Gesichter des MPI: Selina Byfield und Anett Lommatzsch

Studierende in einem Arbeitsraum

Anett Lommatzsch und Selina Byfield von der Humboldt-Universität zu Berlin bringen im MPI-Projekt „HU Innovation Labs“ Studierende und Berliner Industriebetriebe in Transfer-Lehrveranstaltungen zusammen und bauen ein Alumni-Netzwerk auf.

„Neben Forschung und Lehre ist der Transfer von Wissen und Technologie eine grundlegende Aufgabe von Universitäten“, sagt Selina Byfield. Gemeinsam mit Anett Lommatzsch sowie der Projektleiterin Dr. Katrin Schütz steht sie hinter dem Projekt „HU Innovation Labs der “Humboldt-Universität zu Berlin”:“https://www.hu-berlin.de/de, das diesen Transfer fördern soll – mit Lehrveranstaltungen, in denen Studierende Ideen für Herausforderungen von Berliner Industriebetrieben entwickeln sowie dem Aufbau eines Alumni-Netzwerks. HU Innovation Labs wird vom” Masterplan Industriestadt Berlin 2022 – 2026 (MPI)”:https://www.berlin.de/industriestadt/masterplan-industriestadt-berlin/ unterstützt. Denn das Projekt zahlt auf die drei Transformationslinien ein, denen sich der MPI verschrieben hat – die digitale und ökologische Transformation sowie jene der Arbeitswelt. Und es fördert Innovation, Kompetenzen sowie Kommunikation und Vernetzung in der Industrie – drei von vier Handlungsfeldern des Plans.

Drei Frauen schauen in die Kamera

Masterstudierende lösen Challenges aus Betrieben

Anett Lommatzsch verantwortet im Team die Lehrveranstaltung „Innovation Labs“. Das Format ist Teil des überfachlichen Wahlpflichtprogramms, alle Masterstudierenden der HU können daran teilnehmen. „Wir bringen sie mit Berliner Industrieunternehmen zusammen. Die Studierenden bekommen die Aufgabe, Challenges aus diesen Betrieben zu lösen und am Ende des Semesters präsentieren sie bei einer Abschlussveranstaltung ihre Lösungsansätze.“ Dazu werden nutzerzentrierte Innovationsprozesse genutzt, mit Methoden wie Design Thinking oder Lego Serious Play. Diese agilen Methoden werden in Unternehmen häufig in der Innovationsentwicklung genutzt. Über das Projekt machen sich die Nachwuchskräfte schon im Studium damit vertraut. „Weiterhin lernen sie das Managen von Prozessen und verstehen Teamdynamiken“, so Lommatzsch. Sie begleitet die Labs von der Ansprache der Unternehmen bis zur Abschlusspräsentation. Die erfahrene Coachin und Beraterin ist seit vielen Jahren in der nachhaltig orientierten Organisations- und Strategieentwicklung tätig. Und sie ist selbst HU-Alumna: Lommatzsch hat an der Hochschule einen Magister in Anglistik/Amerikanistik, Politikwissenschaften und Soziologie erworben. Am Projekt HU Innovation Labs gefällt ihr besonders die Zusammenarbeit in interdisziplinären, interkulturellen Teams: „Ich denke, dass diese Interdisziplinarität innovatives, mehrdimensionales Denken stark fördert. Ich bin sehr beeindruckt, mit wie vielen Vorkenntnissen und Erfahrungen die Master-Studierenden zu uns kommen und innerlich angetrieben sind, ihre Future Skills weiterzuentwickeln. Wir haben bereits im dritten Innovation Lab einen ‚Wiederholungstäter‘ aus dem 1. Innovation Lab.“

Vier Jugendliche vor roter Leuchtschrift, auf einem Tisch Lego
Die Verknüpfung von Wirtschaft und Wissenschaft ermöglicht uns, die Potenziale in unserer vielfältigen Stadt effektiv zu nutzen.
Anett Lommatzsch, Humboldt-Universität zu Berlin

Wichtige Skills für zukünftige Berufe weiterentwickeln


Dass sie an konkreten Anwendungsfällen aus der Wirtschaft arbeiten können, davon profitieren die Teilnehmenden laut Lommatzsch sehr: „Sie können darüber reflektieren, wo sie in ihren Fähigkeiten und in ihrem Wissen stehen und wichtige Skills weiterentwickeln, die sie für ihre zukünftigen Berufe brauchen.“ Zudem kommen die Studierenden über die Labs in Kontakt mit Berliner Industrieunternehmen, in denen sie vielleicht ihre Masterarbeit schreiben, dort als studentische Hilfskraft oder später sogar direkt als Beschäftigte einsteigen können. Die Unternehmen lernen im Gegenzug potenzielle Mitarbeitende kennen. Und sie profitieren von den Lösungsansätzen, die in den interdisziplinären Teams entstehen: „Viele Betriebe haben nicht die Ressourcen, um selbst solche Teams zusammenzustellen.“ Die Firmen bekommen im Lab auch Einblicke, wie die Generationen Y und Z denken und arbeiten: „Jede und jeder Studierende schaut mit ihrem oder seinem fachlichen Background auf das Thema, aber natürlich auch mit persönlichen Perspektiven.“ Was die Firmen in die Labs mitbringen sollten, ist eine gewisse Offenheit: „Die Chance auf gute Lösungsansätze ist hoch, und sie ergeben sich in einem individuellen Prozess, der ergebnisoffen ist.“



Zwei Studierende im Jugendraum stecken Lego zusammen

Ergebnisoffener Prozess

Das erste Innovation Lab ist im März 2024 gestartet. Die Formate werden individuell auf die jeweiligen Unternehmen und Challenges zugeschnitten. Sie beginnen damit, dass sich die Unternehmen mit mehreren Challenges zur Auswahl vorstellen ­– die Studierenden entscheiden, welche Fragestellung sie bearbeiten wollen und mit welchen Lösungsansätzen sie dann jeweils weiterarbeiten wollen. „Es geht keine Idee verloren: Alle Anregungen werden protokolliert und auch im Abschlussbericht beschrieben.“ Im Wintersemester 2024/25 nimmt beispielsweise LAT am Innovation Lab teil. Das Berliner Unternehmen baut unter anderem Stromschienen und entwickelt Anonymisierungssoftware für die Verkehrswirtschaft, das Gesundheitswesen und den öffentlichen Raum. Die Inhaberinnen wollen ihr Lager digitalisieren. „Ein spannendes Change-Management-Thema, bei dem die Teilnehmenden Leadership-Fähigkeiten beweisen müssen“, so Lommatzsch. Weiterhin nimmt GFaI Tech am Innovation Lab teil: Das Unternehmen hat eine Software entwickelt, welche ein modulares System für die autarke, ökologische Energiegewinnung von Gebäuden berechnet. Und Wista: Die Landesgesellschaft der Wirtschaftsförderung will eine Plattform aufbauen, die Wissenschaft und Wirtschaft am Campus Adlershof näher zusammenbringt. 


Innovative Köpfe zusammenbringen


Die Unternehmen werden auch aus dem Netzwerk gewonnen, das Selina Byfield aufbaut. Das „Humboldt Innovators Network“ soll Menschen zusammenbringen, die an der HU studiert oder gearbeitet haben, und in den Unternehmen, in denen sie jetzt tätig sind, Innovationen vorantreiben. „Wir wünschen uns Köpfe, die sich für Neues begeistern und mit der Idee identifizieren können, dass Innovation Treiber von positiver Veränderung ist, zum Beispiel in der Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Erhaltung unserer künftigen Lebensressourcen“, so Byfield. Mitwirken können beispielsweise Personen aus Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, die in der Geschäftsentwicklung tätig sind oder strategische Themen begleiten.

Projektarbeitsraum mit Bastelutensilien auf dem Tisch

Zusammenarbeit von Forschenden und Industrie

Laut Studien lässt sich der Prozess des Transfers von Wissen in die Gesellschaft und Wirtschaft schwer zentral steuern. „Das passiert eher auf Basis persönlicher Kontakte, die auf gegenseitigem Vertrauen aufbauen“, so Byfield. „Es ist daher meiner Ansicht nach sehr wichtig, dass Forschende in Kontakt treten mit Menschen, die in der Industrie arbeiten und an konkreten Fragestellungen arbeiten, bei denen akademische Expertise helfen kann.“ Kleine und mittelständische Unternehmen könnten sich häufig keine eigene Forschungsabteilung oder ein großes Labor leisten. „Ich denke, dass es hier auf beiden Seiten – Wirtschaft und Forschung – mehr Bewusstsein dafür braucht, wie fruchtbar eine Zusammenarbeit sein kann.“ Über das Alumni-Netzwerk könne außerdem gezeigt werden, welches Potenzial in der Arbeit der Humboldt-Universität zu Berlin steckt und wie sie Unternehmen dabei helfen kann, Lösungen zu finden, um beispielsweise klimaneutral zu werden oder die Digitalisierung weiter zu implementieren. 



Terrasse mit vier Jugendlichen schreiben auf großformatiges Papier

Dinge ganz neu schaffen


Byfield verweist auf das große Potenzial von Alumni-Netzwerken: „ Für uns bietet das Projekt die große Chance zu erproben, ob wir die Menschen neu binden und dabei eben auch Innovation und Transfer zwischen den beiden Sphären nochmal neu fördern können.“ Sie selbst bringt langjährige Erfahrung mit Netzwerkarbeit an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie im Bereich Social Entrepreneurship ein. Byfield hat Regionalwissenschaft Lateinamerika studiert, eine Journalistenschule besucht und dann ein Journalistenbüro gegründet. Nach dem Wechsel in Kommunikation und PR studierte sie berufsbegleitend noch Sozialmanagement, führte dann als Geschäftsführerin eine gemeinnützige Organisation. „Ich schaffe gern Dinge ganz neu, also wirklich von Punkt Null“, berichtet sie. „Ich finde es spannend, wenn ein bisher komplett unbestelltes Feld vor mir liegt.“ Die Initiative soll auf mindestens 300 Mitglieder wachsen. Es soll Veranstaltungen zum Kennenlernen und Austauschen geben, bei denen sich die Universität mit ihren Themen vorstellen kann. Und: „Langfristiges Ziel ist es, dass das Netzwerk auch nach Auslaufen des Projekts weiterlaufen, in ein reguläres Alumni Management überführt und damit verstetigt werden kann.“

Wissenschaft und Industrie näher zusammenbringen


Die Förderung durch den Masterplan Industriestadt Berlin ist dabei essenziell. „Ohne den MPI wäre das alles nicht möglich“, sagt Anett Lommatzsch. Die Verstetigung von Ideen finde in der Regel über Projekte statt. „Projekte bieten Raum, um Dinge auszuprobieren, fortlaufend Anpassungen vorzunehmen und Wege zu finden, wie etwas erfolgreich umgesetzt werden kann.“ Entsprechend sei es eine tolle Chance, dass dieses Projekt seinen Platz innerhalb des Plans finden durfte. Selina Byfield erklärt: „Die Unterstützung durch den MPI ermöglicht uns, Wissenschaft und Industrie näher zusammenzubringen. Wir können von akademischer Seite stärker auf die industrielle Welt zugehen und uns stärker vernetzen.“ Dass die Unterstützung auf drei Jahre angelegt ist, gebe zudem den notwendigen Raum, um dieses komplexe Vorhaben nachhaltig zu entwickeln und umfassende Ergebnisse vorzulegen.