Europa in der Senatsverwaltung für Finanzen

Rückblick

Haushalt Einnahmen Ausgaben

Das Arbeitsprogramm 2021 der Europäischen Kommission (KOM) trug den Titel „Eine vitale Union in einer fragilen Welt“. Die strategische Planung, die das Arbeitsprogramm 2020 geprägt hatte, sollte mit dem neuen Arbeitsprogramm umgesetzt werden. Die sechs übergreifenden Ziele, die im Arbeitsprogramm 2020 formuliert worden waren (Green Deal, Digitale Transformation, Wirtschaft im Dienste der Menschen, Stärkeres Europa in der Welt, Förderung der europäischen Lebensweise, Neuer Schwung für die Demokratie in Europa) sollten durch neue Legislativinitiativen und die Überarbeitung bestehender Rechtsvorschriften konkret in Angriff genommen werden. Die Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie stand allerdings auch weiter im Fokus der europäischen Maßnahmen. Seit Beginn der Pandemie wurden insgesamt mehr als 2.326 Maßnahmen eingeleitet, um den Mitgliedstaaten Unterstützung zu leisten.

Im Bereich Finanzen war das zentrale Thema die Umsetzung des zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament (EP) vereinbarten Finanzpakets mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und dem Wiederaufbauinstrument NextGenerationEU (NGEU). Erst die Ratifizierung des Eigenmittelbeschlusses durch die Mitgliedstaaten erlaubte der KOM, die erforderlichen Kredite auf dem Kapitalmarkt aufzunehmen. Die KOM legte am 22.12.2021 gemäß dem Eigenmittelbeschluss ihre Vorschläge für neue Eigenmittel zwecks Rückzahlung der Kredite vor. Auch das Europäische Semester 2021 wurde insbesondere zwecks Abstimmung mit der Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, RRF), das Herzstück vom Wiederaufbauinstrument NGEU, vorübergehend angepasst und wich damit von seinem etablierten Ablauf ab.

Mit den EU-Bankenvorschriften wurde die Umsetzung der Basel-III-Vereinbarung in der EU abgeschlossen. Des Weiteren stellte das Paket zur Kapitalmarktunion ein wichtiges Instrument dar, um nachhaltiges Wachstum zu fördern und sicherzustellen, dass Unternehmen in der EU einen ausreichenden Zugang zu Finanzmitteln haben.

Im Bereich Steuern legte die Kommission im Mai 2021 eine Mitteilung mit dem Titel „Eine Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert“ vor. Darin wurde eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, um Steuergerechtigkeit und -transparenz zu verbessern und eine langfristige Vision für ein System für die Unternehmensbesteuerung in der EU zu entwickeln. Gleichzeitig beteiligte sich die KOM intensiv an den internationalen Beratungen über die Reform der Besteuerung multinationaler Konzerne, die letztlich sicherstellen soll, dass alle Unternehmen unabhängig davon, wo sie tätig sind, fair besteuert werden. Diese Gespräche führten zu der von 136 Ländern erzielten historischen Übereinkunft über eine internationale Steuerreform, die im Juli 2021 von den Finanzministern der G20 gebilligt wurde.

Europäisches Semester

Das Instrument des „Europäischen Semesters“ wurde im Juni 2010 vom Europäischen Rat beschlossen und erstmalig im Jahr 2011 durchgeführt. Mit ihm hat die EU einen jährlichen Zyklus der wirtschaftspolitischen Koordinierung etabliert. Jedes Jahr nimmt die KOM eine eingehende Analyse der haushaltspolitischen, makroökonomischen und strukturellen Reformpläne jedes einzelnen Mitgliedstaates vor und gibt dazu spezifische Reformempfehlungen. Die Empfehlungen orientieren sich an den Zielen der langfristigen EU-Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Zusammen mit ihren Stabilitätsprogrammen übermitteln die Mitgliedstaaten ihre Nationalen Reformprogramme an die KOM und legen dar, wie sie die auf europäischer Ebene im Rahmen des Semesters vereinbarten Ziele in ihren nationalen Politiken umsetzen. In Deutschland ist für das Nationale Reformprogramm das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz federführend zuständig. Aufgabe der Länder ist es, Themenbeiträge im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu liefern. Diese Beiträge werden vorab über die Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder koordiniert. Die Senatsverwaltung für Finanzen speist über die Konferenz der Finanzministerinnen und Finanzminister ihre Anliegen ein und wirkt so aktiv an der Erstellung des Nationalen Reformprogramms der Bundesrepublik Deutschland mit.

Das Europäische Semester 2021 wurde insbesondere zwecks Abstimmung mit der Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, RRF) vorübergehend angepasst und wich damit von seinem etablierten Ablauf ab. Auch in den nächsten Jahren wird die Umsetzung der RRF eine wesentliche Rolle im Europäischen Semester spielen. Um Mittel aus der RRF zu erhalten, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, nationale Aufbau- und Resilienzpläne (ARP) zu erstellen. Die ARP enthalten Pakete aus Reformen und Investitionen. Sie sollen insbesondere die im Europäischen Semester identifizierten länderspezifischen Herausforderungen adressieren und zum ökologischen und digitalen Wandel beitragen. Mindestens 37 Prozent der Mittel sollen dem ökologischen Wandel und mindestens 20 Prozent der Digitalisierung zufließen.

Am 17. September 2020 veröffentlichte die KOM ihre jährliche Strategie für nachhaltiges Wachstum 2021 (Annual Sustainable Growth Strategy, ASGS) und zog damit die Eröffnung des Europäischen Semesters 2021 vor. Normalerweise erfolgt die Vorlage des ASGS im November als Teil des Herbstpakets. Mit der ASGS 2020 hatte die KOM eine neue Wachstumsstrategie auf der Grundlage des europäischen Green Deals und des Konzepts der wettbewerbsfähigen Nachhaltigkeit auf den Weg gebracht. Die ASGS 2021 setzte die letztjährige ASGS fort. Die darin genannten vier Dimensionen – ökologische Nachhaltigkeit, Produktivität, Gerechtigkeit und makroökonomische Stabilität – dienten weiterhin als Leitprinzipien, an denen sich die ARP der Mitgliedstaaten ausrichten sollten. Mit Vorlage der ASGS 2021 präsentierte die KOM nicht nur ihre Strategie zur wirtschaftlichen Erholung nach der COVID-19-Krise, sondern auch die oben genannten temporären Anpassungen für den Semesterzyklus 2021, um die Fristensetzungen der RRF und des Semesterprozesses miteinander zu vereinen und Doppelungen zu vermeiden. Die Länderberichte der KOM wurden durch eine Analyse der nationalen ARP ersetzt, welche die KOM zusammen mit dem Entwurf der Durchführungsbeschlüsse des Rats zur Billigung der Bewertung des jeweiligen ARP vorlegte. Gleichzeitig haben die länderspezifischen Empfehlungen insgesamt aber eine höhere politische Aufmerksamkeit erhalten, weil alle oder ein wesentlicher Teil der Empfehlungen durch die ARP adressiert werden mussten. Damit wurde die Umsetzung von länderspezifischen Empfehlungen erstmalig auch direkt an die Bereitstellung von EU-Mitteln geknüpft. Zudem hat die KOM in diesem Semesterzyklus nur haushaltspolitische Empfehlungen formuliert. Die Umsetzung der strukturellen Empfehlungen aus den Jahren 2019 und 2020 wurden aber weiterhin überwacht.

Die KOM hat am 22.06.2021 den von Deutschland eingereichten ARP nach den Kriterien der RRF-Verordnung positiv bewertet. Dabei wurde insbesondere analysiert, ob die von Deutschland geplanten Investitionen und Reformen den ökologischen und digitalen Wandel vorantreiben, ob sie zur wirksamen Bewältigung der im Rahmen des Europäischen Semesters ermittelten Herausforderungen beitragen und ob sie das Wachstumspotenzial, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die wirtschaftliche und soziale Resilienz stärken. Während der Laufzeit des Plans soll Deutschland insgesamt 25,6 Mrd. EUR erhalten, die in voller Höhe als Zuschüsse gezahlt werden. Die Mittel werden in Deutschland eingesetzt, um die bereits 2020 auf Bundesebene beschlossenen Maßnahmen aus Anlass der Corona-Pandemie zu refinanzieren. Die Senatsverwaltung für Finanzen hätte stattdessen bevorzugt, wenn die Länder, die für die Umsetzung der meisten Maßnahmen verantwortlich sind, selbst über die Mittelverwendung hätten entscheiden können. Am 26.08.2021 zahlte die KOM 2,25 Mrd. EUR als Vorfinanzierung an Deutschland und damit 9 % der Mittel, die Deutschland insgesamt aus der RRF erhalten soll, aus. Weitere Auszahlungen wird die KOM ausgehend davon genehmigen, wie die im deutschen ARP vorgesehenen Investitionen und Reformen umgesetzt werden.

Mehrjähriger Finanzrahmen, Wiederaufbauinstrument und neue Eigenmittel

Der langfristige EU-Haushalt für 2021-2027 umfasst zusammen mit dem Wiederaufbauinstrument NextGenerationEU (NGEU) 2,018 Billionen EUR zu jeweiligen Preisen (1,8 Billionen EUR zu Preisen von 2018). Das Paket besteht aus dem langfristigen Haushalt, dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 in Höhe von 1,211 Billionen EUR zu jeweiligen Preisen (1,074 Billionen EUR zu Preisen von 2018), und dem damit verbundenen Wiederaufbauinstrument NGEU in Höhe von 806,9 Mrd. EUR (750 Mrd. EUR zu Preisen von 2018). Das Herzstück von NGEU ist die Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF). Diese wurde im Februar 2021 ins Leben gerufen und bietet bis zu 723,8 Mrd. EUR (zu jeweiligen Preisen) an Zuschüssen und Darlehen zur Unterstützung von Reformen und Investitionen in den Mitgliedstaaten. RRF ist ein leistungsorientiertes Instrument, und die Auszahlung der Mittel ist davon abhängig, dass die vereinbarten Etappenziele und Zielvorgaben zufriedenstellend erreicht werden. Um davon profitieren zu können, müssen die Mitgliedstaaten der KOM nationale Pläne mit den von ihnen bis Ende 2026 geplanten Reformen und Investitionen vorlegen. Bis Ende 2021 hatte die KOM im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität 22 der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne im Wert von mehr als 445 Mrd. EUR (von den verfügbaren 723,8 Mrd. EUR) positiv bewertet. Diese Pläne wurden anschließend vom Rat gebilligt.

Für die Umsetzung des NGEU haben alle Mitgliedstaaten den Eigenmittelbeschluss der EU nach ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften gebilligt. Das Bundesverfassungsgericht hat Eilanträge, mit denen ein Inkrafttreten des von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Ratifizierungsgesetzes verhindert werden sollte, abgelehnt. Das Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz trat in Deutschland am 28.04.2021 in Kraft.

Die KOM nahm sodann im Juni 2021 die erste Emission vor. Bis Ende des Jahres hatte sie insgesamt 71 Mrd. EUR über EU-Bonds und zusätzliche Mittel über kurzfristige EU-Bills mobilisiert. Dazu gehörte die erste grüne NGEU-Anleihe in Höhe von 12 Mrd. EUR. Sie wurde nach der Verabschiedung eines modernen Rahmens für grüne NGEU-Anleihen im September 2021 emittiert, mit der Anlegern garantiert wird, dass die mobilisierten Mittel „grünen“ – also nachhaltigen – Projekten zugewiesen werden. Alle Anleihen im Rahmen von NGEU sollen bis 2058 zurückgezahlt werden.

Die KOM hat vorgeschlagen, zur Unterstützung der Rückzahlung der aufgebrachten Mittel neue Einnahmequellen für den EU-Haushalt zu erschließen. Im Januar 2021 wurde eine Abgabe auf nicht recycelte Verpackungsabfälle aus Kunststoff eingeführt. Im Dezember 2021 schlug die Kommission die Einführung von drei neuen Eigenmittelkategorien für den EU-Haushalt vor: 1. Einnahmen aus dem Emissionshandel; 2. Ressourcen, die durch das vorgeschlagene CO2-Grenzausgleichssystem der EU generiert werden; sowie 3. Anteil der Residualgewinne multinationaler Unternehmen, die im Rahmen der künftigen Richtlinie zur Durchführung der globalen Vereinbarung über eine Neuzuweisung von Besteuerungsrechten den EU-Mitgliedstaaten neu zugewiesen werden. Diese Einnahmen werden auch zur Finanzierung des Klima-Sozialfonds beitragen, mit dem sichergestellt werden soll, dass der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft allen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommt. Bis Ende 2023 will die KOM weitere neue Eigenmittel vorschlagen.

Mit der Verordnung vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union war es im Rahmen der Verhandlungen zum MFR 2021-2027 erstmals ermöglicht worden, EU-Mittel für einen Mitgliedstaat bei Rechtsstaatsverletzungen zu kürzen. Allerdings müssen sich diese Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit auch auf den Schutz der finanziellen Interessen der EU bzw. die Haushaltsführung der Union auswirken, um Gelder kürzen zu können. Polen und Ungarn klagten 2021 erfolglos vor dem EuGH gegen das Instrument.

Die Senatsverwaltung für Finanzen hat über den Finanzausschuss des Bundesrates umfangreich zu den Vorschlägen der KOM für einen neuen MFR, zum Wiederaufbauinstrument sowie zum Eigenmittelbeschluss Stellung genommen. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat ebenfalls über die FMK sowie über den Finanzausschuss des Bundesrates eine intensivere Beteiligung der Länder bei der nationalen Umsetzung der RRF gefordert.

Stabilitäts- und Wachstumspakt

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) ist ein regelbasierter Rahmen für die Koordinierung und Überwachung der nationalen Finanzpolitiken in der EU. Im SWP wurden die Obergrenze des Schuldenstands mit 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sowie ein maximales Defizit von 3 Prozent des BIP dauerhaft festgeschrieben. Am 20. März 2020 aktivierte die KOM – aufgrund der Folgen der COVID-19-Pandemie auf die öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten – die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Diese Aktivierung wurde am 23. März 2020 durch den ECOFIN bestätigt und erlaubt den Mitgliedstaaten die Überschreitung der ansonsten geltenden Vorgaben für die Fiskalpolitik. Der Pakt wurde also nicht ausgesetzt, sondern es wurde die im Regelwerk vorgesehene Klausel für außergewöhnliche Situationen angewendet. Im weiteren Jahresverlauf wurde die Ausweichklausel auch für das Jahr 2021 aktiviert. Diese ermöglichte es den Mitgliedstaaten, vorübergehend von den strengen Haushaltsregeln abzuweichen und beträchtliche finanzielle Unterstützung zu leisten.

Vollendung der Bankenunion

Die Bankenunion ist ein Schlüsselelement der Wirtschafts- und Währungsunion der EU. Sie wurde als Reaktion auf die Finanzmarktkrise von 2008 und die sich daraus ergebende Staatsschuldenkrise im Euro-Raum geschaffen. Mit der Bankenunion soll sichergestellt werden, dass der Bankensektor im Euro-Währungsgebiet und in der EU integriert sowie insgesamt stabil, sicher und zuverlässig ist und somit zur Finanzstabilität beiträgt. Die Integration der Bankenmärkte dient dabei nicht zuletzt dem Ziel, den sog. Staaten-Banken-Nexus aufzulösen, der sich in der Finanzmarktkrise als Schwachstelle der Europäischen Währungsunion erwiesen hatte. Alle Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sind Teil der Bankenunion. Die nicht dem Euro-Raum angehörenden Mitgliedstaaten können der Bankenunion beitreten, indem sie eine enge Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank eingehen.

Am 27. Januar 2021 wurde das Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) unterzeichnet, nachdem Anfang Dezember 2020 eine Einigung zwischen den europäischen Finanzministerinnen und Finanzministern nach jahrelangem Verhandlungsprozess zur Reform des ESM erzielt wurde. Im Mittelpunkt der Reform steht der sog. Common Backstop, die Letztsicherung für den einheitlichen europäischen Bankenabwicklungsfonds (SRF). Der Common Backstop ermöglicht es dem ESM, als letzte Sicherungslinie Kredite an den SRF bereitzustellen, um Banken in Schieflage abzuwickeln. Das ist ein entscheidender Beitrag zur Wahrung der Finanzstabilität in der Währungsunion und zur Stärkung der Bankenunion. Die Rückzahlung der Kredite wird durch nachträglich erhobene Abgaben der Banken sichergestellt. Dafür wurden auch Änderungen des Intergouvernementalen Abkommens zur Bankenabgabe vereinbart. Der Abwicklungsfonds war ursprünglich erst für 2024 geplant. Die Euro-Finanzministerinnen und Finanzminister hatten im November 2020 vereinbart, den Start um zwei Jahre auf 2022 vorzuziehen.

Die Senatsverwaltung für Finanzen war an den Beratungen innerhalb des Finanzausschusses beteiligt und hatte gemeinsam mit einigen anderen Ländern im Rahmen einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zur Ratifizierung der ESM-Reform die damit zum Ausdruck kommende Stärkung der Stabilität des Euroraumes und die Weiterentwicklung des ESM als Krisenbewältigungsinstrument begrüßt. Der Bundesrat hat dem Gesetz zur Ratifizierung der ESM-Reform am 25.06.2021 zugestimmt. Allerdings wurde die Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten auf Grund von Eilanträgen von sieben Bundestagsabgeordneten der FDP beim Bundesverfassungsgericht vorläufig ausgesetzt. Die Beschwerdeführer sehen ihre Rechte als verletzt an, weil – ihrer Auffassung nach – die ESM-Reform eine ,,verfassungsändernde Qualität“ habe und deshalb die für Grundgesetzänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundestag nicht zustande gekommen sei. Über die Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht allerdings noch nicht entschieden.

Des Weiteren wurde im Oktober 2021 durch die KOM eine überarbeitete Fassung der EU-Bankenvorschriften angenommen, mit der die Umsetzung der Basel-III-Vereinbarung in der EU abgeschlossen wurde. Mit diesen neuen Vorschriften soll sichergestellt werden, dass die Banken in der EU besser für mögliche wirtschaftliche Schocks gewappnet werden und gleichzeitig einen Beitrag zur Erholung Europas von der COVID-19-Pandemie und zum Übergang zur Klimaneutralität leisten.

Steuern

Unternehmensbesteuerung

Im Mai 2021 legte die KOM eine Mitteilung mit dem Titel „Eine Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert“ vor. Darin wurde eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, um Steuergerechtigkeit und -transparenz zu verbessern und eine langfristige Vision für ein System für die Unternehmensbesteuerung in der EU zu entwickeln. Gleichzeitig beteiligte sich die Kommission – unter der deutschen Ratspräsidentschaft – intensiv an den internationalen Beratungen über die Reform der Besteuerung multinationaler Konzerne, die letztlich sicherstellen soll, dass alle Unternehmen unabhängig davon, wo sie tätig sind, fair besteuert werden. Diese Gespräche führten zu der von 136 Ländern erzielten historischen Übereinkunft über eine internationale Steuerreform, die im Juli von den Finanzministerinnen und Finanzministern der G20 gebilligt wurde.

In Umsetzung dieser internationalen Verständigung zielt ein von der KOM im Dezember 2021 vorgelegter Legislativvorschlag insbesondere darauf ab, das internationale Übereinkommen über die effektive Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmen, die zweite Säule der internationalen Übereinkunft, in der EU rasch umzusetzen. In dem Vorschlag wird dargelegt, wie der zugrunde gelegte effektive Mindeststeuersatz von 15 % in der EU in der Praxis ordnungsgemäß und einheitlich angewandt werden soll.

Die EU-KOM nahm darüber hinaus im Dezember 2021 eine neue Initiative zur Bekämpfung des Missbrauchs von Briefkastenfirmen zu unlauteren Steuerzwecken an. Mit dem Vorschlag soll sichergestellt werden, dass Unternehmen in der EU, die keine oder nur eine minimale Geschäftstätigkeit unterhalten, keine Steuervorteile in Anspruch nehmen können und die Steuerzahler nicht finanziell belasten.

Mehrwertsteuer-Digitalpaket

Mit dem Mehrwertsteuer-Digitalpaket sollen Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Umfeld verhindert und EU-weit einfachere Regelungen für die Umsatzsteuer ermöglicht werden. Zum 1. Juli 2021 traten die Änderungen im Zusammenhang mit der zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets in Kraft. Durch diese neuen Vorschriften verändern sich insbesondere die umsatzsteuerlichen Rahmenbedingungen für den Online-Handel. So wurden die Ortsvorschriften im Bereich des B2C-Versandhandels modifiziert (generelle Besteuerung am Ort des Verbrauchs), Betreiber elektronischer Schnittstellen in die Lieferkette bei bestimmten Online-Umsätzen eingebunden, neue Aufzeichnungspflichten für elektronische Plattformen eingeführt sowie das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS-EU, einzige Anlaufstelle für innergemeinschaftliche Fernverkäufe und Dienstleistungen von EU-Unternehmen), das Import-One-Stop-Shop-Verfahren (IOSS, einzige Anlaufstelle für die Einfuhr von Gegenständen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro aus Drittlandsgebieten) und das OSS-Nicht-EU-Verfahren (einzige Anlaufstelle für Dienstleistungen von Unternehmen außerhalb der EU) erweitert bzw. neu eingeführt.

In diesem Zusammenhang entfiel zum 1. Juli 2021 auch die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer für Waren in Kleinsendungen mit einem Wert bis zu 22 Euro. Mit der Streichung der Wertgrenze sollen faire Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen gesichert werden, denn bisher musste bei der Einfuhr von Warensendungen mit einem Wert bis zu 22 Euro aus Drittlandsgebieten keine Einfuhrumsatzsteuer bezahlt werden. Ab dem 1. Juli 2021 müssen grundsätzlich für alle Sendungen aus einem Drittland Zollanmeldungen abgegeben werden. Diese Aufgabe übernimmt in den meisten Fällen der Beförderer der Waren, also der zuständige Post- bzw. Kurierdienst oder der Onlinehändler selbst. Diese zahlen die fälligen Abgaben in der Regel unmittelbar an die Zoll- bzw. Steuerverwaltung.

Im Dezember 2021 haben sich die EU-Finanzministerinnen und -minister im Hinblick auf die von der KOM 2018 vorgeschlagene Aktualisierung der Vorgaben für die Mehrwertsteuersätze bzw. für die Anwendung ermäßigter Sätze geeinigt. Mit den neuen Vorschriften erhalten die Mitgliedstaaten einen größeren Spielraum bei der Gestaltung der Mehrwertsteuersätze. Gleichzeitig führen die aktualisierten Mehrwertsteuervorschriften zu einem größeren Einklang mit gemeinsamen klima- und gesundheitspolitischen Zielen sowie der Förderung der Digitalisierung in der EU.