Ein Mann und eine Frau lachen in die Kamera

KI und IoT im Einklang

24.06.2020

Wie werden KI und IoT bei Unternehmensprozessen angewendet? Claudia Pohlink (T-Labs) und Harald Zapp (Next Big Thing AG) aus der DEEP TECH Award-Jury stehen uns Rede und Antwort.

Hallo Frau Pohlink und Herr Zapp! Vielen Dank, dass Sie an unserem Interview teilnehmen. Könnten Sie sich als erstes vorstellen und Ihren Bezug zur jeweiligen Kategorie erklären, für die Sie in der Deep Tech Award Jury sitzen?

Claudia Pohlink: Ich arbeite bei den Telekom Innovation Laboratories, dem Forschungs- und Entwicklungsbereich der Telekom und leite das Team „Artificial Intelligence and Machine Learning“. Wir beschäftigen uns mit den Methoden des Machine Learnings und schauen, wo sich die Technologie mit Bezug auf die Telekom anwenden lässt. Deswegen bin ich sehr gespannt auf die Beiträge zur Kategorie Künstliche Intelligenz.

Harald Zapp: Als CEO und Mitgründer der Next Big Thing AG (NBT), einem Venture Studio für die Machine Economy, treibe ich das Thema IoT in Deutschland voran – und freue mich deshalb sehr, Juror für die Kategorie Deep Tech zu sein. Ich bin als Tech-Unternehmer, Business Angel und IoT-Innovator seit mehr als 25 Jahren in der Branche tätig, habe beispielsweise 2013 relayr gegründet, das später einen beachtlichen Exit erzielte. 2016 bin ich dann mit NBT gestartet – zunächst als Company Builder, aber seither ist viel passiert: Wir haben uns genau in das Thema IoT und KI mit Distributed-Ledger-Technology (DLT) als Venture Studio für die Machine Economy weiterentwickelt, um die deutsche Wirtschaft mit ankommenden Innovationen und Startup-Erfolgen entschieden nach vorne zu bringen.

Frau Pohlink, welche Lösungen werden in den T-Labs mithilfe von KI entwickelt? Und welche Rolle tragen Sie als Head of Artificial Intelligence / Machine Learning?

Claudia Pohlink: Wir fokussieren uns auf ausgewählte Anwendungsbereiche, nämlich Cyber Security, Quantum Computing und Sustainability:

In unserem jüngsten Forschungsfeld, der Sustainable KI, beschäftigen wir uns mit der Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Rahmen der Nachhaltigkeitsziele der Telekom. Hierbei geht es um eine Optimierung des Ressourceneinsatzes nicht nur in Bezug auf Energie oder CO2-Emissionen, sondern auch bezogen auf das Themenfeld Bildung. Unser Ziel ist es, einen langfristig nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang mit den Technologien zu ermöglichen.

Beim Thema Quantum Computing wollen wir uns dieser komplett neuen Technologie annähern und Use Cases identifizieren und erforschen, die für eine Telekom relevant sind. Derzeit beschäftigen wir uns damit, wie diese Technologie bei der Optimierung z. B. im Bereich des Netzwerks und dessen Planung, helfen kann.

In der Domäne Cyber Security wollen wir unbewusste oder bewusste Risiken von KI-Algorithmen erkennen und minimieren. Ein wichtiges Stichwort hierbei lautet „Bias“, also Daten, die Vorurteile zementieren. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit der Früherkennung und Abwehr möglicher feindlicher Angriffe (Adversarial Attacks).

Herr Zapp, Was bietet Ihr Unternehmen Next Big Thing AG Startups und Unternehmen? Welche Rolle spielen hier IoT und KI?

Harald Zapp: Als Venture Studio stellen wir das komplette Angebot für den Aufbau von Unternehmen bereit – schwerpunktmäßig für das Internet of Things, Blockchain und natürlich KI. Dabei wenden wir uns an Startups und Unternehmen und unterstützen sie mit unserer Kompetenz in diesen Technologien , neue, tragfähige Geschäftsmodelle für die Machine Economy zu entwickeln. Wir bringen Gründer*innen, Startups, Investor*innen, Unternehmen, Tech-Expert*innen und Forschungspartner*innen zusammen und stehen so als Company Builder im Zentrum der Entwicklung der Machine Economy.

Was raten Sie jungen als auch etablierten Unternehmen bei der Anwendung von KI und IoT in Unternehmensprozessen?

Claudia Pohlink: Am wichtigsten ist es, die richtigen Anwendungsgebiete auszuwählen. Nicht jedes Problem ist dafür geeignet, um es mit Hilfe von KI anzugehen. Oftmals genügen auch einfachere Methoden.

Wenn es dann tatsächlich um den Einsatz von KI geht, dann ist der aufwändigste Teil – wie bei jedem Data Science Projekt -, die Daten in der benötigten Qualität und Bandbreite bereitzustellen. Hierzu sollte man sich also am besten auch im Vorfeld schon Gedanken machen, inklusive der rechtlichen Aspekte.

Ansonsten gilt: Ausprobieren und Erfahrungen sammeln, und natürlich die Ergebnisse immer auch kritisch hinterfragen – auch mit KI braucht man immer einige Runden, bis die Ergebnisse auch verlässlich sind und Mehrwert stiften.

Harald Zapp: Sowohl für Startups als auch für etablierte Unternehmen gilt: Wer den vollen Nutzen aus IoT-Lösungen ziehen will, benötigt eine klare Strategie. Dabei sollte der Fokus auf Anwendungen und Diensten liegen, die mit Daten arbeiten, aus denen ein weiterer Geschäftswert entstehen kann. Es geht im Kern um Hardware-enabled Business-Modelle. Daraus ergeben sich zwei Wege, um IoT-Daten-Ökosysteme zu monetarisieren: Die Optimierung interner Prozesse durch datengetriebene Erkenntnisse – oder eben der Verkauf datengesteuerter Produkte und Dienstleistungen.

Welche Fehler werden oft gemacht und wie können sie vermieden werden?

Harald Zapp: Zeit ist definitiv ein kritischer Faktor, Stichwort „time-to-market“. Die Zeit sowie die Komplexität der Aufgabenstellung wird häufig unterschätzt – gerade in der Machine Economy. Beides erfordert ein reibungsloses Zusammenspiel aller Beteiligten. Erfahrungsgemäß zeigt sich, dass eingespielte Ökosysteme, Tools, Prozesse und Partner*innen dabei unterstützen, lukrative IoT-Lösungen zu entwickeln.

Welche Schnittstellen gibt es zwischen KI und IoT?

Claudia Pohlink: Zum einen sind IoT-Devices wertvolle Datenquellen für KI – wie bereits gesagt, benötigen KI-Algorithmen sehr viele Daten, und IoT-Devices können genau das liefern. Beispielsweise können die Informationen von Sensoren und Fabriken im Kontext von Industrie 4.0 helfen, schnell Auffälligkeiten zu erkennen. Hierbei spielt KI den Vorteil aus, Änderungen in sehr großen Datenmengen schneller zu erkennen als ein Mensch dies könnte.

Zum anderen müssen viele IoT-Devices natürlich auch gesteuert werden, und durch die Vielzahl der betroffenen Geräte kann auch hier KI wieder helfen. Beispielsweise haben wir autonom fahrende Roboter entwickelt, die in Fabriken Teile zu den entsprechenden Arbeitsstationen bringen und ihre Wegstrecke selbständig auch an Hindernisse anpassen können.

Wie erleben Sie Berlin als Standort für IoT und KI?
Claudia Pohlink: Wir haben hier einen tollen Standort für KI-Forschung und -Entwicklung. Es gibt Universitäten und Forschungseinrichtungen mit einer Menge Sachverstand in diesen Themen, und sowohl Startups als auch F&E-Einheiten der großen Unternehmen, welche KI in die Praxis überführen.

Harald Zapp: Wir bei NBT sehen, dass sich von hier aus viele spannende Initiativen und Unternehmen entwickeln, die die Machine Economy in Deutschland und auch in Europa immer weiter vorantreiben. Sei es das DFKI, die TU Berlin oder der de:hub, die Digital-Hub-Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Letztere ist das beste Beispiel: Berlin beteiligt sich an der Initiative als „Internet der Dinge (IoT) & FinTech“-Ökosystem (Hub). Wir von NBT fördern den IoT-Hub Berlin ebenfalls im Rahmen der Digital-Hub-Initiative.

Was sind, Ihrer Meinung nach, die größten Herausforderungen für IoT in der Berliner Startup-Szene?

Harald Zapp: Insgesamt bietet Berlin hier sehr viel, das kann aber auch schnell unübersichtlich werden. Sich einen Überblick über die Anbieter und ihre wirkliche Leistungsfähigkeit zu verschaffen, kann sehr viel Zeit erfordern und ein “Domain”-Wissen voraussetzen, das typische Startups nicht haben. Die Skalierung ist auch ein wichtiger Punkt, ebenso wie Geschäftsideen mit IoT eine Herausforderung sind. Nacheinander die entscheidenden Schritte hin zu einem erfolgreichen Startup zu gehen, erfordert harte Arbeit und immer wieder Unterstützer*innen, auf deren Erfahrung und Ökosystem Gründer*innen zurückgreifen können.

Was sind, Ihrer Meinung nach, die größten Herausforderungen für Künstliche Intelligenz in der Berliner Startup-Szene?

Claudia Pohlink: Herausforderungen hierbei sind die Koordination zwischen den einzelnen Akteur*innen, das Schaffen von Formaten zum Austausch und die gemeinsame Arbeit an den großen Themen, die für einzelne Akteur*innen zu komplex wären. Ich denke, hier sind wir auf einem guten Weg, wie ja beispielsweise auch das Deep Tech Format zeigt.

Wie sieht die Zukunft von IoT und KI in Berliner Startups und Unternehmen aus? Wird es eine Fusion von IoT und KI geben? Wenn ja, was führt dazu?

Harald Zapp: Wir sehen nicht nur eine steigende Zahl ineinandergreifender Business Cases in IoT und KI, in Kombination mit Distributed Ledger Technologie (DLT) wird langfristig eine Machine Economy entstehen. Dann werden sich auch weitere Anknüpfungspunkte ergeben: Denn je mehr Daten zur Verfügung stehen und je größer die Datenmengen sind, desto sinnvoller und vielseitiger lassen sie sich nutzen.

Welche Bereiche werden in Zukunft von KI und IoT besonders profitieren?

Claudia Pohlink: Das Tolle ist ja, dass KI und IoT prinzipiell ganz viele verschiedene Anwendungsmöglichkeiten bieten. Alle Branchen und Funktionen werden hiervon profitieren können. Bislang haben wir nur einen kleinen Teil davon wirklich umgesetzt, von daher bin ich gespannt, was die kommenden Jahre hier noch ergeben werden.