Präsidentin Karin Klingen vor dem Abgeordnetenhaus am 12.1.2023
Rede zur Vorstellung des Jahresberichts 2022
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Es sind keine guten Nachrichten: Die Schulden Berlins sind weiter gestiegen. Sie sind erneut auf einem Höchstwert angekommen und betragen inzwischen 66 Milliarden Euro. Eins will ich dabei klarstellen: Auch der Rechnungshof hält in der aktuellen Krise die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger für sinnvoll. Gleichzeitig muss Berlin aber langfristig finanziell handlungsfähig bleiben. Das ist nicht gesichert.
Nach Aussage des Finanzsenators werden in den Jahren 2024 und 2025 die erwarteten Steuermehreinnahmen gerade ausreichen, um den in der Finanzplanung aufgezeigten Handlungsbedarf zu decken. Finanzielle Spielräume wird es da nicht mehr geben, selbst dann nicht, wenn die Investitionen gedeckelt und alle noch vorhandenen Reserven zum Haushaltsausgleich eingesetzt werden.
Der Rechnungshof warnt seit Langem vor einer zu hohen Schuldenlast. Oft ist uns in den vergangenen Jahren entgegnet worden, die Aufnahme von Schulden sei wegen der niedrigen Zinsen kein Problem, die Niedrigzinsphase würde noch lange anhalten. Das stimmt schon jetzt nicht mehr.
Bereits für 2026 weist die Finanzplanung Zinsausgaben in Höhe von 1,7 Milliarden Euro aus. Eine Begrenzung der Ausgabenzuwächse und eine konsequente Rückführung der Verschuldung ist dringend notwendig. Auch vor diesem Hintergrund werden die Beratungen für den kommenden Doppelhaushalt sehr anspruchsvoll.
Gestatten Sie mir einen Blick zurück: Vor etwa einem Jahr habe ich hier an dieser Stelle berichtet, dass der Rechnungshof immer wieder große Defizite bei der Aufgabenzuordnung in der Verwaltung und der gesamtstädtischen Steuerung sieht. Auch unser diesjähriger Prüfungsbericht hat einen eindeutigen Befund: Berlin benötigt dringend eine Klärung der Verwaltungsstrukturen und eine weitere Modernisierung der Verwaltung.
Ich begrüße daher, dass die Diskussion über eine Verwaltungsreform jetzt neue Fahrt aufnimmt. Eine Verbesserung der Verwaltungstätigkeit ist auch Ziel der Arbeit des Rechnungshofs. Er wird entsprechende Reformprozesse intensiv unterstützen, wie beim zentralen Thema der Digitalisierung. Ohne eine stärkere Digitalisierung kann eine Reform der Verwaltung nicht gelingen. Der Rechnungshof beschäftigt sich daher nun zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit mit dem ITDZ, dem zentralen Dienstleister für Digitalisierung. Mit ernüchterndem Ergebnis: Noch immer fehlt es an einer strategischen Planung und einem verbindlichen Finanzierungskonzept. Damit bestehen für das Gesamtprojekt erhebliche Risiken.
In dem konkreten Anwendungsfall, der Digitalisierung in den Schulen, zeigt der Rechnungshof, was passiert, wenn es an zentralen Vorgaben und Konzepten fehlt. So sind zum Beispiel von den 33.000 in der Pandemie für die Lehrkräfte angeschafften Tablets nur 60 Prozent in Betrieb genommen worden. Die restlichen mobilen Geräte, immerhin 13.000, wurden nicht ein einziges Mal eingestellt.
Ein weiteres brisantes Thema in unserem Bericht ist der Rettungsdienst der Feuerwehr. Das ist ein Bereich, der für uns alle von elementarer Bedeutung ist. Bei Herzinfarkt und Schlaganfall kommt es auf jede Minute an. Die Berliner Feuerwehr hat daher das Ziel, in 90 Prozent der Einsätze innerhalb von zehn Minuten am Einsatzort zu sein. Dieses Ziel kann sie bislang nicht erreichen. Die Zeitspanne von zehn Minuten wird nur in etwa der Hälfte der Einsätze erreicht. Rein rechnerisch fehlen nach den Feststellungen des Rechnungshofs hier über 1.000 Stellen und mehr als 66 Rettungswagen. Dem Rechnungshof ist bewusst, dass sich diese Zahlen nicht kurzfristig wesentlich erhöhen lassen. Daher müssen jetzt alle Arbeitsabläufe und organisatorischen Fragen auf den Prüfstand. Der Rechnungshof begrüßt, dass auch hier eine Diskussion in Gang gekommen ist und aktuell intensiv über Vorschläge zur Stärkung des Rettungsdienstes diskutiert wird.
Die Krise im Rettungsdienst hat, wie auch andere Krisen, einen jahrelangen Vorlauf. Wir brauchen ein deutlich früheres Gegensteuern, damit Fehlentwicklungen nicht zu Krisen werden. Viele Katastrophen könnten durch regelmäßige Kontrollen vermieden werden. Dazu gehören zum Beispiel auch Brandsicherheitsschauen, die die Bezirke regelmäßig in öffentlichen Gebäuden durchführen müssen. Dennoch musste der Rechnungshof eine erschreckende Feststellung machen: Nur in 4 Prozent der Fälle wurden die vorgeschriebenen Brandsicherheitsschauen turnusgemäß durchgeführt. Bei einem Viertel der Einrichtungen erfolgten sie innerhalb von 10 Jahren überhaupt nicht. Das muss sich dringend ändern.
Der Rechnungshof hat im letzten Jahr auch Neuland betreten. Er hat erstmals auf Bitten einer Verwaltung in einer Krisensituation eine beratende Prüfung durchgeführt. Ergebnis ist der Beratungsbericht zur Organisation der Gesundheitsverwaltung in der Coronapandemie. Dieser beschreibt notwendige und bisher fehlende Instrumente, um künftig besser für Krisenbekämpfung gerüstet zu sein. Dazu gehören insbesondere der Aufbau von funktionierenden Krisenstäben und die bislang fehlende ressortübergreifende Zusammenarbeit in Ausnahmesituationen.
Gerade vor dem Hintergrund der sich immer schneller überlagernden Krisen ist es nun wichtig, dass die Empfehlungen zur Verbesserung der Krisenprävention berlinweit umgesetzt werden. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn sich der Senat mit ihnen weiter beschäftigt.
Zum Schluss möchte ich mit Ihnen noch einen Blick nach vorne, auf unsere zukünftige Arbeit werfen. Der Rechnungshof wird verstärkt die Prüfung der öffentlichen Unternehmen in den Blick nehmen, da auf sie immer mehr öffentliche Aufgaben und Mittel verlagert werden. Hier bedanke ich mich sehr für die Unterstützung des Abgeordnetenhauses, denn Sie haben nicht nur den Abschluss zusätzlicher Prüfungsvereinbarungen mit dem Rechnungshof gefordert, sondern ihm auch Ressourcen für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt.
Ein weiterer Schwerpunkt des Rechnungshofs in diesem Jahr wird die Prüfung des RBB sein. Der Rechnungshof von Berlin untersucht aktuell in Abstimmung mit dem Landesrechnungshof Brandenburg Themenkomplexe, die auch die Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten sehr beschäftigt haben: die wirtschaftliche Lage des RBB, das digitale Medienhaus, die Aufsichtsorgane und die Vergütungsstruktur der Leitungsebene.
Mit unserer Prüfung wollen wir Fehlentwicklungen aufdecken und dazu beitragen, das Vertrauen in den öffentlichen Rundfunk wiederherzustellen. Erste Ergebnisse werden wir voraussichtlich noch im ersten Quartal dieses Jahres vorlegen.
Politik und Verwaltung stehen in Berlin mehr denn je vor großen Aufgaben. Der Rechnungshof steht Ihnen bei der Beratung über eine zukunftsfähige Berliner Verwaltung gerne zur Seite.
Ich danke für Ihr Interesse und freue mich auf die weiteren Beratungen!