Tierschutzverbandsklagegesetz

Eine Wissenschaftlerin in einem Labor stupst eine Maus an

Das Tierschutzverbandsklagerecht wird ein zentrales Problem lösen, wenn es um die gerichtliche Überprüfung von Verstößen gegen Tierschutzrecht geht. Mit dem Verbandsklagerecht können anerkannte Tierschutzorganisationen praktisch stellvertretend für die Tiere klagen. Das war bislang nicht möglich. Denn es gilt der Rechtsgrundsatz, dass immer nur derjenige klagen kann, der selbst von einem Rechtsverstoß betroffen ist.

Das Problem im Tierschutzrecht: Von Verstößen sind die Tiere betroffen. Tiere können jedoch naturgemäß keine Klage erheben. Tierschutzorganisationen könnten klagen, sind aber nicht von Verstößen betroffen. Das Tierschutzverbandsklagerecht kann dieses Dilemma lösen.

  • Gesetz zur Einführung des Tierschutzverbandsklagerechts

    PDF-Dokument (131.6 kB) - Stand: 31.08.2020

Fragen und Antworten zum Tierschutzverbandsklagegesetz – FAQ

I. Allgemeines

Der Tierschutz ist nach Artikel 20 a des Grundgesetzes Staatszielbestimmung. Artikel 31 Absatz 2 der Verfassung von Berlin sieht vor, dass Tiere als Lebewesen zu achten und vor vermeidbarem Leiden zu schützen sind. Das Tierschutzgesetz des Bundes und die auf Grund des Tierschutzgesetzes erlassenen Rechtsvorschriften regeln insbesondere den materiellen Schutzstandard, der von den zuständigen Behörden durchzusetzen ist. Greift eine hoheitliche Maßnahme in unzulässiger Weise in die Rechte der Tierhalterinnen und Tierhalter ein, steht diesen der Rechtsweg offen. Stellt dagegen eine Maßnahme oder das Unterlassen einer Maßnahme seitens der zuständigen Behörden eine Verletzung der Schutzstandards dar, welche das Tierschutzrecht vorsieht, gibt es bisher keine Möglichkeit, zugunsten der Tiere einem solchen Rechtsverstoß mit Rechtsbehelfen zu begegnen. Tiere können naturgemäß nicht selbst Klage erheben.

Mit dem Berliner Tierschutzverbandsklagegesetz (BlnTSVKG) wird anerkannten Tierschutzorganisationen das Recht eingeräumt, an tierschutzrelevanten Verwaltungsverfahren mitzuwirken und Maßnahmen der Behörden des Landes Berlin oder deren Unterlassen auf die Vereinbarkeit mit dem Tierschutzrecht gerichtlich überprüfen zu lassen, ohne dass diese Tierschutzorganisationen in eigenen Rechten verletzt sein müssen (Verbandsklagerecht).
Der Tierschutzorganisation ist nach dem Gesetz insbesondere die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geplanten Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie zu Genehmigungsverfahren im Bereich der Tierversuche zu geben. Darüber hinaus kann auf Antrag in weiteren Verfahren nach dem Tierschutzgesetz die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden.

II. Mitwirkungs- und Klagerechte von Tierschutzorganisationen und Anforderungen für ihre Anerkennung

  • 1. Besteht das Mitwirkungs- und Verbandsklagerecht für jede Tierschutzorganisation?

    Nein. Um das Verbandsklagerecht zu nutzen, bedarf es einer amtlichen Anerkennung durch die für das Veterinärwesen zuständige Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz.
    Um das Anerkennungsverfahren einzuleiten, ist ein formloser Antrag bei der Senatsverwaltung zu stellen.

  • 2. Welche Dokumente müssen dem formlosen Antrag auf Anerkennung beigefügt werden?

    Dem Antrag auf Anerkennung sind geeignete Nachweise über das Vorliegen der Voraussetzungen der Anerkennung, insbesondere Auszüge aus der Satzung der Tierschutzorganisation oder schriftliche Tätigkeitsberichte sowie die unterzeichnete Verpflichtungserklärung gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 8 BlnTSVKG beizufügen.

  • 3. Welche Voraussetzungen müssen für die Anerkennung erfüllt sein?

    Die Tierschutzorganisation wird auf Antrag anerkannt, wenn sie

    • rechtsfähig ist,
    • ihren Sitz im Land Berlin hat und ihr satzungsgemäßer Tätigkeitsbereich auch das Gebiet des Landes Berlin umfasst,
    • nach ihrer Satzung nicht nur vorübergehend Ziele des Tierschutzes fördert,
      mindestens fünf Jahre lang in diesem Sinne tätig gewesen ist,
    • nach Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet,
    • wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftssteuergesetzes, von der Körperschaftssteuer befreit ist,
    • soweit mitgliedschaftlich organisiert, jeder Person eine Mitgliedschaft ermöglicht, welche die Ziele der Tierschutzorganisation unterstützt und
    • sich verpflichtet, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit nach den Vorgaben des Tierschutzverbandsklagegesetzes erhaltenen Informationen ausschließlich zur Wahrnehmung der Rechte nach diesem Gesetz zu verwenden und zu verarbeiten sowie die Verarbeitung auf das notwendige Maß zu beschränken.
  • 4. Kann die Anerkennung auch einer Tierschutzorganisation erteilt werden, die nicht ihren Sitz im Land Berlin hat?

    Die Anerkennung kann auch einer überregional tätigen Tierschutzorganisation mit Sitz in einem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland unter der Voraussetzung erteilt werden, dass die tierschutzbezogene Tätigkeit im Land Berlin keinen nur unerheblichen Teil der Gesamttätigkeit dieser Organisation im Bereich des Tierschutzes darstellt.

  • Verpflichtungserklärung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 8 BlnTSVKG

    PDF-Dokument (12.1 kB)

III. Wahrnehmung des Mitwirkungs- und Verbandsklagerechts

  • 5. Welche Behörden sind in Berlin für den Vollzug des Tierschutzrechts zuständig?

    Mit Ausnahme des Bereiches der Tierversuche (Genehmigung und Überwachung von Tierversuchen, Erlaubnis zur Haltung und Zucht von Versuchstieren), für den das Landesamt für Gesundheit und Soziales zuständig ist, liegt die Zuständigkeit für den Vollzug des Tierschutzrechts bei den Berliner Ordnungsämtern/Fachbereiche Veterinär- und Lebensmittelaufsicht. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit bestimmt, gegenüber welcher Behörde in einem konkreten Tierschutzfall das Mitwirkungs- und Klagerecht wahrgenommen werden kann.

  • 6. Wie erlangt eine anerkannte Tierschutzorganisation Kenntnis von behördlichen Tierschutzverfahren, bei denen das Mitwirkungs- oder ggf. Klagerecht wahrgenommen bzw. zu denen Stellung genommen werden kann?

    Anerkannte Tierschutzorganisationen müssen von Amts wegen rechtzeitig von den zuständigen Behörden über die Vorbereitung von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften im Bereich des Tierschutzes, noch laufender Verfahren zur Erteilung von Erlaubnissen nach § 11 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes sowie, nach deren Erteilung, über Genehmigungen von Tierversuchen nach § 8 Abs. 1 Tierschutzgesetz informiert werden und erhalten somit Gelegenheit zur Stellungnahme.

    Bei allen weiteren Verfahren nach dem Tierschutzgesetz (z. B. Verfahren nach § 16 a Tierschutzgesetz), ausgenommen Strafverfahren, bedarf es eines Antrags der Tierschutzorganisation bei der jeweils zuständigen Behörde (siehe III.5.), um Gelegenheit zur Stellungnahme zu erhalten. Innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung ist der anerkannten Tierschutzorganisation seitens der zuständigen Behörden Auskunft über die Anzahl und den jeweiligen Gegenstand einschließlich Geschäftszeichen von derartigen laufenden Verfahren zu erteilen.

  • 7. Wie ist das weitere Verfahren/Vorgehen, wenn die Tierschutzorganisation die Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat und diese wahrnehmen will?

    Hat die anerkannte Tierschutzorganisation Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, ist ihr seitens der zuständigen Behörde Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gewähren. Einschränkungen dieses Rechts können sich im Einzelfall insbesondere zum Schutz personenbezogener Daten oder von Betriebsgeheimnissen ergeben.

    Stellungnahmen sind schriftlich innerhalb von drei Wochen abzugeben, nachdem die anerkannte Tierschutzorganisation Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat.

IV. Rechte und Klagemöglichkeiten der Tierschutzorganisation

  • 8. Welche rechtlichen Möglichkeiten hat eine anerkannte Tierschutzorganisation, wenn ihre Einwendungen aus der Stellungnahme von der Behörde unberücksichtigt geblieben sind?

    Hat eine Tierschutzorganisation zu einem Verfahren Stellung genommen, sind ihr die Verwaltungsakte von der Behörde zur Kenntnis zu geben. Wurden Einwendungen der Stellungnahme nicht berücksichtigt, in deren Folge die von der Behörde bestimmten Maßnahmen oder deren Unterlassen gegen tierschutzrelevante Vorschriften verstoßen, kann die Tierschutzorganisation Rechtsbehelfe gegen eine erfolgte oder unterlassene Maßnahme der Behörde einlegen. Sie kann Widerspruch einlegen und Anfechtungsklage erheben. Erweist sich im Zuge der gerichtlichen Überprüfung der Verwaltungsakt der Behörde als rechtswidrig, wird dieser durch das Gericht aufgehoben. Dabei gilt jedoch, dass die anerkannte Tierschutzorganisation im Verfahren über den Rechtsbehelf mit allen Einwendungen ausgeschlossen ist, die sie im Rahmen dieser Mitwirkung bzw. in ihrer Stellungnahme nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können.

    Sollte es Fälle geben, in denen die Behörde nicht gegen tierschutzwidriges Handeln durch entsprechende Anordnungen einschreitet, kann die anerkannte Tierschutzorganisation die Verpflichtungsklage erheben. Das Verwaltungsgericht kann die Behörde bei gebundenen Entscheidungen (kein Ermessen) in der Folge verpflichten, gegen tierschutzwidriges Verhalten vorzugehen.

  • 9. Welche rechtlichen Möglichkeiten hat die anerkannte Tierschutzorganisation im Fall von Tierversuchen?

    Im Falle der Genehmigung von Tierversuchen, bei denen die anerkannte Tierschutzorganisation nicht bereits vor Abschluss des Genehmigungsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, sondern erst nach Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung eines Tierversuches nach § 8 Abs. 1 Tierschutzgesetz, besteht die Möglichkeit, dass die Tierschutzorganisation prüfen kann, ob Voraussetzungen für eine Feststellungsklage bestehen und hat dann die Möglichkeit, Klage beim Verwaltungsgericht Berlin zu erheben.

Liste der von der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz gemäß § 2 BlnTSVKG anerkannten Tierschutzorganisationen

  • TierVersuchsGegner Berlin und Brandenburg e. V.

    Dahlmannstraße 16, 10629 Berlin
    1. Vorsitzende Christiane Neuhaus
    Telefon: 030-3418043
    E-Mail: info@tvg-bb.de

    Anerkennung vom 16.12.2020

  • PETA Deutschland e. V.
    • Friolzheimer Straße 3, 70499 Stuttgart
      2. Vorsitzender Harald Ullmann
      Telefon: 0711/860 591 – 0
      E-Mail: info@peta.de
    • Büro Berlin
      Sonnenallee 61 – 63, 12045 Berlin
      Sebastian Nees
      Telefon: 030 68326660-31
      E-Mail: Sebastiann@peta.de

    Anerkennung vom 04.01.2021

  • Ärzte gegen Tierversuche e. V

    Goethestr. 6 – 8, 51143 Köln Stellvertretende Vorsitzende Frau Dr. med. vet. Corina Gericke
    Telefon: 02203 9040990
    E-Mail: info@aerzte-gegen-tierversuche.de

    Anerkennung vom 07.04.2021

  • Tierschutzverein für Berlin und Umgebung Corporation e. V.

    Hausvaterweg 39, 13057 Berlin
    2. Vorsitzende Frau Eva Rönspieß
    Telefon: 030-76888-0
    E-Mail: vorstand@tierschutz-berlin.de

    Anerkennung vom 07.04.2021

  • Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V.

    Littenstraße 108, 10179 Berlin
    Stellvertretende Vorsitzende Frau Dr. Barbara Felde
    E-Mail: poststelle@djgt.de

    Anerkennung vom 07.04.2021

  • Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz

    Waisenstraße 1, 10179 Berlin
    1. Vorsitzender Herr Rechtsanwalt Hans-Georg Kluge
    Telefon: 030-852 49 53
    E-Mail: info@erna-graff-stiftung.de

    Anerkennung vom 22.04.2021

  • Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

    Littenstraße 108, 10179 Berlin
    Präsident und Geschäftsführer Mahi Klosterhalfen
    Telefon: 030-4005468-0
    E-Mail: kontakt@albert-schweitzer-stiftung.de

    Anerkennung vom 10.06.2021