Alltag eines Abenteuers

Von links: Dietmar Schürtz, Ottilie Vonbank, Hajo Obuchoff

von Rudolf Winterfeldt

Am 19.07.2016 fand die Fotoausstellung über die „Drushba-Trasse“ im Stadtteilzentrum Hellersdorf-Süd ihren Abschluss. Die Leiterin des Stadtteilzentrums, Frau Ottilie Vonbank, hatte diese Ausstellung organisiert und zu diesem Abschluss die Autoren, Dietmar Schürtz und Hajo Obuchoff, eingeladen.

Den anwesenden Interessenten wurde ein Film von Dietmar Schürtz über die Drushba-Trasse gezeigt und im Anschluss wurden Fragen der Zuschauer beantwortet. Mein Interesse führte mich auch zu dieser Veranstaltung und meine Begeisterung für dieses Thema war groß. Um mehr zu erfahren, verabredete ich mich mit Dietmar Schürtz zu einem Gespräch. Dessen Hobby an der Trasse war die Fotografie. Daraus resultieren die vielen vorhandenen Fotos von der Trasse.

Alles begann 1970 mit einem Vertrag zwischen der Sowjetunion und der BRD zur Lieferung von Pipeline-Rohren von Mannesmann aus Deutschland gegen Erdgas aus der Sowjetunion. Außerdem lieferten gegen Erdgas: Die BRD, Italien und Finnland technische Ausrüstungen, Japan, Frankreich und USA Bautechnik.

Die Bauausführung und umfangreiche Baumaterialien übernahmen die damaligen RGW(Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe) -Mitgliedsländer DDR, Polen, CSSR, Ungarn und Bulgarien auf ihre Kosten, um dafür Erdgas zu erhalten. Jedes Land hatte ca. 500 km Leitung zu bauen.

Die DDR baute von 1975 bis 1978 ihren Abschnitt der Trasse von Krementschuk nach Bar. Die Arbeitskräfte wurden unter dem Begriff „Jugendobjekt Drushba-Trasse“ geworben und ausgesucht. Betriebe oder die FDJ-Organisation delegierten vor allem junge Facharbeiter. Es konnte sich aber auch jeder persönlich bewerben.

Kriterien wie Arbeitsmoral, fachliches Können, gesundheitliche Eignung und auch moralische Eigenschaften bestimmten die Auswahl. Rund 10.000 Arbeiter in den verschiedensten Gewerken waren in den vier Jahren an der Trasse tätig. Jeder Arbeiter musste sich für eine Zeit von 2-3 Jahren verpflichten. Die Arbeitszeit betrug von Montag bis Sonnabend täglich 10 Stunden und wenn notwendig auch länger.

Drei Monate wurde durch gearbeitet und dann gab es drei bis vier Wochen Freizeit in der Heimat. Auch mit Vergünstigungen wurde geworben. Schnellerer Erwerb von PKW und Möbel lockte natürlich.

Wer bestätigt wurde, bekam von „Jugendmode“ der DDR eine extra „Trassenbekleidung“ als Tageskleidung für besondere Anlässe. Die Arbeitskleidung gab es auch dazu. Für die Schweißer sogar Lederkleidung. Zur Vorbereitung auf den Auslandseinsatz, der für die Mehrheit ein Abenteuer in den Weiten der Sowjetunion war, gab es eine Schulung über Land und Leute und bestimmte Verhaltensweisen gegenüber der hiesigen Bevölkerung. In der Praxis sah aber vieles anders aus.

Für die Unterkunft wurden Baracken aufgestellt. Es gab aber auch mobile Wohnlager in denen Wohnwagen genutzt wurden.
Die kulturelle Betreuung übernahmen in den ersten drei Monaten mein Gesprächspartner Dietmar Schürtz mit einem Kinowagen und Hajo Obuchoff mit einem Disco-Mobil. Beide waren über die Jahre an der gesamten Trasse und auch in den anliegenden Ortschaften im Einsatz und zeigten Filme und organisierten Disco-Veranstaltungen.

Darüber hinaus organisierten sie auch Zusammenkünfte mit Gruppen des sowjetischen Komsomol und mit Musik- und Kulturgruppen aus der DDR. Sie waren die „Kulturniks“. Insgesamt waren an der Drushba-Trasse 24 „Kulturniks“ tätig. Das waren Bibliothekare in Büchereien, 2 Kinowagen mit jeweils 2 Personen, ebenso 2 Personen im Disco-Mobil und je Standort 2 Kulturleiter. Alle arbeiteten im Wechsel.

Wie wurde nun aber an der Trasse gebaut? Auf einer Schweißbasis wurden drei Rohre, die 11 m lang, mit einem Durchmesser von 1,42 m waren, zu einem 3er-Segment (ca. 33 m ) zusammen geschweißt. Diese Segmente transportierten Fahrzeuge zum Linearen Teil (dort wo die Erdgasleitung in die Erde versenkt wurde) wo sie dann weiter zusammen geschweißt, geröntgt, isoliert und ins Erdreich versenkt wurden. In einer Schicht schafften die Schweißer so bis zu elf Schweißnähte.

Das absolvierten sie bei jeder Witterung. Besonders schwer hatten es die Trassenbauer im Winter bei oft unter minus 30 Grad Kälte, bei Schnee und Eis und im Frühjahr in knietiefem Schlamm.

Neben der Erdgasleitung wurden aber noch viele andere Objekte von der Bauarbeitern errichtet. So z.B. hunderte Wohnungen für die späteren Betreiber der Leitung. Fünf Verdichterstationen, die alleine ein kleines Werk darstellten und eine Dispatcherzentrale, die heute für die gesamte Ukraine den Gasfluss regelt. Ebenso gab es Bauleistungen für die Infrastruktur um die Trasse.

Es war für mich sehr beeindruckend, was ich an jenem Abend im Kompass und bei dem Gespräch mit Dietmar Schürtz über die Drushba-Trasse erfahren habe. Wenn Sie, liebe User mehr über dieses Projekt erfahren möchten, dann finden Sie im Internet unter „Drushba-Trasse“ oder „Trassenbank.de“ weitere Informationen. Aber auch unter www.fivia.de können Sie eventuell mit dem Filmclub und mit Dietmar Schürtz in Verbindung treten.

Als Quelle diente auch das Buch „Die Trasse – ein Jahrhundertbau in Bildern und Geschichten“ aus dem Verlag Das neue Berlin.