Jochen Schiller lächelt in die Kamera

Sozial & technisch in die Zukunft mit Jochen Schiller

09.02.2023

Prof. Dr.-Ing. Jochen Schiller ist Leiter der Arbeitsgruppe Computer Systems & Telematics am Institut für Informatik der Freien Universität Berlin. Er ist Mitglied im Vorstand des Einstein Center Digital Future sowie Leiter des Innovationszentrums Öffentliche Sicherheit am Fraunhofer FOKUS. Bei uns ist er seit mehreren Jahren Teil der Jury „Social & Sustainable Impact“. Wir haben ihn zu seinem Spezialgebiet interviewt.

Hallo Herr Schiller, schön, dass Sie heute Zeit für ein Interview gefunden haben. Können Sie sich unseren Leser:innen einmal kurz vorstellen und erzählen, was Ihr Spezialgebiet im Bereich Deep Tech ist und was Sie aktuell machen?

Ich komme aus der Technischen Informatik mit einem Schwerpunkt auf dem Internet der Dinge für Kritische Infrastrukturen – also all die kleinen, vernetzten Computer, die unsere Infrastruktur zusammenhalten und immer fehlerfrei funktionieren sollten – auch wenn sie angegriffen werden. Dafür muss ich tief in die Technik eintauchen und sog. „Vertrauensanker“ installieren bzw. nutzen, auf denen wir als Menschen dann schlussendlich ein Vertrauen in das gesamte technische System aufbauen können. Als CIO der Freien Universität Berlin muss ich aber auch die IT in Organisationen im Blick haben, Strategien für die Zukunft entwickeln und insbesondere Menschen mit der IT und den durch sie verursachten massiven Wandel mitnehmen – noch besser: begeistern.

Wie lange sind Sie schon in der Jury beim Deep Tech Award dabei? Wie haben Sie die Juryarbeit in den letzten Jahren erlebt?

In den vergangenen vier Jahren habe ich den Deep Tech Award und insbesondere auch die Arbeit in der Jury stets als Bereicherung gesehen – die Spannbreite der eingereichten Arbeiten ist groß, der Vergleich war oft nicht einfach, aber die verschiedenen Gesichtspunkte der Jurymitglieder waren stets inspirierend. Gerade die finale Diskussion über potenzielle Gewinner:innenbeiträge hat das Verständnis für die Innovation, den möglichen Markt und insbesondere auch die gesellschaftliche Auswirkung deutlich geschärft.

Was finden Sie besonders spannend im Bereich Social & Sustainable Impact? Was hat Ihrer Meinung nach Berlin hier zu bieten, was andere Städte nicht haben?

Strohfeuer kann jeder, damit kann man auch sicher Millionen machen. Aber ist das auch interessant und erstrebenswert für eine Gesellschaft? Hier stellen sich doch eher die wirklich großen Fragen: Wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? Wie gehen wir mit der Umwelt um? Welche Auswirkungen hat eine neue Technologie? Der Bereich Social & Sustainable Impact legt gerade hier einen besonderen Schwerpunkt und lässt sich nicht nur von Technologiebegeisterung treiben (die wir sowieso alle haben). Berlin ist hierfür der ideale Nährboden aufgrund der kulturellen Vielfalt, des exzellenten Wissenschaftsumfelds und der hohen Kreativität, die sich zum Glück nicht in Rahmen und Vorgaben pressen lässt. Diese Kombination findet man nur in einer Metropole wie Berlin.

Was sind, Ihrer Meinung nach, die größten Herausforderungen für Social & Sustainable Impact in der Berliner Deep-Tech-Szene?

Der „Impact“ im Bereich Social & Sustainable ist oftmals noch schwerer zu fassen und zu vermitteln als ein rein technischer. Dazu kommen noch teilweise größere Zeiträume, die keinen schnellen Gewinn versprechen können, keine steil nach oben gehenden Umsatzzahlen, sondern eben längerfristig, nachhaltig ausgerichtete Ideen. In den letzten Jahren konnten Investor:innen immer mehr für Grundlagentechnik an Stelle der x-ten glückselig machenden App begeistert werden, Social & Sustainable muss hier noch nachziehen.

Was raten Sie sowohl jungen als auch etablierten Unternehmen, die im sozialen und nachhaltigen Tech-Bereich tätig werden wollen? Was gibt es zu beachten?

Mit Altruismus alleine kann man keine Firma gründen, eine solide technische Idee mit Neuheitswert, die sich dann auch noch vermarkten lässt, muss dahinterstecken – gerade hier bietet das exzellente Berliner Umfeld eine Menge kompetenter Kooperationspartner in der Wissenschaft, sodass man immer eine Nasenlänge voraus ist!

Zuletzt bitten wir Sie um einen Blick in die Glaskugel: Wie wird der Deep-Tech-Standort in fünf Jahren aussehen?

Ich bin grundsätzlich Optimist – wir haben ein riesiges Potenzial an schlauen Köpfen aus aller Welt hier in Berlin versammelt, wir haben zum Glück auch eher den Hang zu nachhaltigen, tiefgründigen Entwicklungen, statt zu Strohfeuern, sodass ich mir sicher bin, dass wir hier nach und nach ein Ökosystem an nachhaltig denkenden, arbeitenden und erfindenden Unternehmen aufbauen, die hoffentlich viele gesellschaftlich sinnvolle (und hoffentlich auch lukrative!) Arbeitsplätze schaffen.

Vielen Dank für Ihre Zeit und für das Interview!