Der Bundesrat wird sich in der nächsten regulären Sitzung u. a. mit mehreren Länderinitiativen sowie einigen EU-Vorlagen befassen.
Länderinitiativen / Entschließungen
Entschließung des Bundesrates “Stärkung der Beteiligung der Länder bei Aufnahmezusagen des Bundes nach § 23 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes” – Antrag des Landes Sachsen-Anhalt – Drs. 87/23
Im Zusammenhang mit der Unterbringung und Integration Geflüchteter aufgrund von Aufnahmezusagen des Bundes gemäß § 23 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sollen die Länder künftig frühzeitig über geplante Aufnahmen informiert und maßgeblich an deren Ausgestaltung beteiligt werden. Ferner solle die Bundesregierung prüfen, wie die Beteiligung der Länder auch gesetzlich gestärkt werden kann.
Entschließung des Bundesrates zur umgehenden Einführung der Kindergrundsicherung – Antrag des Saarlandes – Drs. 91/23
Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, die vorliegenden Eckpunkte zur Ausgestaltung der Kindergrundsicherung schnellstmöglich zu einem Referentenentwurf zu konkretisieren und mit dem Gesetzgebungsverfahren dann umgehend zu beginnen.
Entschließung des Bundesrates “Maßnahmen zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung” – Antrag des Landes Rheinland-Pfalz – Drs. 47/23
Mit der Entschließung soll die Bundesregierung – unter Anerkennung von Fortschritten bei der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung in der Produktion, dem Einzelhandel und der Gastronomie und unter Hinweis auf das Ziel einer Halbierung bei Handel und Endverbrauchern bis 2030 – um verbindliche Regelungen gebeten werden. Die Bundesregierung solle für einen Regelungsvorschlag alle Akteure und Betroffene einbeziehen, insbesondere auch die Landwirtschaft und verteilende Wohltätigkeitsorganisationen. Ferner soll auf eine Änderung der EU-Vorschriften zum Mindesthaltbarkeitsdatum hingewirkt werden, in dem die Ausnahmeliste erweitert wird (z. B. Nudeln, Reis, Honig).
Entschließung des Bundesrates „Ankurbelung des Wohnungsbaus“ – Antrag des Freistaates Bayern – Drs. 92/23
Mit der Entschließung soll die Bundesregierung zu einer Reihe von Maßnahmen auf verschiedenen Feldern aufgefordert werden, um damit einen verstärkten Wohnungsbau zu erreichen:
• Verbesserung der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten (dauerhafte degressive Abschreibung für Mietwohnungsbau, steuerliche Förderung von selbstgenutztem Wohneigentum, Länderöffnungsklausel bei Erbschaft- und Schenkungssteuer)
• Verbesserte KfW-Förderung ohne verschärfte Gebäudeanforderungen
• Neuauflage des Baukindergeldes
• Ferner Änderungen im Bauplanungsrecht.
Gesetzentwürfe der Bundesregierung (1. Durchgang)
Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften – Drs. 77/23
ZIn Umsetzung des Koalitionsvertrags zur schnelleren Entfernung von Verfassungsfeinden aus dem Öffentlichen Dienst soll das Bundesdisziplinargesetz geändert und das langwierige Verfahren der Disziplinarklage durch umfassende Disziplinarbefugnisse der Disziplinarbehörden abgelöst werden. Künftig wird es daher möglich sein, sämtliche Disziplinarmaßnahmen, einschließlich der Zurückstufung, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und der Aberkennung des Ruhegehalts, durch Disziplinarverfügung aussprechen zu können.
Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes – Drs. 76/23
Mit dem Gesetzentwurf sollen die Anforderungen aus geändertem EU-Recht in das deutsche Tabakrecht umgesetzt werden. Angesichts der von der EU-Kommission festgestellten deutlichen Zunahme der Absatzmengen und des Verkaufsvolumens von erhitzten Tabakerzeugnissen in der EU wird mit der Delegierten Richtlinie (EU) 2022/2100 zur Änderung der Tabakproduktrichtlinie 2014/40/EU das bisher schon für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen bestehende Verbot des charakteristischen Aromas und von Aromastoffen in ihren Bestandteilen – wie Filter, Papier, Packungen, Kapseln – auf erhitzte Tabakerzeugnisse ausgeweitet. Ferner sind diese Erzeugnisse, sofern sie von den zuständigen Behörden als Rauchtabakerzeugnisse eingestuft werden, mit kombinierten Text-Bild-Warnhinweisen und einer Informationsbotschaft, wie bei Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen und Wasserpfeifentabak, zu kennzeichnen. Die neuen nationalen Bestimmungen sind gemäß den Vorgaben der Delegierten Richtlinie ab dem 23.
Oktober 2023 anzuwenden. Ab diesem Zeitpunkt sind diesen Vorschriften nicht entsprechende Erzeugnisse vom Markt zu nehmen.
EU-Vorlagen
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein Industrieplan zum Grünen Deal für das klimaneutrale Zeitalter COM 62 final – Drs. 54/23
Die Kommission schlägt ein Bündel an Maßnahmen vor, mit denen sowohl die nachhaltige Transformation der Industrie gefördert als auch dem Förderprogramm der USA, dem Inflation Reduction Act (IRA), begegnet werden soll. Unter anderem ist geplant, den Mitgliedstaaten noch mehr Flexibilität bei der Gewährung von Beihilfen in bestimmten für die Transformation wichtigen Teilen der Wirtschaft zu geben. Die Programme REPowerEU und InvestEU für die Reform des Strommarkts und bessere Finanzierungsmöglichkeiten sind ebenfalls Teil der Industriestrategie.
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Verpackungen und Verpackungsabfälle, zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/1020 und der Richtlinie (EU) 2019/904 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 94/62/EG COM 677 final – Drs. 89/23
Durch die vorgeschlagene Verordnung sollen einheitliche Standards für die Wiederverwendbarkeit und das Recycling von Verpackungen in der EU geschaffen werden. Festgeschrieben wird teilweise die Kompostierbarkeit, aber auch die Recyclebarkeit und die Verwendung von Rezyklat. Außerdem wird das Ziel verfolgt, die Verwendung von Verpackungen zu minimieren. Dazu wird ein System der Konformitätsprüfung etabliert, an das sich Hersteller von Verpackungen halten müssen, wenn Sie in der EU auf den Markt bringen wollen.
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts COM 702 final – Drs. 25/23
Die Richtlinie verfolgt das Ziel, das Insolvenzrecht viel stärker als zuvor geschehen europaweit zu harmonisieren. Bisher ist das Insolvenzrecht stark national geprägt, was im Fall von grenzüberschreitenden Sachverhalten zu Schwierigkeiten führen kann, etwa wenn es darum geht, welche Vermögensgegenstände in die Masse fallen. Kleinunternehmer sollen zukünftig einem vereinfachten Verfahren in Eigenverwaltung unterliegen, also ohne Insolvenzverwalter auskommen. Durch die Kodifikation des Pre-Pack-Verfahrens soll gefördert werden, dass Unternehmen soweit erhalten bleiben, wie sie noch wirtschaftlich sind.
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Unionsrahmens für die Zertifizierung von CO2-Entnahmen COM 672 final – Drs. 34/23
Der freiwillige Rahmen legt Kriterien für eine Zertifizierung von CO2-Entnahmen in der EU fest. Ziel ist es, dass die Entnahmen quantifizierbar, zusätzlich, langfristig und nachhaltig sind. Das Vorhaben ist Teil des „European Green Deal“ und notwendig, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Hintergrund ist die steigende Nachfrage nach dem Ausgleich von CO2-Emissionen, etwa für Flüge, die bisher keinen Qualitätskriterien unterliegen, aber auch die zunehmende Verwendung von „Carbon Capture“-Technologien.
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Behandlung von kommunalem Abwasser (Neufassung) COM 541 final – Drs. 15/23
Das Ziel der Richtlinie sind sauberere Flüsse, Seen, Grundwasserkörper und Meere in Europa und eine kosteneffizientere Abwasserbehandlung. Bis 2040 wird die Energieneutralität des Sektors angestrebt. Zudem soll die Qualität des Klärschlamms verbessert werden, um die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Die EU-Länder müssen den Zugang zu sanitärer Grundversorgung für alle, insbesondere für schutzbedürftige und marginalisierte Gruppen gewährleisten. Da 92 % der giftigen Mikroschadstoffe in EU-Abwässern von Arzneimitteln und Kosmetika stammen, müssen im Rahmen eines neuen Systems der erweiterten Herstellerverantwortung die Hersteller für deren Beseitigung aufkommen.
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Luftqualität und saubere Luft für Europa (Neufassung) – Drs. 16/23
Die Luftqualität in Europa soll bis 2030 erheblich verbessert werden. Um perspektivisch das „Null-Schadstoff-Ziel 2050“ zu erreichen, sind EU-Luftqualitätsnormen bis 2030 vorgesehen, die stärker an die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation angeglichen sind. Vorgeschlagen werden unter anderem eine regelmäßige Überprüfung der Luftqualitätsnormen und Herabsetzung des Jahresgrenzwertes Feinstaub (PM2,5) um mehr als die Hälfte. Menschen, deren Gesundheit aufgrund von Schadstoffen in der Luft leidet, sollen im Falle eines Verstoßes gegen die EU-Luftqualitätsvorschriften Anspruch auf Entschädigung haben. Sie dürfen sich den kollektiven Schadensersatzklagen von Nichtregierungsorganisationen anschließen.
Verordnungen
Verordnung zum Neuerlass der Fahrzeug-Zulassungsverordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften – Drs. 70/23
Der Neuerlass der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) hat insbesondere den Ausbau der internetbasierten Fahrzeugzulassung zum Hintergrund. Denn zwar ist die internetbasierte KFZ-Zulassung schon jetzt möglich, aber nur natürlichen Personen und wird nur für weniger als 1% der Zulassungsvorgänge genutzt. Mit der jetzt vorgesehenen Erweiterung auf juristische Personen, zusätzlichen Identifikationsmöglichkeiten und der Einrichtung einer zentralen Großkundenschnittstelle beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) soll sich das ändern. Ferner wird der Anwendungsbereich erweitert (u. a. auch Oldtimer-, Saison- und E-Kennzeichen). Aufgrund der vollautomatisierten Antragsbearbeitung wird eine deutliche Entlastung der Zulassungsbehörden erwartet.