Ausbildung in Zeiten der Pandemie: Öffentlicher Dienst als attraktiver Arbeitgeber in der Migrationsgesellschaft

Pressemitteilung vom 17.09.2020

Korrektur vom 21.09.2020: Ein Zahlenwert im Text musste berichtigt werden. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Das Land Berlin plant 4228 Ausbildungsplätze für das Jahr 2020 anzubieten: Dies umfasst Plätze in der Hauptverwaltung, den Bezirken sowie Landesunternehmen. Damit stellen die Hauptverwaltung und die Bezirke 397 Plätze mehr zur Verfügung als im vergangenen Jahr. Dieser Zuwachs bietet dem Land Berlin als Arbeitgeber auch die Möglichkeit, mehr Jugendliche mit Migrationsgeschichte einzustellen – und damit die Vielfalt der Stadtgesellschaft in den eigenen Reihen abzubilden. Dafür braucht es eine gesetzliche Grundlage und ein Vielfaltsmanagement auf allen Hierarchieebenen. Dieses Ziel verfolgt die Berliner Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial im Rahmen der Novellierung des Gesetzes für Partizipation und Integration. Wie eine vielfaltsgerechte Öffnung gelingen kann – trotz dem Corona-Knick auf dem Ausbildungsmarkt – erklärte sie heute mit Vertreter*innen aus Gewerkschaft, dem Öffentlichem Dienst und landeseigenen Betrieben.

Hintergrund der gemeinsamen Stellungnahme ist die aktuelle Lage auf dem Ausbildungsmarkt. Diese war schon vor Corona angespannt, da zu wenige privatwirtschaftliche Unternehmen selbst ausbilden. Durch die Pandemie steigt der Druck weiter: Sowohl die Zahl der angebotenen Lehrstellen als auch die Zahl der Bewerbenden ist laut Bundesagentur für Arbeit bundesweit um 8 Prozent zurückgegangen. Aktuell bildet nur noch jeder fünfte Betrieb in Deutschland aus. Das hat fatale Folgen, denn ohne einen Berufsabschluss drohen oftmals eine prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne. Für junge Menschen mit Migrationsgeschichte und Erfahrungen sozialer Benachteiligung ist dieses Risiko besonders hoch.

Katarina Niewiedzial, Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration: „Jedes Jahr verlassen etwa 25.000 bis 30.000 junge Menschen die Berliner Schulen. An den Sekundarschulen haben rund 45 Prozent der Schulabgänger eine eigene bzw. eine familiäre Migrationsgeschichte. Die Vielfalt in den Schulklassen spiegelt sich aber noch immer nicht in der Verwaltung. Deshalb möchte ich Ausbildungsplätze mit jungen Menschen mit Migrationsgeschichte besetzen – entsprechend ihrem Anteil an der Berliner Bevölkerung. Ich möchte mit allen Akteuren in der Verwaltung verbindlich vereinbaren, wie wir Vielfalt systematisch in der Ausbildung verankern. Dafür brauchen wir klare Zielgrößen. Aktuell arbeite ich an der Novellierung des Partizipations- und Integrationsgesetzes: Darin geregelt ist auch der bessere Zugang und die Förderung von jungen Menschen mit familiärer Migrationsgeschichte. Berlin braucht Dich! als Programm ist ein wichtiger Pfei-ler meiner Strategie.“

Martin Hikel, Neuköllner Bezirksbürgermeister: „Wir wollen, dass sich die Vielfalt in Neukölln auch bei uns im Bezirksamt widerspiegelt. Für uns ist diese Vielfalt Normalität. Integration bedeutet für uns die Befähigung zur gleichberechtigten Teilhabe an unserer Gesellschaft – und so verfahren wir auch bei der Personalentwicklung und der Ausbildung in der Verwaltung. Positive Role Models im Bezirksamt führen zu mehr Diversity in der Ausbildung und stärken auch unsere Glaubwürdigkeit als Dienstleister für alle Neuköllner*innen. Gleichzeitig legen wir einen Fokus auf die Veränderung von stereotypen Haltungen und Denkweisen.“

Carolin Hasenpusch, Bezirksjugendsekretärin des DGB Berlin-Brandenburg:
„Die strukturellen Probleme auf dem Ausbildungsmarkt werden als Folge der Corona-Pandemie weiter verschärft. Potenziell ausbildungsinteressierte junge Menschen bekommen nicht die Unterstützung bei der beruflichen Orientierung, die sie dringend benötigen. Alarmierend sind auch die wachsenden berufsfachlichen Passungsprobleme. Wir fordern daher eine Fokussierung auf Unterstützungsangebote am Übergang Schule Ausbildung – gezielt auch für Jugendliche mit Migrationsgeschichte. Das hilft sowohl Jugendlichen als auch Betrieben bei der Orientierung.“

Karl-Heinz Wanninger, Leiter der Ausbildungsbehörde bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport: „In der wachsenden Stadt ist der Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften für die Verwaltung anhaltend hoch. Deshalb ist es schon aus diesem Grund dringend notwendig, weitere Zielgruppen für eine qualifizierte Verwaltungsausbildung zu gewinnen. Ein wichtiges Werkzeug sind die Berlin braucht dich! Vereinbarungen zur „Erprobung neuer Zugänge in die Ausbildung“. Darin werden konkrete Schritte und Maßnahmen definiert, damit Jugendliche mit Migrationsgeschichte besser in der Ausbildung ankommen und diese erfolgreich absolvieren. Wir erproben in der Innenverwaltung derzeit den Zugang über ein erfolgreiches Praktikum. Erste Erfahrungen sind ermutigend: Vor kurzem konnte die erste Bewerberin über diesen alternativen Weg bei uns ihre Ausbildung beginnen.“

Judith Heepe, Pflegedirektorin der Charité − Universitätsmedizin Berlin:
„Damit aus dem Fachkräftemangel in den nächsten Jahren kein Pflegenotstand wird, ist es unser Ziel die Ausbildungskapazitäten zu erweitern. Dafür möchten wir auch junge Menschen mit Migrationsgeschichte stärker an unser Unternehmen binden und für die Pflegberufe begeistern. Gerade jetzt unter Corona ist ein frühzeitiges Werben, Fördern und Befähigen entscheidend.“