HPR-Aktuell Info: "Ich verstehe nicht, warum..."

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HPR-Aktuell Info vom 14.04.2021 als Download

…ist vermutlich der am häufigsten gehörte und gesprochene Satzbeginn dieser Tage. Wir verstehen alle miteinander Entscheidungen nicht, ihre Ankündigungen, ihre Rücknahmen, ihr Infragestellen, ihre mangelnde Umsetzung, ihre damit entstehende Beliebigkeit. Was gilt? Wenn ja, wie lange?

Unsere Rolle als oberste Beschäftigtenvertretung im öffentlichen Dienst Berlins ist es, Fragen zu stellen, Antworten zu bewerten, Dinge anzustoßen, die Kolleginnen und Kollegen der Personalvertretungen zu beraten und dabei die Interessen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst immer im Blick zu haben. Angesichts der Gesamtsituation, die wir wiederholt mit mehreren Vertretern* des Senats und Staatssekretären* 1 besprochen haben, müssen wir leider feststellen:

So kann und darf es nicht weitergehen!

Beispiele? Hier eine Auswahl:
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1 Wir gendern! Vertreter* und Staatssekretären* bedeutet hier: Wir haben nur mit Männern gesprochen. Wir bitten also von entsprechenden Hinweisen abzusehen. ___________________________________________

1. Schutz der Beschäftigten vor Ansteckung *(Arbeitsschutz ist Arbeitgeberpflicht!)*

Seit Monaten fordern wir die konsequente und ausreichende Ausstattung der Beschäftigten mit medizinischen Schutzmasken, die dem FFP2-Standard entsprechen. Bis heute läuft die Verteilung der (angeblich immer im ausreichenden Umfang) vorhandenen Masken in den Dienststellen unterschiedlich. Wir hören immer wieder von Personalräten, dass es bei der Verteilung hakt, die Anzahl der ausgegebenen Masken nicht ausreicht. Dies gilt nicht nur für den Bildungsbereich, insbesondere bei der Justiz scheint es in der Richterschaft zahlreiche Maskenverweigerer zu geben. Oder es werden dort FFP2-Masken einzeln gegen Unterschrift ausgegeben. Auch Amtsleitungen in den Finanzämtern sind sparsam mit den Masken, überhaupt scheinen viele Dienststellenleitungen eher zögerlich bei der Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen.

2. Noch verwirrender:

Schnelltests in den Dienststellen. Wir schauen kurz auf die Berlin.de-Seite, Stand 01.04.21:

„Unternehmen sind verpflichtet, allen Mitarbeiter:innen, die am Arbeitsplatz präsent sind, zweimal pro Woche ein kostenloses Testangebot mittels Point-of-Care (POC) Antigen-Tests zu unterbreiten. … Mitarbeiter:innen mit direktem Kundenkontakt sind dazu verpflichtet, dieses Angebot wahrzunehmen. Entsprechende Nachweise zu den Testergebnissen müssen vom Arbeitgeber auf Wunsch ausgestellt werden und sind vier Wochen lang aufzubewahren…“

Diese Regeln gelten auch für das Land Berlin als Arbeitgeber, dies hat der Senat in seinen Beschlüssen zur Infektionsschutz-Verordnung am 13.04.21 klargestellt. Und dabei auch ausdrücklich auf die Justiz hingewiesen. Ein bemerkenswerter Vorgang. Wir hoffen, dass sich dort jetzt auch alle angesprochen fühlen, die gemeint sind.

Um es insgesamt kurz zu machen: Die Dienststellen bekommen es nicht hin. Weder sind die Tests überall verteilt, noch haben wir überall geschultes Personal / medizinisches Personal, welches die Tests durchführen kann. Aber die Regel gilt. Zudem wird eine Testpflicht eingeführt, die automatisch die Frage aufwirft, ob eine Infektionsschutz-Verordnung diese Verpflichtung vorschreiben kann. Was bedeutet es für die Dienststellenleitungen, wenn sie die Tests nicht anbieten (können?), was bedeutet es für Beschäftigte arbeits- oder dienstrechtlich, wenn sie sich der Testung verweigern? Was bedeutet es für Personalräte, wenn sich Mitglieder nicht einer Testung unterziehen wollen, dürfen diese dann an der Sitzung teilnehmen? Was sollen Personalräte tun, wenn ihnen von den Dienststellen keine Tests zur Verfügung gestellt werden, wie dies zur Zeit aus der Bildung zu hören ist. Ab dem 19.04. gilt die Testpflicht auch für Schülerinnen und Schüler. Können Lehrkräfte dazu verpflichtet werden, diese zu testen? Was passiert, wenn sie jemanden verletzen? Wer haftet grundsätzlich, wenn nicht gründlich genug getestet und dadurch eine Infektion übersehen wurde?

Oder in dem Fall, dass ich Kundenkontakte habe, mir die Dienststelle aber keine Tests anbietet, warum auch immer. Muss ich dann trotzdem arbeiten, oder darf ich dies eventuell nicht oder nur im Homeoffice tun, um nicht andere Menschen anzustecken? Wird „Kundenkontakt“ irgendwo genau definiert? Auch die neue Inf-VO des Berliner Senats vom 13.04. hilft da nicht weiter, sondern verwirrt nur noch mehr. Körperlicher Kundenkontakt? Wann ist Kundenkontakt körperlich? Wenn er nicht per Videokonferenz erfolgt?

Was ist mit den Bürgerinnen und Bürgern, die Ämter aufsuchen? Diese müssen sich nicht testen lassen? Wenn sie aber einkaufen gehen wollen, dann schon? Was ist mit Gerichtsterminen? Müssen sich Zeugen testen lassen? Die Beschäftigten aus anderen Verwaltungen, die vor Gericht erscheinen müssen, die doch wohl schon, oder gilt das nicht als Kundenkontakt?

Die Testergebnisse sind vier Wochen aufzubewahren. Durch wen? Wie? Hier gibt es Fragen des Datenschutzes, die man regeln muss, bevor man eine Pflicht einführt.

3. Impfungen im öffentlichen Dienst:

Kein Kommentar an dieser Stelle zu dem AstraZeneca-Debakel, welches dazu geführt hat, dass die Lehrkräfte in großer Zahl über Ostern nun doch nicht geimpft werden konnten. Wir weisen aber hier an dieser Stelle erneut und ausdrücklich darauf hin, dass uns jedes Verständnis dafür fehlt, dass Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter mit Kundenkontakt bisher überhaupt nicht prioritär behandelt werden. Sie haben es in aller Regel mit Kontakten zu tun, die Abstands- und Hygiene-Regeln nicht einhalten, sind für Menschen, oft Kinder!! in Notsituationen da, werden aber dabei einfach nicht durch den Arbeitgeber geschützt. Was denken sich die politisch Verantwortlichen eigentlich dabei? Dass diese Berufsgruppe, ohnehin nicht gerade mit hochwertigen Stellen ausgestattet, sich wertschätzend behandelt fühlt? Wo bleibt der Aufstand der Sozialstadträtinnen oder Jugendstadträte, der Sozial- und der Jugendsenatorin, der Präsidenten der Landesämter? Wieso hören wir nichts von Briefen an den Bund durch den Berliner Senat, in denen die Ergänzung der Priorisierung für Sozialarbeitende mit Kundenkontakt gefordert wird? In dem Zusammenhang ist es zynisch zu nennen, dass die Jugendsenatorin Scheeres die Jugendhilfe aus der Testpflicht ausgenommen haben soll.

Wieso hören wir überhaupt so wenig vom Arbeitgeber in Sachen Impfungen im öffentlichen Dienst? Das große Schweigen führt dazu, dass die Beschäftigten zunehmend genervt sind. Klar wissen alle von den Schwierigkeiten, ausreichend Impfdosen an den Start zu bekommen. Aber man muss doch mal aus den Erfahrungen des letzten Jahres und der Situation in den Jahren 2015/2016 lernen, als die Verwaltung ebenfalls vor einer großen Herausforderung stand, und nicht Fehler wiederholen: Pläne zu machen, bedeutet, vor der Umsetzungsphase nachzudenken. Und wenn absehbar ist, dass Impftermine für die Breite des öffentlichen Dienstes nicht vor Mai (Juni? Juli? Herbst? später?) realistisch sind, dann ist das offen zu sagen. Beschäftigte können wohl zu Recht erwarten, dass sie informiert werden, das, liebe Politik, ist ein Zeichen der Wertschätzung.

Die Situation des Krisenstabs bei der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege, Gleichstellung (kurz SenGPG) soll hier ebenfalls thematisiert werden. Der Krisenstab hat vor Kurzem das erste Jahr seines Bestehens „gefeiert“. Die Menschen im Krisenstab müssen all diese Beschlüsse der Bundes- und Landesebene irgendwie umsetzen. Es sind zu einem großen Teil Beschäftigte der Senatsverwaltung selbst, die von ihren eigentlichen Aufgaben abgezogen wurden (die aber auch irgendwie erledigt werden müssen). Ihre Arbeit zeichnet sich durch ständigen Zeitdruck, spontane Zusatzaufgaben, Überstunden, keine gesicherten freien Wochenenden, keine sicheren Abläufe, keine ausreichende rechtliche Absicherung aus. Vor allem erhalten sie dafür keine angemessene Anerkennung, der Umgangston ist häufig unangemessen. Die hohe Eigenmotivation unserer Kolleginnen und Kollegen im Krisenstab wird schonungslos ausgenutzt. Nach einem Jahr sind die Menschen dort völlig erschöpft, Hunderte von Überstunden häufen sich an und ein Ende der Belastung ist nicht in Sicht. Staatssekretärin König hat vor einigen Wochen ihre Kolleginnen und Kollegen um Unterstützung gebeten. Es braucht dringend Fachleute mit Erfahrung aus den anderen Ämtern des öffentlichen Dienstes, die dort für einige Zeit aushelfen. Frau König hat ihrer Bitte eine Wunschliste beigefügt. Wie wir gehört haben, blieb ihre Bitte ohne Wirkung. Auch im Senat.

Was sagt das aus? Sind wir schon so sehr im Wahlkampf? Nennen wir solches Verhalten solidarisch? Wie soll so eine Krise bewältigt werden? Wie gehen Sie, die politisch Verantwortlichen, mit den Beschäftigten um?

Da es die politisch Verantwortlichen nicht schaffen, ruft nunmehr der Hauptpersonalrat dazu auf, sich für die Arbeit im Krisenstab zu melden. Kolleginnen und Kollegen, die Wunschliste der Staatssekretärin und die Liste der Kontaktpersonen findet ihr in den Anlagen 2. Die Corona-Krise bedroht uns alle. Wir können da nur gemeinsam durch. Und ein gut organisierter, personell gut besetzter Krisenstab mit ausgeruhten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die engagiert in einem guten, wertschätzenden Umgang arbeiten, sind die unabdingbare Voraussetzung dafür. Sie verdienen unsere Anerkennung und unsere Unterstützung.

Bleibt gesund und achtet aufeinander!

Daniela Ortmann
Vorsitzende des Hauptpersonalrats

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2 Die Anlagen wurden verwaltungsintern als Ergänzung bekannt gegeben. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an Ihren örtlichen Personalrat.

Download des HPR-Aktuell Info vom 14.04.2021

  • HPR-Aktuell Info: "Ich verstehe nicht, warum..."

    Überall herrscht Verwirrung aufgrund der sich ständig ändernden Corona-Regelungen. Der HPR stellt Fragen.

    PDF-Dokument (209.6 kB) - Stand: 14.04.2021