Stadttauben sind keine Wildtiere und bedürfen daher menschlicher Fürsorge!

Pressemitteilung vom 08.12.2021

Neuer Berliner Koalitionsvertrag sieht vor: Erarbeitung und Umsetzung eines Taubenschutzkonzepts mit betreuten Taubenschlägen

Es ist ein Tierschutzthema, das polarisiert: Die richtige biologische Einordnung von Stadttauben (Columba livia forma domestica) und die sich daraus ableitenden Konsequenzen für ihre Behandlung durch den Menschen. Dabei liegt die prekäre Situation deutscher Stadttauben offen zu Tage und vermeintliche Interessenskonflikte wären durch ein bewährtes Konzept erheblich zu minimieren.
Die Berliner Landestierschutzbeauftragte, Dr. Kathrin Herrmann, und ihr Team erhalten täglich Meldungen zu verletzt oder krank aufgefundenen Stadttauben in Gleisbetten, zu Stadttaubennestern auf Dachböden, Balkonen oder Baustellen, zu eingeschlossenen Küken oder Tieren, die sich in Vergrämungsnetzen verfangen haben. Der Stadttaubenschutz in all seinen Facetten ist daher ein Schwerpunktthema der Stabsstelle geworden. Dr. Herrmann: „Nach den klaren Aussagen des neuen Berliner Koalitionsvertrags sind umgehend betreute Taubenschläge zunächst an den bekannten Brennpunkten im Stadtgebiet zu errichten, federführend organisiert durch die Bau-, Ordnungs- und Veterinärbehörden der Bezirke und unterstützt durch erfahrene Ehrenamtliche. Wie langjährige Erfahrungen von funktionierenden Taubenschlägen sowie aktuelle Daten einer bundesweiten Umfrage des Vereins Menschen für Tierrechte [1] zeigen, ist dieses Konzept geeignet, Stadttauben an einen festen Standort zu binden, wo sie artgerecht gefüttert, der Großteil ihres Kots problemlos entsorgt und ihre Eier zum Zweck der Populationskontrolle tierschutzkonform entnommen werden können. So werden auch immense Kosten für Stadtreinigung und Vergrämungsmaßnahmen eingespart. Wir haben die Chance, win-win-Situationen zu schaffen – für Menschen und Tiere!“
Dr. Herrmanns Stabsstelle veröffentlichte außerdem ein neues Gutachten [2] von Dr. med. vet. Jens Hübel und dem juristischen Referenten der Landestierschutzbeauftragten, Dr. iur. Christian Arleth, in dem die biologische Einordnung der Stadttaube (Columba livia forma domestica) als vom Menschen domestiziertes Haustier mit umfangreichen wissenschaftlichen Studien belegt wird und eine Verantwortung deutscher Kommunen zur Versorgung der Stadttauben als verloren gegangenen Haustieren nach geltendem Recht dargelegt wird. Dr. Arleth: „Deutsche Kommunen stehen sowohl tierschutzrechtlich und wegen der Haus- und Fundtiereigenschaft von Stadttauben auch nach dem Fundrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Pflicht, die tierschutzrechtlichen Halterpflichten nach Paragraf 2 Tierschutzgesetz im Hinblick auf Stadttauben zu erfüllen. Dies gelingt am besten durch die Errichtung betreuter Taubenschläge. Soweit in deutschen Kommunen noch Taubenfütterungsverbote existieren, sind diese als Landesrecht rechtswidrig, da sie gegen das höherrangige Bundestierschutzgesetz und das Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz verstoßen. Artikel 31 des Grundgesetzes lautet: Bundesrecht bricht Landesrecht.“
Die Stabsstelle der Landestierschutzbeauftragten veröffentlichte zudem eine Stellungnahme mit den fünf drängendsten tierschutzpolitischen Herausforderungen und sandte diese an die verhandelnden Berliner Koalitionäre [3]. Der Schutz der Stadttauben durch die Errichtung von Taubenschlägen in Verantwortung des Landes und der Bezirke wird hier neben weiteren Details auf Platz 2 genannt. Außerdem veranstaltete Dr. Herrmann insgesamt drei Tierschutzforen zum Thema, u.a. mit den beiden Tierärzt:innen und Tauben-Expert:innen Dr. Jens Hübel zu Stadttauben-Mythen [4] und Dr. Doris Quinten [5] zu Erste-Hilfe-Maßnahmen für Stadttauben. Dr. Herrmann: „Mein Team und ich lassen mit weiterer Bildungs- und politischer Arbeit nicht locker, bis das menschengemachte Stadttaubenleid in Berlin beseitigt ist.“
Zitate dürfen auch in gekürzter Form verwendet werden.

Kontakt:
Dr. Kathrin Herrmann (Berliner Landestierschutzbeauftragte) und Dr. Christian Arleth (juristischer Referent)
Tel. (030) 9013 3017
E-Mail: tierschutzbeauftragte@senjustva.berlin.de
Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung
Salzburger Straße 21-25, D-10825 Berlin

Quellen:
[1] Gutachten von Dr. iur. Christian Arleth (juristischer Referent der Landestierschutzbeauftragten) in Zusammenarbeit mit (extern) Dr. med. vet. Jens Hübel (ZB Zier-, Zoo- und Wildvögel), Tierärztliche Beratung, Gutachten und Forschung mit den Schwerpunkten Vögel (inkl. Nutzgeflügel), Tierschutz, Tierversuche:
(A) Existieren rechtliche Pflichten des Staates im Zusammenhang mit den Herausforderungen der dauerhaften tierschutzrechtlichen Problematik bei sogenannten „Stadttauben“ (columba livia forma domestica)?
(B) Wenn ja, bei welchen Behörden liegen die Zuständigkeiten für die Erfüllung dieser Pflichten im Land Berlin?, abrufbar unter https://www.berlin.de/lb/tierschutz/stellungnahmen/rechtsgutachten_stadttaubenschutz_rechtlicherstatus_kommunale-pflichten-und-zustaendigkeiten-2.pdf
[2] Eine Umfrage von Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. (2021): Erfahrungen mit Stadttaubenprojekten nach dem „Augsburger Modell“ und Praxisbeispiele – Ergebnisse der Stadttaubenumfrage 2020/2021, PM vom 3. Dezember 2021 sowie Kurz- und Langfassung der Umfrage abrufbar unter https://www.tierrechte.de/2021/12/03/03-dezember-2021-stadttauben-umfrage-bestaetigt-effektivitaet-von-gesamtkonzepten/
[3] Stellungnahme der Berliner Landestierschutzbeauftragten zu drängenden Tierschutzproblemen im Land Berlin – fünf unaufschiebbare tierschutzpolitische Schwerpunkte für den neuen Koalitionsvertrag, 1. November 2021, abrufbar unter: https://www.berlin.de/lb/tierschutz/stellungnahmen/ltb_tierschutzpolitischeforderungenlandberlin_legislatur2021-2026.pdf
[4] 6. Berliner Tierschutzforum vom 5. Juli 2021: „Wilde Keimschleuder oder entflogenes Haustier – was ist die Stadttaube?“, Vortrag von Dr. med. vet. Jens Hübel (ZB Zier-, Zoo- und Wildvögel), Tierärztliche Beratung, Gutachten und Forschung, abrufbar unter: https://youtu.be/ewN7YiPIJbQ
[5] 8. Berliner Tierschutzforum vom 9. August 2021: „Erste Hilfe für Stadttauben“, Vortrag von Dr. med. vet. Doris Quinten, abrufbar unter: https://youtu.be/6-OZr9kaiUM