Wenn die fliegenden Gelben Engel kommen…

Ein Notarzt springt aus einem „Christopf 30“

Ein Notarzt springt aus einem „Christopf 30“

von Ursula A. Kolbe

50 Jahre Luftrettung in Deutschland – und mit ihr die ADAC Luftrettung. Blickt man zurück, kann wohl gesagt werden, dass die Erfolgsgeschichte der zivilen Luftrettung in Deutschland untrennbar mit der Erfolgsgeschichte der ADAC Luftrettung verbunden ist und die im November 1970 mit der Indienststellung des ersten ständig eingesetzten Rettungshubschraubers „Christoph 1“ in München durch den ADAC e. V. begann.

„Mit dem ADAC e. V. als treibende Kraft und Initiator sowie weiteren starken Partnern konnte ein weltweit einmaliges und nahezu flächendeckendes Netz von Rettungshubschrauber-Stationen in ganz Deutschland aufgebaut werden. Dem Engagement der ADAC Luftrettung in den vergangenen 50 Jahren verdanken viele tausend Menschen ihr Leben“, so Dr. Andrea David, Vorstand der ADAC Stiftung, zu der die ADAC Luftrettung seit 2017 gehört.

Beim Auftakt der Feierlichkeiten zum Jubiläumsjahr bedankte sich Geschäftsführer Frédéric Bruder für die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Leitstellen, Kliniken, Rettungsdiensten, den Aufgabenträgern im Land und in den Kommunen sowie der Polizei und Feuerwehr. Die notfallmedizinische Versorgung der Menschen aus der Luft stehe in Deutschland vor großen Herausforderungen. „Klinikschließungen, Notarzt- und Pilotenmangel, Einsatzbeschränkungen für ältere Piloten, die Ausdehnung der Flugzeiten in die Abend- und Nachtstunden und die mangelnde medizinische Versorgung im ländlichen Raum wirken sich erheblich auf unser Arbeitsumfeld aus“, erklärte Bruder.

„Auch die Möglichkeit dank hochmoderner Navigationstechnik bei schlechter Sicht zu fliegen, Telemedizin und die Einsatzmöglichkeiten von benannten Drohnen werden den Rettungsdienst in den kommenden Jahren vor Veränderungen stellen“. Dabei warnte der Geschäftsführer vor noch mehr Kostendruck bei Ausschreibungen von Luftrettungsstationen. „Luftrettung ist Daseinsvorsorge. Bei der Rettung von Menschenleben darf es keinen ruinösen Preiskampf geben. Nicht das billigste Angebot, sondern die bestmögliche Versorgung der Patienten muss im Vordergrund stehen.“

Die Bilanz fliegt auf Rekordniveau

Es sind mehr als beeindruckende Zahlen und Fakten, und sie machen deutlich, dass die Zahl der Rettungseinsätze der Gelben Engel stabil auf Rekordniveau bleibt: Laut Einsatzstatistik musste 2019 zum fünften Mal in Folge rund 54.000mal ausgerückt werden (53.967, minus 389). Das entspricht abermals rund 150 Notfällen am Tag. „So eine hohe Einsatzdichte in einem hochkomplexen und risikobehafteten Umfeld ist nur durch die hohe Professionalität und das Engagement der Crews möglich“, betonte Geschäftsführer Frédéric Bruder bei der Vorstellung der Bilanz an der Münchner Klinik Harlaching. Dort wurde auch der neue Jubiläumshubschrauber „50 Jahre Christoph“ präsentiert.

Unter den versorgten Patienten waren 2019 mit 58 Prozent wieder etwas mehr Männer als Frauen und neun Prozent Kinder oder Jugendliche. An erster Stelle standen bei den oft lebensrettenden Einsätzen mit 32 Prozent Verletzungen nach Unfällen. Dazu gehören Freizeit-, Sport-, Schul- und Verkehrsunfälle. Dahinter folgen mit 29 Prozent Notfälle des Herz-Kreislauf-Systems wie Herzinfarkte und Herzrhythmusstörungen. In 15 Prozent der Fälle diagnostizierten die Lebensretter aus der Luft neurologische Notfälle wie etwa einen Schlaganfall. Bei acht Prozent war ein Notfall des Atmungssystems wie akute Atemnot oder Asthma die Ursache.

Auch nachts dank spezieller Nachtsichtbrillen im Einsatz

Weiter erhöht hat sich die Zahl der Spezialeinsätze. Die vier Windenstationen in München, Murnau, Straubing (alle Bayern) und Sande (Niedersachsen) verzeichneten mit 306 Windeneinsätzen ein Plus von vier Prozent. Leicht zugenommen haben mit 2.815 Einsätzen auch Rettungsflüge in der Dämmerung und bei Dunkelheit. Solche Einsätze fliegen die Crews der Stationen in Senftenberg in Brandenburg, Greven in Westfalen, Sanderbusch in Niedersachsen und Mainz in Rheinland-Pfalz.

Möglich sind solche hochanspruchsvollen Rettungseinsätze unter anderem durch spezielle Nachtsichtbrillen, Teil eines hochmodernen „Night-Vision-Imaging-Systems“, kurz NVIS, genannt. Bei ihrer Arbeit können die Crews auf die modernsten Rettungshubschrauber des Typs H145 und H135 von Airbus Helicopters zurückgreifen. Mit ihnen wurden 2019 rund 3,45 Millionen Kilometer zurückgelegt. Das sind rund 150.000 Kilometer mehr als ein Jahr zuvor. Die durchschnittliche Flugzeit bei einem Einsatz betrug rund 30 Minuten.

In den Bundesländern führt Bayern mit 12.557 Einsätzen an, hier befinden sich auch die meisten der 37 Stationen der fliegenden Engel. Es folgen Rheinland-Pfalz mit 7.951 und Niedersachsen mit 5.606 Einsätzen. Bei Städten liegt weiterhin Berlin vorne. „Christoph 31“ flog in und um die Hauptstadt zu 2.467 Notfällen. Dahinter platzieren sich im bundesweiten Ranking die Stationen Wittlich (2.186) und Koblenz (2.088) in Rheinland-Pfalz sowie Ochsenfurt (1..968) in Bayern.

Aufgelistete Zahlen und Fakten, die einen im ersten Moment scheinbar erdrücken, die aber ausdruckvoller als viele poetische Phrasen deutlich machen, mit welch Engagement und Herzensblut die Crews der fliegenden Gelben Engel und überhaupt aller daran Beteiligten jeden Tag immer wieder im Einsatz sind.