Insolvenz eines Betriebs: Folgt die Kündigung?
Immer mehr Betriebe melden Insolvenz an und viele Mitarbeiter fürchten um ihren Job - zu recht?
© dpa
Eine Pleite muss für Beschäftigte nicht das Aus bedeuten - denn eine Insolvenz ist noch kein Kündigungsgrund.
Arcandor, Schiesser, Escada, Märklin - die Liste bekannter Unternehmen, die in den vergangenen Monaten in die Insolvenz gehen mussten, ist lang. Dabei gingen Tausende Arbeitsplätze verloren.
Greift der Kündigungsschutz trotz Insolvenz?
Doch was bedeutet die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für einen Betrieb und die Mitarbeiter? «In Deutschland ist die Meinung immer noch weit verbreitet, dass eine Insolvenz automatisch das Ende eines Betriebes ist», sagt Andrej Wroblewski, Insolvenzrechtsexperte im Vorstand der IG Metall. Dabei könnten Betriebe in einem Insolvenzverfahren durchaus gerettet werden.
Ein weiteres Missverständnis ist, dass das Arbeitsrecht bei einer Insolvenz nicht mehr greife. Tatsächlich aber gilt nach wie vor der Kündigungsschutz. «Die Insolvenz an sich ist kein Kündigungsgrund», sagt Wroblewski. Allerdings liegt die maximale Kündigungsfrist im Insolvenzfall bei drei Monaten. Längere Fristen verlieren ihre Gültigkeit, auch tarifvertraglich vereinbarte Unkündbarkeitsvereinbarungen können durchbrochen werden.
Wann müssen Arbeitnehmer Insolvenzgeld beantragen?
Doch der Fortbestand des grundsätzlichen Kündigungsschutzes hilft nicht unbedingt, erklärt Nathalie Oberthür, Anwältin für Arbeitsrecht in Köln. «Wenn kein Geld da ist, nutzt es auch nichts, dass man in Sachen Kündigungsschutz im Recht ist.» Ein großer Irrtum sei, dass viele Mitarbeiter glauben, ihr Anspruch auf Gehalt habe Vorrecht. Doch selbst wenn es schon monatelang kein Geld mehr gegeben hat, würden diese Ansprüche genauso behandelt wie Ansprüche anderer Gläubiger - und das verheißt oft nichts Gutes.
Auf der sicheren Seite ist man nur, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Insolvenz fortbesteht. «Doch meistens werden die Beschäftigten freigestellt», sagt Oberthür. Insofern könne es in bestimmten Situationen sogar besser sein, von sich aus zu kündigen. Sonst laufe man Gefahr, noch länger umsonst zu arbeiten. Um nicht ganz ohne Geld dazustehen, sei es wichtig, Insolvenzgeld bei der Bundesagentur für Arbeit zu beantragen.
Gibt es eine Abfindung?
Der Anspruch auf Insolvenzgeld erfasst allerdings bei bestehendem Arbeitsverhältnis nur die Ansprüche, die in den letzten drei Monaten vor der Eröffnung der Insolvenz erarbeitet worden sind. Daher wird das Insolvenzgeld auch nur drei Monate lang gezahlt. Wenn Beschäftigte gekündigt werden sollen, kann der Betriebsrat mit dem Insolvenzverwalter einen Sozialplan aushandeln. Dafür gelten in insolventen Unternehmen besondere Bedingungen. So dürfe der Topf für den Sozialplan nur so groß sein, dass rechnerisch jeder Mitarbeiter eine Abfindung in Höhe von bis zu zweieinhalb Monatsgehältern erhält, erläutert Oberthür.
Schwierig ist die Lage, wenn Vereinbarungen zu einer Abfindung vor der Insolvenz getätigt worden sind, das Geld jedoch noch nicht gezahlt wurde. Ähnlich wie ausstehende Löhne seien dies vor der Insolvenz entstandene Ansprüche, sagt Wroblewski. Und die würden in die normalen Insolvenzforderungen eingruppiert.
Kann der Arbeitnehmerschutz entfallen?
Welche Ansprüche Mitarbeiter nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens haben, hängt davon ab, ob und wie der Betrieb weitergeführt wird. Bleibt er erhalten oder wird er unter neuem Eigner in seiner Form unverändert weitergeführt, bleiben die Arbeitnehmerschutzvorschriften die gleichen. So will es Paragraf 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches. Kommt es dagegen zu einer zwischenzeitlichen Stilllegung, gilt der Bestandsschutz nicht.
Fotostrecken:
Kündigung korrekt? 12 Urteile
Vorstellungsgespräch- So wird's was
Berlins große Firmen im Portrait
Quelle: dpa
| Aktualisierung: Montag, 21. Februar 2011 13:22 Uhr
Kündigung
- Kündigung wegen Spesenbetrug: Arbeitgeber muss Täuschung nachweisen
- Krankschreibung: Gefälschtes Attest rechtfertigt Kündigung
- Pflichtverletzung rechtfertigt fristlose Kündigung
- Kündigungsschutzklage: Frist einhalten
- Rechtsschutzversicherung zahlt bei angedrohter Kündigung
- Kündigung: Innerhalb von drei Wochen dagegen klagen
- Massenentlassung: Kündigungsschutzprozess hat geringe Erfolgsaussicht
- Kündigung nicht für niedrigeren Altersdurchschnitt
- Sozialauswahl: Welche Kriterien die Kündigung regeln
- Betriebsbedingte Kündigung: Arbeitgeber muss Gründe vorlegen
- Änderungskündigung nur letztes Mittel
- Kündigunggespräch sollte direkter Vorgesetzter führen
- Kündigungsschreiben muss nicht persönlich übergeben werden
- Abmahnung muss sich auf konkreten Fall beziehen
- Kündigung bedarf konkreter Abmahnung
- Kündigung auch ohne Abmahnung möglich
- Kündigungsschutzprozess: Kein Recht auf Weiterbeschäftigung
- Schwerbehinderte genießen besonderen Kündigungsschutz
- Krankheitsbedingte Kündigung: Anderen Einsatzbereich prüfen
- Krankheit: Wann sie zur fristlosen Kündigung führt
- Krankheit: Arbeitgeber darf nicht mit Kündigung drohen
- Blaumachen mit Ansage: Kündigung droht
- Schwarzarbeit während Krankmeldung: Kündigung droht
- Privatjob trotz Krankheit: Keine fristlose Kündigung
- Nebenverdienst als Zuhälter ist Kündigungsgrund
- Firmeneigentum verschenkt: Kündigung droht
- Untreue: Anschreibenlassen ist kein Kündigungsgrund
- Kündigung: Nicht bei privatem Meckern über den Chef
- Beschimpfung von Kollegen: Kündigung droht
- Gewalt am Arbeitsplatz rechtfertigt Kündigung
- Pfandbons fälschen rechtfertigt Kündigung
- Strom-Klau am Arbeitsplatz kann zur Kündigung führen
- Raucherpausen begründen keine Kündigung
- PC-Muffel müssen mit Kündigung rechnen
- Führerschein abgelaufen: Busfahrer darf nicht fristlos gekündigt werden
- Kündigung droht: Nicht die Opferrolle einnehmen