Inklusion in Tempelhof-Schöneberg

Ein Konzept für die Meister*innen der Kompetenz

Im Jahr 2019 hat das Bezirksamt das „Bezirkliche Inklusionskonzept gemäß UN- Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Bezirk Tempelhof-Schöneberg“ verabschiedet. Das Konzept enthält Maßnahmen einzelner Fachbereiche, um Diskriminierungen gegen Menschen mit Behinderung abzubauen.
Seit April 2021 ist Gün Tank die Beauftragte für Menschen mit Behinde rung. Für das vhs-MagaTSin hat sie mit Dr. Marion Wilhelm gesprochen, die als Vorsitzende des Beirats von und für Menschen mit Behinderung Tempelhof-Schöneberg den gesamten Entwicklungsprozess des Inklusionskonzepts fachlich begleitet hat.

Porträt Dr. Marion Wilhelm

Können Sie uns kurz die Aufgaben des Beirats beschreiben?

Der Beirat ist das Sprachrohr von Menschen mit Behinderungen auf bezirklicher Ebene. Er behandelt die strukturellen Beeinträchtigungen und Hürden und kann Empfehlungen gegenüber dem Bezirksamt aussprechen. Im Beirat sind Organisationen von Menschen mit Behinderung, Dienstleistende und Einzelpersonen vertreten. Jeder Mensch mit Behinderung kann sich für diese Position bewerben.

Beschreiben Sie Forderungen des Beirats im bezirklichen Inklusionskonzept.

Es sind die Dauerbrenner mit denen sich der Beirat seit Jahrzehnten beschäftigt: Einerseits die barrierefreie Ankündigung und Durchführung von Veranstaltungen, die es Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen überhaupt ermöglicht, daran teilnehmen zu können. Andererseits der barrierefreie Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und Ämtern, nicht nur in physischer Form, sondern auch was die Kommunikation mit Bürgern betrifft. Und immer wieder die Klassiker: Baumaßnahmen und Barrierefreiheit im Straßenverkehr.

Spaziergänger in der Stadt

Was antworten Sie Menschen, die in inklusiven Bemühungen vor allem den Mehraufwand sehen?

Jeder Mensch läuft früher oder später Gefahr, selbst von einer Behinderung betroffen zu sein. Es ist kein zusätzliches Add-on was Arbeit macht, es ist eine Erleichterung für alle. Wenn Sie z.B. an Rampen für Rollstuhlfahrende denken, dann ist das auch für Mütter und Väter mit Kinderwagen sehr hilfreich. Ähnliches gilt auch bei der Kommunikation, die Verwaltungssprache ist auch für Menschen ohne kognitive Einschränkung nicht einfach.

Was bedeutet Inklusion?

Die UN-BRK geht von einem Inklusionsbegriff aus, der die uneingeschränkte Teilhabe in allen Lebensbereichen und die Selbstbestimmung umfasst. Menschen mit Behinderung sind „Meister*innen der Kompetenz“: Sie sind in der Lage, sich mit überschaubaren vorhanden Möglichkeiten täglich in einem neuen Umfeld zurechtzufinden.
Wir sollten als Gesellschaft zu der Erkenntnis kommen, dass Menschen mit Behinderung und auch andere, von Diskriminierung betroffene Gruppen die Möglichkeit brauchen, ein selbst bestimmtes Leben führen zu können. Wir sollten uns auf den Weg in eine wirklich inklusive Gesellschaft machen, in der es kein „normal“ gibt, sondern jedes Individuum die gleiche Startmöglichkeit zur Entfaltung der Persönlichkeit hat.

Wir sollten uns auf den Weg in eine wirklich inklusive Gesellschaft machen.
Dr. Marion Wilhelm