Ergebnisse der Umfrage zur Arbeitsraumsituation von Berliner Künstlerinnen und Künstlern

Zur Bestandsaufnahme der Arbeitssituation von Berliner Künstlerinnen und Künstlern hat die Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten in Kooperation mit Einrichtungen und Verbänden aus der freien Szene Berlins Ende 2014 eine umfassende Online-Umfrage veranlasst. Insgesamt haben 2.207 Künstlerinnen und Künstler der Sparten Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Tanz und Musik an der Befragung teilgenommen.

Die Umfrage zeigt erstmals ein Gesamtbild der Bestände an Ateliers, Projekträumen, Proberäumen, Studios, Büroräumen und Lagerflächen, die sich direkt in künstlerischer Hand befinden, und offenbart den großen zusätzlichen Bedarf der künstlerischen Disziplinen Bildende und Darstellende Kunst, Tanz, Musik sowie der künstlerischen Projekträume an unterschiedlichen Arbeitsräumen.

Im Ergebnis zeigt die Umfrage einen akuten Mangel an Ateliers, Projekt- und Spielorten, Studios und Übungsräumen auf, insbesondere in den innerstädtischen Bezirken. Gut 1.300 Befragte (60 %) gaben an, derzeit auf der Suche nach einem geeigneten Arbeitsraum zu sein. Die Raumkosten sind für neun von zehn Künstlern das wichtigste Auswahlkriterium. Die Umfrage bestätigt die wahrgenommene Verteuerung von künstlerischen Arbeitsräumen in Berlin: Über 70 % der MusikerInnen und Darstellenden KünstlerInnen haben derzeit keinen Proberaum, weil sie sich keinen leisten können. Auch im Bereich Bildende Kunst herrscht akute Raumnot: 69 % der Bildenden KünstlerInnen und 84 % der ProjektraumbetreiberInnen schätzen ihre Arbeitsräume aufgrund von Mieterhöhung, Kündigung oder Umwandlung als bedroht ein.

Die Raumumfrage wurde in Kooperation mit Einrichtungen und Verbänden aus dem Bereich der freien Szene Berlins erstellt, weiterentwickelt und verteilt, darunter dem Atelierbeauftragten und Leiter des Atelierbüros im Kulturwerk des bbk berlin, dem Netzwerk freier Berliner Projekträume und –initiativen, dem LAFT Berlin, dem Tanzbüro Berlin, dem PAP Berlin und der INM.


Vorläufige Ergebnisse der einzelnen künstlerischen Sparten:


Bildende Kunst

In der Bildenden Kunst haben sich insgesamt 1.242 Künstlerinnen und Künstler an der Umfrage beteiligt. Das ist im Vergleich zu den anderen Sparten der größte Rücklauf. Von 1.242 Antwortenden aus der Bildenden Kunst suchen 728 derzeit ein Atelier. Gesucht werden im Schnitt ca. 35 qm in Innenstadtbereichen bei einer Nutzungsdauer von über zwei Jahren. 605 Antwortende haben Interesse an einem Wohnatelier. Die Kosten sind das wichtigste Auswahlkriterium. Die Hälfte der Befragten können sich kein Atelier leisten, das über 250 Euro kostet. Vor allem die steigenden Mietpreise, die Atelierverdrängung und der Mangel an bezahlbaren Arbeitsräumen werden von Künstlerinnen und Künstlern hervorgehoben. Ein Großteil des Arbeitsraumbestands ist akut gefährdet: Zweidrittel der antwortenden Kunstschaffenden schätzen ihr Atelier aufgrund von Mieterhöhung, Kündigung oder Umwandlung als bedroht ein. Bei Künstlerinnen und Künstlern ohne Atelierförderung beispielsweise über das Atelierprogramm des Berliner Senats schätzen sogar 98 % der Antwortenden ihre Arbeitsräume als akut oder in der nächsten Zeit bedroht ein. Die Ateliersuche ist für viele zu einem Dauerzustand geworden. Demnach suchen 300 Antwortende ein Atelier, obwohl sie derzeit über eins verfügen.
Sichere, trockene Lagerräume mit flexiblen Öffnungszeiten, angrenzend oder in der Nähe der Ateliers gelegen, sind für viele Künstlerinnen und Künstler ein Thema. 517 Antwortende suchen aktuell ein Lager von etwa 15 qm. Im Schnitt wird etwa ein Viertel der Atelierfläche als Lager genutzt. Auch bei Lagerräumen sind die Kosten das wichtigste Auswahlkriterium.


Musik

An der Raumumfrage im Bereich Musik beteiligten sich 382 Musikerinnen und Musiker, mit Schwerpunkten in den Bereichen Neue Musik, Pop und Jazz. Weit über die Hälfte der Antwortenden suchen aktuell nach Proberäumen. Breite Zustimmung erhielt das flexible und mit projektbasiertem Arbeiten vereinbare Modell des vom Berliner Senat geförderten Proberaumes Vivaldisaal. Dieser steht professionellen, frei arbeitenden Ensembles und Gruppen der Neuen Musik mit Sitz in Berlin kostenfrei zur Verfügung und wird von der initiative neue musik berlin e.V. (inm) verwaltet. Zusätzlich zu einem weiteren konstant verfügbaren Raum in der Größe und mit der Ausstattung des Vivaldisaals besteht Bedarf an ähnlich disponierten kleineren Proberäumen zwischen 20 und 25 qm in Innenstadtlage für solistisch Arbeitende sowie Duos und Trios im Bereich zeitgenössischer/aktueller Musik und Jazz. Wegen der grundsätzlich knappen Mittel für die Realisierung von Projekten sind viele Musikerinnen und Musiker nicht in der Lage, für einen Proberaum zu bezahlen: Die Mehrheit der Musikerinnen und Musiker ohne Proberaum verzichten deswegen darauf, weil sie sich keinen leisten können. In Kommentaren wurde die Entwicklung von kostenfreien Probeflächen mit größeren und kleineren Proberäumen sowie interdisziplinär, zum Beispiel zusammen mit Musiktheatern, nutzbaren Flächen angeregt.


Darstellende Kunst / Tanz

Die 358 Rückläufe auf die Raumumfrage für die Darstellende Kunst kamen schwerpunkmäßig aus den Bereichen Theater, Performance und Tanz, aber auch das Figurentheater, Kinder und Jugendtheater, Musiktheater, Installations und interdisziplinär arbeitende KünstlerInnen waren vertreten. Die unterschiedlichen Bedarfe der jeweiligen künstlerischen Schwerpunkte sowie zwischen EinzelkünstlerInnen und Gruppen bedingen differenzierte Raumkonzepte. Bedarf für Proberäume haben 253 Antwortende angemeldet, das sind knapp Dreiviertel der KünstlerInnen. Zwar werden vorrangig projektbezogene, temporäre Proberäume gesucht, aber auch eine wochen-, monats- und sogar stundenweise Nutzungsregelung sowie langfristige Verträge sind gefragt. Gruppen sowie Tänzerinnen und Tänzer benötigen etwas größere Produktionsräume. Bedarf besteht ebenso an Arbeitsräumen für produktionsunterstützende Arbeit, etwa für Konzeption, Organisation und Besprechungen. Darstellende Künstlerinnen und Künstler aus den Bereichen Sprechtheater und Performance suchen zudem Lagerräume für Requisiten. Der konkrete Bedarf an technischer Ausrüstung und Ausstattung der Proberäume unterscheidet sich je nach künstlerischem Schwerpunkt. Es zeichnet sich ab, dass sowohl kleinere und kostengünstige Proberäume als auch gut ausgestattete Probe- und Werkstattbühnen gebraucht werden. Breite Zustimmung erhielt das Modell Theaterhaus Mitte, welches Proberäume unterschiedlicher Größe und Ausstattung sowie eine Werkstattbühne und Lagerflächen anbietet. Angeregt wird eine flexible und unbürokratische Verwaltung von Proberäumen.


Projekträume

Die Projekträume nehmen eine Sonderposition ein, da sie nicht nur künstlerische Produktionsorte, sondern auch Präsentationsorte sind. Die Raumumfrage der Projekträume beantworteten 225 Personen, wobei von einer Teilnahme von insgesamt 120 Projekträumen auszugehen ist. Auch bei den Projekträumen zeichnet sich ein großer Bedarf an innerstädtischen, finanzierbaren Räumen ab. Der Flächenbedarf liegt bei durchschnittlich mindestens 90 qm, die Kostenfrage ist auch hier wichtig, hinzukommen aufgrund des Publikumsverkehrs eine gute Zugänglichkeit und eine möglichst zentrale Lage. Ein Ergebnis der Umfrage ist die sich abzeichnende Raumnot und Verdrängung der Projekträume. Viele Antwortende berichten von einem sehr reduzierten Angebot an bezahlbaren Flächen. Die Mieten seien zuletzt so drastisch gestiegen, dass viele Räume, die zuvor als Projekträume hätten genutzt werden können, nun leer stünden. Auch der Bestand ist gefährdet: 84 % der Antwortenden schätzen ihre aktuellen Räume in der nächsten Zeit durch Mieterhöhung, Kündigung oder Umwandlung als bedroht ein. Die Umfrage bestätigt die Professionalisierung der Projekträume. Wo sich viele Projekträume auf Zwischennutzungsbasis gründeten, ihre Arbeit auch nur mit sehr geringen Mieten oder auf Betriebskostenniveau gewährleistet war, ist aktuell vor allem Kontinuität gefragt. So streben heute viele Projekträume eine Nutzungsdauer von über zwei Jahren an.


Literatur

Als einzige Kunstsparte war die Literatur nicht an der Erstellung und Durchführung der Raumumfrage beteiligt. Der Grund hierfür ist allerdings nicht, dass in dieser Kunstsparte kein Bedarf an Produktionsräumen bestünde, vielmehr fehlte bislang ein geeigneter institutionell organisierter Ansprechpartner aus diesem Bereich. An dem weiteren, unten dargestellten Prozess werden auch VertreterInnen der freien Literaturszene beteiligt.


Ausblick

Auf Basis der bekannten Raumbedarfe strebt die Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten eine wesentliche Aufstockung der Mittel für Arbeitsräume im Rahmen des Doppelhaushaltes 2016/17 an.

Zur Präzisierung der Raumbedarfe und zur Planung konkreter Maßnahmen kooperiert die Senatskanzlei mit dem Ende 2014 gegründeten Arbeitskreis Räume der Koalition der freien Szene.

„Förderstrategien räumlicher Infrastruktur für künstlerische Arbeit“ ist Thema eines von der der Koalition der Freien Szene in Kooperation mit der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten veranstalteten Workshops, welcher vom Arbeitskreis Räume und dem Atelierbeauftragten und Leiter des Atelierbüros im Kulturwerk des bbk berlin koordiniert wird. Dieser Workshop, an dem auch Tim Renner, Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten, teilnehmen wird, findet am 21. April 2015 statt. Ziel des Workshops ist die Formulierung spartenspezifischer Strategien, die Definition von Synergien und spartenübergreifenden Handlungsperspektiven.

Wir bedanken uns bei allen Künstlerinnen und Künstlern, die sich für die Raumumfrage Zeit genommen haben!

  • Ergebnisse der Raumumfrage aus dem Jahr 2014

    PDF-Dokument (49.0 kB) - Stand: April 2020