Entsorgung

Ein Müllwagen

von Wolfgang Prietsch

Ein Spätnachmittag im Sommer.
Eine Nebenstraße.
Rechter Hand ein Seniorenpflegeheim.
Davor auf der Straße sehen wir
einen Kasten-LKW mit der Aufschrift:
Komplett – Schnell – Kostengünstig.

Aus dem Heim kommen zwei Männer,
sie tragen einen Wohnzimmerschrank.
Dieser ist aus dem oberen Preisniveau,
mit edlem Furnier, zweifarbig,
von gepflegtem Aussehen.
Benutzungsspuren sind nicht erkennbar.
Ein Lieblingsstück der Besitzerin,
die den Schrank mitnahm ins Heim,
als sie dort einzog,
als es zu Hause nicht mehr ging.
Nun musste sie gehen,
ihre Lebenszeit war abgelaufen.
Der Schrank blieb,
blieb bis jetzt.

Auf der Straße nehmen die Männer die Deckplatte ab,
einer stieg auf die Bodenplatte,
der andere drückte die Seitenwand zu Boden.
Holz splitterte, die Bindungen gaben nach, der Schrank zerbrach.
Raumsparend passten die Bretter in den LKW.
Sachlich folgerichtig und erforderlich, diese Entsorgung,
wenn kein Interessent vorhanden,
emotional aber bedrückend.

Weitergehend hörten wir noch lange
die Geräusche zerberstenden Holzes.
Gut, dass sie es nicht mehr hören und sehen musste!
Das also war der letzte materielle Rest eines Lebens.
SIC TRANSIT GLORIA MUNDI.

Was blieb sonst?
Vielleicht die Erinnerung , das liebende Gedenken
bei Angehörigen und Freunden.
Und eine Eintragung im BUCHE DES LEBENS.

Auf dem Rückweg kamen wir wieder
am Ort des Geschehens vorbei.
Der LKW war weg, nichts erinnerte mehr
an diese Entsorgungsaktion
in einer Nebenstraße,
an einem Spätnachmittag im Sommer.