Müller-Rede im Bundesrat zu Kinderkrankengeld

Pressemitteilung vom 18.01.2021

Das Presse- und Informationsamt des Landes Berlin teilt mit:

Es gilt das gesprochene Wort!

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, hat am 18. Januar 2021 auf der Sondersitzung des Bundesrats die folgende Rede zum Thema Kinderkrankengeld vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie gehalten, die das Presse- und Informationsamt des Landes Berlin aur Grundlage eines Transskripts im Wortlaut dokumentiert:

“Herr Präsident, meine Damen und Herren, der tägliche Blick auf die Zahlen der Corona-Pandemie, die ernstzunehmenden Befürchtungen zu den Auswirkungen der Corona-Mutanten – und gerade in den vergangenen Tagen der Blick auf die Zahlen bei den Verstorbenen zeigen, bei all den positiven Entwicklungen, die der Präsident auch gerade thematisiert hat – aber all das zeigt uns in aller Deutlichkeit: Wir befinden uns nach wie vor mitten in einer schweren, in einer globalen Krise. Der Umgang mit dieser Situation bleibt eine außergewöhnliche Herausforderung.

Auch wenn wir jetzt durch die begonnenen Impfungen eine neue Säule im Kampf gegen die Pandemie haben, wird es noch dauern, bis die Impfungen in der Breite Entlastung bringen. Die vor uns liegenden Wochen und Monate werden daher unseren ganzen Einsatz, unsere ganze Kraft erfordern.

Unser Fokus ist dabei ganz klar – und ich bin sehr froh, dass wir auch hier feststellen können, dass das partei- und länderübergreifend so ist: Wir wollen alles unternehmen, um das Leben und die Gesundheit der Menschen zu schützen und gleichzeitig den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes bestmöglich dabei helfen, diese außergewöhnliche, herausfordernde Zeit zu meistern.

Die heutige Sondersitzung ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Denn sie gibt uns die Möglichkeit, eine ganz entscheidende Verbesserung für einen großen Teil der Familien in unserem Land zu realisieren. Die befristete Ausweitung des Anspruchs auf Kinderkrankengeld ist gerade jetzt ein bedeutender Fortschritt und wir geben damit vielen Familien eine konkrete Hilfe.

Für Familien mit jungen Kindern – und insbesondere auch für Alleinerziehende – ist die Pandemie eine große Belastung und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die leider notwendig sind, haben sie besonders und mit großer Härte getroffen.

Jede Schließung von Kitas und Schulen – auch übergangs- oder teilweise – stellt Mütter, Väter und nicht zuletzt auch die Kinder vor viele zusätzliche Herausforderungen. Es gilt, die Betreuung zu organisieren, Kinder bei ihrer Entwicklung und in ihrem Schulalltag zu unterstützen und vor allem dafür zu sorgen, dass gerade die Schwächsten besondere Unterstützung erfahren.

Selbstverständlich ist die Pandemie für Kinder eine sehr ungewohnte Situation, die Unsicherheiten, Ängste oder auch einfach Ärger auslösen kann. Eltern sehen sich gefordert, ihren Kindern Sicherheit, Wissen und Zuversicht zu vermitteln und Verständnis für aktuelle Einschränkungen zu erzeugen. Und natürlich müssen Eltern all dies mit den Anforderungen ihres Berufslebens vereinbaren. Dazu kommen für viele auch finanzielle Einbußen und soziale Unsicherheit.

Viele von uns wissen aus eigener Erfahrung: Kindern ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen ist schon in normalen Zeiten alles andere als eine Kleinigkeit. In einer Pandemie schafft es zusätzliche große Belastungen.

Es kann deshalb nicht oft genug betont werden: Was viele Familien seit Beginn der Coronakrise leisten, mit wie viel Flexibilität, Kreativität und Einsatz sie mit dieser schwierigen Situation umgehen, das ist bewundernswert. Doch natürlich dürfen wir es – im Übrigen wie auch in anderen Bereichen – nicht nur bei Worten der Anerkennung belassen.

Deshalb ist die Ausweitung des Kinderkrankengeldes so wichtig. Sie nimmt angesichts des Lockdowns Druck von den Familien. Sie hilft damit auch den Kindern. Und sie kann die Kitas und Schulen entlasten, die eine Notbetreuung anbieten. Dabei müssen wir auch berücksichtigen, dass die Angebote zur Kinderbetreuung sehr unterschiedlich sind und die Pandemie in einigen Bereichen noch stärker die Angebote ausdünnt. Da bleibt nichts anderes, als die Kinder zuhause zu betreuen.

Meine Damen und Herren, wir werden in den morgigen Beratungen der Länder mit der Bundeskanzlerin natürlich auch darüber reden, dass Menschen wo immer möglich nicht an den Arbeitsplatz müssen. Denn das sind jeweils zusätzliche Kontakte im Nahverkehr auf dem Weg von und zur der Arbeit und am Arbeitsplatz selbst. Vieles wird über Homeoffice gehen, aber in einigen Fällen eben nicht. Und hier müssen wir insgesamt und vor allen Dingen auch weiter die Alleinerziehende entlasten, neben den Familien insgesamt.

Konkret wollen wir heute unter anderem die Zahl der Kinderkrankentage für gesetzlich Versicherte verdoppeln. Damit erhält jedes Elternteil von einem Kind unter zwölf Jahren oder einem Kind, das aufgrund einer Behinderung Hilfe benötigt, im Jahr 2021 zwanzig statt zehn Kinderkrankentagen. Für Alleinerziehende steigt der Anspruch entsprechend von zwanzig auf vierzig Tage.

Kinderkrankengeld soll es in diesem Jahr nicht nur dann geben, wenn ein Kind tatsächlich erkrankt ist. Sondern auch dann, wenn Schulen und Kitas aufgrund der aktuellen Einschränkungen nicht besucht werden können – auch, wenn Eltern von zuhause aus arbeiten. Voraussetzung ist, dass keine andere Person im Haushalt die Betreuung übernehmen kann. Diese Ausweitung mit Blick auf die verfügbaren Tage und die Erleichterungen bei der Inanspruchnahme hilft Familien und Alleinerziehenden über die aktuelle besonders schwierige Zeit ein gutes Stück weiter.

Den Betroffenen kommt insbesondere zugute, dass das Kinderkrankengeld bis zu 90 Prozent des ausgefallenen Nettogehalts beträgt.

Sehr wichtig ist auch der folgende Punkt: Um das Kinderkrankengeld erhalten zu können, reicht es, dass die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt beziehungsweise der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wurde. Dadurch müssen Möglichkeiten der Notbetreuung wirklich nur in den dringendsten Fällen wahrgenommen werden. Auch so minimieren wir weiter Kontakte.

Darüber hinaus kommt die Ausweitung des Kinderkrankengeldes auch den Kindern selbst zugute. Es gibt Eltern bessere Möglichkeiten, ihre Kinder zuhause zu betreuen, ohne den Druck, gleichzeitig noch ihre Erwerbsarbeit stemmen zu müssen. Denn das dürfte im vergangenen Jahr allen klargeworden sein: Gleichzeitig im Homeoffice arbeiten und Kinder betreuen und fördern – das kann zusammen kaum gut funktionieren. Ganz einfach, weil beide Aufgaben so zeitintensiv und anspruchsvoll sind.

All das macht deutlich, dass die Ausweitung des Kinderkrankengeldes ein wichtiger Schritt ist. Gleichzeitig möchte ich aber auch noch auf einen anderen wichtigen Punkt hinweisen, der aus meiner Sicht die heutigen Regelungen sinnvoll ergänzen könnten.

Wir alle erleben seit Beginn der Pandemie, wie Pläne und Vorhaben reihenweise durchkreuzt und von Entwicklungen in der Pandemie-Lage ein ums andere Mal obsolet gemacht wurden, oft auch kurzfristig. In welchem Ausmaß wir deshalb Einschränkungen beschließen oder verlängern müssen, mit Folgen für den Betrieb von Schulen und Kitas, das können wir nicht mit absoluter Sicherheit vorhersagen. Deshalb sollte die Bundesregierung prüfen, wie eine Regelung geschaffen werden kann, mit der wir beim Kinderkrankengeld weiter flexibel reagieren können.

Meine Damen und Herren, ich habe es eingangs gesagt: Auch in den kommenden Wochen und Monaten müssen wir hart daran arbeiten, die physischen Kontakte in unserer Gesellschaft weiter auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren, um die Pandemie einzudämmen. Wir wissen, dass damit harte Einschnitte für alle in unserem Land verbunden sind, dass wir den Menschen sehr viel abverlangen. Umso wichtiger ist es, dass wir wirksame Unterstützung bieten, die sicherstellt, dass diese Vermeidung von Kontakten für die Bürgerinnen und Bürger auch umsetzbar und finanziell verkraftbar ist.

Dazu tragen wir mit der Ausweitung des Kinderkrankengeldes bei. Ich begrüße dieses Gesetz und dass es gelungen ist, dieses Gesetzgebungsverfahren so schnell abzuschließen.”