welcher Umstände, die bereits nach bürgerlichem Recht ganz oder teilweise einem Unterhaltsanspruch entgegenstehen (§§ 1361 Abs. 3, 1578b, 1579, 1611, 1615l Abs. 3 BGB, §§ 12 S. 2 und 16 S. 2 LPartG oder bei illoyal verspäteter Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs § 242 BGB), nicht als Härtegrund in Betracht kommen, denn soweit ein Unterhaltsanspruch bereits nach bürgerlichem Recht nicht besteht, kann er auch nicht auf den Träger der Sozialhilfe übergehen._

(2) Nach § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB XII hat der Träger der Sozialhilfe bereits bekannte Umstände, die das Vorliegen einer unbilligen Härte begründen, von Amts wegen zu berücksichtigen. In allen anderen Fällen ist das Vorliegen einer unbilligen Härte grundsätzlich durch den Unterhaltspflichtigen nachzuweisen.

(3) Das Verständnis der unbilligen Härte im sozialhilferechtlichen Sinne hängt von den sich wandelnden Anschauungen der Gesellschaft ab. Die Auslegung des § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII unterliegt der vollen Nachprüfung durch die Zivilgerichte.
Die Härte kann in materieller oder immaterieller Hinsicht und entweder in der Person des Unterhaltspflichtigen oder in der des Leistungsberechtigten bestehen. Bei der Beurteilung sind die allgemeinen Grundsätze der Sozialhilfe, die Belange der Familie, die wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen sowie die soziale Lage der Beteiligten heranzuziehen.

Bei der Auslegung des § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII ist stets entscheidend, ob und ggf. inwieweit im Einzelfall durch den Anspruchsübergang aus Sicht des Sozialhilferechts soziale Belange vernachlässigt werden . Das Ziel der öffentlichen Hilfe besteht nicht darin, Unterhaltspflichtige von ihrer Verpflichtung zu entlasten.

(4) Eine unbillige Härte, die zum vollständigen oder teilweisen Ausschluss des Anspruchsübergangs führt, kann daher insbesondere angenommen werden, wenn und soweit
  • über die Grundsätze des bürgerlichen Rechts (§§ 242, 1361, 1578 b, 1579, 1611 BGB und § 12 Satz 2 LPartG i.V.m. § 1361 Abs. 3 BGB, § 16 LPartG i.V.m. § 1579 BGB) hinaus durch den Anspruchsübergang soziale Belange vernachlässigt würden, weil ein kausaler Zusammenhang zwischen der Hilfebedürftigkeit mit einem Handeln des Staates und seiner Organe besteht (das kann nach der Rechtsprechung des BGH z.B. bei einem Kriegsheimkehrer der Fall sein, dessen Fehlverhalten auf erlittene Kriegsverletzungen zurückzuführen ist, nicht jedoch, wenn ein Fehlverhalten gegenüber Unterhaltspflichtigen auf einer schicksalhaften Erkrankung beruht und die unterhaltsverpflichtete Person in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt – u.a. BGH Urteil vom 23.06.2010, XII ZR 170/08, BGH Urteil vom 15.09.2010 XII ZR 148/09),
  • der Grundsatz der familiengerechten Hilfe (§ 16 SGB XII) ein Absehen von der Heranziehung geboten erscheinen lässt, z. B. weil die Höhe des Heranziehungsbetrags in keinem Verhältnis zu der dadurch zu befürchtenden nachhaltigen Störung des Familienfriedens steht oder durch die Heranziehung das weitere Verbleiben der leistungsberechtigten Person im Familienverband gefährdet erscheint,
  • die laufende Heranziehung in Anbetracht der sozialen und wirtschaftlichen Lage des Unterhaltspflichtigen mit Rücksicht auf die Höhe und Dauer des Bedarfs zu einer nachhaltigen und unzumutbaren Beeinträchtigung des Unterhaltspflichtigen und der übrigen Familienmitglieder führen würde,
  • die Zielsetzung der Sozialhilfe darin besteht, durch Leistungen im Frauenhaus Schutz und Zuflucht vor dem gewalttätigen Partner zu gewähren, und diese durch die Mitteilung der Leistungen an den unterhaltspflichtigen Partner gefährdet erscheint oder durch die Heranziehung eine von der Frau angestrebte Versöhnung mit dem Partner vereitelt werden,
  • die leistungsberechtigte Person zum Kostenersatz nach den §§ 103, 104 SGB XII für die an sie gezahlte Sozialhilfe verpflichtet ist – hierbei ist die Art und der Zeitraum der Hilfeleistung zu beachten, für die die Kostenersatzpflicht gegeben ist,
  • der Unterhaltspflichtige vor Eintreten der Sozialhilfe über das Maß seiner zumutbaren Unterhaltsverpflichtung hinaus die leistungsberechtigte Person betreut und gepflegt hat, bzw. noch immer pflegt und betreut,
  • dem Unterhaltspflichtigen Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehen.

(5) Ob eine unbillige Härte zum Ausschluss oder nur zur Einschränkung des Anspruchsübergangs auf den Träger der Sozialhilfe führt, hängt von dem Ausmaß der Unbilligkeit ab. Der Ausschluss des Anspruchsübergangs ist nicht die Regel.

16 – Ausschluss wegen vorrangiger Inanspruchnahme der leistungsberechtigten Person

Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen in Höhe der zu Unrecht gewährten Sozialhilfeleistungen, die von der leistungsberechtigten Person nach §§ 45, 50 SGB X zu erstatten sind.

17 – Eingeschränkter Anspruchsübergang nach § 94 Abs. 2 SGB XII bei volljährigen behinderten oder/und pflegebedürftigen Kindern gegen ihre Eltern

(1) Abweichend vom grundsätzlichen Verfahren der Inanspruchnahme zum Unterhalt bei volljährigen Kindern ist der Übergang des Unterhaltsanspruches gegen die Eltern bei volljährigen behinderten (§ 53 SGB XII) und/oder pflegebedürftigen (§ 61 SGB XII) Kindern, die Leistungen nach dem Dritten Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt), dem Sechsten Kapitel (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) und dem Siebten Kapitel (Hilfe zur Pflege) erhalten, auf gesetzlich festgelegte, pauschalierte Höchstbeträge begrenzt. Die Änderungen dieser Beträge werden durch die für Soziales zuständige Senatsverwaltung durch Rundschreiben bekanntgegeben. Bei Leistungen nach dem Sechsten Kapitel ist jedoch zu beachten, dass der Anspruchsübergang wegen fehlender zivilrechtlicher Bedürftigkeit ausgeschlossen ist, wenn der sozialhilfeberechtigten Person Hilfen ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen erbracht werden (§ 92 Abs. 2 SGB XII). Der pauschalierte Anspruchsübergang ist nicht davon abhängig, dass die unterhaltspflichtigen Eltern für das behinderte oder pflegebedürftige Kind Kindergeld erhalten (BGH, Urteil vom 23.06.2010, XII ZR 170/08).

(2) Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 SGB XII wird von Gesetzes wegen angenommen, dass zum einen der Übergang des Anspruches in Höhe der dort in Satz 1 genannten Beträge erfolgt und zum anderen die unterhaltspflichtigen Eltern zu gleichen Teilen haften. Insoweit ist grundsätzlich von der Leistungsfähigkeit und damit verbunden der hälftigen Haftung der Eltern auszugehen. Die vorherige Prüfung der Unterhaltsfähigkeit scheidet aus. Der Auskunftsanspruch nach § 117 SGB XII besteht aufgrund seiner normativen Verknüpfung mit § 94 Abs. 2 SGB XII nicht, solange die Leistungsfähigkeit bezüglich des in pauschalierter Form übergegangenen möglichen Unterhaltsanspruchs nicht bestritten wird, weil die Kenntnis des Sozialhilfeträgers über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des möglichen Unterhaltsschuldners nicht erforderlich ist.

(3) Die Vermutungen der Leistungsfähigkeit sowie der anteiligen Haftung können gemäß § 94 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz SGB XII widerlegt werden, indem der Unterhaltspflichtige darlegt und nachweist, dass er unterhaltsrechtlich nicht leistungsfähig ist.
Die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit ist in diesem Falle anhand der unterhaltsrechtlichen Tabellen und Leitlinien des jeweiligen Oberlandesgerichts (vgl. Nummer 22 ) zu prüfen. Dabei ist in Fällen, wo das volljährige Kind nach abgeschlossener Berufsausbildung eine eigene Lebensstellung erlangt hatte, in der es auf elterlichen Unterhalt nicht mehr angewiesen war, und die sich im höheren Alter befindlichen Eltern ihre Lebensverhältnisse darauf einstellen durften, dass sie nicht mehr mit Unterhaltsforderungen zu rechnen brauchen, der für den Elternunterhalt vorgesehene Selbstbehalt anzusetzen (BGH Urteil vom 18. Januar 2012 XII ZR 15/10 ).
Wird die Leistungsunfähigkeit eines Elternteils nachgewiesen, gilt die Vermutung der anteiligen Haftung als widerlegt. Entsprechend der Leistungsfähigkeit des anderen Elternteils ist unter Berücksichtigung von § 1606 Abs. 3 BGB der gesamte Unterhaltsanspruch in Höhe der jeweiligen Beträge nach Abs. 1 gegen diesen geltend zu machen.

_Hinweis: In den Fällen, wo das volljährige behinderte und/oder pflegebedürftige Kind mit seinen Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt lebt, ist gemäß § 39 Satz 3 Nr. 2 SGB XII für Leistungen nach dem Dritten Kapitel die Vermutung der Bedarfsdeckung ausgeschlossen, so dass auch insoweit über den in Absatz 1 genannten Betrag hinaus keine Kostenbeteiligung der Eltern verlangt werden kann._

19 – Absehen von der Inanspruchnahme

Von einer Inanspruchnahme der unterhaltspflichtigen Person ist abzusehen, soweit
  • die Sozialhilfeleistung nicht vom Einkommen und Vermögen der leistungsberechtigten Person abhängt, wie es z.B. bei der Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 8 SGB XII der Fall ist,
  • im Rahmen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten Dienstleistungen gewährt werden (§ 68 Abs. 2 Satz 1 SGB XII),
  • durch den Anspruchsübergang der Erfolg einer Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gefährdet würde (§ 68 Abs. 2 Satz 2 SGB XII) oder
  • im Rahmen der Altenhilfe Beratung und Unterstützung gewährt werden (§ 71 Abs. 4 SGB XII).

20 – Absehen von der Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs

Von der Geltendmachung übergegangener Unterhaltsansprüchen kann abgesehen werden, wenn der mit der Inanspruchnahme verbundene Verwaltungsaufwand vermutlich in keinem angemessenen Verhältnis zu der voraussichtlichen Unterhaltsleistung stehen wird, sowie ferner, wenn im Einzelfall allein folgende Hilfen erbracht werden:
  • einmalige Leistungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII,
  • Hör- und Sehhilfen, kleinere orthopädische und sonstige Hilfsmittel und dergleichen,
  • Kurzzeitunterbringung behinderter und pflegebedürftiger Menschen, die sonst im Haushalt von Angehörigen betreut werden, begrenzt auf den Mehraufwand der Kurzzeitunterbringung,
  • Blindenhilfe (§ 72 SGB XII).

C. Die bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht

21 – Grundsätze

(1) Unterhalt wird nach den Bestimmungen des BGB (bei bis zum 30. Juni 1977 geschiedenen Ehen nach dem Ehegesetz, bei eingetragenen Lebenspartnern nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, bei vor dem 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet geschiedenen Ehen unter bestimmten Voraussetzungen nach dem Familiengesetzbuch der DDR) im gesetzlich bestimmten Umfang geschuldet, wenn und soweit
  • der auf Unterhalt in Anspruch Genommene zum Kreis der im konkreten Fall Unterhaltspflichtigen gehört,
  • ein Unterhaltsbedarf der leistungsberechtigten Person besteht,
  • die leistungsberechtigte Person den Bedarf nicht aus eigenen Kräften befriedigen kann,
  • der auf Unterhalt in Anspruch Genommene leistungsfähig ist,
  • der Unterhaltsanspruch nicht durch Erfüllung, Verzicht, Verwirkung, Herabsetzung, zeitliche Begrenzung oder Berufung auf Verjährung (ggf. teilweise) erloschen ist.

(2) Für die bis zum 31. Dezember 2007 fällig gewordenen Unterhaltsansprüche gilt das bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Unterhaltsrecht. Auf die ab 1. Januar 2008 fällig gewordenen Unterhaltsansprüche ist das Unterhaltsrecht in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3189) anzuwenden.

Ist über den Unterhaltsanspruch vor dem 1. Januar 2008 rechtskräftig entschieden, ein vollstreckbarer Titel errichtet oder eine Unterhaltsvereinbarung getroffen worden, ist die Übergangsregelung des § 36 EGZPO zu beachten. Nach Nr. 1 der Vorschrift sind in diesem Fall Umstände, die vor diesem Tag entstanden und durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts erheblich geworden sind, im Rahmen eines Abänderungsverfahrens oder eines Vollstreckungsgegenantrags nur zu berücksichtigen, soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt, und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist.

_Hinweis:Auf Grund der Unterhaltsrechtsreform gilt u.a. ab dem 01.01.2008 im Recht auf nachehelichen Unterhalt der Grundsatz der Eigenverantwortung (§ 1569 BGB). Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, grundsätzlich selbst für seinen Unterhalt zu sorgen._

Unterhaltsleistungen, die bis zum 31. Dezember 2007 fällig geworden sind, bleiben nach § 36 Nr. 7 EGZPO unberührt.

22 – Orientierungen für die Rechtsanwendung

(1) Für die Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen und für den Umfang des Unterhaltsbedarfs von Kindern haben die Oberlandesgerichte für die Praxis in ihrem Zuständigkeitsbereich als Orientierungshilfe Tabellen und Leitlinien entwickelt; dabei wird überwiegend dem Leitbild der “Düsseldorfer Tabelle” gefolgt. Bei den in den Tabellen genannten Unterhaltsrichtsätzen handelt es sich um Pauschalierungen, in denen der gesamte Lebensbedarf einschließlich der Kosten für Wohnbedarf, jedoch unter Ausnahme von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung und gegebenenfalls anzuerkennenden Mehr- oder Sonderbedarfs (Studiengebühren) berücksichtigt ist.

Für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch gegen Unterhaltspflichtige mit Wohnsitz in Berlin sind die “Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Kammergerichts” und die “Düsseldorfer Tabelle” auf dem jeweils gültigen Stand zu beachten. Beim Unterhalt bei Getrenntleben der Lebenspartner sowie nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft wird die Düsseldorfer Tabelle entsprechend angewendet (§ 16 LPartG, § 1581 BGB).

Leben Unterhaltspflichtige außerhalb Berlins, sind die unterhaltsrechtlichen Leitlinien des jeweils zuständigen Oberlandesgerichts zu beachten.

(2) Als Orientierung für die Entscheidung im Einzelfall sind auch die einschlägigen zivilrechtlichen Entscheidungen der Familiengerichte, des Kammergerichts und des BGH sowie die Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger nach § 94 SGB XII in der jeweils gültigen Fassung heranzuziehen.

D. Prüfschema

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  1. Prüfung, ob dem Grunde nach eine Unterhaltsberechtigung vorliegt:
    Ist die rechtmäßig geleistete Sozialhilfe identisch mit dem zivilrechtlichen Unterhaltsbedarf?
    Gibt es gemäß § 94 SGB XII zum Unterhalt verpflichtete Personen ? (vgl. Nummern 12, 13)
  2. Prüfung, ob ein Unterhaltsanspruch gemäß § 94 SGB XII übergegangen ist
    _(vgl. Nummern 13 bis 18)_
  3. Ermittlung der Höhe des Unterhaltsanspruchs
    _Zivilrechtliche Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten_
    a. tatsächliches und fiktives Einkommen
    b. tatsächliches und fiktives Vermögen
    Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen
    a. aus Einkommen
    b. aus Vermögen
    Quotierung des Unterhalts bei mehreren Unterhaltspflichtigen (vgl. Nummern 21, 22)
  4. Entscheidung, ob (vgl. auch Nummern 19 und 20) und in welchem Umfang Unterhalt zu fordern ist
    Prüfung eines ggf. erhobenen Einwandes der Verwirkung (Beschränkung oder Wegfall der Verpflichtung (vgl. Nummern 21, 22)
    Prüfung nach § 94 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII (vgl. Nummer 14)

E. Verfahrensregelungen

24 – Mitteilung nach § 94 Abs. 4 Satz 1 SGB XII (Bedarfsanzeige)

(1) Sofern die gewährte Hilfe Unterhaltsbedarf im bürgerlich-rechtlichen Sinn darstellt und der Anspruchsübergang nicht von vornherein ausgeschlossen ist, ist dem Unterhaltspflichtigen mit Ausnahme der Fälle nach Abs. 2 unverzüglich eine schriftliche Mitteilung über den Bedarf, die mit dem Auskunftsersuchen nach § 117 SGB XII oder mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsersuchen verbunden ist, zuzustellen (Bedarfsanzeige mit Auskunftsersuchen).

(2) Sofern die Hilfe nur vorübergehend mit der Aufforderung erbracht wird, binnen bestimmter angemessener Frist die Unterhaltsansprüche für die Zukunft selbst zu verfolgen, ist dem Unterhaltspflichtigen unverzüglich eine schriftliche Mitteilung über den Bedarf, die nicht mit dem Auskunftsersuchen verbunden ist, zuzustellen (Bedarfsanzeige).

(3) Die rückwirkende Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen ist nur unter den Voraussetzungen des Bürgerlichen Rechts möglich. Der Unterhalt wird ab dem Ersten des Monats, in dem die Bedarfsanzeige mit Auskunftsersuchen zugegangen, der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist geschuldet, wenn der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zu diesem Zeitpunkt bestanden hat (§ 1613 Abs. 1 BGB). Die schriftliche Mitteilung (Bedarfsanzeige mit Auskunftsersuchen – vgl. Abs. 1) hat demnach zeitnah mit Beginn der Leistungserbringung zu erfolgen. Sie ist empfangsbedürftig.

25 – Unterhalt für die Vergangenheit

Unterhalt für die Vergangenheit kann beim Verwandtenunterhalt (§ 1603 f. BGB) sowie auf Grund der Verweisung auf § 1613 BGB in § 1360a Abs. 3, § 1361 Abs. 4 in Verbindung mit § 12 LPartG beim Familienunterhalt und beim Unterhalt für getrennt lebende Ehegatten und Lebenspartner gefordert werden, wenn der Verpflichtete in Verzug geraten oder der Anspruch rechtshängig geworden ist. Ferner kann Unterhalt auch für die Vergangenheit gefordert werden, wenn der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen (§ 1613 Abs. 1 BGB). Satz 2 findet beim Scheidungsunterhalt sowie beim Unterhalt nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft keine Anwendung (§ 1585b BGB, § 16 LPartG in Verbindung mit § 1585b BGB). Auf die Besonderheiten der Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit nach § 1613 Abs. 2 BGB wird verwiesen. Ist der Anspruch der Höhe nach bereits bestimmt, so ist dies bei der sozialhilferechtlichen Prüfung, in welchem Umfang der Unterhaltspflichtige für die Vergangenheit in Anspruch genommen werden kann, zu berücksichtigen.

26 – Unterhaltsrechtlicher Auskunftsanspruch

Der Träger der Sozialhilfe hat die Möglichkeit, seinen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch nach den §§ 1361, 1580, 1605 BGB sowie § 12 Satz 2 LPartG in Verbindung mit § 1361 BGB, § 16 LPartG in Verbindung mit § 1580 BGB gegen den Unterhaltsverpflichteten geltend zu machen.

27 – Auskunftsersuchen nach § 117 SGB XII zur Ermittlung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen

(1) § 117 Abs. 1 SGB XII begründet u.a. für den Unterhaltspflichtigen und seinen nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Auskunftserteilung über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Der Träger der Sozialhilfe ist ermächtigt, seinen Auskunftsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen.

(2) Ist der Arbeitgeber des Unterhaltspflichtigen und seines nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners bekannt, kann der Träger der Sozialhilfe das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und seines nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners über den Arbeitgeber ermitteln (§ 117 Abs. 4 SGB XII).

(3) Kommt der Unterhaltspflichtige, sein nicht getrennt lebender Ehegatte oder Lebenspartner, sowie der Arbeitgeber der genannten Personen seiner gesetzlichen Auskunftspflicht nicht nach, so kann der Träger der Sozialhilfe die Verpflichtung im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzen (§ 66 Abs. 3 SGB X i.V.m. den landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren). In diesem Fall ist die Festsetzung eines Zwangsgelds als Zwangsmittel vorgesehen, das so oft wiederholt werden kann, bis der Unterhaltspflichtige, sein nicht getrennt lebender Ehegatte oder Lebenspartner, sowie der Arbeitgeber der genannten Personen die Auskunftspflicht erfüllt.

(4) Darüber hinaus hat der Träger der Sozialhilfe bei Auskunftsverweigerung die Möglichkeit, die Unterhaltsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen in voller Höhe der an die leistungsberechtigte Person geleisteten Sozialhilfe zu unterstellen, als Unterhaltsforderung festzusetzen und ggf. gerichtlich durchzusetzen. Bei gerichtlicher Geltendmachung sind die Nummern 32 ff. zu beachten.

28 – Auskunftsersuchen nach § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII

(1) Die Auskunftspflicht erstreckt sich nach § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auch auf Personen, von denen nach § 39 SGB XII trotz Aufforderung unwiderlegt vermutet wird, dass sie Leistungen zum Lebensunterhalt an andere Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft erbringen. Auf § 20 SGB XII wird verwiesen. Sofern es sich bei diesen Personen um Angehörige des Unterhaltspflichtigen handelt, sind auch diese zur Auskunft verpflichtet.

(2) Zum Personenkreis der Auskunftspflichtigen im Sinne des § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gehören auch die Unterhaltspflichtigen selbst, sofern ein Anspruchsübergang nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht stattfindet und die Voraussetzungen des § 39 SGB XII vorliegen.

29 – Mitteilung an den Unterhaltspflichtigen über die Höhe des übergegangenen Unterhaltsanspruchs (Übergangsanzeige)

(1) Ergibt die Prüfung der Einkommens-, Vermögens- und sonstigen Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, dass die leistungsberechtigte Person gegen diesen einen Unterhaltsanspruch hat, so ist dem Unterhaltspflichtigen schriftlich mitzuteilen, in welcher Höhe und von welchem Zeitpunkt an der Unterhaltsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen ist (Übergangsanzeige). Die Mitteilung hat weiterhin eine Zahlungsaufforderung mit entsprechender Fristsetzung zu enthalten. Bei dieser Mitteilung handelt es sich um keinen Verwaltungsakt , sondern um schlichtes Verwaltungshandeln. Die Mitteilung ist daher nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen.

(2) Die Berechnung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und die anschließende Mitteilung nach Absatz 1 hat zur Vermeidung einer Verwirkung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB bzw. § 1611 BGB) möglichst zeitnah nach bekannt werden der Einkommens- und Vermögensverhältnisses des Unterhaltspflichtigen zu erfolgen. Eine Verwirkung kommt nach diesen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte (Träger der Sozialhilfe) den übergegangenen Anspruch längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (Zeitmoment), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Umstandsmoment).
Für das Zeitmoment sind nicht nur die Aufforderung zur Auskunftserteilung, die Bezifferung des Unterhaltsanspruchs und die Zahlungsaufforderung von Bedeutung. Vielmehr fallen hierunter auch Vorgänge, die zwar nicht unmittelbar der Durchsetzung des Anspruchs, aber ihrer Vorbereitung dienen, wie etwa das Einräumen von Stellungnahmefristen, die eine weitere Sachverhaltsaufklärung ermöglichen sollen. Vom Vorliegen des Zeitmoments kann grundsätzlich bei mehr als einjähriger Untätigkeit des Trägers der Sozialhilfe seit Fälligkeit des Anspruchs ausgegangen werden.
Daneben kommt es für die Verwirkung auf das Umstandsmoment an. Dem ist nicht Rechnung getragen, wenn sich aus der Gesamtschau des Verhaltens (Schriftverkehrs) des Trägers der Sozialhilfe ergibt, dass er den Unterhaltsanspruch beabsichtigt, geltend zu machen. (BGH Urteil vom 15.09.2010, XII ZR 148/09, 22ff.)

Je nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit des auf Unterhalt für einen bestimmten Zeitraum gerichteten Anspruchs ist ggf. nur ein Teil davon verwirkt.

(3) Der leistungsberechtigten Person ist ebenfalls eine entsprechende Mitteilung über den Übergang des Unterhaltsanspruchs zu übersenden.

30 – Einwendungen des Unterhaltspflichtigen

Nach Erteilung der Übergangsanzeige ist zur Vermeidung eines zivilrechtlichen Verfahrens auf die etwaigen Einwendungen des Unterhaltspflichtigen gegen Art und Höhe des Unterhaltsanspruchs sowie den Anspruchsübergang im Rahmen einer inhaltlichen Prüfung einzugehen. Erst wenn eine außergerichtliche Einigung nicht erreicht werden kann, ist es gerechtfertigt, einen Leistungsantrag beim Familiengericht zu stellen (vgl. Nummern 32 ff).

31 – Inanspruchnahme des übergegangenen Unterhaltsanspruchs bei anhängigen Verfahren auf Leistung eines anderen Sozialleistungsträgers

(1) Die übergegangene Unterhaltsforderung ist nicht einzuziehen, solange der Unterhaltsberechtigte eine Sozialleistung eines anderen Trägers im Sinne des § 12 SGB I erwartet, auf die der Sozialhilfeträger seinen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. SGB X angemeldet hat. Erst nach der Entscheidung des anderen Leistungsträgers ist zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang der Unterhaltspflichtige in Anspruch genommen wird. Ist die andere Sozialleistung höher als die erbrachte Sozialhilfe, so verbietet sich die Einziehung der übergegangenen Unterhaltsforderung in der Regel von selbst, weil der Träger der Sozialhilfe seinen Anspruch voll aus der Nachzahlung der Sozialleistung befriedigen kann. Ist die andere Sozialleistung niedriger als die erbrachte Sozialhilfe, so darf die Unterhaltsforderung grundsätzlich nur bis zur Höhe des Differenzbetrages zwischen der Sozialleistung und der Sozialhilfe eingezogen werden.

(2) Der Unterhaltspflichtige ist bereits im Zeitpunkt des Anspruchsübergangs entsprechend zu informieren.

32 – Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs

(1) Für die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs gilt seit dem 1.09.2009 die Neuregelung nach Artikel 1 des FGG-Reformgesetzes vom 17.12.2008 (FamFG), BGBl. I S. 2586, insbesondere die §§ 112, 113 und 231ff.

(2) Erfüllt der Unterhaltspflichtige den übergegangenen Unterhaltsanspruch nicht, so muss sich der Träger der Sozialhilfe im familiengerichtlichen Verfahren durch Einreichung einer Antragsschrift nach §§ 253 ff. ZPO, durch Mahnbescheid nach §§ 688 ff. ZPO oder durch Antrag auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren nach § 249 ff FamFG bei dem nach § 232 FamFG in Verbindung mit §§ 23 bis 23b GVG zuständigen Gericht einen Schuldtitel verschaffen und aus diesem vollstrecken.

(3) Konnte auf die etwaigen Einwendungen des Unterhaltspflichtigen keine Einigung erzielt werden, so ist bei der gerichtlichen Geltendmachung gleich der Antragsweg zu beschreiten.

(4) Bei der Vollstreckung aus Lohnpfändung genießt der Träger der Sozialhilfe das Vorrecht des Unterhaltsgläubigers aus § 850d ZPO.

33 – Vereinfachtes Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts für minderjährige Kinder

(1) Das vereinfachte Verfahren nach §§ 249 bis 260 FamFG dient der erstmaligen Festsetzung von Unterhalt minderjähriger Kinder, die mit dem in Anspruch genommenen Elternteil nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben. Es kann gem. § 250 Abs. 1 Nr. 12 FamFG auch vom Träger der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht beantragt werden, wenn bisher kein vollstreckbarer Unterhaltstitel vorliegt und im Zeitpunkt der Einleitung kein gerichtliches Verfahren anhängig ist.
Bei der Antragstellung sind die in §§ 249 und 250 FamFG festgelegten Anforderungen zu beachten.

(2) Der Unterhalt kann im vereinfachten Verfahren höchstens bis zum 1,2-fachen des Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 BGB vor Berücksichtigung der Leistungen nach § 1612b oder § 1612c BGB ohne zeitliche Beschränkung gefordert werden.

(3) Über den Antrag entscheidet der Rechtspfleger am zuständigen Familiengericht ohne materiell-rechtliche Überprüfung des Unterhaltsanspruchs durch Beschluss (§ 253 bzw. § 252 FamFG).
Für den Antragsteller sowie für den Unterhaltspflichtigen besteht die Möglichkeit, das streitige Verfahren zu beantragen (§ 255 FamFG), um eine materiell-rechtliche Überprüfung des Unterhalts herbeizuführen.

34 – Rechtsweg

Über sämtliche mit Ansprüchen nach § 94 SGB XII zusammenhängende zivilrechtliche sowie öffentlich-rechtliche Fragen wird im Zivilrechtsweg entschieden (§ 94 Abs. 5 Satz 3 SGB XII).

35 – Stufenantrag, Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht gem. §§ 235, 236 FamFG

Der nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf den Träger der Sozialhilfe übergegangene zivilrechtliche Auskunftsanspruch kann zusammen mit dem übergegangenen Unterhaltsanspruch im Wege des Stufenantrags gemäß § 254 Zivilprozessordnung vor den Familiengerichten geltend gemacht werden. Im Wege des Stufenantrags ist der Unterhaltsbetrag zunächst (1. Stufe) nicht oder nur vorläufig zu beziffern. Das Familiengericht ermittelt im letztgenannten Fall gemäß §§ 235, 236 FamFG von Amts wegen die für die endgültige Forderung benötigten Unterlagen des Antragsgegners. Auf dieser Grundlage kann die Höhe der Forderung endgültig festgelegt und vor Gericht beantragt werden.

36 – Antrag auf künftige Leistungen

Bei einem Antrag auf künftige Leistungen muss der Träger der Sozialhilfe die Tatsachen vortragen, aus denen sich ergibt, dass die Hilfeleistung voraussichtlich auf längere Zeit erfolgen wird (§ 94 Abs. 4 Satz 2 SGB XII).

37 – Familiengerichtliches Verfahren

(1) Für das gesamte Verfahren gilt der Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz – auch bei der Entscheidung, ob die Ausschlusstatbestände des § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB XII berücksichtigt worden sind.

(2) Der Träger der Sozialhilfe hat im Rahmen eines Leistungs- bzw. Zahlungsantrags insbesondere folgendes darzulegen bzw. nachzuweisen (Antragstellervortrag):

  • die Voraussetzungen für das Bestehen des bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs, d.h. aa) Bedürftigkeit der leistungsberechtigten Person, ab) Zuordnung des auf Unterhalt in Anspruch Genommenen zum Kreis der im konkreten Fall Unterhaltspflichtigen ac) Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen,
  • den Umfang der bisher gewährten Hilfeleistungen in Form einer monatlichen Kostenaufstellung, die sowohl die Sozialhilfe als auch das zu berücksichtigende Einkommen umfasst, ba) für den Antragszeitraum, bb) getrennt nach den einzelnen unterhaltsberechtigten leistungsberechtigten Personen und bc) soweit die Leistungen bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsbedarf darstellen,
  • bei Unterhaltsrückständen ca) Nachweis des rechtzeitigen Zugangs der Bedarfsanzeige an den Unterhaltspflichtigen oder cb) das Vorliegen der bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung von Rückständen

(3) Der Unterhaltspflichtige hat insbesondere darzulegen bzw. nachzuweisen (Antragsgegnervortrag):
a. Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der bürgerlich-rechtliche Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise nicht entstanden, wieder erloschen oder in der Geltendmachung gehemmt sein könnte (z.B. Verzicht, Erfüllung, Verjährung, Verwirkung, Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1611 BGB, § 1579 BGB und § 16 LPartG in Verbindung mit § 1579 BGB),
b. Ausschlusstatbestände nach § 94 Abs. 1 Satz 2, 3 und 4, Abs. 3 Satz 1 SGB XII

38 – Antrag der leistungsberechtigten Person auf laufenden Unterhalt

(1) Geht nach Rechtshängigkeit eines Leistungsantrags der Unterhaltsanspruch nach § 94 SGB XII auf den Träger der Sozialhilfe über, so kann die leistungsberechtigte Person das Verfahren in Verfahrensstandschaft nach § 265 Abs. 2 ZPO weiterführen. In diesem Fall muss sie zur Vermeidung der Antragsabweisung den Antrag auf Zahlung an den Sozialhilfeträger umstellen. Für den Zeitraum ab dem Ersten des Monats nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung kann die leistungsberechtigte Person die Unterhaltszahlung an sich selbst verlangen.

(2) Liegen die Voraussetzungen für eine Verfahrensstandschaft nach § 265 Abs. 2 ZPO vor, ist die leistungsberechtigte Person aufzufordern, das Verfahren entsprechend Abs. 1 weiterzuführen.

39 – Rückübertragung des Anspruchs auf die leistungsberechtigte Person

Geht der Unterhaltsanspruch nach § 94 SGB XII auf den Träger der Sozialhilfe über, kann er nach § 94 Abs. 5 Satz 1 SGB XII im Einvernehmen mit der leistungsberechtigten Person den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch auf diese zur gerichtlichen Geltendmachung rück übertragen. Der durch die leistungsberechtigte Person gerichtlich geltend zu machende Unterhaltsanspruch ist gleichzeitig mit der Rückübertragung (in einer Urkunde) an den Träger der Sozialhilfe abzutreten. Die Wirksamkeit der Abtretung ist auf den Tag nach Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs zu datieren. Die Kosten, mit denen die leistungsberechtigte Person dadurch selbst belastet wird, sind vom Träger der Sozialhilfe zu übernehmen. (§ 94 Abs. 5 Satz 2 SGB XII). Hierzu gehört bei der Geltendmachung rückständigen Unterhalts auch ein Prozesskostenvorschuss, welcher keine Leistung der Sozialhilfe ist. Für die Geltendmachung laufenden Unterhalts ab Rechtshängigkeit des Leistungsantrags auf Unterhalt sind Leistungsberechtigte hingegen auf Prozesskostenhilfe zu verweisen (BGH, Beschluss vom 2.4.2008, XII ZB 266/03).

40 – Unterhaltsbeschluss, Vollstreckungstitel

(1) Liegt bereits ein vollstreckbarer Beschluss oder ein sonstiger Vollstreckungstitel zugunsten der leistungsberechtigten Person vor, so braucht der Träger der Sozialhilfe den Titel nur in Höhe des übergegangenen Betrages durch einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Gericht auf sich umschreiben zu lassen (vgl. § 727 ZPO). Dies kann auch für die Vergangenheit geschehen. Es ist jedoch zu prüfen, ob die Schutzvorschriften des § 94 Abs. 1 Sätze 2, 3 und 4, Abs. 3 Satz 1 SGB XII anzuwenden sind.

(2) Haben sich die für die Verurteilung des Unterhaltspflichtigen maßgeblichen Tatsachen wesentlich verändert und erscheint deshalb der in dem Schuldtitel festgesetzte Unterhaltsbetrag als zu gering, so ist nach § 238 FamFG (Abänderung gerichtlicher Entscheidungen) oder § 239 FamFG (Abänderung von Vergleichen und Urkunden) ein Abänderungsverfahren möglich.

(3) Es ist darauf zu achten, dass Unterhaltsforderungen gemäß der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst werden. Die Anpassung (Anhebung) kann unter den Voraussetzungen des § 238 Abs. 3 FamFG auch rückwirkend erfolgen.

(4) Bereits bestehende Unterhaltstitel aus Verfahren bei Feststellung der Vaterschaft (§ 237 FamFG) oder aus dem vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger (§ 253 FamFG) können durch Abänderungsverfahren unter den Voraussetzungen des § 240 FamFG ebenfalls rückwirkend – für die Vergangenheit – abgeändert werden.

41 – Drittverpflichtete mit Wohnsitz im Ausland

(1) Bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Unterhaltsverpflichteten, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, sind die einschlägigen Bestimmungen, z.B. insbesondere Artikel 1 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 und zur Neuordnung bestehender Aus- und Durchführungsbestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts vom 23. Mai 2011 – Auslandsunterhaltsgesetz – AUG (BGBl. Teil I S. 897) zu beachten.

(2) Hinsichtlich weiterer Einzelheiten zum Verfahren und zu Auskunft erteilenden Stellen wird auf die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erlassene Richtlinie zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes in der jeweils gültigen Fassung verwiesen.

(3) Sofern die Realisierung eines Anspruchs unter Berücksichtigung des damit verbundenen Aufwandes und unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten in keinem angemessenen Verhältnis steht und insbesondere keine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, kann im Einzelfall entschieden werden, dass von der Geltendmachung bzw. Durchsetzung des Anspruchs abgesehen wird.

41 – Drittverpflichtete mit Wohnsitz im Ausland

(1) Bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Unterhaltsverpflichteten, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, sind die einschlägigen Bestimmungen, z.B. insbesondere Artikel 1 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 und zur Neuordnung bestehender Aus- und Durchführungsbestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts vom 23. Mai 2011 – Auslandsunterhaltsgesetz – AUG (BGBl. Teil I S. 897) zu beachten.

(2) Hinsichtlich weiterer Einzelheiten zum Verfahren und zu Auskunft erteilenden Stellen wird auf die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erlassene Richtlinie zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes in der jeweils gültigen Fassung verwiesen.

(3) Sofern die Realisierung eines Anspruchs unter Berücksichtigung des damit verbundenen Aufwandes und unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten in keinem angemessenen Verhältnis steht und insbesondere keine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, kann im Einzelfall entschieden werden, dass von der Geltendmachung bzw. Durchsetzung des Anspruchs abgesehen wird.

IV. Inanspruchnahme der Leistungen Drittverpflichteter durch Überleitung von Ansprüchen nach § 93 SGB XII

42 – Rechtsgrundlagen

(1) Leistet der Träger der Sozialhilfe Hilfe, weil ein anderer seiner Leistungsverpflichtung nicht rechtzeitig nachgekommen ist, so kann er nach Maßgabe des § 93 SGB XII die Leistungen des anderen – soweit dieser kein Leistungsträger im Sinne des § 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) ist – bis zur Höhe seiner Aufwendungen in Anspruch nehmen.

(2) Hinsichtlich der Erstattungsansprüche gegenüber Leistungsträgern im Sinne des § 12 SGB I gelten die §§ 102 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) (– vgl. Abschnitt V, Nummer 52 ff).

(3) Soweit in anderen Gesetzen besondere Vorschriften für Ersatzansprüche eines Sozialhilfeträgers enthalten sind, haben sie unter Beachtung des § 114 SGB XII den Vorrang gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 93 SGB XII. Dabei kommen insbesondere in Betracht
a. Ansprüche nach § 292 Abs. 4 und 5 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG),
b. Ansprüche gegen den Arbeitgeber nach § 115 SGB X,
c. Ansprüche gegen Schadenersatzpflichtige nach §§ 116 ff SGB X.

43 – Zweck

Die Überleitung von Ansprüchen dient dem Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe.

44 – Ermessen

(1) Die Überleitung von Ansprüchen nach § 93 SGB XII ist eine Ermessensentscheidung. Es ist deshalb in jedem Fall zu prüfen, ob von der im § 93 SGB XII eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll. Dabei ist nicht nur die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel, sondern ebenso die soziale Besonderheit des Einzelfalles zu berücksichtigen.

45 – Anspruch

(1) Voraussetzung für eine Überleitung ist das Bestehen eines Anspruchs der leistungsberechtigten Person oder – bei Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel – ihrer Eltern, ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners (Anspruchsberechtigte) gegen einen anderen für die Zeit, für die Hilfe erbracht wird. Überleitungsfähig sind zum Beispiel Beihilfeansprüche eines Elternteils für sein Kind oder Ansprüche des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners.

(2) Die Ansprüche können privaten und öffentlichen Rechts sein und auf Gesetz, Vertrag, Gewohnheitsrecht oder auf einem anderen Rechtsgrund beruhen. Dabei muss es sich nicht ausschließlich um einen Anspruch auf eine Leistung handeln. Eine Überleitung ist auch möglich, wenn der andere im Rahmen des Ermessens über eine Leistung zu entscheiden hat (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Insoweit bezieht sich die Überleitung in erster Linie auf den Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung, die zu einem Leistungsanspruch führen kann. Ob der Anspruch durchsetzbar oder der andere leistungsfähig ist, ist für die Wirksamkeit der Überleitung ohne Bedeutung.

46 – Anspruchsidentität

(1) Der Anspruch gegen den anderen muss demjenigen zustehen, dem Hilfe geleistet wurde (leistungsberechtigte Person), oder bei Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel seinen Eltern, seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner. Die Anspruchsüberleitung ist demnach z.B. auch zulässig, wenn die Hilfe einem Minderjährigen geleistet wird, der Anspruch gegen den anderen dagegen einem Elternteil zusteht.

(2) Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 SGB XII kann der Träger der Sozialhilfe den Übergang des Anspruchs auch wegen seiner Aufwendungen für diejenige Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung bewirken, die er gleichzeitig mit der Hilfe für die leistungsberechtigte Person ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und ihren minderjährigen unverheirateten Kindern leistet. Gleiches gilt in den Fällen des § 114 SGB XII.

47 – Gleichzeitigkeit

(1) Voraussetzung für den Übergang von Ansprüchen ist, dass der Anspruch gegen einen Dritten im Zeitpunkt der Sozialhilfeleistung fällig und seinem Wesen nach geeignet ist, die Notlage abzuwenden bzw. den Leistungsberechtigten zur Selbsthilfe zu befähigen. Bei der Zeitraumidentität kommt es nicht darauf an, dass die Ansprüche gegen einen Dritten für einen mit dem Bedarfszeitraum identischen Zeitraum bestimmt sind. Insoweit sind auch solche in der Vergangenheit entstandenen Ansprüche gegen Dritte überleitungsfähig, die im Zeitpunkt der Hilfeleistung noch nicht erfüllt sind.

(2) Bei laufenden Leistungen der Sozialhilfe und entsprechenden Ansprüchen gegen den Dritten ist die Voraussetzung der Gleichzeitigkeit Monat für Monat festzustellen. Die summarische Gegenüberstellung der Sozialhilfeleistungen und der gleichzeitig zu erbringenden Leistungen des Dritten innerhalb eines größeren Zeitraums (z.B. eines Jahres) würde dem Grundsatz der Gleichzeitigkeit nicht gerecht werden.

(3) Einmalige Leistungen der Sozialhilfe, die einen Bedarf für längere Zeit decken, können betraglich auf einen angemessenen Zeitraum nach der Bewilligung verteilt werden. Dabei ist jedoch der Grundsatz der Kausalität in besonderem Maße zu beachten (vgl. Nummer 48).

48 – Kausalität

(1) In Anspruch genommen werden dürfen nur solche Leistungen, welche die leistungsberechtigte Person oder – bei Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel – ihre Eltern, ihr nicht getrennt lebender Ehegatte oder Lebenspartner zur Deckung des sozialhilferechtlichen Bedarfs hätten einsetzen müssen (§ 93 Abs. 1 Satz 3 SGB XII), wenn sie im Zeitpunkt der Hilfeleistung bereits als Einkommen zur Verfügung gestanden hätten. Aus diesem Grunde sind auch bei der Inanspruchnahme von Leistungen anderer die Vorschriften des SGB XII über den Einsatz des Einkommens und Vermögens sowie die Gemeinsame Arbeitsanweisung der Berliner Bezirksämter – Sozialämter – über den Einsatz von Einkommen in der Sozialhilfe in ihrer jeweils gültigen Fassung und die Ausführungsvorschriften über den Einsatz des Vermögens nach dem SGB XII in ihrer jeweils gültigen Fassung zu beachten.

(2) Es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Nichtgewährung der Leistung des anderen zur Zeit des Bedarfs der leistungsberechtigten Person und der Leistung des Sozialhilfeträgers bestehen. Hätte die Sozialhilfe trotz der Leistung erbracht werden müssen, so ist eine Überleitung insoweit nicht zulässig. Dies könnte z.B. der Fall sein, wenn der andere eine zweckbestimmte Leistung (§ 83 SGB XII) erbringt, deren Einsatz der Sozialhilfeträger aufgrund der Vorschriften über den Einsatz des Einkommens nicht hätte verlangen dürfen. Das gleiche gilt, soweit der Einsatz des Einkommens nach den §§ 82 ff. SGB XII nicht zuzumuten gewesen wäre.

49 – Umfang

Der Träger der Sozialhilfe kann den Übergang des Anspruchs nur bis zur Höhe seiner Aufwendungen bewirken.

50 – Rechtsfolge

Durch die Überleitung erlangt der Träger der Sozialhilfe die Rechtsstellung des Gläubigers anstelle des Anspruchsberechtigten. Die Rechtsnatur des übergeleiteten Anspruchs verändert sich dadurch nicht.

51 – Verfahren

(1) Der Träger der Sozialhilfe bewirkt den Übergang des Anspruchs durch schriftliche Anzeige an den anderen. Die Überleitungsanzeige ist ein Verwaltungsakt und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen.

(2) Die Überleitungsanzeige wirkt nicht nur gegen den Dritten, sondern auch gegen den eigentlich Anspruchsberechtigten. Aus diesem Grunde ist der leistungsberechtigten Person oder ihrem gesetzlichen Vertreter oder – bei Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel – ihren Eltern, ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner ein mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehener Bescheid über die erfolgte Überleitung zu erteilen. Diese Personen sind ebenfalls berechtigt, gegen die Überleitungsanzeige Widerspruch und, sofern dem Widerspruch nicht abgeholfen wurde, Anfechtungsklage zu erheben.

(3) Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung (§ 93 Abs. 3 SGB XII, § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Die Überleitungsanzeige und der Bescheid an den Anspruchsberechtigten oder seinen gesetzlichen Vertreter sollen einen Hinweis darauf enthalten, dass gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG das Sozialgericht Berlin auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen kann.

V. Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander nach §§ 102 ff. SGB X

A. Allgemeines

52 – Voraussetzungen

(1) Hat eine leistungsberechtigte Person für den Zeitraum, in dem Sozialhilfe geleistet wird, einen Anspruch gegen einen anderen Sozialleistungsträger im Sinne des § 12 SGB I, so hat der Träger der Sozialhilfe Erstattung seiner Aufwendungen nach §§ 102 ff. SGB X zu verlangen – jedoch nur insoweit, als die Hilfe bei rechtzeitiger Leistung des Leistungsverpflichteten nicht erbracht worden wäre.

(2) Erstattungsansprüche entstehen kraft Gesetzes im Zeitpunkt der Entscheidung über die Hilfe.

53 – Beratung des Hilfesuchenden

Ist der Erstattungsanspruch gegen den anderen Sozialleistungsträger von einem Antrag des Hilfesuchenden abhängig und hat er diesen Antrag noch nicht gestellt, so soll er dazu unter Hinweis auf seine Selbsthilfe- und Mitwirkungspflichten aufgefordert werden.

54 – Arten der Erstattungsansprüche

(1) Erstattungsansprüche gegen einen anderen Sozialleistungsträger entstehen, wenn der Träger der Sozialhilfe
a. die Hilfe als nachrangig verpflichteter Leistungsträger erbracht hat (§ 104 SGB X). Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
b. für die Erbringung der jeweiligen Leistung unzuständig war (§ 105 SGB X). Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet nach sich den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
c. erstattungsfähige Auslagen hatte (§ 109 SGB X). Die Auslagen müssen im Einzelfall 200,- Euro übersteigen.
d. eine Erstattung zu Unrecht geleistet hat (§ 112 SGB X).

(2) Außer den in Abs. 1 genannten Erstattungsansprüchen hat ein Sozialleistungsträger, dessen Leistungspflicht nachträglich entfallen ist, einen Erstattungsanspruch gegen den für die entsprechende Leistung zuständigen Träger (§ 103 SGB X). Einen solchen Anspruch hat der Träger der Sozialhilfe in der Regel nicht, da seine Leistungspflicht nicht nachträglich entfällt. Jedoch ist bei Ansprüchen gegen den Träger der Sozialhilfe § 103 Abs. 3 SGB X zu beachten.

55 – Zu erstattende Aufwendungen

(1) Dem Träger der Sozialhilfe sind bei Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel SGB XII die Aufwendungen zu erstatten, die ihm für die leistungsberechtigte Person, deren nicht getrennt lebenden Ehegatten, deren nicht getrennt lebenden Lebenspartner oder deren Partner nach § 20 SGB XII sowie ihre minderjährigen unverheirateten Kinder entstanden sind.

(2) Erstattung ist auch zu verlangen, wenn der Träger der Sozialhilfe für einen Angehörigen (z.B. für einen Minderjährigen im Haushalt seiner Großeltern) Sozialhilfe erbracht hat und ein anderer (z.B. der Großvater) mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen, auch auf besonders bezeichnete Leistungsteile gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte.

56 – Ausschlussfrist

(1) Der Erstattungsanspruch ist innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend zu machen. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat (§ 111 SGB X).

(2) Bei laufenden Leistungen ist nach Ablauf der Frist der Anspruch auf Erstattung der Leistungen ausgeschlossen, die vor mehr als 12 Monaten erbracht wurden. Die Ausschlussfrist ist von Amts wegen zu beachten.

57 – Bagatellgrenze

(1) Erstattungsansprüche, die weniger als 50,- Euro betragen, werden nicht erstattet (§ 110 Satz 2 SGB X).

(2) Die Bagatellgrenze nach Abs. 1 gilt auch für Erstattungsansprüche von Trägern der Sozialhilfe untereinander. § 110 Abs. 2 SGB XII bleibt unberührt.

58 – Rangfolge

(1) Haben mehrere Sozialleistungsträger Erstattungsansprüche angemeldet und reicht der zur Verfügung stehende Erstattungsbetrag nicht aus, alle Ansprüche zu erfüllen, so ist nach der Vorschrift des § 106 SGB X zu verfahren, die die Rangfolge bei mehreren Erstattungsberechtigten festlegt.

(2) Machen mehrere nachrangig leistende Sozialleistungsträger Erstattungsansprüche geltend, so hat der Träger der Sozialhilfe den erstrangigen Erstattungsanspruch (§106 Abs. 2 Satz 2 SGB X).

59 – Verjährung

Ansprüche nach §§ 102 bis 105, 109 und 112 SGB X verjähren in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Rückerstattungsansprüche verjähren in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist (§ 113 SGB X). Für Hemmung, Unterbrechung und Wirkung der Verjährung gelten die §§ 194 ff. BGB entsprechend.

60 – Inanspruchnahme von Nachzahlungsbeträgen

Für die Ansprüche nach §§ 102 ff. SGB X steht dem Träger der Sozialhilfe ein Ermessensspielraum nicht zu. In diesen Fällen kann der Nachzahlungsbetrag jedoch ganz oder teilweise unter den Gesichtspunkten des § 15 SGB XII belassen werden.

61 – Feststellung der Sozialleistungen nach § 95 SGB XII

(1) Der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe kann nach § 95 SGB XII auch selbst die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Dies gilt gegenüber allen Sozialleistungsträgern im Sinne § 12 SGB I. Der Ablauf der Fristen, die ohne sein Verschulden verstrichen sind, wirkt nicht gegen ihn; dies gilt jedoch nicht für die Verfahrensfristen, soweit der Träger der Sozialhilfe das Verfahren selbst betreibt.

(2) Es ist nach Lage des Einzelfalls zu entscheiden, ob nach Absatz 1 verfahren wird oder ob die Durchsetzung des Leistungsanspruchs dem Anspruchsberechtigten im Wege der Selbsthilfe überlassen bleibt. Für diese Entscheidung sind vor allem Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte maßgebend.

(3) Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ersetzt nicht das Verfahren nach § 95 SGB XII.

62 – Vorrang der Erstattungsansprüche

Die Erstattungsansprüche nach § 104 SGB X des Trägers der Sozialhilfe gegenüber anderen Sozialleistungsträgern haben Vorrang vor einer Übertragung, Pfändung oder Verpfändung des Anspruchs der leistungsberechtigten Person, auch wenn die Erstattungsansprüche erst später entstanden sind (§ 113 SGB XII).

B. Verfahren bei der Inanspruchnahme von Leistungen anderer Sozialleistungsträger

63 – Allgemeines

Erstattungsansprüche sind mit dem entsprechenden Vordruck bei dem jeweiligen Sozialleistungsträger anzumelden. Die Beträge sind jeweils auf volle 0,10 Euro abzurunden

64 – Verzinsung

Der Träger der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe kann einen Erstattungsanspruch, den er gegen einen anderen Leistungsträger hat unter den Voraussetzungen des § 108 SGB X mit 4 vom Hundert verzinsen. Die Verzinsungspflicht tritt nur auf Antrag ein. § 95 SGB XII findet entsprechende Anwendung.

65 – Vom Träger der Sozialhilfe nicht zu beanspruchende Erstattungsbeträge

Erstattungsbeträge, auf die der Träger der Sozialhilfe keinen Anspruch hat, sind der leistungsberechtigten Person auszuzahlen. Bevor der Träger der Sozialhilfe jedoch die zuviel erhaltenen Erstattungsbeträge der leistungsberechtigten Person auszahlt, ist bei dem Sozialleistungsträger, der die Erstattung geleistet hat, anzufragen, ob noch weitere Erstattungsansprüche vorliegen, die nicht oder nicht ausreichend befriedigt werden konnten.

66 – Einwendungen der leistungsberechtigten Person gegen den Erstattungsanspruch

Bestreitet die leistungsberechtigte Person den Erstattungsanspruch dem Grunde oder der Höhe nach, so muss sie seinen ursprünglichen Anspruch weiterhin gegenüber dem vorrangigen Leistungsträger geltend machen und ggf. gerichtlich beim Sozialgericht durchsetzen. Soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist, sind die gezahlten Beträge nach § 112 SGB X an den anderen Sozialleistungsträger zu erstatten.

67 – Besonderheiten bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Rentenversicherung

(1) Die Rentenversicherungsträger unterrichten den Träger der Sozialhilfe wie folgt:

Die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg und die Bundesbahnversicherungsanstalt benachrichtigen das für den Wohnbezirk des Rentenantragstellers zuständige Bezirksamt
a. über die Rentenantragstellung, wenn aus den Antragsunterlagen nicht zu erkennen ist, wie der Rentenantragsteller seinen Lebensunterhalt bestreitet. In den anderen Fällen wird eine etwaige Rentennachzahlung zur Befriedigung möglicher Erstattungsansprüche nach § 104 SGB X einbehalten. Das Bezirksamt erhält eine Mitteilung über die Rentengewährung sowie die Aufforderung zur Spezifizierung des Erstattungsanspruchs.
b. Die Deutsche Rentenversicherung Bund benachrichtigt das zuständige Bezirksamt über die Antragstellung, wenn ihr bekannt ist, dass der Antragsteller Sozialhilfeleistungen bezieht, bezogen oder beantragt hat. Die Entscheidung über einen Rentenantrag wird den Bezirksämtern nur mitgeteilt, wenn ein Erstattungsantrag angemeldet worden ist.

(2) Soll nach Anmeldung des Erstattungsanspruchs eine bevorstehende weitere Zahlung der Rente an den Rentenberechtigten ausgeschlossen werden, so ist bei der Rentenrechnungsstelle, Postfach 270003, 13500 Berlin, die Einstellung der Rentenzahlung zu beantragen. Eine Durchschrift des Antrages ist dem Rentenversicherungsträger zu übersenden.

68 – Umfang des Erstattungsanspruchs bei Heimfällen, Rente im Sterbemonat

(1) Reichen die eigenen Mittel eines Rentenantragstellers oder Rentners zur Bezahlung der durch seinen Aufenthalt in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung entstehenden Kosten nicht aus, so sind die Kosten vom Träger der Sozialhilfe zu übernehmen, soweit sie nicht durch vorrangige Leistungen der Pflegeversicherung abgedeckt sind. Die Rente kann nur bis zur Höhe des nach der Gemeinsamen Arbeitsanweisung der Berliner Bezirksämter – Sozialämter – über den Einsatz des Einkommens (AA-ESH) in ihrer jeweils gültigen Fassung ermittelten Betrages in Anspruch genommen werden.

(2) Ein Betrag in Höhe des Barbetrages ist der leistungsberechtigten Person aus ihrer Rente zu belassen. Dies kann auch in der Weise geschehen, dass aus der in Anspruch genommenen Rente ein Betrag in Höhe des maßgeblichen Barbetrages an die leistungsberechtigte Person ausgezahlt wird. Die Gewährung des zusätzlichen Barbetrages richtet sich nach § 133a SGB XII.

(3) Beim Tode eines in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung untergebrachten Rentenberechtigten fordern die Rentenversicherungsträger die über den Todestag hinaus bis zum Ablauf des Sterbemonats gezahlten Renten grundsätzlich nicht zurück. Der Träger der Sozialhilfe hat diesen Rentenanteil aber zurückzuzahlen, wenn und soweit für den betreffenden Zeitraum kein Anspruch auf Aufwendungsersatz oder Kostenbeitrag nach den Vorschriften des SGB XII besteht.

69 – Besonderheiten bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung

Für Leistungen privater Krankenversicherungen sind die Bestimmungen der §§ 102 ff. SGB X nicht anzuwenden. Diese Leistungen können nur im Rahmen der Überleitung nach § 93 SGB XII in Anspruch genommen werden (vgl. Abschnitt IV).

70 – Besonderheiten bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Pflegeversicherung

Für Leistungen privater Pflegeversicherungen sind die Bestimmungen der §§ 102 ff. SGB X nicht anzuwenden. Diese Leistungen können nur im Rahmen der Überleitung nach § 93 SGB XII in Anspruch genommen werden (vgl. Abschnitt IV).

71 – Besonderheiten bei der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG)

(1) Bei der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem UVG sind die Richtlinien zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes in der jeweils geltenden Fassung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, insbesondere die dortigen Regelungen zum Verhältnis zur Sozialhilfe, zu beachten.

(2) Hat der Träger der Sozialhilfe Erstattungsansprüche nach § 104 SGB X gegenüber der Unterhaltsvorschussstelle (UV-Stelle) geltend gemacht, werden diese im Einzelfall nur unter folgenden Voraussetzungen erfüllt:
a. Der Träger der Sozialhilfe hat gegenüber der UV-Stelle nachzuweisen, dass der Unterhaltspflichtige in Verzug gesetzt wurde.
b. Der Träger der Sozialhilfe hat gegenüber der UV-Stelle nachzuweisen, dass der Unterhaltsanspruch, den das hilfeberechtigte Kind gegenüber dem Unterhaltspflichtigen hat, im Erstattungszeitraum nach § 94 SGB XII auf ihn übergegangen ist.
c. Nach Erstattung durch die UV-Stelle hat der Träger der Sozialhilfe den auf ihn im Erstattungszeitraum übergegangenen Unterhaltsanspruch in Höhe der jeweiligen monatlichen Erstattungsleistung an die UV-Stelle abzutreten.

VI. Schlussvorschriften

72 – Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Diese Verwaltungsvorschriften treten am 1. Januar 2012 in Kraft. Sie treten mit Ablauf des 31.12.2016 außer Kraft.

(2) Die Ausführungsvorschriften über die Inanspruchnahme von Drittverpflichteten durch den Träger der Sozialhilfe Berlin (AV-Dritt) vom 19. Januar 2009 (ABl. S. 386) werden mit Ablauf des 31.12.2011 außer Kraft gesetzt.

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