Preis

Logo Berliner Preis für Lesbische* Sichtbarkeit

Die Preisverleihung des Berliner Preises für Lesbische* Sichtbarkeit ist alle zwei Jahre ein wichtiger Tag im Kalender der Regenbogenhauptstadt. Die mediale Berichterstattung verstärkt die Sichtbarkeit und sorgt für erhöhte Aufmerksamkeit für das Thema bei den Berlinerinnen und Berlinern. Der Berliner Preis für Lesbische* Sichtbarkeit ist daher nicht nur eine Würdigung der Gewinnerin, sondern ist selbst auch ein Mittel, lesbische Sichtbarkeit herzustellen.

Der Preis 2024

Die Preisverleihung 2024 fand am 26. April 2024, dem internationalen Tag für Lesbische Sichtbarkeit, im Roten Rathaus statt. Insgesamt gingen 150 Nominierungen ein. 46 unterschiedliche Personen/Initiativen wurden nominiert und davon erfüllten 38 Nominierungen die Kriterien. Aus diesen wählte die ehrenamtliche unabhängige Jury drei Nominierte aus und kürte die Preisträgerin*. Erstmalig erhält nicht nur die Preisträgerin ein Preisgeld von 5.000 Euro, sondern auch die beiden anderen Shortlist-Nominierten ein Preisgeld von jeweils 1.000 Euro.

Portrait Deborah Moses Sanks mit rosa Hemd, Fliege und Jacket an ein Geländer gelehnt

Die Preisträgerin

  • Deborah Moses Sanks: „Ich setze mich für lesbische* Sichtbarkeit ein, weil es keine Altersgrenze für Schönheit und Liebe geben sollte.” // “I advocate for lesbian* visibility because there should not be an age limit in beauty and love.”

Deborah Moses Sanks hat viele Jahre als Fotografin hinter der Kamera gearbeitet und zahlreiche Schlüsselmomente der schwarzen Frauenbewegung in Deutschland, insbesondere der Arbeit der Generation Adefra, dokumentiert. Lesbische Sichtbarkeit, insbesondere aber die Sichtbarkeit nicht-weißer Körper, hat ihre Arbeit schon immer geprägt. Mit knapp über 70 Jahren bewegt sie sich mittlerweile als Model vor der Kamera und möchte Frauen dazu inspirieren, ihren Träumen zu folgen.

Aufgewachsen in der South Bronx in NY hat Deborah immer davon geträumt, Fotografin zu werden. Im Rahmen ihrer beruflichen Laufbahn hat sie die Obdachlosigkeit in den USA und die Auswirkungen, die sie auf Frauen und Kinder hatte, miterlebt und dokumentiert. Bevor sie nach Deutschland kam, hat sie auch über die Auswirkungen von Landminen in Angola berichtet und wurde von Eltern unter Tränen gebeten, in die USA zurückzukehren und ihrer Regierung zu sagen, sie solle die Herstellung und den Verkauf von Landminen in Angola einstellen. Solche Erfahrungen haben nicht nur ihre Art zu fotografieren geprägt, sondern auch ihr Engagement für Frauen und Kinder gestärkt.

Annet am Mikrofon, trägt schwarzes T-Shirt auf dem in weißer Schrift "Butch* is beautiful" zu lesen ist

Shortlist Nominierte

  • Annet CJ:
    “Ich setze mich für lesbische* Sichtbarkeit ein, weil es in der Gesellschaft noch nicht angekommen ist, dass wir Ausgrenzungen, Ungerechtigkeiten und Gewalt (verbal und non-verbal) erfahren, und dass wir dazugehören wie andere Identitäten auch.”

Annet ist sichtbar und macht sichtbar: durch gemeinsame Organisation von und Teilnahme an Demos (z. B. eine Fahrraddemo zum Tag der lesbischen Sichtbarkeit), als Gesicht auf Plakaten (z. B. 2023 zum CSD-Motto ‘resilient as fuck’), durch Unterstützung von Community-Events (z. B. als Model beim 1. Butch* Walk und Mithilfe beim 2. Butch* Walk), sowie bei Mahnwachen. Annet bringt gerne Menschen zusammen, unterstützt jene, die aus anderen Ländern fliehen mussten und in Frieden leben wollen, und ist generell immer zur Stelle um zu helfen wo es nötig ist.

In Tempelhof geboren hat Annet in ihrer Jugend immer mit Jungs Fußball gespielt und war aktiv als Rettungsschwimmer_in* tätig. Annet ist auf Bäume und über Zäune geklettert und konnte mit Mädchen* zunächst nichts anfangen (die Mädchen* spielten aber auch nicht auf der Straße!). Aus heutiger Sicht hat sich das dann aber zum Glück geändert… . Der Weg dorthin war jedoch oft steinig und schwer und mit Gewalterfahrungen verbunden. Trotz dieser Erfahrungen und körperlicher Einschränkungen lässt Annet sich nicht unterkriegen und behält immer ihren Humor. In der Nominierung wird Annet aufgrund der unermüdlichen und inspirierenden Arbeit als eine strahlende Lichtgestalt der Community bezeichnet.

Demonstration mit Transparenten

Shortlist-Nominierte

  • lesbisch-feministischer Schabbeskreis
    “Wir setzten uns für lesbische* Sichtbarkeit ein, weil es unser Wunsch war lesbische Sichtbarkeit mit jüdischer Sichtbarkeit zu verbinden und zwar in einem feministischen Kontext.”

Der lesbisch-feministische Schabbeskreis wurde auf einer Veranstaltung des Lesbenreferats der Freien Universität Berlin in den Räumen des Lestra gegründet. Initiiert durch Jessica Jacoby entwickelte sich eine Gruppe, die sich lesbisch-feministischer Schabbeskreis nannte und zwischen 1984 und 1989 aktiv war.

Die Gruppe bestand aus jüdischen und nichtjüdischen Feministinnen und rückte als erste feministische Gruppe im Nachkriegsdeutschland eine jüdische Perspektive in den Mittelpunkt. Expliziter Schwerpunkt waren Antijudaismus und Antisemitismus in der Frauenbewegung. Fragen zum Zusammenhang mit Rassismus wurden diskutiert und es gab gelegentliche Treffen mit Schwarzen Feministinnen. Anfangs war der Schabbeskreis ein Raum für Austausch und gegenseitige Unterstützung. Als die Einladungen zur Auseinandersetzung öffentlich wurden, führte dies zu einer zunehmenden Politisierung. Denn um jüdische Frauen und Lesben sichtbar zu machen, musste natürlich auch das Gegenüber benannt werden: meist christlich (sozialisiert) und ‘weiß’. Sowohl das Benennen der Jüdinnen, als auch der Nicht-Jüdinnen in ihrer spezifischen (Un-)Sichtbarkeit und der Verweis auf dahinter liegende historische Verstrickungen sowie gegenwärtige strukturelle Bedingungen führte oft zu aufgeladenen Reaktionen aus der – relativ betrachtet – etablierten Frauen- und Lesbenbewegung. Die Sichtbarmachung der jüdischen Frauen innerhalb der lesbisch-feministischen Bewegung war geprägt von dem Wunsch nach genauem Hinsehen, Verstehen und Einlösen eines Versprechens von feministischer Solidarität durch Übernahme von Verantwortung innerhalb des eigenen Lebensumfeldes. Wenn die Thematisierung von Antisemitismus als Schuldvorwurf verstanden wurde, dann handelte es sich um ein gravierendes Missverständnis. Bis heute.

Der Preis 2022

Die Preisverleihung 2022 fand am 26. April 2022, dem internationalen Tag für Lesbische Sichtbarkeit, im Roten Rathaus statt. Insgesamt gingen 57 Nominierungen ein. Es wurden 33 unterschiedliche Personen nominiert, wovon 26 Nominierungen zulässig waren. Die ehrenamtliche unabhängige Jury entschied 7 Nominierungen nicht zuzulassen, weil diese die Kriterien (u.a. Berlinbezug) nicht erfüllten. Aus dieser Vielzahl wählte die Jury drei Nominierte aus und kürte daraus eine Preisträgerin.

Preisträgerin

  • Saideh Saadat-Lendle: „Ich setze mich für lesbische* Sichtbarkeit ein, weil es mir um Empowerment geht und Verbundenheit, darum, sich gegenseitig zu stärken, wertzuschätzen und zu unterstützen, darin, Diskriminierung und Gewalt die rote Karte zu zeigen, Lebenswünsche zu verwirklichen und sich gemeinsam für eigene und die Rechte der Verbündeten einzusetzen.“

Als feministische iranische Frauenaktivistin hat Saideh Saadat-Lendle sich 1990 als Lesbe* geoutet und ist damit in der iranischen Community auf viele Widerstände gestoßen. Seither setzte sie sich deutschlandweit und international für Empowerment und gegen mehrdimensionale Gewalt und Diskriminierung von Lesben* und ihren Verbündeten ein. Sie hat aus persönlichem Engagement und als Leiterin von LesMigraS unzählige Redebeiträge zum Thema Empowerment und intersektionale Diskriminierung von Lesben* und Queers gehalten, Gruppen, Workshops und Fortbildungen geleitet, Texte geschrieben bzw. Broschüren und Bücher zum Thema herausgegeben. Seit sie im Jahre 1999 LesMigraS gründete bis zum Ende ihrer Arbeit bei der Lesbenberatung Berlin Ende 2021, hat Saideh einer neuen Generation von Lesben* und Queers Raum gegeben, sich zu stärken, zu verbinden und damit für sich, füreinander, für ihre Communities und die Gesellschaft aktiv Verantwortung zu tragen.

Lebensweg: Saideh Saadat-Lendle wurde 1958 im Iran geboren und studierte Mathematik für Informatik sowie Chemie. Kurz vor dem Abschluss wurde sie aufgrund politischer Aktivitäten aus der Universität entlassen und zweimal inhaftiert. Nach fünf Jahren eines Lebens im Untergrund floh Saideh 1985 nach Deutschland, wo sie in Berlin kritische Psychologie studierte. Seitdem engagiert sie sich politisch in der iranischen Frauenbewegung im Exil und seit 1999 für Empowerment und gegen intersektionale Gewalt und Diskriminierung insbesondere von Frauen*, Lesben* und Queers mit Rassismuserfahrung.

Für besondere Würdigung ausgewählte Nominierte

  • Anastasia Klevets: „Ich setzte mich für lesbische* Sichtbarkeit ein, weil man immer noch die Vernachlässigung der Probleme von Lesben, die Verletzung ihrer Rechte und die Unterrepräsentation verschiedener Rollenbilder sieht.”
  • Katja Koblitz: „Ich setzte mich für lesbische* Sichtbarkeit ein, weil lesbisches* Leben und Wirken nach wie vor herabgewürdigt und in der kollektiven Erinnerung verschüttet wird – es sei denn Lesben* erzählen ihre Geschichte(n) selbst und kämpfen damit für die Anerkennung aller Minderheiten und schlussendlich für eine demokratischere Gesellschaft!”

Der Preis 2020

Insgesamt wurden 47 Personen bzw. Personengruppen vorgeschlagen. Die unabhängige ehrenamtliche Jury entschied sich aus dieser Vielzahl ehrenwerter Persönlichkeiten für die folgende Preisträgerin des mit 5.000 Euro dotierten Preises und wählte drei Nominierte für besondere Würdigung aus. Aufgrund der Covid-19-Situation fand die Preisübergabe und Würdigung aller von der Jury ausgewählten Nominierten daher im Herbst im Rahmen des Forums Regenbogenstadt Berlin statt.

Preisträgerin

  • Katharina Oguntoye: „Ich engagiere mich für lesbische* Sichtbarkeit, weil versteckt Leben keine Alternative ist.“

Katharina Oguntoye engagiert sich seit 1983 in der Frauen-Lesbenbewegung in Deutschland und international, zum Beispiel bei der Organisation der Berliner Lesbenwoche, dem Cross-Cultural Sommer Institute – Deutschland. Sie leitete Workshops beim Lesben-Frühlingstreffen, der Audre Lorde Conference „I Am Your Sister“ (Boston) und den International Feminist Book Fairs (Montreal, Amsterdam) und nahm an zahlreichen Podiumsdiskussionen in LGBTQI*-Foren teil. Katharina Oguntoye ist in den Medien durch zahlreiche Interviews präsent, wie zum Beispiel in L-Mag, Siegesäule, Berliner Zeitung, Focus, Stern, Deutschlandfunk Kultur, Schwules Museum, Filme (LFT Doku, Goethe-Institute). Katharina Oguntoye ist außerdem für ihre Veröffentlichungen bekannt, unter anderem in der Berliner Lesbenwochen-Doku, Lesbenjahrbüchern und Anthologien. Sie ist zudem Mitgründerin einer Lesben-mit-Kinderwunsch-Gruppe.

Katharina Oguntoye ist Historikerin und hat die feministische und afro-deutsche Bewegungen mitgeprägt – unter anderem als eine der Herausgeberinnen und Autorin des Buches „Farbe bekennen. Afro-Deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ (1986) sowie als Gründungsmitglied der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ und ADEFRA (Afro-deutsche Frauen- und Lesbengruppe). 1997 erschien ihre wissenschaftliche Recherche zur Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland, die 2020 unter neuem Titel „Schwarze Wurzeln. Afro-deutsche Familiengeschichten von 1884 bis 1950“ im Orlanda Verlag neu erscheint. Seit 1983 ist sie Aktivistin in der Frauen-/Lesben-Bewegung und seit 1996 Leiterin des von ihr mitbegründeten Vereins Joliba – Interkulturelles Netzwerk in Berlin e.V. (www.joliba.de).

Für besondere Würdigung ausgewählte Nominierte

  • Jutta Brambach: „Ich setzte mich für lesbische* Sichtbarkeit ein, weil sich für mich damit Gendergerechtigkeit verbindet und diese meiner Meinung nach eine Grundvoraussetzung für eine solidarische, demokratische und vielfältige Gesellschaft ist.“
  • Saideh Saadat-Lendle: „Ich setze mich für lesbische* Sichtbarkeit ein, weil es mir um Empowerment geht und Verbundenheit, darum, sich gegenseitig zu stärken, wertzuschätzen und zu unterstützen, darin, Diskriminierung und Gewalt die rote Karte zu zeigen, Lebenswünsche zu verwirklichen und sich gemeinsam für eigene und die Rechte der Verbündeten einzusetzen.“
  • Tülin Duman: „Ich setzte mich für lesbische* Sichtbarkeit ein, weil auch in der queeren Welt eine ‚männliche‘ Dominanz herrscht.“

Der Preis 2018

Die feierliche Preisverleihung des 1. Berliner Preises für Lesbische* Sichtbarkeit fand am 2. Juli 2018 im SchwuZ statt.

Insgesamt waren nach einer vierwöchigen öffentlichen Nominierungsphase mit insgesamt 89 Nominierungseingängen 30 Personen für den Preis vorgeschlagen worden. Die Jury wählte daraufhin aus den eingereichten Nominierungen zunächst drei Nominierte für eine Shortlist aus und bestimmte danach aus diesen die endgültige Gewinnerin, die erst auf der Preisverleihung bekanntgegeben wurde. Die unabhängige Jury entschied zudem kurzfristig das Preisgeld zu dritteln, um so alle drei Nominierten zu würdigen. Leider konnte Dr. Ilse Kokula bei der Preisverleihung* selbst nicht anwesend sein, ihr wurden die Urkunde und Statue jedoch im Nachgang durch eine Juryangehörige überreicht.

Die Preisträgerin Dr. Ilse Kokula

Dr. Ilse Kokula setzte sich über viele Jahrzehnte hinweg für die Rechte und die gesellschaftliche Anerkennung von Lesben ein. Immer wieder forderte sie dabei, dass Lesben und lesbische Lebensformen benannt und sichtbar gemacht werden, denn: „Zur Existenz gehört in unserem Kulturkreis die Bezeichnung; was keinen Namen hat, existiert nicht.“ (1983)

Sie studierte Sozialarbeit und Pädagogik und promovierte 1982 in Soziologie. Drei Jahre später wird sie von der Universität Utrecht als erste Gastprofessorin für „Soziale Geschichte und Sozialisation lesbischer Frauen“ auf einen Wechsellehrstuhl berufen. Sie publiziert zahlreiche Bücher und Aufsätze zu Lesben: „Weibliche Homosexualität um 1900“, „Formen lesbischer Subkultur“, „Gespräche mit älteren lesbischen Frauen“, „Lesbisch leben in Deutschland“, „Die Welt gehört uns doch – Zusammenschluss lesbischer Frauen in der Schweiz der 30er Jahre“.

Politisch war Dr. Ilse Kokula unter anderem in der Frauengruppe der Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW), später Lesbisches Aktionszentrum Westberlin, aktiv. In Berlin arbeitete sie auch an der Ausstellung „Eldorado. Homosexuelle Frauen und Männer in Berlin 1850 – 1950“ mit.

Einzigartig ist Dr. Ilse Kokulas Beitrag zur Verknüpfung von Lesbenforschung und Lesbenpolitik sowie zur Vernetzung von Lesben und Lesbengruppen aus der BRD, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden und der DDR. Auch als Mitarbeitende des Referats und anschließend Leiterin des Fachbereichs für gleichgeschlechtliche Lebensweise des Berliner Senats brachte sie von 1989 bis 1996 zahlreiche Themen aus dem Bereich lesbischer und schwuler Lebensformen durch Tagungen und Publikationen in die gesellschaftliche Diskussion.

Dr. Ilse Kokula wurde mit dem Preis für ihren jahrzehntelangen Einsatz für die Rechte und die gesellschaftliche Anerkennung von Lesben geehrt.

Für besondere Würdigung ausgewählte Nominierte

  • Sigrid Grajek
  • DJ İpek İpekçioğlu