Erfolge im Verbraucherschutz: Abschiedsrede von Abteilungsleiterin Claudia Schmid vom 01.11.2021

„Verbraucherschutz: Bilanz der 18. Wahlperiode und Ausblick“

Sehr geehrter Senator Dr. Behrendt,
sehr geehrte Staatssekretärinnen Dr. Brückner und Gottstein,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung,

die Vorträge in der Montagsrunde beleuchten in der Regel ein aktuelles Vorhaben, welches in unserem Haus bearbeitet wird. Mit diesem Muster werde ich heute aus besonderem Anlass brechen, denn in wenigen Tagen steht, wie einige von Ihnen bereits wissen, meine Pensionierung bevor. Ich möchte die kommenden Minuten deshalb nutzen, um Ihnen eine kurze Übersicht über erfolgreich begonnene bzw. abgeschlossene Projekte von Abteilung V in den vergangenen Jahren zu geben. Vorab sei angemerkt, dass diese Projekte neben dem „alltäglichen“ Geschäft stattfanden, also insbesondere der Erfüllung der zahlreichen Pflichtaufgaben des Verbraucherschutzes.

Ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Arbeit der vergangenen Jahre war die Stärkung der Berliner Ernährungspolitik. Im Juni vergangenen Jahres verabschiedete der Senat die – von uns mit den Berliner und Brandenburger Akteuren und Verwaltungen konzipierte – Ernährungsstrategie. Damit soll eine möglichst biologische und regionale Ernährung in Berlin sichergestellt und die Verpflegung in Kantinen, Schulen, Kitas, Krankenhäusern etc. verbessert werden. Zur Umsetzung der Ernährungsstrategie fördern wir eine Vielzahl an Maßnahmen, von der Unterstützung regionaler Wertschöpfungsketten für das Berliner Schulessen über die Einrichtung von „Lebensmittelpunkten“ in den Kiezen zur Förderung eines gemeinschaftlichen Austausches über gute Ernährung bis hin zu Ernährungsbildungsprojekten, z.B. in Form von Bauernhofbesuchen von Schulklassen oder Bildungsprojekten in Kitas zu den Themen Lebensmittelwertschätzung und Abfallvermeidung. In den Grundschulen gibt es seit August ein beitragsfreies Mittagessen, das zu 50 % aus biologischen Lebensmitteln besteht. Im novellierten Ausschreibungs- und Vergabegesetz konnten wir erreichen, dass bei der Beschaffung von Lebensmitteln durch Berliner Behörden, z.B. für Konferenzen, ein Mindestanteil an Bio-Lebensmitteln von 15 % eingehalten werden, Fisch aus nachhaltiger Fischerei stammen und z.B. Kaffee und Tee sowohl das Bio- als auch das Fairtrade-Logo aufweisen muss.

Die sogenannte Gemeinschaftsverpflegung ist ein wichtiger Baustein zur Verbesserung der Ernährung, essen doch in Berlin täglich mehrere zehntausend Menschen in Cafeterien, Kantinen und Mensen ihr Mittagessen. Doch wie gewinnt man die Berliner Kantinenköchinnen und -köche dafür, aus ihrer Routine auszubrechen, die Schere für die Fertigprodukt-Tüten beiseite zu legen und gesunde und schmackhafte Gerichte mit frischen regionalen Produkten anzubieten? Hierfür wurde durch uns im Herbst 2019 die „Kantine Zukunft“ ins Leben gerufen. In ihrer „Kantinenwerkstatt“ bietet sie Fortbildungen und ein Coaching von Küchen bei der Umstellung auf ökologische, regionale, saisonale, gesunde und fair gehandelte Lebensmittel. Die Küchenteams werden darin unterstützt, aus festgefahrenen Routinen auszubrechen und den begonnenen Wandel hin zu nachhaltigem und leckerem Essen aktiv zu gestalten. Die allseits beliebte Currywurst wird dabei nicht unter den Tisch fallen – nur wird sie zukünftig vermehrt in Bio-Qualität und mit Fleisch aus der Region angeboten. Ein Unterschied, den man schmecken kann!

2021 nehmen bereits über 10 Einrichtungen mit mehr als 40 Küchenstandorten am Programm teil. Sie kommen aus allen großen Bereichen der Gemeinschaftsverpflegung. Um nur eine kleine Auswahl an beteiligten Einrichtungen zu nennen: die BVG, die BSR, die Berliner Wasserbetriebe und mehrere Fröbel-Kitas sind dabei. Das Interesse an einer Teilnahme ist mittlerweile so groß, dass es eine Warteliste gibt. Knapp 4 Millionen Essen im Jahr produzieren die Küchen, mit denen die Kantine Zukunft aktuell zusammenarbeitet (wenn kein Lockdown herrscht). Theoretisch könnte also bereits in diesem Jahr sämtliche Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt einmal ein Mittagessen aus einer der Partnerküchen genießen.

Neben dem bewussten Einsatz von Lebensmitteln ist auch die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung eine große Herausforderung der Ernährungsstrategie. Kurz erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang die Verleihung des Preises „Berliner Lebensmittelretter:in“. Dieser zeichnete dieses Jahr erstmalig engagierte und kreative Lebensmittelretterinnen und Lebensmittelretter aus, die mit innovativen Projekten, konkreten Aktivitäten und großem Engagement dazu beitragen, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Die Anzahl an eingegangenen Bewerbungen sowie die Resonanz der Presse verdeutlicht die Relevanz des Themas. Der Preis 2021 ging an die Initiative „Foodsharing Berlin“, welche überschüssige Lebensmittel bei Unternehmen abholt und der Allgemeinheit unentgeltlich zur Verfügung stellt.

Ein wichtiger Meilenstein im Themenfeld „Verbesserung der hygienischen Zustände bei der Außer-Haus-Verpflegung“ war die Verabschiedung des Gesetzes zur Transparenzmachung von Ergebnissen amtlicher Kontrollen in der Lebensmittelüberwachung („Saubere-Küchen-Gesetz“) durch das Abgeordnetenhaus im September dieses Jahres. Künftig können Verbraucherinnen und Verbraucher auf einen Blick erkennen, ob die Küchen der Stadt sauber sind oder Anlass für Beanstandungen geben. Angeschoben wird ein Wettbewerb um die saubersten Küchen in dieser Stadt. In den Niederlanden, die seit Jahren eine vergleichbare Kennzeichnung haben, wurden die Beanstandungsquoten um über 30 % reduziert.
Auch bei einem weiteren Kontroll-Thema wird Berlin selbst aktiv, nämlich bei der Ökokontrolle. Diese Aufgabe wurde über Jahre von den Brandenburger Kolleginnen und Kollegen übernommen. Jetzt haben wir eine eigene Berliner Ökokontrolle, für die wir eine schlagkräftige Kontrolleinheit aufgebaut haben. Diese soll mit sicherstellen, dass dort, wo Bio draufsteht, auch Bio drin ist.

Abschließend noch ein Wort zur Zusammenarbeit mit unserem Nachbarbundesland im Agrarsektor. Im vergangenen Jahr konnte der neue Landwirtschaftsstaatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg abgeschlossen werden. Seither bündeln Brandenburg und Berlin ihre Kräfte zur Förderung der Land-, Fischerei- und Ernährungswirtschaft in der Region.
Fördermittel an Berliner Antragsteller werden von Berlin kofinanziert. Brandenburg übernimmt für Berlin ebenso ausgewählte Aufgaben des landwirtschaftlichen Fachrechts und berät und kontrolliert Berliner Landwirtschaftsbetriebe zum Dünge- und Saatgutrecht.

In den Bereichen Qualitätsmanagement und Digitalisierung möchte ich zwei Vorhaben erwähnen. Im November 2020 trat die Verwaltungsvorschriften zum Qualitätsmanagementsystem im gesundheitlichen Verbraucherschutz (VV QMS) in Kraft. Damit gibt es nun verbindliche Standards für eine einheitliche Arbeitsweise der Veterinär und Lebensmittelaufsichtsämter der Bezirke. Zur Umsetzung des E-Government-Gesetzes: Bald können die Berliner Hundehalter und -halterinnen digitale Anträge zur Leinenpflicht- und Maulkorbbefreiung stellen können. Und dies ist nur ein erster Schritt. Weitere Digitalisierungschritte folgen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Abteilung war – die hohe Zahl Schriftlicher Anfragen unterstreicht dies – der Tierschutz. Erstmals konnten in der vergangenen Legislaturperiode finanzielle Zuwendungen für Tierschutzprojekte vergeben werden. Insgesamt wurden seit 2018 9 Projekte mit 704.671 € unterstützt. Gefördert wurde u.a. der Kinderbauernhof „Knirpsenfarm“ am Grünen Campus Malchow, welcher Stadtkindern ermöglicht, bei der Versorgung und Pflege von Ziegen, Schweinen und Co. mitzuhelfen. Das Tierheim Berlin erhielt die Möglichkeit. Elektroautos für mobile Tierschutzberater*innen anzuschaffen, damit Tiere im besten Fall gar nicht erst im Tierheim landen. Gefördert wurde ebenfalls eine Plakataktion der Tierärztekammer gegen den Erwerb von Haustieren aus Qualzucht.

Wir haben das Tierschutzverbandsklagegesetz auf den Weg gebracht, das nach schwierigen Abstimmungen – Stichwort Forschungshauptstadt Berlin und Tierversuche – durch das Abgeordnetenhaus im August vergangenen Jahres verabschiedet wurde. Damit wird anerkannten Tierschutzorganisationen (bisher sind es sieben) das Recht eingeräumt, in Verwaltungsverfahren im Bereich des Tierschutzes mitzuwirken und Maßnahmen des Landes Berlin gerichtlich überprüfen zu lassen. Die erste Klage eines Tierschutzverbandes gegen vier Bezirksämter auf Auskunftserteilung wurde dieses Jahr vom Verwaltungsgericht zugunsten des Verbandes entschieden.
Unter den Punkt Tiergesundheit lässt sich auch der Schutz von Bienen und anderen Bestäubern fassen. In der vom Abgeordnetenhaus hierzu beschlossenen Strategie wird deutlich: Insekten sind die wichtigsten Bestäuber der Blütenpflanzen und haben damit einen enormen ökonomischen und ökologischen Nutzen für Mensch und Natur. In den gemäßigten Breiten sind 78 Prozent aller Blütenpflanzenarten für ihre Bestäubung auf Insekten angewiesen. Der wirtschaftliche Wert der Bestäuberleistung in der Nahrungsmittelproduktion wird weltweit pro Jahr auf 153 Milliarden Euro geschätzt. Ohne diese nützlichen Insekten gäbe es die liebgewonnene Lebensmittelvielfalt in unseren Supermärkten nicht mehr. Eindrucksvoll bewiesen wurde dies durch das Experiment eines Supermarktes, der über Nacht sämtliche Lebensmittel, die auf Bestäubung angewiesen sind, aus dem Regal nahm. Die Kunden und Kundinnen standen am nächsten Tag vor ziemlich leeren Regalen. Sie fanden am Folgemorgen nur noch 40 % des gewohnten Angebots vor. Für die Umsetzung von Bienenprojekten standen 2014 rund 90.000 €, davon 40.000 € aus europäischen Mitteln zur Verfügung.

Seit 2018 fördern wir Bienenstöcke auf dem Gelände von Kitas und Schulen. Aktuell beteiligen sich fünf Grundschulen in mehreren Bezirken. Kinder und Jugendliche lernen die Haltung von Honigbienen und begreifen durch die Kombination aus Theorie und Praxis die Zusammenhänge des ökologischen Kreislaufs. Mit der Einrichtung einer „Bienenkoordinierungsstelle“ an der Freien Universität, die wir dieses und letztes Jahr mit je 100.000 € unterstützten, soll die Aus- und Fortbildung im Veterinärbereich und die Bekämpfung von Bienenkrankheiten verbessert werden.

Sehr viel Kraft hat die – schon einige Jahre dauernde – Vorbereitung der Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest gekostet – und kostet sie noch. Neben der jährlichen Bewältigung der sog. Geflügelpest, ist dies ein weiterer Schwerpunkt im Bereich der Tiergesundheit. Im Januar dieses Jahres sah es so aus, als ob nach Monaten der in Brandenburg grassierenden Schweinepest auch in Berlin das erste infizierte Wildschwein aufgefunden wurde. Zum Glück stellte sich die untersuchte Laborprobe recht schnell als Fehlalarm heraus. Nichtsdestotrotz zeigte sich, dass die Aktivierung des Einsatzstabs unter Mitwirkung der betroffenen Bezirke, der SenUVK, des THW, von Jagdverbänden, der Polizei, Feuerwehr und der guten Zusammenarbeit mit unserem Nachbarland Brandenburg gut funktionierte und wir unsere Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen konnten.

Erinnern Sie sich noch an den Skandal der Pferdefleischlasagne aus dem Jahr 2013? Dabei handelte es sich um einen massiven Fall von Lebensmittelkriminalität. In diesem Kriminalitätsfeld der organisierten Kriminalität wird vermutet, dass die erzielten Gewinne oftmals höher sind als im Drogenhandel. Wir wollen verhindern, dass Kriminelle Verbraucher durch Garnelen, die zur Gewichtserhöhung mit Gel aufgespritzt oder natürlichen Honig, welcher mit Zuckerlösung gestreckt wird, getäuscht werden und die Täter dingfest machen. Gut ist, dass dabei auch das in Berlin erfolgreich angewandte Instrumentarium der Vermögensabschöpfung greifen kann. Wir sind mit der Lebensmittelüberwachung, Polizei und Justiz dabei, den Tätern das Leben schwer zu machen. Wir haben einen bundesweiten Bekämpfungsplan initiiert, der dem Netzwerk der Lebensmittelkriminellen ein Netzwerk der Bekämpfung entgegensetzt. 2016 haben uns die Verbraucherschutzminister- und die Justizministerkonferenz beauftragt, in einer interdisziplinären Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG) ein Bekämpfungskonzept gegen Food Fraud/ Lebensmittelkriminalität für Deutschland vorzulegen. Die BLAG nahm unter dem Vorsitz Berlins ihre Arbeit Anfang 2017 auf. Ihren Abschlussbericht mit einem detaillierten Bekämpfungskonzept legte sie im März 2018 vor. Im Bericht finden sich 35 Empfehlungen zur Bekämpfung von Food Fraud/Lebensmittelkriminalität, die Schritt für Schritt bundesweit umgesetzt werden.

Auch wenn es noch unzählige weitere Vorhaben aufzuzählen gäbe, möchte ich langsam zum Schluss kommen. Stichwortartig noch eine kurze Aufzählung einiger Vorhaben:

  • Verbraucherschutz in der digitalen Welt: Wir haben hier insbesondere Projekte gefördert, die Kinder und Jugendliche auf Gefahren der Internetnutzung und mögliche Hilfestellungen hinweist.
  • Umzug der von uns institutionell geförderten Verbraucherzentrale von Charlottenburg nach Tempelhof und Eröffnung eines Beratungsstandorts in Lichtenberg, um den Osten Berlins besser zu versorgen.
  • Einweihung des neuen Standorts des Landeslabors Berlin-Brandenburg in Adlershof mit hervorragenden Analysemöglichkeiten.
  • Energieschuldenberatung: Seit 2019 fördern wir die Energieschuldenberatung der VZ Berlin. Im ersten Jahr wurden über 450 Beratungsgespräche geführt. Dabei konnten in den meisten Fällen drohende Energiesperren abgewendet oder bereits vollzogene Energiesperren aufgehoben werden.
  • Last, but not least, die unzähligen weiteren Vorhaben: die Mitwirkung an der Ausbildung von Lebensmittelkontrolleurinnen und –kontrolleure, die Initiativen Berlins im Bereich der Rechtssetzungsverfahren bei lebensmittelrechtlichen Vorschriften, die Übernahme der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fleisch- und Geflügelhygiene“, die Organisation der Fortbildung für Weinkontrolleurinnen und -kontrolleure, die Überarbeitung einer Verwaltungsvereinbarung zu Schutz vor radioaktiver Strahlung in Lebensmitteln und unser Mitwirken beim Verbot der Außenwerbung für Tabakerzeugnisse.

Für das Engagement meiner Abteilung bei der Bewältigung der vielen zeitaufwendigen Vorhaben neben dem auch sehr fordernden Alltagsgeschäft, insbesondere aber für die hervorragende alltägliche Zusammenarbeit möchte ich mich von ganzem Herzen bedanken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!