Sag niemals nie

Eine Kamelkarawane in der Wüste

von Tina Gonschorek

Ich auf einem Kamel? Niemals!!!
Aber: Man sollte niemals nie sagen…
Mein Urlaub führte mich in diesem Jahr ins ferne Marokko. Er war schon lang gebucht, aber die Vorfreude hielt sich, aufgrund der allgemeinen Lage, etwas in Grenzen.

Allerdings kann ich nur sagen, dass das Land sehr schön und die Menschen sehr nett sind.
Die Fahrt durch das Atlasgebirge war faszinierend. Die Berge weisen Gesteinsschichten in unglaublicher Farbvielfalt von braun, grau, rot und auch grün auf. Die schmalen Straßen bestehen nur aus Kurven und wenn man dann ganz hinten im Bus sitzt, so schwankt und schaukelt es schon recht heftig!

Der Höhepunkt meiner Reise war allerdings eine Fahrt mit dem Jeep durch die Steinwüste zu den Ausläufern der Sahara. Dort hatte man dann die Möglichkeit eines Ausrittes auf einem Kamel. Natürlich kam das für mich nicht in Frage. Niemals!!!

Unser Reiseführer Hassan hatte ein sicheres Gespür dafür, wie man Menschen umstimmt. Dies gelang ihm auch bei mir. Ich dachte dann doch, wenn ich nun schon einmal in meinem Leben in der Sahara bin, dann sollte ich auch so mutig sein, sie auf einem Wüstenschiff zu bezwingen. Und so buchte ich, entschlossen und zu Abenteuerlust verführt, den Kamelritt.

Mein Abenteuer begann damit, dass sich immer fünf Reisende für einen Jeep zusammen fanden. Ich hatte das große Glück vorn sitzen zu dürfen. Die Fahrt durch die Steinwüste war dann doch nicht so spektakulär wie ich es mir vorgestellt hatte. Die Jeeps fuhren in breiter Front, um nicht in der Staubwolke des Anderen die Sicht zu verlieren.

Der Fahrer ließ uns wissen, dass in dieser Gegend früher die Rallye Paris-Dakar gefahren wurde. Die Steinwüste ist von unglaublicher Öde. Nur Steine und Staub. Wir fuhren ziemlich schnell, was ich mir mit einem Blick auf den Tacho bestätigen wollte. Leider war das unmöglich, da er nicht funktionierte. Also holperten wir über Querrillen durch die staubige steinige Ödnis.

In der Ferne entdeckte ich schon die Dünen der Sahara. Sie leuchteten im Licht der nachmittäglichen Sonne. Schnell kamen wir näher und damit auch der Moment, an dem ich auf das Kamel steigen musste. Davor fürchtete ich mich am meisten!

Und dann ging es ganz schnell. Kaum bei den Tieren angekommen, saßen die ersten Mitreisenden, in mehr oder weniger entspannter Haltung, auch schon darauf. Ich stand noch etwas unschlüssig herum, als ein Kamelführer zu mir kam und sagte, dass er ein sehr ruhiges Kamel für mich hätte. Ohne mir Zeit zum Nachdenken zu lassen, führte er mich hin und wies mich an, auf zu steigen.

Dies war einfacher als gedacht, da es ja noch ganz lieb und ruhig auf dem Boden lag. Also schwang ich mühelos mein Bein über den aus Decken bestehenden Sattel und hielt mich an einem Metallgriff fest. Der Führer, ein sehr freundlicher Berber, machte leise schnalzende Geräusche und das Kamel erhob sich auf die Hinterbeine, was mich mit Schwung nach vor rutschen ließ.

Dann wurde ich wieder zurück geworfen, als es sich auf die Vorderbeine stellte. Nun hatte ich das Schlimmste überstanden. Das Kamel stand und ich saß oben drauf. Meinen Griff fest umklammernd ging es im Gänsemarsch los. In einer Karawane folgte ein Tier dem anderen hinein in die Wüste.

Schon waren wir mitten in den gewaltigen Dünen. Ich war total überrascht von der unerwarteten Schönheit der Sahara. Die Farbe des Sandes leuchtete in wunderbar warmem Orange und Terrakotta.

Die Dünen sahen aus wie Seide, so fein und strahlend war der Sand. Mich erfasste ein so starkes Gefühl der Ergriffenheit und Demut, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich konnte gar nicht fassen, dass ich auf einem Kamel durch die Sahara ritt. Es war zwar nicht still, denn die Kamelführer unterhielten sich auf Arabisch, die Reiter schwatzten miteinander und die Tiere ließen auch hin und wieder ihre Stimmen erklingen.

Aber trotzdem gelang es mir, mich der Einsamkeit und atemberaubenden Schönheit der Wüste hinzugeben. Ich bedauerte es, nicht fotografieren zu können, da ich es nicht wagte, den Griff loszulassen. Als wenn mein Kamelführer meine Gedanken gelesen hätte, fragte er, ob ich fotografiert werden möchte. Wir hielten neben der Karawane an und ich nutzte die Gelegenheit gleich für einige rasche Fotos.

Dann ging es weiter hinein in die Wüste. Mein sehr fürsorglicher Kamelführer schaute immer wieder zu mir, um sich zu vergewissern dass ich noch sicher und lächelnd auf meinem Kamel saß.

Nach etwa zwanzig Minuten des Reitens begann die Prozedur des Absteigens. Da ich nun wusste worauf es ankam, war dies kein Problem. Ich bedankte mich bei meinem Kamel mit einigen Streicheleinheiten und einem tiefen Blick in die großen, von unverschämt langen Wimpern umgebenen, freundlich blickenden braunen Augen.

Mich umschauend entdeckte ich eine hohe Düne, die vor mir aufragte. Auf deren Kamm saßen ein paar Menschen. Ich dachte noch, die müssen ja eine tolle Aussicht dort oben haben, als mein gut deutsch sprechender Führer Amin eine Decke vom Kamel nahm, mich unterhakte und sagte:“ Da geht’s jetzt hoch!“.

Also stapften wir durch den tiefen weichen Sand eine ca. 45° hohe Steigung etwa 60 m bergan. Nach der Hälfte des Weges dachte ich, dass ich gleich tot umfalle. Ich kriegte keine Luft mehr und musste erst mal eine Pause machen. Plötzlich stand ein zweiter schmunzelnder Berber neben mir, der meinen anderen Arm ergriff und mehr gezogen als gestiegen erreichte ich den Kamm der Düne.

Zu meiner Ehre sei gesagt, dass es den Anderen auch nicht viel besser erging. Oben legte Amin die Decke hin und dann saßen wir alle nebeneinander, ließen die Beine über dem Abhang der Düne baumeln und sahen der Sonne beim Untergehen zu. Es war unbeschreiblich schön. Die Dünen vor uns waren völlig unberührt und strahlten eine gewisse Einsamkeit und Unendlichkeit aus. Dann flitzten die Berber flink über die Dünen und deren Fußspuren hinterließen im Sand wiederum einen anderen interessanten Anblick.

Die Sonne versank langsam im Sandmeer und zeigte viele zauberhafte grandiose Augenblicke zum Träumen.
Als sie verschwunden war, begann eine hektische Betriebsamkeit. Amin nahm meine Hand und führte mich die Düne hinunter, als wolle er eine Dame zum Tanze bitten. Währenddessen erlebten andere Reisende eine Sahara-Schlittenfahrt und wurden von ihren Berbern mit fröhlichem Jauchzen auf den Decken die Düne hinunter gezogen.

Rasch bestiegen wir unsere Kamele und dann ging es eilig wieder hinunter. Amin erzählte, dass mein Kamel noch keinen Namen hätte und ich einen aussuchen dürfte. So schnell fiel mir gar nichts ein. Allerdings konnte ich meine freundliche Kameldame nicht mit seinem Vorschlag namens „Bubi“ durch die Wüste laufen lassen. So taufte ich sie dann auf den Namen „Fatima“, den ich weitaus passender fand. Sie selbst schien damit zufrieden zu sein, denn es kamen keine Klagen.

Unten angekommen war es schon richtig dunkel. Amin ließ mich absteigen, setzte sich auf seine Decke und breitete schön polierte Fossilien und aus Stein geschnitzte Kamele vor mir aus. Eines davon erwarb ich und verabschiedete mich von dem fürsorglichen, netten Berber Amin und der liebenswerten hübschen Fatima.

Nach einem letzten sehnsüchtigen Blick auf die nun in der Dunkelheit ruhenden ewigen Dünen der Sahara machte ich mich auf den Weg zum Jeep und war voller Freude und Dankbarkeit dafür, dass ich etwas so Wunderschönes und Einmaliges erleben durfte.