Auf ein Dampfbier und manch Naturgeschichtliches

Der Baumwipfelpfad Bayerischer Wald aus der Vogelperspektive

von Ursula A. Kolbe

In meinem ersten Beitrag mit Fahrtziel Natur in den Bayerischen Wald in der vorangegangenen „Spätlese“-Ausgabe, in der im Blickpunkt umweltschonende Schutz- und Tourismusgebiete in Kooperation der drei Umweltverbände BUND, NABU, VCD sowie der Deutschen Bahn stehen, hatten wir beeindruckende Erlebnisse in der Nationalpark- und Naturparkregion Bayerischer Wald.

Ein Merkmal hier ist u. a. die Gästekarte GUTi für die Übernachtungsgäste zur kostenlosen Beförderung mit Bahn und Bus in dortige touristisch attraktive Ziele, also bequem mit der Bahn anreisen oder am Ferienort dann dem Auto seine „Auszeit“ gönnen.

Dr. Kathrin Bürglen, die Projektleiterin Fahrtziel Natur bei der Deutschen Bahn, betonte im Verlauf unseres Aufenthaltes mit Blick auf das Alleinstellungsmerkmal u.a.: „Der Bayerische Wald ist deutschlandweit ein Vorreiter. Er ist die einzige Region, in der sowohl für Urlauber als auch für Tagesgäste und Einheimische beste Voraussetzungen in Sachen umweltschonender Mobilität vor Ort geschaffen wurden.

Dafür sorgen das umlagefinanzierte GUTi und das kostengünstige Bayerwald-Ticket.“ Mit letzterem kann der ÖPNV in den Landkreisen Freyung-Grafenau und Regen sowohl in der Region rund um Lam für acht Euro pro Tag genutzt werden. Und darum geht es allen Akteuren auch, durch ein enges Miteinander aller Entscheidungsträger die Bekanntheit der Region zu steigern, das Angebot, wo möglich, weiter auszubauen.

So machte der VCD-Bundesvorsitzende Michael Ziesak deutlich, dass weiter am ÖPNV-Konzept gearbeitet werden müsse. Auch an anderen Stellschrauben, etwa den Beschilderungen der Haltestellen, könne man noch etwas drehen im Sinne weiterer Optimierungen. Dass sich der ständige Kampf für bessere Angebote lohne, sehe man aktuell an der Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Gotteszell und Viechtach.

Mit Neugier und Bierdurst in die 1. Dampfbierbrauerei Zwiesel

Wie schon gesagt, haben wir in wenigen Tagen viel erlebt. Dieses Mal steuern wir als erstes die 1. Dampfbierbrauerei Zwiesel an, eine Stadt im niederbayerischen Landkreis Regen und anerkannter Luftkurort.
Elisabeth Pfeffer, die Ehefrau von Mark Pfeffer, der in nunmehr fünfter Generation im Familienbesitz heute die Geschicke der Brauerei leitet, empfängt uns in den altehrwürdigen Gemäuern. Sie führt uns anregend in die Geheimnisse des Bierbrauens ein.

Die Tradition dieser 1. Dampfbierbrauerei geht auf Wolfgang Pfeffer zurück, der den Betrieb im Jahre 1889 gegründet hat. Von ihm stammt auch das Rezept für das süffige Dampfbier. Damals war im bayerischen Wald Weizen und Hopfen ein rarer Rohstoff. Aber Wolfgang Pfeffer braute trotzdem ein hervorragendes obergäriges Bier, das Dampfbier. Er verwendete kein Weizenmalz, sondern nur Gerstenmalz von einer leicht bräunlichen Farbe. Mit dem teuren Hopfen musste sehr gespart werden.

Die Gärung mit obergäriger Hefe verlief rasch in hölzernen, offenen Bottichen bei Temperaturen von 18 bis 20 Grad C. Dadurch kam es zu einer heftigen Kohlensäureentwicklung, die an der „Decke“ (Schaum über der Flüssigkeit) große Gasblasen entstehen ließ. Diese zerplatzten von Zeit zu Zeit, so dass der Eindruck entstand, „das Bier dampft“: Der Name Dampfbier war geboren.

Beim Rundgang weiht uns Elisabeth Pfeffer dann in weiteres Bierwissen ein wie die Brauarten von ober- und untergärigem Bier. Dabei legt sie die Betonung auf Anspruch an Qualität und Geschmack, auf die Harmonie von traditionellem Brauhandwerk und modernster Technik. Da die Produktionsanlagen komplett auf den natürlichen Prozess des Bierbrauens ausgerichtet sind, riechen und schmecken wir das Bier förmlich auf der Zunge.

Das alles können interessierte Besucher bei einem Rundgang durch die Brauerei selbst erleben, die seit nunmehr 16 Jahren ihre Tore dafür öffnet. Groß ist das Interesse aus Nah und Fern, die Geschichte des Dampfbieres kennenzulernen, Einblicke in Sudhaus, Gärkeller, Filtration und Füllerei zu erhalten, den historischen Malzboden mit den alten Gerätschaften in Augenschein zu nehmen.

Und selbstredend ist dann der krönende Abschluss der Umtrunk im „Schalander“, der alten Braustube, oder bei entsprechendem Wetter draußen im traditionsreichen bayerischen Biergarten.
Natürlich steuerten auch wir am Ende unseres Rundgangs die gemütliche Atmosphäre des historischen Braustübls an, um beim süffigen Dampfbier und deftiger Brotzeit die interessanten Stunden in Zwiesel ausklingen zu lassen.

Übrigens: Jüngst auf der Grünen Woche in Berlin habe ich Elisabeth Pfeffer mit ihrem Ehemann Mark Pfeffer und den Eigentümer der Brauerei wiedergetroffen: In der Bayernhalle am Dampfbierstand, der seit vielen Jahren gern besucht wird und Anziehungspunkt vieler Stammbesucher geworden ist.

Ein gemeinsamer Erfolg mit dem Berliner Partner Michael Ruth, Inhaber von „Biere-der-Welt“ im Berliner Einkaufszentrum Schöneweide und im Kaufpark Eiche bei Berlin, der auch das Dampfbier in Berlin und Umgebung vertreibt.
Man dürfe zugleich die touristische Wirkung solch einer Messebeteiligung nicht unterschätzen, meint Elisabeth Pfeffer. „Wir hatten beispielsweise schon Besucher bei Führungen in unserer Brauerei in Zwiesel, die unser Dampfbier auf der Grünen Woche kennengelernt haben und dann neugierig auf dessen Geschichte und Herstellung geworden sind“, sagt sie.

Beeindruckender Besuch im Hans-Eisenmann-Haus

Das Nationalparkzentrum Lusen im Bayerischen Wald lässt die Philosophie Natur Natur sein lassen im wahrsten Sinne des Wortes lebendig werden. Und zwar im Besucherzentrum im Hans-Eisenmann-Haus mit seiner Dauerausstellung „Weg in die Natur. Eine Geschichte von Wald und Menschen“.

Bei einem anschaulichen Rundgang mit seinem Leiter Christian Binder durch die sechs Bereiche mit der Geschichte des Nationalparks, seine Pflanzen und Tiere, Aufgaben und Ziele, jedes einzelne anregend für sich, hielten meine Blicke ein Zitat von Friedrich Hölderlin, einem der bedeutendsten deutschen Lyriker fest, der sagte:

„Wachs und werde zum Wald!
Eine beseeltere, vollentblühende Welt!
Sprache der Liebenden
Sei die Sprache des Landes.
Ihre Seele der Laut des Volkes!“

Sie stehen so sinnbildlich für Werden, Wachsen und Vergehen, für das Leben des Waldes. Und hier im Nationalpark kann man miterleben, wie der Wald wieder wilder werden kann.
Auch dafür steht die große Forschungsabteilung im Nationalpark, von der Christian Binder wohl zu Recht mit Stolz spricht. Und betont dabei die sehr gute Zusammenarbeit mit den tschechischen Kollegen des angrenzenden tschechischen Nationalparks Šumatra

Ein kleiner Einblick im Bereich Forschen wird visuell vermittelt. So macht z. B. eine Fotofalle aus der Luchsforschung Fotos von Besuchern, die kurz an der Fotogalerie erscheinen (aber danach sofort wieder gelöscht werden). Und letztendlich das Tor zum Wald, ein Tunnel mit einem Panoramafenster aus dem Nationalpark, die Verbindung zum tatsächlichen Wald – und eine Einladung, den Wald unmittelbar draußen zu erleben. Was wir dann auch machten.

Auf dem Baumwipfelpfad über die Waldkronen

Auf insgesamt 1.300 Metern in acht bis 25 Metern Höhe schlängeln wir uns durch und über Buchen, Tannen, Fichten… , vorbei an Informations- und Erlebnisstationen. Auf dem 44 Meter hohen Baumturm genießen wir die einzigartige Aussicht. Über die Berge Lusen und Rachel hinweg breitet sich das Meer des Bayerischen und Böhmischen Waldes aus – an klaren Tagen liegt der Alpenhauptkamm vor den Augen der Betrachter.

Waldgeschichtliches Museum St. Oswald

Der Besuch hier, in waldhistorischer Umgebung, hat mich sehr beeindruckt, emotional berührt. Weil diese Einrichtung ihr Anliegen, dem Besucher die Naturgeschichte des Bayerischen und Böhmerwaldes nahezubringen – der Nationalpark liegt ja mittendrin im größten zusammenhängenden Waldgebiet Mitteleuropas – so klar und einleuchtend dargestellt wird, Wissen zu vermitteln im besten Sinne.

Den tiefgreifenden Wandel von der Kulturlandschaft zur Wildnis könne man aber nur verstehen, wenn man ihre Geschichte der Landschaft, ihre Nutzung durch den Menschen und die historischen Traditionen der Bewohner kennt. Das Museum macht’s möglich.

Allein der „Moorfahrstuhl“ transportiert 12.000 Jahre zurück in den Beginn der Waldgeschichte. Der Waldboden, die Bäume, die Waldgesellschaften stellen sich vor und geben in der Installation „Walddynamik“ Einblick in die ungeahnte Vielfalt und Schönheit der Natur.