HPR Aktuell Info: das BVerfG erhält Post

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Der HPR erhielt u.a. neben den Gewerkschaften Anfang Dezember 2023 die Möglichkeit, sich für das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu folgender Frage zu äußern:
Welche Gründe standen einer inhaltlichen Erstreckung des “Reparaturgesetzes zur R-Besoldung (Richterbesoldung) im Land Berlin von 2009-2015” vom 23.Juni 2021 auf die A-Besoldung entgegen?

Im Mai 2020 hatte das BVerfG die Besoldung des Landes Berlin als „evident unzureichend“ eingestuft und dabei umfangreiche rechtliche Ausführungen zu den Prüfparametern hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der Besoldung in Berlin gemacht. Grundlage für diesen Beschluss waren ausschließlich anhängige Fälle von Berliner Richtern. Nachdem der Berliner Gesetzgeber bei der Richterbesoldung mit einem Reparaturgesetz seiner Handlungsverpflichtung mehr schlecht als recht nachgekommen ist, gingen und gehen beim BVerfG weiterhin Entscheidungsanträge zur Berliner A Besoldung ein. Das Gericht ist, das macht die Anfrage deutlich, offensichtlich der Meinung, dass es einer weiteren Feststellung zur A-Besoldung nicht bedarf, da seine Urteilsbegründung auch diese Besoldungsordnungen erfasste. Dies haben wir im HPR, aber auch die Gewerkschaften und ihre Spitzenorganisationen immer dem Land Berlin als Dienstherrn vorgehalten.

Um das zu verdeutlichen: Wenn jemand einer Richterin oder einem Richter Geld aus seinem Portemonnaie stehlen würde, wäre das bei einer Beamtin oder einem Beamten genauso verboten.

Der Hauptpersonalrat hat am 30.01.2024 eine umfangreiche Stellungnahme beschlossen, in der er alle seine Aktivitäten seit dem Jahr 2013 bis heute aufgeführt hat, um zunächst für eine rechtmäßige Besoldung zu sorgen, später auf das ergangene BVerfG-Urteil hinzuweisen und die Forderung nach verfassungskonformer Besoldung auch für die A-Besoldung zu unterstreichen.

Es gab hierzu in den letzten Tagen vermehrt Nachfragen beim HPR. Hintergrund ist die angebliche Untätigkeit des HPR bei der Stellungnahme zur „Amtsangemessenen Besoldung“.

In einer als „Information“ verteilten Darstellung wird suggeriert, es gebe keine HPR-Stellungnahme, ebenso wird behauptet, man habe dem HPR ein Gutachten als Grundlage für die Stellungnahme übergeben, welches sich der HPR zu eigen machen möchte. In diesem Gutachten werden die Ansprüche der beamteten Kolleginnen und Kollegen erneut berechnet. Das wurde aber durch das BVerfG gar nicht zur Stellungnahme erfragt.
Man kann unterstellen, dass das BVerfG über den Umstand, dass sein Beschluss aus dem Mai 2020 in weiten Teilen durch das Land Berlin schlicht ignoriert wurde, schwer verärgert ist, aber keine weiteren rechtlichen Ausführungen benötigt.
Der Hauptpersonalrat wird sich gleichwohl in seiner nächsten Sitzung mit dem Gutachten befassen und als Gremium entscheiden, ob dieses an das BVerfG nachgereicht werden soll.

Hier die inhaltliche Gliederung unserer Stellungnahme und einige Auszüge:

1) Aktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit des HPR zum Thema „amtsangemessene Alimentation“ in den Jahren 2013 bis zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020;
2) Handeln des HPR nach dem o.g. Beschluss
a) als Gremium allein
b) im Rahmen der Besoldungsallianz
3) Auswirkungen des Nichthandelns der Berliner Regierungen und verfassungsrechtliche Bewertung aus Sicht des HPR
4) Fazit

Des Weiteren haben wir unter 3) und 4) Folgendes ausgeführt:

3) „Beamtinnen und Beamte sind quasi rechtlos gestellt.
Beamtinnen und Beamte sehen sich jedes Jahr mit der Frage konfrontiert, ob sie erneut Widerspruch gegen ihre Besoldung einlegen müssen. In Berlin konnte zwar erreicht werden, dass die für Personal zuständige Senatsverwaltung für Finanzen ein Rundschreiben veröffentlichte, welches der Verwaltung nahelegt, die Widerspruchsverfahren ruhend zu stellen, bis eine höchstrichterliche Entscheidung in der Frage erreicht werde. Allerdings sind die anderen Senatsverwaltungen und ihre untergeordneten Behörden an dieses Rundschreiben, das lediglich Empfehlungscharakter hat, nicht gebunden. Daher gibt es im Land Berlin kein einheitliches Verwaltungshandeln. Somit ist der Umgang mit Widersprüchen sehr unterschiedlich.
Soweit Widersprüche von Beamtinnen und Beamten abgelehnt werden, sind die Begründungen der Widerspruchsbescheide häufig holzschnittartig pauschal und berücksichtigen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zur amtsangemessenen Besoldung nicht in ausreichender Weise. Es entsteht der Eindruck, dass die jeweilige Behördenleitung die finanziellen Hürden für die Weiterführung der Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bewusst nutzt, um berechtigte Ansprüche der Beschwerdeführer auszuhebeln.
Tatsächlich schrecken viele Beamtinnen und Beamten vor dem kostenpflichtigen Schritt zurück, anspruchswahrend Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben, denn dies führte für viele Beamtinnen und Beamten, insbesondere in den unteren Besoldungsgruppen, zu einer finanziellen Überforderung. Im Land Berlin wurden in der Vergangenheit auf diese Weise viele berechtigte Ansprüche durch zweifelhafte Widerspruchsbescheide vereitelt.

Fazit: Die Beamtinnen und Beamten werden quasi dauerhaft rechtslos gestellt. Widersprüche gegen ihre Besoldung ruhen jahrelang. Individuelle Klagen können sich die meisten Beamtinnen und Beamten nicht leisten, zumal diese jährlich geführt werden müssten und der Dienstherr die Klagen bis zur höchsten Instanz ausfechten würde, wie man anhand der bisherigen Musterklagen gesehen hat.

Wir haben zudem den Umstand, dass eine verfassungskonforme (?) Besoldung zunehmend mit fragwürdigen rechtlichen Gestaltungen über Kinderzuschläge zur Besoldung erreicht werden soll, kritisiert.

Eine Lösungsmöglichkeit wäre die Aufhebung der Gerichtskosten für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dies würde aber wegen der Vielzahl der betroffenen Beamtinnen und Beamten und der vielen streitbefangenen Jahre zu einem Zusammenbruch der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte führen, nicht nur in Berlin. Dann wäre auch darüber der Rechtsstaat ausgehebelt.

Mangelnde Nachwuchsgewinnung durch fehlende Attraktivität des öffentlichen Dienstes
Das Vorgehen des Dienstherrn hat unseres Erachtens auch Auswirkungen auf die Rekrutierung des Beamtennachwuchses. In mehreren Laufbahnen (Finanzämter, Polizei, Feuerwehr) bleiben Plätze im Vorbereitungsdienst unbesetzt; dies gilt laufbahngruppenübergreifend. Wer sollte auch bei einem Dienstherrn in den Beamtenstatus eintreten, der über viele Jahre seine Beamtinnen und Beamten verfassungswidrig zu niedrig besoldet?
Zunehmender Personalmangel in den Kernbereichen des öffentlichen Dienstes gefährdet den Rechtsstaat, weil das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das zeitgemäße und rechtskonforme Handeln des Staates durch überlange Wartezeiten, ausbleibende Bescheide oder mangelnde Durchsetzung des Rechts schwindet.

Gefahren für die Demokratie auch von Innen
Die Beamtinnen und Beamten sind durch diese Verwaltungspraxis rechtlos gestellt und verlieren zudem das Vertrauen in das rechtskonforme Handeln des Dienstherrn, was zunehmend auch eine Gefahr für die Demokratie darstellt.
Berliner Beamtinnen und Beamte leisten einen Eid auf das Grundgesetz und die Verfassung von Berlin und verpflichten sich, ihr Amt im Einklang mit den Gesetzen zum Wohle der Allgemeinheit auszuüben. Den Beamtinnen und Beamten wird aber in eigener Sache eine über Jahre bestehende Nichtbeachtung von verfassungsgemäßen Grundsätzen zugemutet. Wie soll man den Menschen erklären, dass Recht und Gesetz gelten und zu schützen sind, aber nicht für sie?
Der Dienstherr ignoriert für seinen finanziellen Vorteil die mittelbaren Auswirkungen auf die Beamtinnen und Beamten: es ist eine zunehmende Entfremdung zwischen dem Dienstherrn und „seinen“ Beamtinnen und Beamten festzustellen. Wird das Fürsorgeprinzip jahrelang einseitig aufgekündigt, gilt auch das Treueprinzip nicht mehr. Auch Beamtinnen und Beamte zweifeln am Rechtsstaat und werden anfällig für abwegiges demokratiefeindliches Denken. Dies umso mehr, als in Berlin die Besoldungspolitik nach Kassenlage von mehreren Regierungen unterschiedlicher parteipolitischer Zusammensetzung praktiziert wurde und bis heute wird.

4) Fazit:
Das Vorgehen des Landes Berlin wird nirgendwo sanktioniert. Weder können seitens des Bundesverfassungsgerichts Geldbußen verhängt werden, noch wird das Streikrecht für die Beamtinnen und Beamten zugelassen. Das besondere Dienst- und Treueverhältnis wird seitens des Landes Berlin einseitig aufgekündigt, ohne dass daraus irgendetwas folgt.
Und dies, obwohl die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums Verfassungsrang haben.

Es erscheint daher wünschenswert, wenn das Bundesverfassungsgericht die oben aufgezeigten praktischen Entwicklungen und rechtlichen Problematiken im Rahmen der gegenständlichen Verfahren zur amtsangemessenen Besoldung von Beamten würdigen würde, ggf. in einem obiter dictum*“.

Die Stellungnahme des HPR wurde dem BVerfG am 31.01.24 fristgemäß zugestellt.

  • Daniela Ortmann
    Vorsitzende des Hauptpersonalrates

    Susanne Stecher
    Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

  • Francisca Bier
    Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

    Andreas Hellwig
    Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

  • Nele Bark
    Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

    Ines Groß
    Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

  • Enrico Strencioch
    Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

    Christian Hanisch
    Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

  • Kai Wettstein
    Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

    Angela Rümler
    Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

  • Stephan Krimmling
    Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

    Rolf Herrmann
    Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

Frank Becker
Mitglied im Vorstand des Hauptpersonalrates

HPR-Aktuell Info vom 05.02.2024 als Download

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^* obiter-dictum – nebenbei Gesagtes: Von einem Gericht geäußerte Rechtsansicht, die nicht Teil der eigentlichen Urteilsbegründung ist,aber Hinweise für mögliche spätere Entscheidungen gibt. ^