Hartz IV-Sanktionen und Kurzarbeitergeld: Berlin startet zwei Bundesrats-Initiativen und setzt sich für ein soziales Europa ein

Pressemitteilung vom 01.07.2020

Auf der Tagesordnung des Deutschen Bundesrates am Freitag, dem 3. Juli, stehen zwei Initiativen des Landes Berlin, in denen es um eine Verbesserung der sozialen Situation von Leistungsbeziehenden (SGB II, Kurzarbeitergeld) geht und um ein soziales Europa bei der Bewältigung der Corona-Krise.

So fordert der Berliner Senat mit dem Land Bremen ein Ende der Hartz-IV-Sanktionen für junge Erwachsene unter 25 Jahren sowie für Bedarfsgemeinschaften mit Kindern und Jugendlichen.

Dazu sagt Elke Breitenbach, Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales:
„Der Regelbedarf von SGB-II-Leistungsbeziehenden reicht kaum zum Leben. Wenn Leistungskürzungen dazu kommen, sind viele in ihrer Existenz bedroht, das können wir nicht gutheißen. Für junge Erwachsene unter 25 Jahren sind die Sanktionsregelungen besonders hart: die erste sogenannte Pflichtverletzung führt zum Wegfall der Regelleistung; die zweite innerhalb eines Jahres zum Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung. Dies darf nicht sein. Diesen Menschen droht Wohnungslosigkeit. Ein Dach über dem Kopf gehört jedoch zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums dazu. Gerade junge Menschen bedürfen vielmehr der gezielten Unterstützung bei der Suche nach Arbeit und Ausbildung, anstatt sie zu sanktionieren. Bei Kindern aus einkommensschwachen Familien liegt bereits häufig ein Mangel in der Versorgung mit existenziellen Gütern vor: Wohnraum ist beengt, gesundes Essen ist oftmals viel zu teuer und an soziale und kulturelle Teilhabe ist in vielen Fällen nicht zu denken.“

Gemeinsam mit dem Bundesland Bremen fordert das Land Berlin vom Bund eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, um die Corona-Krise gerecht zu bewältigen. Mit dem Entschließungsantrag wird die Bundesregierung aufgefordert, die gesetzlichen Regelungen für die Höhe des Kurzarbeitergeldes rückwirkend vom 01.03.2020 und befristet bis zum 31.03.2021 zu ändern. Das Kurzarbeitergeld soll in dieser Zeit auf 80 Prozent vom Nettoeinkommen über 1.700 Euro erhöht werden. Bei einem Nettoeinkommen über 1.400 Euro bis zu 1.700 Euro soll das Kurzarbeitergeld auf 85 Prozent steigen. Bis zu einem Nettoeinkommen von 1.400 Euro soll das Kurzarbeitergeld 90 Prozent betragen. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit mindestens einem im Haushalt lebenden Kind gilt ein jeweils um 7 Prozent höherer Satz. Mögliche Nachteile für Kurzarbeitende in Altersteilzeit sollen vermieden werden.

Elke Breitenbach: „Kurzarbeit ist mit spürbaren Einkommensverlusten für die Beschäftigten verbunden. Kurzarbeit null – und damit müssen wir in vielen Bereichen rechnen – heißt, dass den Betroffenen nur noch 60 bzw. 67 Prozent ihres normalen Nettoeinkommens zur Verfügung stehen. Vielen bleibt dann nur noch der Gang zum Jobcenter, um ergänzendes Arbeitslosengeld II zu beantragen. Die Bundesregierung hat zwar nachgebessert und das Niveau des Kurzarbeitergeldes ab dem vierten (auf 70 / 77 Prozent) und ab dem siebten Monat des Bezugs (auf 80 / 87 Prozent) erhöht. Das genügt aber nicht, insbesondere, wenn wir an Geringverdienende zum Beispiel in der Gastronomie denken, die in dieser Krise sehr stark von Kurzarbeit betroffen sind. Menschen mit kleinen Einkommen haben keine Spielräume oder Ersparnisse, um Lohneinbußen zu überbrücken. Sie brauchen sofort mehr Unterstützung. Insgesamt können wir mit unserer Initiative einen Beitrag zur sozial gerechten Bewältigung der Corona-Krise leisten.“

Auf der Sitzung des Bundesrates wird Senatorin Elke Breitenbach sich für ein starkes soziales Europa in der Corona-Krise einsetzen:

Elke Breitenbach: „Covid-19 hat uns vor Augen geführt, wie dringend wir dieses soziale Europa brauchen. Denn Corona hat die soziale Schieflage in Europa nicht geschaffen, sondern verschärft. 2018 waren 110 Millionen Menschen in der EU, mehr als jeder Fünfte, von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht! Diese Zahlen zeigen: Die sozialen Sicherungssysteme in den Mitgliedstaaten reichen oft nicht aus. Kernpunkt der Europäischen Säule sozialer Rechte ist daher ein existenzsichernder Sozialschutz. Wir brauchen einen wirklich gerechten Mindestlohn. Er ermöglicht einen angemessenen Lebensstandard und verhindert Armut trotz Erwerbstätigkeit. Wir begrüßen ausdrücklich die Pläne der Kommission zur Einführung einer europäischen Arbeitslosenrückversicherung. Die COVID-19-Pandemie hat bewiesen, dass ein solches System nötig ist, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU bei asymmetrischen Schocks besser zu schützen. Wir müssen die Folgen der Covid-19-Pandemie solidarisch abfedern. So wird das Soziale Europa für seine Bürgerinnen und Bürger erlebbar und festigt ihr Vertrauen in die Zukunft der EU und unserer Demokratie.“