Das „Ur-Kilogramm“ hat ausgedient

Alte Gewichte auf Waage

Alte Gewichte auf Waage

von Ursula A. Kolbe

Zeitenwende in der Physik – und zwar mit der Revision des Internationalen Einheitensystems. Von den Staaten der sogenannten Meterkonvention am 16. November auf ihrer 26. Generalkonferenz für Maße und Gewichte in Paris beschlossen, werden ab dem 20. Mai diesen Jahres, dem Welttag der Metrologie, alle SI-Einheiten – Meter, Kilogramm, Sekunde, Mol, Candela, Kelvin und Ampere – auf Naturkonstanten als Bezugsgrößen umgestellt. Auch das Referenzkilogramm, ein Zylinder aus einer Platinlegierung, hat damit endgültig ausgedient.

„Die Neudefinition der SI-Einheiten ist ein Meilenstein des wissenschaftlichen Fortschritts“, so Martin Milton, Direktor des International Bureau of Weights and Measures (BIPM). Und erklärte weiter: „Indem wir die fundamentalen Konstanten der Natur als Basis für wichtige Konzepte wie Masse und Zeit verwenden, haben wir eine stabile Grundlage, auf der wir unser wissenschaftliches Verständnis vertiefen können, neue Technologien entwickeln und einige der größten Herausforderungen der Gesellschaft angehen können.“

Bisher diente das seit 130 Jahren als Maß aller Dinge geltende Ur-Kilogramm wie ein Schatz gehüteter Platinzylinder als Referenz für alle Eichgewichte weltweit. Jetzt treten zwei physikalische Messverfahren an seine Stelle. Eines nutzt eine sogenannte Watt-Waage und damit elektromagnetische Kräfte als Messhilfe, das andere die Teilchenzahl in einer Siliziumkugel. Beide lassen sich letztlich auf die Planck-Konstante zurückführen – und damit eine Naturkonstante.

Ebenfalls offiziell anerkannt wurden bei der Generalversammlung die neuen Messverfahren für das Ampere, das Kelvin und das Mol. Alle elektrischen Einheiten inkl. des Ampere werden künftig über die Quanteneffekte oder durch Zählen von Elektronen pro Zeit auf die Elementarladung des Elektrons zurückgeführt. Das Mol wird über die Avogadro-Konstante einer spezifizierten Substanz definiert und das Kelvin über die Boltzmann-Konstante. Sie gibt an, wie die thermische Energie eines Gases und damit die Bewegung der Gasteilchen von der Temperatur abhängt.

Wie gesagt, die neuen Einheitendefinitionen treten am 20. Mai dieses Jahres in Kraft. Für unseren Alltag wird sich damit nichts ändern. Aber für Wissenschaft und Technik. Das neue Einheitensystem bildet nun gewissermaßen eine universelle Sprache, auf der alle Forschung weltweit basiert. Der große Vorteil liegt darin, dass das Eichen von Messgeräten sehr viel präziser wird – und damit sind ebenso genauere und verlässlichere Messungen möglich.

„Wir sind nun nicht mehr an die Begrenzungen von Objekten gebunden, sondern besitzen universell zugängliche Einheiten, die uns den Weg zu noch größerer Präzision ebnen und die wissenschaftliche Entwicklung vorantreiben werden“, sagt Barry Inglis, Direktor des Internationalen Komitees für Maße und Gewichte.