Fast 10.000 Nachwuchskräfte werden derzeit im öffentlichen Dienst des Landes Berlin ausgebildet. Was zunächst recht viel klingt, reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um die altersbedingten Abgänge der nächsten Jahre zahlenmäßig auszugleichen. So scheiden in den Jahren 2023 bis 2030 35.363 Menschen nur aus Altersgründen aus dem öffentlichen Dienst aus.[1]
Hinzu kommt ein seit Jahren steigender Anteil an Beschäftigten, die ihr Dienst- oder Arbeitsverhältnis auf eigenen Wunsch kündigen oder aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig ausscheiden müssen. Die Einstellung von Quereinsteigenden kann bei einem wachsenden Nachwuchskräftemangel keine nachhaltige Lösungsstrategie sein. Der steigenden Personalfluktuation muss Berlin viel eher mit einer guten Ausbildung seiner Nachwuchskräfte und attraktiven Ausbildungs-und Arbeitsbedingungen entgegentreten.
Wenn die politisch Verantwortlichen nicht schleunigst handeln, ist es nur eine Frage der Zeit bis symbolisch die Letzten das Licht ausmachen.
Ein „weiter so“ verurteilt alle auch noch so gut gemeinten Ideen zur Nachwuchs- /Personalgewinnung zum Scheitern. Das Land Berlin muss wieder zu einem attraktiven Arbeitgeber werden.
Auf dem Papier hat Berlin bereits seit einigen Jahren erkannt, dass eine Ausbildungsoffensive dringend notwendig ist und die Ausbildungskapazitäten auch hochgefahren – in der Realität sind geeignete Bewerberinnen und Bewerber dafür allerdings knapp.
Exemplarisch zeigt sich der Bewerbungsmangel derzeit bei den Berliner Finanzämtern, dort sind es gerade einmal zwei Bewerbungen pro ausgeschriebener Stelle.
Eine Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung bei stetig sinkenden Bewerbungszahlen wird zunehmend problematisch – und was wird dann aus der „Bestenauslese“, wenn wir nicht mal alle zurzeit offenen Ausbildungsstellen besetzen können?
Statt die Bedingungen zu verbessern, tut sich das Land Berlin noch immer schwer bei den Themen Work-Life-Balance, Digitalisierung und flächendeckend hochwertigen Ausbildungsbedingungen. Dies braucht es aber, will man am Arbeitsmarkt für junge Menschen attraktiv sein. Und auch im Besoldungsranking rangiert die Weltstadt Berlin mit ihren, für alle Bewerbenden gut sichtbar, herausfordernden Aufgaben nur im Mittelfeld Deutschlands. Wer trotzdem für eine Ausbildung oder ein Studium nach Berlin kommen möchte, scheitert nicht selten am Berliner Wohnungsmarkt.
Herausforderungen hat Berlin viele, es ergeben sich aus unserer Sicht drei zentrale Themenfelder, die als Grundlage für eine gute Ausbildung unabdingbar sind:
1. Praxisstellen
Ein vielfältiges Angebot an Praxisstellen mit motivierten Praxisanleitenden ist eine dieser Voraussetzungen. Davon haben wir im Land Berlin seit Jahren viel zu Wenige. Nur drei der zwölf Berliner Bezirksämter konnten im Jahr 2021 ihren Bedarf an Praxisstellen decken.
Denn für die Übernahme einer Praxisanleitung gibt es meist immer noch keine angemessene Arbeitsentlastung. Aufgrund der Vielzahl unbesetzter Stellen im Land Berlin leisten die Beschäftigten ohnehin schon mehr als vorgesehen. Daher ist hier nicht unbedingt mit einer schnellen Verbesserung zu rechnen. +An dieser Stelle gilt unser Dank jeder Kollegin und jedem Kollegen für die Vermittlung ihres wertvollen Wissens, welches sie zusätzlich zu ihren täglichen Aufgaben an unsere Nachwuchskräfte weitergeben.+
2.Gebäude
Es fehlt in Berlin nicht nur an ausbildendem Personal. Auch der allgegenwärtige Raummangel sowie der Sanierungsstau machen eine gute Ausbildung schwer. Zu kleine Klassenräume, nicht vorhandene Übungsflächen und -materialien oder alte und sanierungsbedürftige Gebäude mit teilweise defekter Heizungsanlage begrüßen unsere Nachwuchskräfte z.B. bei der Berliner Feuerwehr bereits am Anfang ihrer Ausbildung mit den sinnbildlichen Worten: „Willkommen im öffentlichen Dienst“. Dieser Bereich steht leider nur exemplarisch für den räumlichen Zustand vieler Dienstgebäude des Landes Berlin.
3. Zuständigkeiten
Ausbildung im Land Berlin wird im politischen Raum oft als zentrales und wichtiges Thema bezeichnet. In der Praxis jedoch erfährt das Thema Ausbildung leider nicht immer diesen Stellenwert. Bewerbungsmangel, Praxisstellen und räumliche Zustände von Ausbildungsstätten sind nur eine Auswahl der Themen, die zentral angegangen werden müssen. Eine eigene Staatssekretärin oder ein eigener Staatssekretär für Ausbildung könnte sich des Themas fokussiert annehmen und ihm den notwendigen Nachdruck verleihen.
Statt Kompetenzen zu bündeln, kocht derzeit jede Dienststelle ihr eigenes Süppchen. Statt die Ressorts Personal und zentrale Ausbildung in der Hauptverwaltung gemeinsam zu denken, sind unterschiedliche Senatsverwaltungen zuständig. Das macht eine zielgerichtete Personalplanung für alle Beschäftigten, die sich mit Fragen/Aufgaben rund um das Thema Ausbildung befassen, schwierig.
fn1. Personalstand des unmittelbaren Landesdienstes Berlin
Berichtjahr 2021, Seite 78