Generationenkonflikt - oder – Für alle, die schon über siebzig sind…

Eine Schüssel auf einem Ständer

von Waltraud Käß

Wir wurden vor der Erfindung des Fernsehens, der Schluckimpfung, der Tiefkühlkost und der Kunststoffe geboren und kannten Kontaktlinsen, Herzschrittmacher und die Pille noch nicht.

Wir kauften Mehl und Zucker viertelpfundweise in Tüten und nicht in Geschenkpackungen. Wir waren schon da, bevor Kreditkarten, Telefax, Kernspaltung, Laser und Kugelschreiber zur Verfügung standen.
Es gab noch keine Geschirrspüler, Wäschetrockner, Klimaanlagen, Last-Minute-Flüge, und der Mensch war noch nicht auf dem Mond gelandet.

Wir pflegten unsere Verbindungen persönlich und nicht mit „Hotline“, „Inline“, „Online“, „Airline“. Was sich in der Welt ereignete, zeigte uns die Wochenschau im Kino etwa 14 Tage später.

Wir haben e r s t geheiratet und dann zusammen gelebt.
Damals waren die Käfer noch keine Volkswagen, und mit jemandem gehen hieß schon fast soviel, wie verlobt zu sein.
Alle Zeitungen wurden für hinterlistige Zwecke verbraucht oder im Ofen verbrannt. Von Receycling sprach niemand. Wir dachten nicht daran, dass der „Wiener Wald“ etwas mit Brathähnchen zu tun hätte, und Arbeitslosigkeit war eine Drohung und kein Versicherungsfall.

Wir waren da, bevor es den Hausmann, die Emanzipation, Pampers, Aussteiger und eine „computergesteuerte Heiratsvermittlung“ gab. Zu unserer Zeit gab es noch keine Gruppentherapie, Weight-Watchers, Sonnenstudios und kein Kindererziehungsjahr für Väter. Zweitwagen hatte keiner und brauchte sie deshalb auch nicht durchzuchecken. Und wenn man sich wunderte, sagte man „oh“ und nicht „wow“.

Wir haben damals keine Musik vom Tonband oder über UKW aus Transistor-Radios oder die New Yorker Symphoniker via Satellit gehört. Wir lauschten Musik-Kapellen oder einer Schallplatte, deren Töne nicht gepowert waren. Bands und Discos waren unbekannt.

Es gab auch keine elektronischen Schreibmaschinen, künstliche Nieren, Joghurt und auch keine Jungen, die Ohrringe trugen.
Die Worte „Software“ für alles, was man beim Computer nicht anfassen und „Non- Food“ für alles, was man nicht essen oder trinken kann, waren noch nicht erfunden. Ein gesundes Fachwissen wurde noch nicht als „Know-how“ bezeichnet.

Wir sagten noch „Guten Tag“ und nicht „Hallo“ oder „Hi“, und wenn wir etwas gut fanden, sagten wir auch „es war schön“ und nicht „okay“ oder „affengeil“. Wir feierten unsere kleinen Feste und keine Partys oder Festivals, und Höhepunkte waren keine „Highlights“.

Wir liefen schon auf der Straße herum, als man noch für 5 Pfennige ein Eis, einen Beutel Studentenfutter oder eine Flasche Brause kaufen konnte. Auf Briefe klebten wir 6-Pfennig-Briefmarken und für 10 Pfennige konnten wir mit der Straßenbahn von einem Ende der Stadt zum anderen fahren- wenn wir uns vorher eine Fahrkarte gekauft hatten, die damals noch nicht „Ticket“ hieß.

Bei Regenwetter zog man sich einen Regenmantel an und kein „Outfit“. Die Verkäuferin hatte noch keinen „Job im Shop“. Man buchstabierte noch deutsch, wer hätte schon sonst etwas verstanden. Statt des modernen „Countdown“ sagten wir noch „Abzählen“. Freunde waren wir und noch keine Fans.

Wir waren wohl die letzte Generation, die so dumm war zu glauben, dass eine Frau einen Mann heiraten muss, um ein Kind zu bekommen. Und wenn das Wort „Kids“ fiel, dachten wir an kleine Rehe. Mit leuchtenden Augen lauschten wir den Märchen, die uns vorgelesen wurden. Comic strips waren uns unbekannt.

Wir sammelten und bügelten noch alte Schleifen und Geschenkpapiere, klebten bröckelnde Seifenreste zusammen und waren Meister im Falten von Zahnpastatuben, um auch die letzten Reste heraus zu quetschen.
Wir mussten fast alles selbst tun und mit dem auskommen, was wir hatten.

Zu glauben, dass der Staat uns schließlich doch versorgen wird, wenn wir vorher über unsere Verhältnisse gelebt haben, wäre undenkbar gewesen. Wer mehr ausgab, als er einnahm, war ein krimineller Bankrotteur.

Und Bock mussten wir immer haben.
Diese ganze Entwicklung haben wir über uns ergehen lassen. Ist es da ein Wunder, wenn wir manchmal etwas verrückt erscheinen?
So ist wohl auch die Kluft zwischen den Generationen entstanden.

Wir haben aber alles überlebt und sind, der Statistik zufolge, die gesündeste Generation. Das ist vielleicht auch der Beweis für unsere total überholte, aber vernünftige Lebensweise.
Darum haben wir allen Grund zum Feiern und wir freuen uns, dass wir das heute überhaupt noch können.

(Dieser Beitrag stammt nicht aus meiner Feder. Ich habe ihn in meinen persönlichen Unterlagen gefunden, konnte ihn aber namentlich nicht identifizieren.)