Silberlinge

Silberglänzende Geldstücke

Peter-Josef Dickers

„Der Schatz im Silbersee“. Ein Abenteuer-Roman von Karl May.
Ein Bösewicht zieht mit seinen Leuten raubend und mordend durch das Land und sichert so seinen Lebensunterhalt. Sie sind auf dem Weg zum Silbersee, weil sie in den Besitz eines Schatzes kommen wollen, der im See versteckt sein soll. Man muss sich nicht solcher Methoden bedienen, um seinen Schatz zu finden. Viele haben ihn gefunden, ihn nicht versteckt und nicht mehr aus der Hand gegeben.

Das ist nicht selbstverständlich. Manche Schätze sind verkommen zu Lebensabschnitts-Schätzen, weil sie der Dauerbelastung des Alltags nicht standgehalten haben. Partnerschaften sind in Schieflage geraten, haben sich verflüchtigt, sind bedeutungslos geworden. Oder sie rosten vor sich hin, ohne dass ihre Besitzer es bemerken, weil sie die Kontaktverkümmerung nicht wahrhaben wollen.

Silber ist ein weißes Metall. Es übertrifft andere Metalle in der Helligkeit seiner Farbe und an seiner Polierfähigkeit. Wenn Silberhochzeitler ihr Silberstück präsentieren, freuen sie sich über den Wert, den es in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren erlangt hat. Manchen entgeht nicht, dass an den Rohstoff-Börsen die Silberpreise zeitweise abstürzen. Spekulanten setzen auf andere Werte.

Sie übersehen, wie wertbeständig Silber ist. Aus Silberlingen können, wenn man sie pflegt, eines Tages Goldstücke werden. Das dauert eine Weile. Aber wer fünfundzwanzig Jahre daran gearbeitet hat, dass sich der Schatz versilberte, schafft sicher weitere fünfundzwanzig Jahre, bis aus der Silbergrube eine Goldgrube wird.

Seit dem Verrat des Judas an Jesus von Nazareth haben Silberlinge keinen guten Ruf. Für dreißig Silberlinge hat der Halunke seinen Chef verraten und verkauft. Die Münzen hätten gereicht für den Kauf eines Esels. Welche Bank hat ihn beraten?

Silberlinge können Silberstreif am Horizont sein. Wenn der Himmel wolkenfrei ist, sieht man gelegentlich Kondens-Streifen. Hoffnungs-Streifen vielleicht. Wenn das Leben nicht so wolkenfrei verläuft, wie man sich das wünscht, stärken sie die Zuversicht, dass man mit Aufgaben, die das Leben stellt, fertig werden kann. Vor unangenehmen Erfahrungen sind wir nicht gefeit.

Wenn es dunkel ist, kriechen aus feuchten Ecken oder Ritzen kleine Lebewesen hervor. Sie gehen auf Jagd und begegnen einem beim Gang ins Badezimmer. Welcher Mensch hat diese Tierchen Silberfische genannt? Man soll sich die Lebensfreude durch sie nicht verderben lassen. Außerdem steht fest: Sobald es hell wird, verziehen sie sich.

Seit der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies müssen wir uns beim Brot-Erwerb mit Dornen und Disteln herumschlagen, statt paradiesische Zustände genießen und uns auf die faule Haut legen zu können. Es könnten Silber-Disteln sein, aber sie piksen dennoch. Lasst Disteln so, wie sie sind. Sie erinnern daran: Das Leben ist nicht immer Zucker-Schlecken und auch kein reiner Erbauungs-Roman.

Vielleicht sind die Menschen aus dem Paradies nicht vertrieben worden, sondern haben es freiwillig verlassen – nicht, weil sie von verbotenen Äpfeln gegessen, sondern gewusst haben, dass nichts schlechter zu ertragen ist als eine Fülle von guten Tagen. Sie wollten u. U. dem Paradies der Perfektion entkommen.

Pflegt eure Silberschmiede. Sorgt für frische Luft. Lasst Gäste ins Haus, die mit euch erleben, wie aus der Silberschmiede im Laufe der Jahre eine Goldschmiede wird. Denn, wer im silbernen Bett schläft, hat goldene Träume.