VHS-Deutschkurs für Eltern im Stadtschloss Moabit

Dozentin Elzbieta

Crossover VHS im Unterricht

Das VHS-Programm wird auch im Unterricht didaktisch und informativ bearbeitet.

Der Deutschkurs für Eltern der Volkshochschule Berlin-Mitte findet im Stadtschloss Moabit statt, wo in den 1980er und 90er Jahren die VHS-Tiergarten mit ihrer ganzen Verwaltung residierte. Nach der Fusion der Bezirke 2001, in dessen Folge die VHS Mitte entstand, sind nun noch mehrere Deutschkurse in diesem Standort präsent.

Leiterin Frau Fenster vom Schloss Moabit mit Deutschlerngruppe

Teilnehmer_innen des Deutschkurses für Eltern von Elzbieta Myslinska Bobel mit der Leiterin des Nachbarschaftshauses Stadtschloss Moabit, Elke Fenster (vorne im Bild) am Eingang des Hauses in der Rostocker Straße 32 in Berlin-Moabit.

Das Stadtschloss Moabit ist ein Mittelpunkt für alle Menschen aus der Moabiter Nachbarschaft. Als Haus für alle Bevölkerungsgruppen entspricht es somit dem Konzept einer Gesellschaft, in der Alt und Jung bei gemeinsamen Aktivitäten zusammenkommen.

Schloss Moabit von außen und Etagengrafik

Das Stadtschloss von außen und der Etagenplan im inneren des Hauses.

Elke Fenster beschreibt aus ihrer langjährigen Erfahrung als Leiterin des Hauses wie Aktivitäten durch Eigeninitiative funktionieren können: “Was bringen Menschen mit und was brauchen sie für ihre Ideen? Meist wissen sie das schon selbst und dann helfen sie sich mit ihren unterschiedlichen Kenntnissen untereinander.
Das große Haus mit seinen vielen Räumen wird von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und älteren Menschen den ganzen Tag genutzt. Die Atmosphäre ist freundlich und aufgeschlossen, alle können sich jederzeit im Stadtschloss-Treff am Samowar gratis mit Tee bedienen und günstig zu Mittag essen. Das Haus ist ein Platz für Kontakte und Gespräche, es wird Beratung bei Problemen und Fragen angeboten und es gibt viele Projekte und Kurse. Im Computerraum sitzen Leute am PC und surfen oder schreiben und geben sich gegenseitig Tipps, in einem anderen Raum wird Deutsch gelernt, in Werkstätten kann getöpfert und gebastelt werden, im Bewegungsraum gibt es Gymnastik, Yoga und Tanz, eine Theatergruppe probt ein Stück und führt es im Sommer auf der Freilichtbühne im Hof auf, in den Ferien können Eltern mit Kindern eine Malgruppe besuchen und die gut besuchte Kiez-Bibliothek bietet eine große Sammlung von internationalen Kinderbüchern“.
Was das Stadtschloss früher einmal war, ist noch auf der alten Beschriftung über dem Eingangsportal zu lesen: STÄDTISCHE LESEHALLE. Diese historische Form einer Bibliothek war eine von mehreren Funktionen des Hauses. Später wurde es ein Wohnhaus für Lehrer der benachbarten Schule. In der Nachkriegszeit nach 1945 hatte hier die Volkshochschule ihre Residenz

Theaterspiel im Deutschkurs.

Im Deutschkurs A2.1 unter der Leitung von Elzbieta Myslinska-Bobel lockern immer wieder praktische Übungen den Unterricht auf, wenn die Teilnehmer_innen eine Lektion theatralisch in Szenen nachspielen. Dieses Spiel ist sehr beliebt und schafft Möglichkeiten, die deutsche Sprache in Verbindung mit Aktionen zwischen Menschen zu benutzen und sich im spontanen und freien Sprechen zu üben. Die Geschichte ist aus dem Lehrbuch
Schritte plus 3, Lektion 7, „Feste und Geschenke“.

Sie handelt von einer älteren Frau, die sich zu ihrem 80. Geburtstag den Besuch von Verwandten im Seniorenheim gewünscht hat.

Aus der Kursgruppe spielen einige Teilnehmerinnen die Geschichte als Theaterstück nach und sprechen aus der Erinnerung die Texte bzw. improvisieren die Dialoge. Renata spielt Maria (Au-pair Mädchen), Claudia spielt Susanne (Mutter), Raquel spielt Kurt (Vater), Marcella spielt Larissa (Tochter), Katarzyna spielt Simon (Sohn), Fabiana spielt Tante Erika.

Teilnehmerin telefoniert im Theaterspiel

Tante Erika ruft Susanne an. Doch die ist nicht zuhause, stattdessen nimmt das Telefongespräch das Au-pair Mädchen Maria an, die sich Notizen macht.
Als Susanne nach Hause kommt, berichtet Maria, dass Tante Erika am nächsten Tag ihren 80. Geburtstag hat. Susanne sagt, dass sie ein schlechtes Gewissen hat, weil sie ihre Tante schon seit 5 Jahren nicht mehr besucht hat.
Dann wird überlegt, wer zum Geburtstag ins Seniorenheim gehen würde

Theaterspiel - Diskussion in der Familie

Die beiden Kinder Larissa und Simon haben keine Zeit und Lust, aber Maria möchte mit Susanne mitgehen, denn sie fand, dass die Stimme von Tante Erika auch irgendwie traurig klang. Das überzeugt die beiden Kinder auch mitzukommen. Als Geschenk wollen sie eine Collage am Computer mit alten Fotos von Tante Erika machen und einen Kuchen backen. Am nächsten Tag gehen alle in das Seniorenheim zu Tante Erika.

Geburtstagsbesuch bei Tante Erika im Seniorenheim - Theaterspiel

Sie singen ihr ein Geburtstagslied und übergeben die beiden Geschenke. Tante Erika freut sich sehr über das Bild, den Kuchen und die Blumen. Aber sie hat noch einen Wunsch: “Ich hätte so gerne, dass wir uns öfter sehen.”

Selfie beim Geburtstag von Tante Erika - Theaterspiel

Und zum Schluss wird noch ein Selfie gemacht.

Das kleine Stück wird von den Teilnehmerinnen mit Spaß und großem Elan gespielt. Die einzelnen Szenen folgen flüssig und ohne Stocken aufeinander. Die “Schauspielerinnen” haben den Text verstanden und sich gemerkt. Dabei wird auch viel gelacht, weil alles so gut gelingt und das kleine Publikum applaudiert heftig.

Das Theaterspiel folgt im Kurs am Ende einer Lektion, die immer eine eigene Geschichte mit einer Handlung hat. Dabei ist die Folge von Lesen, Hören und Spiel ein gut strukturierter Ablauf, der von den Teilnehme_innen wegen seiner guten Lerneffekte sehr geschätzt wird. “Die Improvisation beim Theaterspielen ist dann gut für das spontane Sprechen auf der Straße oder mit Personen” sagte eine Teilnehmerin über den praktischen Gewinn bei dieser Übung.

Diskussionsgruppe im Elternkurs Schloss Moabit

Diskussion

Nach dem Theaterspiel folgt eine Diskussion über das jeweilige Thema. Zur Frage des Lebens älterer Menschen im Seniorenheim gab es dann auch engagierte Kommentare. Kritisiert wurde, dass manche Familien keinen Kontakt mehr zu ihren alten Verwandten im Heim pflegen. Es sei traurig für die alten Menschen, wenn sie einsam leben müssen und keine Verbindung mehr nach außen haben. Am schönsten sei es, wenn alte Menschen noch weiterhin bei ihren Familien leben könnten. In ihren Heimatländern sei es ähnlich wie in Deutschland unterschiedlich, dass einerseits die Älteren noch lange in ihren Wohnungen leben könnten, bei gesundheitlichen Beschwerden aber schließlich in ein Seniorenheim zögen.

Es wurden Beispiele genannt, dass eine alte Mutter in Brasilien allein in einer Wohnung lebt und regelmäßig von ihrem Sohn besucht wird. Eine andere in Brasilien lebende Großmutter lebt in Wohngemeinschaft mit einer Freundin. Sie möchte nicht in ein Seniorenheim. Eine Teilnehmerin erzählte von ihren inzwischen verstorbenen brasilianischen Großeltern, dass sie bis zuletzt in ihrem Haus gelebt hätten und von ihren Kindern und Enkeln bei regelmäßigen Besuchen versorgt wurden. Ähnlich auch bei einer über 90jährigen Großmutter, die täglich von ihrer Tochter besucht wurde. Von Brasilien wurde allerdings berichtet, dass Seniorenheime sehr teuer wären.

Zwei Kursteilnehmerinnen

Maha aus Ägypten und Salima aus dem Libanon

Eine libanesische Kursteilnehmerin berichtete über ihre Eltern, die seit über 60 Jahren verheiratet sind und immer noch zuhause leben. Sie werden von allen Familienmitgliedern aus allen Generationen ständig besucht und gut versorgt.
Eine andere Teilnehmerin aus Ägypten äußerte, dass sie ein schlechtes Gewissen hätte, wenn ihre Eltern in einem Heim sein würden und ihre Schwester kümmert sich um die Mutter. Ein Teilnehmer berichtete, dass seine ältere Mutter auf einem Bauernhof in Polen mit Verwandten aus drei Generationen leben würde. Eine Aussage von einer alten Verwandten wurde zitiert, dass diese in kein Heim wolle, sondern bis zur letzten Minute ihres Lebens zuhause bleiben möchte. Als gute Alternative wurde die Form des Tagesseniorenheims genannt. Dort könnten sich die Senioren tagsüber in Gemeinschaft mit allerlei Aktivitäten beschäftigen, sie bekämen Essen und medizinische Versorgung. Abends und am Wochenende könnten sie dann wieder zuhause sein.
Zuletzt wurde noch über das Älterwerden im Zusammenhang mit den Finanzverhältnissen diskutiert. Dabei wurden Informationen über die Bedingungen zur Rente in Deutschland ausgetauscht.

Kursgruppe Elternkurs bei Sprechübung

Die Gruppe mit ihrer Deutschlehrerin Elzbieta Myslinska-Bobel (links im Bild) beim Artikulieren des schwierigen deutschen Wortes "Achtunddreißigstundenwoche".

Kursleiterin Elzbieta Myslinska-Bobel berichtet über ihren Kurs, erläutert ihr didaktisches Konzept und welche Sonderaktivitäten sie über den Unterricht hinaus durchführt:
„In diesem Elternkurs lernen18 Teilnehmer_innen im zweiten Jahr Deutsch.
Im Unterricht werden solche Themen, wie das Berliner Schulsystem, Erziehung, Kommunikation mit Schulen und Lehrern, Elternsprechtage, soziale Probleme der Kinder, Schriftverkehr mit den Ämtern und Alltagssituationen bearbeitet. Die Teilnehmer_innen bereiten sich meist auf eine berufliche Laufbahn in Deutschland vor. Das setzt eine ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache voraus, was zu hundert Prozent für die Teilnehmer_innen auch prioritär ist. Nicht nur der sprachliche, sondern auch der kulturelle Austausch ist für mich als Kursleiterin im Unterricht dabei ein großes Anliegen. Die Herkunftsländer der Teilnehmer_innen sind Brasilien, Polen, Mazedonien, Ägypten, der Libanon, Russland und Syrien. In der Gruppe herrscht ein harmonisches Einverständnis und große Motivation. Sie sind engagiert, offen für neue Erfahrungen, interessiert an Deutschland, hilfsbereit, empathisch und sympathisch.
Die Kommunikative Methode wird in jeder Unterrichtsstunde in Dialogen, Teilnehmerinterviews, Spielen und Gruppenarbeit angewendet. Kleinere Fehler werden dabei nicht beachtet, um das flüssige Sprechen nicht zu stören. Dabei wird auch immer wieder dem kulturellen Austausch Aufmerksamkeit geschenkt.
Der Deutschkurs setzt sich aus Teilnehmer_innen mit unterschiedlichen Lernerfahrungen und Lernzielen zusammen. Durch Binnendifferenzierung muss deshalb auf die jeweiligen individuellen Bedürfnisse eingegangen werden. Es sollte jeder Einzelne so gut wie möglich gefördert werden. So übt zum Beispiel eine Gruppe Grammatik, eine andere wiederholt den Wortschatz und eine dritte schreibt eine Nacherzählung.
Nach der Einführung und Einübung des neuen Lernstoffes – z.B. in dieser Lektion waren das Possessivartikel und unbestimmter Artikel, Syntaxstellung der Objekte und Präposition “von” plus Dativ und der Erweiterung der rezeptiven, also Lesen und Hören, und produktivem Sprechen und Schreiben, Festigung nach Wiederholungsübungen – wird zum Abschluss die Fotohörgeschichte in jeder Lektion nachgespielt. Dabei ermöglicht das Theaterspiel den Teilnehmer_innen, durch eine spielerische Aktivität schnell in eine authentische Situation zu geraten und spontan zu handeln.
Über den Unterricht hinaus organisiere ich für die Teilnehmer_innen Ausflüge und Exkursionen, um das Leben in der Stadt und Umgebung zu erkunden und erfahrbar zu machen. Bisher haben wir eine Sieben-Seen-Schifffahrt auf dem Wannsee und eine Dampferfahrt durch das Regierungsviertel unternommen, das Historische Berlin auf dem Boulevard Unter den Linden erkundet, das Pergamonmuseum und die Nationalgalerie besucht sowie ein klassisches Konzert in der Philharmonie gehört. Morgen führe ich die Gruppe durch den Botanischen Garten. Für die Teilnehmer_innen sind das immer große Erlebnisse, die sie mit Begeisterung aufnehmen“.

Mein Resümee:
„In meiner fast 20jährigen Arbeit als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache bin ich stolz darauf, eine große Anzahl von Menschen befähigt zu haben, sich in deutscher Sprache mit Einheimischen unterhalten zu können, sich am Arbeitsplatz zurecht zu finden und am Berliner Alltag und Kulturleben teilzunehmen.”