Infrastruktur

Junger Mann lässt sich von einer Frau beraten

Freie Träger

Die für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung fördert über das Integrierte Gesundheitsprogramm (IGP) zwölf Projekte mit unterschiedlicher Zielgruppenorientierung. Zu den Leistungen der Projekte gehört die Primärprävention, die die Verhinderung einer Infektion zum Ziel hat. Daneben bieten sie Sekundär- und Tertiärprävention an (z. B. Pflege und Sterbebegleitung). Die Angebote der Projekte sind überbezirklich und niedrigschwellig ausgerichtet, was dem Bedürfnis der Klientel nach Anonymität entspricht. Der größte Teil richtet sich an die Zielgruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM).

Zu den Leistungen gehören Beratung und Begleitung, Testberatung, -vermittlung und -durchführung, medizinische Hilfen, Vermittlung zu anderen Hilfen, Wohnraumakquise sowie die Pflege von Infizierten. Weitere Angebote sind Gesprächsgruppen, Freizeitangebote, Szenearbeit sowie Safer-Sex-Utensilien und (seltener) Safer-Use-Materialien. Die Präventionsarbeit findet in den Projekten, an Szeneorten und während einschlägiger Veranstaltungen statt, aber auch in Justizvollzugsanstalten, Schulen und Bildungseinrichtungen.

Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD): Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung

In 2008 wurden in Berlin fünf Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung gegründet, die aus den ehemaligen bezirklichen Beratungsstellen für sexuell übertragbare Krankheiten und Aids sowie den sozialmedizinischen Diensten hervorgegangen sind. Das Aufgabenspektrum der Zentren umfasst medizinische Versorgung, individuelle qualifizierte Beratung von KlientInnen und ggf. Weitervermittlung (z. B. an freie Träger), sozialpädagogische Arbeit sowie Prävention, Information und Öffentlichkeitsarbeit.

Zielgruppe der Zentren im Bereich “Sexuelle Gesundheit” ist die Allgemeinbevölkerung und insbesondere Menschen, die sozial nicht abgesichert und/oder sprachlich nicht integriert sind. Die Zentren halten aber auch Angebote für spezielle Zielgruppen vor, wie z. B. für Frauen in der Sexarbeit sowie SchülerInnen bzw. Jugendliche. Die Präventionsangebote für SchülerInnen bzw. Jugendliche richten sich vorrangig an Hauptschulen und Schulen für Lernbehinderte sowie Jugendzentren und Ausbildungseinrichtungen.

Die Zentren befinden sich in den folgenden Bezirken:

Das Zentrum Mitte hat zwei Standorte: einen im Ortsteil Wedding und einen im Ortsteil Tiergarten. Am Standort im Wedding werden Leistungen des sozialmedizinischen Dienstes erbracht. Am Standort in Tiergarten werden Aufgaben im Bereich HIV/Aids/STI wahrgenommen. Das Zentrum Steglitz-Zehlendorf erbringt ausschließlich sozialmedizinische Leistungen.

Stationäre Versorgung

Seit über 25 Jahren gibt es in Berlin das “Schöneberger Modell”, ein Netzwerk aus Kliniken, HIV-Schwerpunktpraxen und freien Trägern zur Behandlung und Betreuung HIV-infizierter Menschen. Das Schöneberger Modell hat seinen Ursprung im Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum (AVK), in dem Mitte der 80er Jahre die ersten Aids-Patient(inn)en behandelt wurden. Das Modell wirkt seit langem bezirksübergreifend für ganz Berlin.

Die Kooperation und der Austausch zwischen dem Auguste-Viktoria-Klinikum und HIV-Schwerpunktpraxen basiert auf einem Vertrauensverhältnis. Die Schwerpunktpraxen weisen PatientInnen ein mit der klaren Vorgabe, was im Klinikum zu tun ist; das Klinikum wiederum setzt diese Vorgaben um oder konsultiert bei Bedarf die behandelnden Ärztinnen und Ärzte in den Schwerpunktpraxen. Darüber hinaus wurden Fortbildungen für Ärztinnen und Ärzte durch das Klinikum angeboten und mit hoher Beteiligung durchgeführt.

Das Schöneberger Modell fängt mit ambulanten und stationären Angeboten 80 bis 90 Prozent aller Berliner HIV-/Aids-PatientInnen auf. Nach den Therapiefortschritten in den 90er Jahren erfolgte eine Verlagerung der Behandlung in den ambulanten Bereich und im Zuge dessen ein Ausbau der ambulanten Angebote. Über 50 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie Zahnärztinnen und Zahnärzte haben sich im Arbeitskreis Aids niedergelassener Ärzte Berlin e. V. zusammengeschlossen.

Im AVK gibt es zwei Spezialstationen für HIV/Aids, in die die HIV-Schwerpunktpraxen und Fachärztinnen und -ärzte ihre Patienten bei Bedarf zur vollstationären Behandlung einweisen lassen können. Weiterer zentraler Bestandteil des Modells ist der Zugang des Berliner Aids-Hilfe e. V. zu den Patienten auf den Stationen. Sie leistet dort Beratungs- und Betreuungsarbeit, vermittelt Pflegeeinrichtungen und Betreuungsdienste. Anlaufstellen für umfassende Diagnostik sowie für Infusionen sind die Tageskliniken im AVK und Charité-Virchow-Klinikum.

Psychosoziale Versorgung

Aufgrund der steigenden Lebenserwartung von Menschen mit HIV/Aids infolge verbesserter Therapiemöglichkeiten und des damit einhergehenden veränderten Krankheitsbildes ist der Bedarf an psychosozialer Betreuung von Menschen mit HIV und Aids erheblich gestiegen. Dies trifft vor allem auf Menschen aus finanziell schwächeren Schichten zu, die von erheblichen sozialen Schwierigkeiten und Multimorbidität (Mehrfacherkrankungen) geprägt sind. Ein weiteres Merkmal dieses Personenkreises ist der polytoxikomane Drogenkonsum, also der gleichzeitige Konsum mehrerer verschiedener Substanzen. Ein Großteil der Betroffenen ist dabei mit Hepatitis C (HCV) koinfiziert.

Im Handlungsfeld HIV/Aids, sexuell übertragbare Erkrankungen und Hepatitiden gibt es zwei von der Senatsverwaltung finanzierte Projekte, die im Rahmen der Eingliederungshilfe Betreutes Wohnen für an Aids und/oder an chronischer Hepatitis C erkrankte Menschen anbieten. Dies sind zum einen die Zuhause im Kiez gGmbH, die bereits seit 1989 in diesem speziellen Hilfegebiet tätig ist, und zum anderen die Schwulenberatung Berlin gGmbH. Die Angebote der beiden Einrichtungen kommen in Frage für Betroffene,
  • deren Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen und psychischen Störungen (einschließlich Suchterkrankungen) nicht ohne professionelle Hilfe kompensiert werden können,
  • bei denen eine ambulante ärztliche und/oder psychotherapeutische Behandlung nicht ausreicht oder nicht möglich ist,
  • bei denen andere Leistungen, die von vorrangigen Leistungsträgern finanziert werden, ergänzt werden müssen.

Hauptziel der beiden Träger ist die Unterstützung von sozial benachteiligten Menschen mit chronischer Erkrankung bei einem möglichst selbstbestimmten und selbständigen Leben in geeignetem, auf den individuellen Bedarf abgestimmten Wohnraum als zentralem Ort der Lebensgestaltung. Die Wohnformen umfassen therapeutisch betreutes Einzelwohnen in Wohnprojekten oder Projektwohnungen sowie therapeutisch betreute Wohngemeinschaften. Darüber hinaus halten beide Einrichtungen je eine therapeutisch betreute (Beschäftigungs-)Tagesstätte vor.

Seit Anfang 2013 gibt es in Berlin einen neuen Leistungstypen für die psychosoziale Betreuung von seelisch behinderten Menschen mit HIV/Aids und/oder chronischer Hepatitis C. Er ist bislang einmalig in der Bundesrepublik. Die Versorgung umfasst psychosoziale Leistungen durch einen ambulanten Dienst in zeitlich beschränktem Umfang zur Nachsorge, Heranführung sowie Vermeidung eines höheren Hilfebedarfs. Das Angebot richtet sich an Klientinnen und Klienten, die noch nicht in der Lage sind, ein komplett eigenständiges Leben zu führen, aber keine intensive Betreuung mehr benötigen.