Richtlinien für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts und der Ehrenbezeichnung "Stadtältester von Berlin"

Die Richtlinien bilden die Rechtsgrundlage für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts und der Ehrenbezeichnung “Stadtältester von Berlin”. Sie wurden am 28. April 1953 vom Senat beschlossen.

I. Ehrenbürgerrecht

1. Personen, die sich um Berlin in hervorragender Weise verdient gemacht haben, kann das Ehrenbürgerrecht von Berlin verliehen werden.

2. Der Ehrenbürger erhält einen Ehrenbürgerbrief, in dem die Verdienste des Beliehenen anzugeben sind.

II. Ehrenbezeichnung “Stadtältester von Berlin”

1. Verdienten Einwohnern Berlins kann die Ehrenbezeichnung “Stadtältester von Berlin” verliehen werden.

2. Die Verleihung der Ehrenbezeichnung setzt voraus, daß die Personen

a) mindestens 20 Jahre in Berlin als Oberbürgermeister, Regierender Bürgermeister, Bürgermeister, Stadtrat, Senator, Bezirksbürgermeister, Bezirksstadtrat, Stadtverordneter, Abgeordneter, Bezirksverordneter oder in einem Ehrenamt von besonderer Bedeutung verdienstvoll tätig waren,
b) das 60. Lebensjahr vollendet haben,
c) Deutsche im Sinne des Artikel 116 des Grundgesetzes sind.

Die unter a) aufgeführte Tätigkeit braucht nicht in demselben Wirkungskreis und nicht in ununterbrochener Dauer ausgeübt worden zu sein. Die Ehrenbezeichnung soll anlässlich eines bedeutenden Ereignisses im Leben der auszuzeichnenden Person verliehen werden.

3. Der Beliehene erhält eine Verleihungsurkunde, in der die Gründe für die Verleihung anzugeben sind.

(Neufassung der Richtlinien für die Verleihung der Ehrenbezeichnung “Stadtältester von Berlin” vom 10. Januar 1996.) Hier fehlt noch der Link

III. Gemeinsame Bestimmungen und Verfahren

1. Das Ehrenbürgerrecht und die Ehrenbezeichnung „Stadtältester von Berlin“ stellen eine persönliche Auszeichnung des Beliehenen dar. Sonderrechte sind damit nicht verbunden. Der Senat bestimmt das Nähere über Vergünstigungen, die dem Beliehenen zu gewähren sind.

2. Das Ehrenbürgerrecht und die Ehrenbezeichnung „Stadtältester von Berlin“ werden durch den Senat im Einverständnis mit dem Abgeordnetenhaus verliehen. Das Einvernehmen des Abgeordnetenhauses wird dem Senat gegenüber durch den Präsidenten des Abgeordnetenhauses erklärt.

3. Vorschlagsberechtigt für die Verleihung sind:

a) das Abgeordnetenhaus,
b) jedes Mitglied des Senats,
c) die Bezirksämter,
d) die Bezirksverordnetenversammlungen.

Die Vorschläge, die Angaben über die Person und die Verdienste des Vorgeschlagenen enthalten müssen, sind der Senatskanzlei zuzuleiten, die eine Entscheidung des Senats herbeiführt.

4. Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts und der Ehrenbezeichnung „Stadtältester von Berlin“ ist dem Landesarchiv zur Eintragung in die Gedenkbücher mitzuteilen.

IV. Aberkennung des Ehrenbürgerrechts und der Ehrenbezeichnung „Stadtältester von Berlin“

Erweist sich der Beliehene durch sein späteres Verhalten, insbesondere durch Begehung einer entehrenden Straftat oder durch Verletzung der demokratischen Staatsordnung der Auszeichnung unwürdig, wird ein solches Verhalten nachträglich bekannt oder wird nachträglich festgestellt, daß die Voraussetzungen der Verleihung im Zeitpunkte der Verleihung nicht vorgelegen haben, kann das Ehrenbürgerrecht und die Ehrenbezeichnung durch den Senat im Einvernehmen mit dem Abgeordnetenhaus (III, 2) aberkannt und der Ehrenbürgerbrief und die Verleihungsurkunde zurückgefordert werden.

V. Ehrenversorgung
Ehrenbürgern und Stadtältesten kann eine Ehrenversorgung nach Maßgabe der Grundsätze über die Gewährung von Ehrenversorgung an verdiente Bürger von Berlin vom 25. Juni 1951 (Amtsbl. für Berlin S. 524) zugebilligt werden.

Begründung:
Der Senat hat im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses in letzter Zeit mehreren verdienten Personen die Ehrenbezeichnung „Stadtältester von Berlin“ verliehen. Während die Vorläufige Berliner Verfassung von 1946 eine Regelung über die Verleihung und Aberkennung des Ehrenbürgerrechts enthielt, fehlen in der Berliner Verfassung vom 1. September 1950 Bestimmungen über das Ehrenbürgerrecht und die Ehrenbezeichnung „Stadtältester“. Es hat sich daher als notwendig erwiesen, für die Zeit bis zum Erlass eines Verwaltungsgesetzes Richtlinien zu erlassen, nach denen in Zukunft das Ehrenbürgerrecht und die Verleihung der Ehrenbezeichnung erfolgt.

I. Historische Entwicklung

Die Stein’sche Städteordnung von 1808 enthält noch keine Bestimmung über die Verleihung von Ehrenbezeichnungen. Es steht jedoch fest, daß bereits im Jahre 1808 das Berliner Ehrenbürgerrecht an Herrn von Ribbeck verliehen worden ist. Die Revidierte Städteordnung vom 17. März 1831 (GS. S. 9) ermächtigte die städtischen Behörden, Personen, die sich um Staat oder Stadt wohlverdient gemacht hatten, das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Strittig blieb die Frage, ob auch Ausländer zu Ehrenbürgern ernannt werden konnten. Aus Rechtsgründen wurde diese Frage zunächst überwiegend verneint, praktisch jedoch dadurch bejaht, daß einzelne Ausländer (z.B. der Zar Nikolaus I.) zu Ehrenbürgern ernannt wurden. Die Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen von 1853 wiederholte bezüglich des Ehrenbürgerrechts im § 6 Abs. 2 im wesentlichen die Bestimmungen der Revidierten Städteordnung und gestatte dem Magistrat, in Übereinstimmung mit der Stadtverordnetenversammlung das Prädikat „Stadtältester“ an Magistratsmitglieder zu verleihen, die ihr Amt mindestens 9 Jahre mit Ehren bekleidet hatten. Durch das Gesetz über die Bürger- und Gemeinderechte der Frauen und die weitere Durchführung der Gemeindewahlen vom 15. Juli 1919 (GS. S. 113) wurde diese Bestimmung dahin modifiziert, daß nunmehr auch Frauen zu Ehrenbürgern ernannt werden konnten. Auch das Preußische Gemeindeverfassungsgesetz vom 15. Dezember 1933 (GS. S. 427) sah in § 17 die Verleihung des Ehrenbürgerrechts, nicht aber die Verleihung der Bezeichnung „Stadtältester“ vor. Bezüglich des Ehrenbürgerrechts traf § 21 der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 (RBBl. I S. 49), die gemäß § 1 der Reichshauptstadt Berlin vom 1. Dezember 1936 (RGBl. I S. 957) in diesem Punkte auch in Berlin Anwendung fand, die gleichen Bestimmungen. Auch Ausländern konnte mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde das Ehrenbürgerrecht verliehen werden. Über die Bestimmung des Preußischen Gesetzes von 1933 hinaus ließ die Deutsche Gemeindeordnung jedoch zu, daß Bürgern, die mindestens 20 Jahre ein Ehrenamt ohne Tadel verwaltet hatten, eine Ehrenbezeichnung verliehen wurde, falls die Hauptsatzung dies vorsah. In Ausführung dieser Vorschrift bestimmte § 8 der Hauptsatzung der Reichshauptstadt Berlin vom 19. Juni 1937 (Amtsbl. S. 443):

„Ehrenamtlichen Bezirksbeigeordneten, Ratsherren, Beiräten und Bezirksbeiräten, die mindestens 20 Jahre das Ehrenamt ohne Tadel verwaltet haben, kann die Ehrenbezeichnung „Stadtältester“, sonstigen Ehrenbeamten unter gleichen Voraussetzungen die Ehrenbezeichnung „Bezirksältester“ verliehen werden.“

Für die in den Bezirken ehrenamtlich tätigen Personen stand den Bezirksbürgermeistern ein Vorschlagsrecht zu. Die Verleihung der Ehrenbezeichnung erfolge in jedem Falle durch den Oberbürgermeister nach Anhörung der Ratsherren (Dienstbl. 1937 I S. 220).

Nach dem Zusammenbruch wurden die Verleihung des Ehrenbürgerrechts und die Verleihung von Ehrenbezeichnungen vorgesehen in § 18 der Verfassung von Bremerhaven, § 28 der Hessischen Gemeindeordnung, § 26 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, § 26 der Schleswig-Holsteinischen Gemeindeordnung, §§ 21 und 28 der Gemeindeordnung für Württemberg-Baden. Lediglich das Ehrenbürgerrecht kennen § 21 der Badischen Gemeindeordnung, § 18 der Gemeindeordnung für Württemberg-Hohenzollern, § 16 der Bayerischen Gemeindeordnung, § 19 des Selbstverwaltungsgesetzes für Rheinland-Pfalz. In der Verfassung der Stadtstaaten Hamburg und Bremen fehlen entsprechende Bestimmungen. Mindestens in Hamburg verleiht der Senat jedoch tatsächlich das Ehrenbürgerrecht. Untersagt ist die Verleihung des Ehrenbürgerrechts und von Ehrenbezeichnungen lediglich durch § 23 der Niedersächsischen Gemeindeordnung. Die Vorläufige Berliner Verfassung vom 13. August 1946 erwähnt in Artikel 5 Abs. 2 Ziffer 9 das Ehrenbürgerrecht. Über die Verleihung sonstiger Ehrenbezeichnungen schweigt sie. Die Berliner Verfassung von 1950 befaßt sich weder mit dem Ehrenbürgerrecht noch mit sonstigen Ehrenbezeichnungen.

Das Ehrenbürgerrecht und die Verleihung von Ehrenbezeichnungen haben niemals finanzielle Verpflichtungen für die verleihende Körperschaft nach sich gezogen. Ausdrücklich festgelegt ist dieser Grundsatz in § 18 der Revidierten Städteordnung von 1831, § 6 der östlichen Städteordnung von 1853, § 19 Abs. 2 des Selbstverwaltungsgesetzes von Rheinland-Pfalz. Im übrigen ergibt sich die gleiche Folgerung aus dem Sachzusammenhang. Eine Ausnahme macht lediglich Bremerhaven, das die Verkoppelung einer Ehrenbezeichnung mit einem Ehrensold gestattet.

Die Entziehung des Ehrenbürgerrechts ließ die Revidierte Städteordnung von 1831 für den Fall der Verurteilung zu einer Zuchthausstrafe von mindestens zwei Jahren oder einer Verurteilung wegen Meineids, Diebstahls oder qualifizierten Betruges, die Städteordnung von 1853 für den Fall des Verlustes der bürgerlichen Ehrenrechte zu. Nach dem Preußischen Gemeindeverfassungsgesetz zog der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit den Verlust des Ehrenbürgerrechts automatisch nach sich. Außerdem konnte das Ehrenbürgerrecht entzogen werden, wenn der Ehrenbürger einen seiner Würde nicht entsprechenden Lebenswandel führte, ein seiner Würde nicht entsprechendes Verhalten an den Tag legte oder seinen Bürgerpflichten nicht nachkam. Die Deutsche Gemeindeordnung und die nach 1945 erlassenen Gemeindeordnungen folgen ihr darin, sie wandeln diese Bestimmung jedoch dahin ab, dass der Widerruf des Bürgerrechts den Verlust des Ehrenbürgerrechts oder der verliehenen Ehrenbezeichnung nach sich zieht, und dass die Gemeinde (teilweise mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde, teilweise mit qualifizierter Mehrheit) das Ehrenbürgerrecht oder die Ehrenbezeichnung wegen unwürdigen Verhaltens entziehen kann.

Zur tatsächlichen Verleihung des Ehrenbürgerrechts und der Ehrenbezeichnung „Stadtältester“ ist zu bemerken, dass in Berlin seit dem Jahre 1808 66 Personen (darunter Bismarck, Moltke, Blücher, Wrangel, Alexander von Humboldt, Leopold von Ranke, Robert Koch, Rudolf Virchow, Adolf Menzel, Max Liebermann, Heuß) zu Ehrenbürgern, 113 Personen zu Stadtältesten ernannt worden sind.

II. Einzelbestimmungen

1. In den Abschnitten I und II der Richtlinien werden die Voraussetzungen für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts und die Bezeichnung „Stadtältester“ – andere Ehrenbezeichnungen sollen nicht verliehen werden – festgelegt. Ehrenbürger kann jede Person, In- oder Ausländer, werden, die sich um Berlin in hervorragender Weise verdient gemacht hat. Die Verleihung der Ehrenbezeichnung „Stadtältester“ setzt die deutsche Staatsangehörigkeit, ein Alter von 60 Jahren und eine langjährige Tätigkeit als Berliner Wahlbeamter, Regierungsmitglied, Stadtverordneter, Abgeordneter oder Bezirksverordneter oder eine andere verdienstvolle Tätigkeit in einem Ehrenamt der Berliner Verwaltung voraus.
2. Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts durch den Senat im Einvernehme mit dem Abgeordnetenhaus lehnt sich an die bisherige Regelung an. Schon nach § 6 der östlichen Städteordnung und nach Artikel 5 Abs. 2 Ziff. 9 in Verbindung mit Artikel 13 der Vorläufigen Berliner Verfassung wurden das Ehrenbürgerrecht und die Ehrenbezeichnung „Stadtältester“ durch den Magistrat im Einvernehmen mit der Stadtverordnetenversammlung verliehen. Nach den Gemeindordnungen der Länder der Bundesrepublik steht die Verleihung und Entziehung des Ehrenbürgerrechts und von Ehrenbezeichnungen „der Gemeinde“ zu. Durch welche Organe die Gemeinde bei den Verleihungen vertreten wird, richtet sich nach den Bestimmungen der einzelnen Gemeindeordnungen. Durchgängig ist dabei eine Mitwirkung des gemeindlichen Beschlußorgans erforderlich. Insbesondere ist in den Gemeindeordnungen, in denen die Angelegenheiten katalogartig aufgezählt sind, die das gemeindliche Beschlußorgang selbst erledigen muß, die Verleihung und Entziehung des Ehrenbürgerrechts und von Ehrenbezeichnungen durchweg in den Katalog aufgenommen (Hessische Gemeindeordnung § 51 Ziff. 3, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen § 28 Buchstabe d, Gemeindeordnung Holsteinische Gemeindeordnung § 28 Buchstabe b). In einem Stadtstaat wie Berlin wird man die Auffassung vertreten müssen, dass die Verleihung einer Ehrenbezeichnung ein Regierungsakt ist, der der Landesregierung zusteht. Wenn gleichwohl die Zustimmung des Abgeordnetenhauses zu diesem Regierungsakt eingeholt werden soll, erklärt sich diese Regelung aus der Erwägung, daß das Ehrenbürgerrecht und die Bezeichnung „Stadtältester“ ihre Bedeutung auf die Dauer nur behaupten können, wenn auch das Parlament in jedem Falle anerkennt, daß für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts oder der Bezeichnung „Stadtältester“ ein ausreichender Grund vorgelegen hat. Aus den gleichen Erwägungen holt auch der Hamburger Senat die Zustimmung der Bürgerschaft zur Verleihung des Ehrenbürgerrechts ein.

Haushaltsmäßige Auswirkungen entstehen durch die Richtlinien nicht.

Berlin, den 28. April 1953

Der Senat von Berlin
Dr. Reuter, Dr. Müller