Im Logistik-Zeitgeist den Wandel gestalten

Standtraktor Fendt 1050 Vario auf der Gala

von Ursula A. Kolbe

Ja, es geht um die Zukunftsfähigkeit, um die Gestaltung des digitalen Wandels – Ziel und Motto jüngst des 33. Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin. Im Vorfeld hatte der Vorstandsvorsitzende der Bundesvereinigung Logistik (BVL) Prof. Raimund Klinkner Bezug auf Winston Churchill, den früheren Premier und Literaturnobelpreisträger, einen Mann der Tat und des Geistes gleichermaßen, genommen, der der Überzeugung war: „Perfekt sein heißt demnach, sich verändert zu haben.“

Und dieser Gedanke sei heute noch aktuell, so Prof. Klinkner. Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft sei Treiber eines tiefgreifenden Wandels. Er sei, was Logistik und Supply Chain Management angeht, durch Industrie 4.0 beschleunigt und umfasse nicht nur technologische Entwicklungen, sondern stelle einen Paradigmenwechsel dar.

Prof. Klinkner in seiner Eröffnungsrede vor den rund 3.200 Teilnehmern: „ Die Organisation von Wertschöpfung in dynamischen Netzwerken verändert den Wettbewerb grundlegend. Der Faktor Zeit wird minimal; wir agieren und reagieren in Echtzeit.

Smart Factories richten ihre Produktion kurzfristig auf Wünsche einzelner Kunden aus. Smart Companies organisieren Lieferketten und gleichen ihr Angebot dynamisch mit sich entwickelnden Trends in sozialen Medien ab“, …und „Digitalen Zugang zu Kunden hat nur, wer die Spielregeln des digitalen Marktes versteht.“

Deutsche Logistik-Wirtschaft wächst moderat

Zum Konjunkturklima wurde festgestellt, dass die BVL für das Jahr 2016 ein Leistungsvolumen des Wirtschaftsbereichs Logistikwirtschaft in Deutschland in Höhe von etwa 258 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von rund zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Um den Logistikkostenmix und den Jahresumsatz im Wirtschaftsbereich Logistik präzise vermessen zu können, hat die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS für die Neuausgabe der „TOP 100 der Logistik“ 2016/17 ein verbessertes Verfahren gewählt, in dem sie über zehn Jahre Daten und Auswertungen zu den verschiedensten Faktoren gesammelt hat.

Auf der neuen Grundlage erfolgte eine Neubemessung der Größe der Logistikwirtschaft mit rund 253 Milliarden Euro für 2015. Damit liegt der Gesamtumsatz rund vier Prozent höher als bisher angenommen.
Rund 2,95 Millionen Menschen sind aktuell im logistischen Bereich in der Industrie, im Handel und bei den Logistikdienstleistern beschäftigt. Für 2017 prognostiziert die BVL auf der Grundlage der Zahlen der Logistikweisen unter Leitung von Prof. Christian Kille ein weiteres 1,9prozentiges Wachstum auf einen Umsatz in Höhe von etwa 263 Mrd. Euro.

Standpunkte zum Bundesverkehrswegeplan 2030

Die ganze Bandbreite aktueller logistischer Themen wurde lebhaft diskutiert. Stichworte wie Change Management, urbane Logistik, Pharma und Healthcare, digitales Transportmanagement beherrschten das Kongressgeschehen. Jedes einzelne war ein Thema für sich.

Auch der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, ergriff das Wort. Mit Blick auf die Digitalisierung hob er u. a. hervor, dass es jetzt darum geht, „dass unser Land der Dinge seine Stärken strategisch ausspielt. Dafür brauchen wir mehr digitales Selbstbewusstsein. Nur wer sich dem Wettbewerb stellt, kann ihn für sich entscheiden.

Auf den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 eingehend, stellte er heraus, dass dies mit 269,6 Mrd. Euro das stärkste Programm für die Infrastruktur ist, das es je gab. Über 1.000 Projekte sind geplant. Davon für den Straßenbau fast die Hälfte, für Schienenstrecken 41,3 und Wasserwege 9,3 Prozent. Viel stärker als früher soll in den Erhalt des bestehenden Netzes investiert werden. Hierfür sind 69 % der Gesamtmittel vorgesehen, zuvor waren es nur 56%.

Am vordringlichsten sind die Projekte für Engpassbeseitigungen, um das Netz für das Wachstum überregionaler Verkehrsströme zu ertüchtigen. Verkehrswege modernisieren, Infrastruktur vernetzen, Mobilität in Deutschland beschleunigen, darum geht, sagte der Minister.

Aber die dramatische Investitionslücke wird nicht geschlossen, ist die Befürchtung des Expertennetzwerks BVL. Laut Entwurf des BVWP sollen ab sofort jährlich knapp 15 Mrd. Euro in Straßen, Schienen und Wasserwege fließen. Ein Schritt in die richtige Richtung, aber immer noch deutlich zu wenig, findet die BVL.
Sie erwartet langfristig eine weitere Verschlechterung der ohnehin angespannten Verkehrslage. Darüber hinaus vermisst das Expertennetzwerk Vorschläge zur Verknüpfung von Lkw, Bahn und Schiff (intermodaler Verkehr) sowie zur digitalen Transformation im Verkehr.

Nach Berechnung der BVL ergibt sich aus den Planungen der Politik eine jährliche Investitionslücke von rund 5 Mrd. Euro. Auf einen Investitionsbedarf in Höhe von 20 Mrd. Euro jährlich hatte die BVL bereits 2012 hingewiesen, als die Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ (Daehre-Kommission) ihre Analyse zur stabilen Finanzierung der Verkehrswege vorlegte.

Vor diesem Hintergrund geht Prof. Dr.-Ing. Klinkner von einem weiter fortschreitenden Substanzverlust der Verkehrsinfrastruktur aus. „Die fehlende staatliche Investitionsbereitschaft von heute wird sich morgen rächen und Arbeitsplätze in Deutschland gefährden“ , heißt es weiter.

Kritisiert wird, dass die strategische Planung und Durchführung von Aus- und Neubauprojekten vernachlässigt wird. Das betrifft z. B. die Diskussion über eine zusätzliche Rheinbrücke zwischen Mainz und Wiesebaden oder den stockenden Ausbau der Bahnstrecke entlang des Rheins in Richtung Schweiz auf vier Gleise. In Schleswig-Holstein verzögert sich die feste Querung des Fehmarnbelts als Anbindung an Skandinavien. Hier ist auf deutscher Seite nur eine eingleisige Bahnanbindung an den geplanten Tunnel vorgesehen.

Neue Perspektiven durch die feste Fehmarnbelt-Querung

Mit großem Interesse hatten die Kongressteilnehmer das Auftreten der Gäste aus Dänemark S.K.H. Joachim Prinz zu Dänemark und des Ministers für Transport und Bau, Hans Christian Schmidt, aufgenommen.

Im Mittelpunkt ihrer Ausführungen standen die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und die geplante feste Fehmarnbelt-Querung. Dänemark ist Treiber dieses Projektes, durch eine 18 km lange Tunnelverbindung via Fehmarn auf deutscher und Lolland auf dänischer Seite einen neuen Wirtschaftsraum mit rund 9 Millionen Menschen zu schaffen – von Hamburg und Lübeck über Kopenhagen bis hin zum südschwedischen Malmö.

Auf dänischer Seite sind die Planungen und Genehmigungsverfahren bereits weit fortgeschritten, auf deutscher Seite gibt es Verzögerungen hinsichtlich der Anbindung des Tunnels an die Bahn- und Straßeninfrastruktur.

„Es dauert zwar noch eine Reihe von Jahren, bis der Tunnel eröffnet werden wird, aber wir schaffen damit eine zukunftsfähige Verbindung zwischen Deutschland und Dänemark, von der viele künftige Generationen profitieren werden“, so Minister Schmidt in seiner Rede in der Eröffnungsveranstaltung. Er rechnet damit, dass Ende 2017 die Baugenehmigung für das Großprojekt erteilt wird.

S.K.H. Joachim Prinz zu Dänemark war Ehrengast des Galaabends und sprach dort über das Thema Infrastruktur. „In der modernen Gesellschaft ist die Infrastruktur der Lebensnerv. Ein kontinuierlicher Ausbau ist wichtig für uns alle und bringt uns voran. Infrastruktur ist eine Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit“, betonte er.

Im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, Prof. Thomas Wimmer, ging Prinz Joachim auch auf die Rolle von Monarchien in einer Zeit des Wandels ein. Die Schnelllebigkeit der Moderne könne zu einer Entwurzelung führen. „Monarchien bieten Identität über Generationen und symbolisieren die Wurzeln. So wird Monarchie zur Konstante.“

AGCO Smart Logistics schließt digitale Lücke

Zu den Höhepunkten des Abends gehörte die Verleihung des Deutschen Logistik-Preises 2016 an den internationalen Landmaschinenhersteller AGCO und seinen Dienstleister 4flow.In dem gemeinsamen Projekt geht es um den Wandel von der traditionellen Beschaffungslogistik, bei der jedes Werk selbständig agiert, zur integrierten Inbound Supply Chain, die Kostenvorteile bringt, die die Flexibilität und eine einheitliche Qualität sichert.

Gemeinsam wurde in weltweit 20 Produktions- und After-Sales-Standorten ein innovatives Kooperationskonzept der Materialflussplanung und –steuerung umgesetzt sowie die Standorte zusammen mit über 1.500 Lieferanten und über 70 Logistikdienstleistern auf eine gemeinsame Prozessbasis gesetzt.

Die Kosten konnten in der Inbound Supply Chain des Landmaschinenherstellers in den vergangenen Jahren um mehr als 25 Prozent reduziert werden. Die Kosten für die Implementierung der Prozesse und IT wurden bereits nach einem Jahr amortisiert, die Liefertreue sowie Prozesskonformität um 10 bzw. 15 % gesteigert.

Die Produktion und Auslieferung des Fendt 1050 Vario (siehe Foto) und größter Standardtraktor der Welt hat im September 2016 begonnen. Zum weiteren Produktangebot gehören Traktoren von 50 bis 500 PS sowie verschiedene Baureihen vom High Tech Schmalspurschlepper.

Ladies in Logistik…
…ist eine Initiative der Bundesvereinigung Logistik, die immer mehr Zuspruch findet. Von den rund 11.300 Mitgliedern sind 1.900 Frauen, also knapp 17 Prozent. Davon wiederum rund 24 Prozent, nämlich 460, sind Studentinnen.

Die regelmäßigen Treffen auf regionaler wie überregionaler Ebene förderten Interesse, Erfahrungs- und Wissensaustausch. Locker und ungezwungen auch das Treffen junger Fachfrauen in Sachen Logistik jüngst auf dem Kongress. Nachhaltig spürbar war das Bedürfnis, sich auszutauschen.

Und sie kamen auch sofort miteinander ins Gespräch, die beiden Herren Stephan Gierszewski, Regionalgruppensprecher Südbayern, und Jürgen Waas, Regionalgruppensprecher Baden-Württemberg, natürlich mittendrin.

Christina Thurner, Mitglied der Geschäftsleitung, LOXXESS AG, brachte locker und engagiert ihre Sicht der Dinge so zum Ausdruck: „Unser diesjähriges Kongressmotto: Den Wandel gestalten passt doch wie die Faust aufs Auge zu der Logistic Ladies Lounge – Nicht nur die Logistik wandelt sich, sondern auch die Frauen in der Logistik.

Ich habe vor fast zehn Jahren Herrn Horx vom Zukunftsinstitut gehört, und ich darf Ihnen sagen, wir waren schon damals ein Megatrend.
Megatrends muss man nicht „voraussagen“, denn sie sind schon da und markieren Veränderungen, die uns schon lange prägen und auch noch lange prägen werden. Megatrends sind Tiefenströmungen des Wandels. Ein Megatrend wirkt in jedem Menschen und umfasst alle Ebenen der Gesellschaft: Megatrends verändern die Welt – zwar langsam, dafür aber grundlegend und langfristig.

Herr Horx sprach damals noch davon, dass Frauen zwischen 30 und 40 in der Rush Hour sind. Sie müssen beruflich und privat Vollgas geben. Damals habe ich noch darüber herzhaft gelacht. Heute muss ich ihm leider zustimmen. Ich bin mittendrin und hupe, um schneller voranzukommen.

Und dann dachte ich mitten in der Vorbereitung: Es muss doch ein Wort für uns geben – und bin beim Zukunftsinstitut fündig geworden: Tiger Women!
Das sind Frauen, die etwas tun, anpacken, Neues erleben, sich umorientieren, all das als Option immer präsent haben. Sie stecken sich selbst außerordentlich hohe Ziele.

Natürlich sitzen sie nicht jeden Morgen da und formulieren ihren Lebensplan, dafür haben sie definitiv zu viel zu tun. Tiger-Women stehen voll im Leben – eher sogar in zweien. Sie sind das Wunschbild der Politik: Leistungs- und erfolgsorientiert stellen sie den Beruf in den Mittelpunkt ihres Lebens, wünschen sich aber zugleich kaum weniger stark auch eine funktionierende Partnerschaft und Familie. Aus Arbeitsplatz und Privatleben entsteht eine Lebensform des Sowohl-als-auch.

Umso mehr freut es mich, dass Frau Karen Klement (kooptiert/ Regionalsprecherin Südbayern, Senior Manager Sales & Business Development, Kühne + Nagel (AG &Co.) KG) –d.A.) und Herr Stephan Gierzewski, Regionalgruppensprecher Südbayern, Head of Trining & Coaching Automotive, Continental Automotive GmbH – A.) …die Ladies in Logistic Lounge ins Leben gerufen hat…wir konnten uns austauschen, Best Practice und individuelle Branchenlösungen live kennenlernen …über den eigenen Tellerrand sehen.

Mahatma Gandhi sagte:
“Wir müssen der Wandel sein, den wir in der Welt zu sehen wünschen.“

Und durch die Veränderungen der Rolle der Frau verändern sich natürlich auch die Rollen der Männer. FemaleShift war gestern. Heute sprechen wir bereits vom globalen genderShift.

Es geht also zukünftig nicht nur um gute flexible Arbeitsmodelle für Frauen, sondern für beide, für Männer und Frauen. Diversity oder Vereinbarkeit sind keine Marketing-Wörter, sondern in Zeiten von Fachkräftemangel, digitaler Transformation und großer gesellschaftlicher Umwälzungen grundlegende Bausteine von Unternehmensstrategien.

Den Wandel gestalten ist das Kongressmotto. Also lassen Sie es uns verändern.