Pressemitteilung zum Jahresbericht 2021 (Band 1)

Pressemitteilung vom 26.04.2021

Der Rechnungshof legt dem Abgeordnetenhaus heute einen ersten Teil des Jahresberichts 2021 vor und unterrichtet gleichzeitig den Senat.

Die Corona-Pandemie mit einem zweiten Lockdown im vergangenen Herbst und Winter hat auch die Arbeit des Rechnungshofs beeinflusst. Er konnte aber die Erfahrungen des Frühjahrs 2020 gut nutzen und hat sich nun fast flächendeckend auf eine Arbeit im Homeoffice umgestellt.

Der Bericht zeigt mit Beiträgen aus fünf Prüfungsgebieten detailliert Mängel und Versäumnisse in unterschiedlichsten Bereichen auf und gibt Hinweise für notwendige Verbesserungen. Beispiele sind die bisher kaum gelungene Übertragung der Betriebsverantwortung der Informations- und Kommunikationstechnik auf das IT-Dienstleistungszentrum, die Kostenexplosionen und Verzögerungen beim Umbau des Zentralen Omnibusbahnhofs und umfassende Kontrolldefizite bei den betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderung.

Das Ergebnis über die Prüfung der Haushalts- und Vermögensrechnung 2019 und die Entwicklung der Finanzlage Berlins wird der Rechnungshof in diesem Jahr in einem zweiten Teil des Jahresberichts 2021 darstellen, der im Herbst vorgelegt wird. Dabei werden auch die zur Bewältigung der Corona-Pandemie aufgenommenen Kredite und die daraus geleisteten Ausgaben ein wichtiges Thema sein.

Informationen zu ausgewählten Beiträgen aus dem Jahresbericht 2021 (Teil 1)

Unzureichende Steuerung bei der Modernisierung der IT der Berliner Verwaltung

Seit Jahren leidet der IT-Einsatz der Berliner Verwaltung an uneinheitlicher, teilweise veralteter Technik und unklaren Verantwortlichkeiten. Mit dem Berliner E-Government-Gesetz aus dem Jahr 2016 sollte eine durchgreifende Verbesserung erreicht werden. Das IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ) soll als zentraler Dienstleister die gesamte Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) und die IT-Basisdienste für die Berliner Verwaltung einheitlich zur Verfügung stellen und betreiben. Die für Inneres zuständige Senatsverwaltung ist mit erweiterten Kompetenzen zu einer IKT-Steuerung ausgestattet worden, um diesen Prozess zu steuern.

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass es bisher nicht gelungen ist, ein erfolgreiches Vorgehen für die Übertragung des IT-Betriebs der einzelnen Behörden zum ITDZ zu etablieren. 5 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes ist eine vollständige Migration durch keine einzige Behörde erfolgt. Das ursprüngliche Ziel, bis Ende des Jahres 2022 insgesamt 40.000 IKT-Arbeitsplätze vom ITDZ betreiben zu lassen, ist nicht mehr erreichbar. Noch immer sind keine systematischen Daten über die bestehende IT-Landschaft vorhanden. Es ist unklar, wie viele öffentliche Mittel in welchem Zeitraum für die Modernisierung des IT-Betriebs benötigt werden. Damit fehlen nach wie vor die Grundlagen für eine zuverlässige Planung.

Die Modernisierung und Vereinheitlichung der IKT ist ein entscheidender Faktor für die Leistungs- und Funktionsfähigkeit der Berliner Verwaltung. Die in Berlin bereits jetzt deutlich spürbaren Probleme mit zu wenig Online-Dienstleistungen, einer unzureichenden Internetanbindung und einer zu geringen Homeoffice-Quote können so nicht beseitigt werden.

Der Rechnungshof erwartet, dass die für Inneres zuständige Senatsverwaltung umgehend den Handlungsbedarf auf der Grundlage aktueller Erhebungen ermittelt und die erforderlichen Planungsdaten erstellt. Ebenso muss sie alternative Vorgehensweisen zum bisherigen Migrationsprogramm prüfen.

Fehlende Ermittlungen des Personalbedarfs

Personalausgaben sind der zweitgrößte Ausgabenblock im Haushalt des Landes Berlin. Im Jahr 2017 betrugen sie rund 8 Milliarden Euro. Das entspricht rund 30 Prozent der Gesamtausgaben.

Die Besetzung zusätzlicher Stellen bindet Haushaltsmittel über mehrere Jahrzehnte. Diese Mittel werden ebenso knapp wie qualifizierte Fachkräfte. Deshalb müssen die Berliner Behörden wissen, wie viel und welches Personal sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Personalbedarfsermittlungen liefern hierfür eine wesentliche Grundlage.

Der Rechnungshof hat geprüft, ob und wie das Land Berlin den Personalbedarf ermittelte. Die Prüfung erfasste über 110.000 Stellen und damit fast die gesamte Verwaltung. Für die Hälfte dieser Stellen fehlte eine hinreichende Untersuchung des Personalbedarfs. Nur in Ausnahmefällen hatten vorher Untersuchungen und Analysen zu Aufgaben, Abläufen und Strukturen stattgefunden. Damit mangelt es nicht nur an einer Basis für künftige Personalbedarfskonzepte des Landes, sondern auch an einer wichtigen Grundlage für den Gesetzgeber bei seinen Entscheidungen über die Verteilung begrenzter Haushaltsmittel.

Der Rechnungshof erwartet, dass die für allgemeine Personalangelegenheiten zuständige Senatsverwaltung für Finanzen die Einführung, Umsetzung und Fortschreibung von Personalbedarfsermittlungen in der gesamten Berliner Verwaltung sicherstellt.

Rechnungshof verhindert Einnahmeverluste von über 1,5 Millionen Euro beim Ausgleich künftiger Pensionszahlungen

Werden Beamtinnen und Beamte eines anderen Dienstherrn zum Land Berlin versetzt, gleicht der bisherige Dienstherr künftige Pensionsansprüche nach den Vorschriften des Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrags aus. Diese Ausgleichszahlungen können im Einzelfall sechsstellige Beträge erreichen.

In Berlin überwacht das Landesverwaltungsamt den Zahlungseingang. Dafür ist es auf die rechtzeitige Information durch die Berliner Behörden angewiesen, zu denen die neuen Landesbeamtinnen und Landesbeamten wechseln. Nach den Feststellungen des Rechnungshofs blieben diese Informationen im Zeitraum 2015 bis 2017 in 12 Fällen aus. Dadurch drohten Einnahmeverluste von mehr als 1,5 Millionen Euro, die jedoch durch die Prüfung verhindert werden konnten.

Grund für die fehlende Information an das Landesverwaltungsamt war eine fehlende Meldepflicht der Berliner Dienststellen, die die neuen Beamtinnen und Beamten aufnehmen. Der Rechnungshof hat bei der Senatsverwaltung für Finanzen auf dieses Problem hingewiesen. Die Senatsverwaltung hat die Informationspflichten der Behörden gegenüber dem Landesverwaltungsamt nun unmissverständlich geregelt, sodass in Zukunft die dem Land Berlin zustehenden Ausgleichszahlungen lückenlos erfolgen sollten.

Kostenexplosion und Bauverzögerungen beim Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB)

Der ZOB wurde 1966 eröffnet und dient seither dem innerdeutschen und internationalen Fernverkehr. Bereits im Jahr 2010 ging die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung angesichts des nicht mehr zeitgemäßen baulichen Zustands und der erwarteten deutlichen Zunahme des Fernbusverkehrs von der Notwendigkeit einer Instandsetzung und Kapazitätserweiterung des ZOB aus. Seit 2016 lässt sie daher eine entsprechende Baumaßnahme durchführen. Diese ist in mehrfacher Hinsicht aus dem Ruder gelaufen.

Die Gesamtkosten sind explodiert. Sie haben sich bis heute im Vergleich zum ursprünglichen Haushaltsansatz von 3,85 Millionen Euro auf mehr als 39 Millionen Euro verzehnfacht. Außerdem wurde der Zeitrahmen gesprengt. Die Fertigstellung des Bauvorhabens war ursprünglich für Mitte 2019 geplant, verzögert sich aber bis mindestens 2022. Die Bauzeit hat sich somit nahezu verdoppelt. Ursächlich dafür ist ein weitgehend ungeordneter und ungesteuerter Planungsprozess.

Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung hat die Vorschriften für die Planung von Baumaßnahmen mehrfach missachtet und im laufenden Verfahren weitreichende Umplanungen vorgenommen. Sie hat die sachverständigen Baudienststellen nicht an der Planung beteiligt und von ihr zu erfüllende Bauherrenaufgaben unzulässig delegiert. In keinem Verfahrensstadium hat sie die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens untersucht. Aufgrund des mangelhaften Planungsprozesses bestehen auch weiterhin erhöhte Risiken für zusätzliche Kostensteigerungen und Verzögerungen.

Schwere Versäumnisse bei Mietzuschüssen im Sozialen Wohnungsbau

Rund 83 Prozent der Berliner Haushalte wohnen zur Miete. Bei geringem Einkommen werden sie durch Wohngeld vom Bund unterstützt. Darüber hinaus gewährt Berlin seit 2016 Mieterinnen und Mietern in Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaus auf Antrag einen Mietzuschuss, wenn deren Mietbelastung einen bestimmten Anteil des Haushaltseinkommens übersteigt. Damit sollte Mieterinnen und Mietern im Sozialen Wohnungsbau, für die das allgemeine Mietrecht mit der Bindung an die ortsübliche Vergleichsmiete nicht gilt, ein Verbleib in ihren Wohnungen ermöglicht werden.

Allerdings hat die für Wohnen zuständige Senatsverwaltung verkannt, dass die zusätzliche landesrechtliche Förderung in voller Höhe auf das bundesrechtlich gewährte Wohngeld angerechnet wird. Insoweit ersetzt der Mietzuschuss lediglich eine bestehende Bundesleistung. Da Berlin das Wohngeld an die Berechtigten auszahlt, entgehen dem Landeshaushalt bei einem Zusammentreffen von Wohngeldberechtigung und Anspruch auf Mietzuschuss Wohngelderstattungen des Bundes in Millionenhöhe. Darüber hat die Senatsverwaltung das Abgeordnetenhaus bislang nicht informiert.

Die Inanspruchnahme des Mietzuschusses bleibt außerdem seit Jahren hinter den Erwartungen zurück. Von den im Haushalt dafür vorgesehenen 142,1 Millionen Euro wurden in den Jahren 2016 bis 2019 nur 14,6 Millionen Euro ausgegeben. Im gleichen Zeitraum wurden für das Verwaltungsverfahren zur Gewährung des Mietzuschusses Ausgaben geleistet, die 37 Prozent der gezahlten Mietzuschüsse entsprechen. Trotz der geringen Inanspruchnahme der Förderung und der hohen Verwaltungskostenquote hat die Senatsverwaltung den Erfolg des Mietzuschusses nicht systematisch kontrolliert, um daraus fundierte Schlussfolgerungen für den weiteren Umgang mit dem Förderungsinstrument zu ziehen. Insgesamt besteht dringender Handlungsbedarf.

Umfassendes Kontrolldefizit im Bereich der betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderung

Die für Soziales zuständige Senatsverwaltung und die Heimaufsicht haben im geprüften Zeitraum so gut wie keine Kontrollen der Leistungserbringung in den rund 830 betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderung in Berlin vorgenommen. Die für Soziales zuständige Senatsverwaltung kontrolliert seit Jahren nicht systematisch, ob in den betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderung das vertraglich vereinbarte Personal tatsächlich eingesetzt wird.

Bereits im Jahr 2015 hatte der Rechnungshof in seinem Jahresbericht über schwerwiegende Versäumnisse bei Kontrollen berichtet. Das Abgeordnetenhaus forderte die Senatsverwaltung daraufhin auf zu überprüfen, ob das vertraglich finanzierte Personal tatsächlich eingesetzt wird.

Dennoch hat sie ein mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege 2014 vereinbartes Dokumentationssystem für den Personaleinsatz in der Eingliederungshilfe bis heute nicht umgesetzt. Die vom Leistungserbringer dokumentierten Daten zum Personaleinsatz können nachträglich geändert werden, sodass eine belastbare Kontrolle nicht möglich ist.

Ein externer Sachverständiger wurde viel zu spät mit Qualitätsprüfungen beauftragt und hat weniger als 30 Einrichtungen der Eingliederungshilfe, darunter drei betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderung, geprüft. Dabei hat er lediglich die Unterlagen der Leistungserbringer gesichtet. Vor-Ort-Kontrollen bei den Trägern oder Wirtschaftlichkeitsprüfungen hat die Senatsverwaltung bisher nicht durchgeführt.

Auch die Heimaufsicht des Landesamtes für Gesundheit und Soziales hat im untersuchten Zeitraum nahezu keine Kontrollen der Leistungserbringung in den Wohngemeinschaften durchführt. Die Heimaufsicht darf nach derzeitiger Rechtslage Kontrollen nur durchführen, wenn ihr konkrete Hinweise auf Mängel in den Wohngemeinschaften vorliegen. Entsprechende Hinweise hat sie von der Senatsverwaltung aufgrund deren fehlender systematischer Kontrollen nicht erhalten.

In einigen anderen Bundesländern sind regelmäßige Kontrollen ohne Anlass unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich vorgeschrieben. Der Senat hat es versäumt, durch geeignete Vorschläge bei Änderungen des Wohnteilhabegesetzes dafür Sorge zu tragen, dass in Berlin die Heimaufsicht auch ohne Anlass die Leistungserbringung in betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderung kontrollieren muss.

Hilfen zur Erziehung: Steigende Ausgaben, fehlendes gesamtstädtisches Konzept

Hilfen zur Erziehung sind Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, auf die Eltern gegebenenfalls einen Rechtsanspruch haben, wenn sie eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung nicht gewährleisten können.

In Berlin stiegen die Hilfen zur Erziehung von 26.488 Fällen im Jahr 2016 auf 35.485 Fälle im Jahr 2019. Die Transferausgaben wuchsen im selben Zeitraum von 525 Millionen auf rund 621 Millionen Euro. Trotzdem fehlt noch immer ein grundlegendes Steuerungskonzept.

Um die Planung und Steuerung zu verbessern, hat Berlin bereits im Jahr 2009 begonnen, ein gesamtstädtisches Fach- und Finanzcontrolling für die Hilfen zur Erziehung einzuführen. Allerdings hat auch nach über zehn Jahren die für Jugend zuständige Senatsverwaltung weder sichergestellt, dass ein grundlegendes Steuerungskonzept erarbeitet und implementiert wird, noch hat sie gesamtstädtische Festlegungen für die Einführung einheitlicher Strukturen für das Fach- und Finanzcontrolling in den Bezirken vorgegeben.

Dies geht mit erheblichen Unterschieden in der Ausführung, im Umfang und bei der Qualität des Controllings einher. Die für Jugend zuständige Senatsverwaltung hat es auch versäumt, ein geeignetes Berichtswesen einzuführen, sodass ihr relevante Informationen fehlen.

Angesichts der stetig steigenden Ausgaben bei den Hilfen zur Erziehung erwartet der Rechnungshof, dass die Senatsverwaltung für eine bessere und zielgerichtete gesamtstädtische Steuerung die notwendigen Grundlagen schafft und die Bezirke entsprechend einbindet.

Zusätzliche Ausgaben in Millionenhöhe durch ein Umgehungsgeschäft der Max-Planck-Gesellschaft

Die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. (MPG) betreibt insgesamt 86 Institute, die Bund und Länder gemeinsam zu jeweils 50 Prozent fördern. Für die fünf in der Hauptstadt ansässigen Institute ist das Land Berlin federführend zuständig, so auch für das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte.

Das Land Berlin verwehrte der MPG im Jahr 2002 die Zustimmung zur Finanzierung eines Neubaus für das Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin-Dahlem. Dennoch errichtete die MPG ohne Berücksichtigung der Ablehnung das Gebäude auf einem eigenen Grundstück über ein Investorenmodell. Dafür schloss die MPG mit einer Objektgesellschaft einen Erbbaurechtsvertrag über 60 Jahre, einen Mietvertrag über 30 Jahre und einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Das Vertragskonstrukt sah vor, dass die Objektgesellschaft das Bauvorhaben realisiert und vorfinanziert und sich die MPG im Gegenzug unter anderem zu Mietzahlungen für die Nutzung des Gebäudes verpflichtet. Danach waren anstelle der kalkulierten Neubaukosten von 11,6 Millionen Euro nunmehr mindestens 20,2 Millionen Euro zu finanzieren.

Der Rechnungshof beanstandet, dass die MPG entgegen den haushaltsrechtlichen Vorschriften ohne Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen Verträge mit erheblichen finanziellen Lasten zu ihren Ungunsten geschlossen und die vorherige Einwilligung der Zuwendungsgeber nicht eingeholt hat.

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