Vorzeitige Besitzeinweisung

Was bedeutet Besitz und vorzeitige Besitzeinweisung?

  • Besitz im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches bezeichnet die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache und ist nicht gleichbedeutend mit dem Recht auf Eigentum an derselben Sache.

In besonderen Fällen besteht die Möglichkeit, ergänzend zum Enteignungsantrag einen Antrag auf sofortige Besitzeinweisung zu stellen. Damit kann der Vorhabensträger vorzeitig (das heißt ohne das Ergebnis des Enteignungsverfahrens abzuwarten) in den Besitz der benötigten Flächen eingewiesen werden. Er könnte nunmehr zum Beispiel mit dem Bau einer Infrastrukturmaßnahme beginnen, ohne das Eigentum an den dafür erforderlichen Grundstücken erlangt zu haben.

Die vorzeitige Besitzeinweisung ist in vielen Spezialgesetzen wie in § 18f FStrG, § 24 BerlStrG vorgesehen. Sie dient der beschleunigten Verwirklichung des dem allgemeinen Wohl dienenden Enteignungszweckes.

Durch die vorzeitige Besitzeinweisung erwirbt der Vorhabensträger lediglich den Besitz an dem betroffenen Grundstück. Die Eigentumsverhältnisse bleiben davon jedoch unberührt.

Voraussetzungen der vorzeitigen Besitzeinweisung

Voraussetzung für die Zulässigkeit der vorzeitigen Besitzeinweisung ist, dass der sofortige Baubeginn dringend geboten ist, der Eigentümer bzw. der Besitzer sich weigert, das Grundstück dem Vorhabensträger unter Vorbehalt aller Entschädigungsansprüche zu überlassen und das Vorliegen der planungsrechtlichen Voraussetzung.

Handelt es sich um einen Anspruch auf vorzeitige Einweisung in den Besitz nach dem Baugesetzbuch (BauGB), ist es erforderlich, dass der Vorhabensträger bereits einen Enteignungsantrag gestellt hat.

An die dringende Gebotenheit sind im Verfahren auf vorzeitige Besitzeinweisung erhöhte Anforderungen zu stellen. Hierzu muss der Maßnahmeträger substantiiert vortragen. Der Maßnahmeträger muss ein besonderes öffentliches Interesse begründen, dass so gewichtig ist, dass der Abschluss des Enteignungsverfahrens nicht abgewartet werden kann, sollen der Allgemeinheit nicht wesentliche Vorteile verloren gehen oder ihr nicht wesentliche Nachteile entstehen.

Bei Abwägung der Belange der Allgemeinheit und des Grundstückseigentümers muss ein sofortiges Tätigwerden zur Abwendung eines erheblichen Schadens für die Allgemeinheit unumgänglich sein (BVerfGE NJW 1987, S. 1251 (“Boxberg”).

Beteiligte

Beteiligte im Besitzeinweisungsverfahren sind der Maßnahmeträger als Antragsteller und jeder, der ein Recht zum Besitz an dem betroffenen Grundstück hat und die Besitzüberlassung an den Maßnahmeträger verweigert (z.B. Eigentümer, Mieter, Pächter, Inhaber von im Grundbuch eingetragenen Rechten).

Verfahrensablauf

Wie beim Enteignungsverfahren ist die Enteignungsbehörde während des gesamten Verfahrens verpflichtet, auf eine Einigung der Beteiligten hinzuwirken.

Nach Eingang der Antragsunterlagen gibt die Enteignungsbehörde den Beteiligten die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Die Enteignungsbehörde wird in der Regel den zuständigen unabhängigen Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin beauftragen, den aktuellen Zustand des betroffenen Grundstückes zu dokumentieren (Zustandsfeststellung). Damit wird gewährleistet, das auch nach Umgestaltung des Grundstückes eine gesicherte Wertermittlung möglich ist.

Über die vorzeitige Besitzeinweisung entscheidet die Enteignungsbehörde erst, nachdem eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat.

Die Enteignungsbehörde wird die Beteiligten zu dieser mündlichen Verhandlung fristgerecht laden. Für die Ladung gelten im Interesse des Vorhabens in der Regel kurze Fristen.

In der mündlichen Verhandlung versucht die Enteignungsbehörde unter Erörterung der Sach- und Rechtslage letztmalig, auf eine gütliche Einigung der Parteien hinzuwirken. Über die Höhe der Entschädigung wird nicht verhandelt, da diese nicht Gegenstand des vorzeitigen Besitzeinweisungsverfahrens ist. Dem Eigentümer entstehen hierdurch keine finanziellen Nachteile, da die Entschädigung vom Tag der Inanspruchnahme des Grundstückes an verzinst wird.

Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine vorzeitige Besitzeinweisung vor und kommt keine Einigung zwischen den Beteiligten zustande, entscheidet die Enteignungsbehörde durch einen Besitzeinweisungsbeschluss.

Der Besitzeinweisungsbeschluss wird den Beteiligten zugestellt.

Der Besitzeinweisungsbeschluss

Wird dem Antrag des Vorhabensträgers auf Einweisung in den vorzeitigen Besitz in ein Grundstück stattgegeben, wird dem Betroffenen der Besitz entzogen und der Vorhabensträger zu dem im Beschluss genannten Zeitpunkt in den Besitz eingewiesen.

Auch der Besitzeinweisungsbeschluss ist ein Verwaltungsakt, der gerichtlich angreifbar ist (siehe unter Rechtsschutz).