Maßnahmen zur Reduzierung von Jobcenter-Streitigkeiten/ Klagen vor dem Sozialgericht
In einem gemeinsamen Projekt haben die Senatsverwaltung für
Justiz und Verbraucherschutz, das Sozialgericht Berlin, das
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg und die
Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für
Arbeit Vorschläge und Maßnahmen erarbeitet, um die Zahl der
Klagen und Eilanträge im Bereich der Grundsicherung für
Arbeitsuchende (Hartz IV) zu reduzieren.
Die Ergebnisse und Vorschläge wurden am Dienstag, 11.Dezember
2012, im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt.
Die Eckpunkte des Projektes:
- Die Bescheide sollen verständlicher, die Entscheidungen für Kunden nachvollziehbarer werden
- Die Kunden sollen – z.B. bei schwierigen Fallgestaltungen – vermehrt einbezogen werden
- Die Jobcenter arbeiten an der Verbesserung der Qualität der Entscheidungen in der Sachbearbeitung und im Widerspruchsverfahren
- Handlungsanweisungen für Bedarfsanmeldungen bei Unterkunft und Heizung werden fortlaufend ergänzt, um rechtskonforme Entscheidungen zu unterstützen
- Fortsetzung des regelmäßigen Erfahrungsaustausches zwischen dem Sozialgericht und den Jobcentern/der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg
- Das Sozialgericht fördert die Bearbeitung inhaltlich zusammengehöriger Verfahren durch dieselbe Richterin / denselben Richter.
- Fortführung gerichtsinterner Fortbildungen zum materiellen Recht und Prozessrecht.
Das sagen die Beteiligten:
“Wenn eine institutions-übergreifende Lenkungsgruppe
sich in nur fünf Monaten auf mehr als 30 Maßnahmen
verständigt, dann zeigt das zwei Dinge: Erstens eine enorme
Bereitschaft, mit vereinten Kräften ein gemeinsames Ziel zu
erreichen. Und zweitens: In Sachen Schnelligkeit und Effizienz
können wir es durchaus mit der freien Wirtschaft aufnehmen.
Wir reden hier schließlich nicht von ein paar Klagen weniger
pro Jahr sondern von Reduzierungen im vierstelligen Bereich“,
so Berlins Justiz- und Verbraucherschutzsenator Thomas
Heilmann, der die Durchführung des Projekts im Sommer
angeregt hatte.
Dieter Wagon, Chef der Regionaldirektion
Berlin-Brandenburg:
„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern
bewältigen tagtäglich einen Rechtsbereich der Sozialpolitik
mit höchster Komplexität und einer Vielzahl an unbestimmten
Rechtsbegriffen. Diese Aufgaben erledigen sie in einer noch
immer relativ jungen Rechtsmaterie, so dass auch aus diesem
Grund erhöhter Klärungsbedarf von Einzelfragen durch die
Rechtsprechung besteht. Um hier nun auch in Berlin eine
Optimierung der Situation bei den Streitigkeiten der Jobcenter
herbeizuführen, gab es erstmals ein gemeinsames Projekt aller
Beteiligten Institutionen. Ich freue mich, dass aus der
konstruktiven Zusammenarbeit gute Ideen entwickelt werden
konnten. Für die Jobcenter sei beispielsweise für eine
sofortige Umsetzung nur eine Verbesserung bei der
Verständlichkeit der Bescheide erwähnt und eine intensivere
Einbeziehung der Kunden bei komplizierten Fallgestaltungen.“
Monika Paulat, Präsidentin des Landessozialgerichts
Berlin-Brandenburg:
“Den Gedankenaustausch zwischen Jobcentern und der
Sozialgerichtsbarkeit über Möglichkeiten der Eindämmung der
Klageflut habe ich schon immer für richtig gehalten. Deshalb
habe ich mich über die Initiative von Justizsenator Heilmann
und ein ähnliches Projekt des Landes Brandenburg sehr gefreut
und auch darüber, dass
sich an beiden Projekten Richter des Landessozialgerichts
Berlin-Brandenburg beteiligt haben. Dabei kann es nicht um die
Rechtsprechung selbst gehen. Die Gerichtsbarkeit muss zur
Wahrung ihrer Neutralität penibel darauf achten,
dass in der Öffentlichkeit kein falscher Eindruck entsteht.
Erforderlich ist, dass auch mit Rechtsanwälten und anderen
Prozessvertretern in dem hier maßgeblichen Sinn das Gespräch
gesucht wird.”
Sabine Schudoma, Präsidentin des Sozialgerichts
Berlin:
„Ich hoffe, das Projekt stößt eine nachhaltige Reduzierung
der Klagezahlen an. Nach 8 Jahren Klageflut sehne ich mich nach
der Ebbe!
Ich bin gewiss, dass das Sozialgericht Berlin mit seiner
Erfahrung aus rund 150.000 erledigten Hartz IV-Verfahren einen
wesentlichen Beitrag leisten konnte.
Für mich bleibt der fachliche Austausch zwischen Gerichten,
Prozessbeteiligten und Anwälten auch in Zukunft wichtig. Wir
alle nehmen aus den gemeinsamen Gesprächen wertvolle
Anregungen mit.“
Informationen zur Klage-Situation am Sozialgericht
- Zwischen Januar und Oktober 2012 gingen 23.972 Verfahren aus dem Bereich SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) ein, d.h. pro Monat 2397. Die Eingangszahlen werden sich damit ungefähr auf Vorjahresniveau bewegen (2011: 29.274 SGB II-Verfahren). Insgesamt gingen am Sozialgericht Berlin bis Ende Oktober 36.892 Verfahren ein. Der SGB II-Anteil liegt also bei 65 %.
- Seit Einführung von Hartz IV (Anfang 2005) sind am Sozialgericht Berlin bereits über 160.000 Verfahren allein aus dem SGB II-Bereich eingegangen.
- Ende Oktober 2012 waren insgesamt 42.041 offene, also noch zu erledigende Verfahren am SG Berlin anhängig (der sogenannte Aktenberg). Um den Aktenberg abzuarbeiten, müsste man das Gericht ein Jahr schließen.
Statistik: Eingänge Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) seit 2005.
Claudia Engfeld
Pressesprecherin der
Senatsverwaltung für Justiz
und Verbraucherschutz
Tel.: 03090133633
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