Metropole, die immer weiter wächst

Bald hat Berlin die 4-Millionen-Grenze geknackt

Bald hat Berlin die 4-Millionen-Grenze geknackt

von Hans-Jürgen Kolbe

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt Berlin seine erste große Industrialisierungswelle. Wo früher Obstgärten, Getreidefelder oder schlicht Brachland das Weichbild der Landschaft rund um die Stadt prägen, ragen im Laufe des 19.Jahrhunderts mehr und mehr rauchende Fabrikschlote in den Berliner Himmel.

Vor 100 Jahren wurde Berlin zur wahren Weltstadt. Am 27. April 1920 wurde das Gesetz zur Schaffung von Groß-Berlin verabschiedet, denn die Stadt hatte ihre Grenzen schon längst in die umliegenden Gemeinden und Kreis überschritten.

Die Preußische Landesversammlung war gut besetzt, aber die Stimmung sehr gemischt. In dritter Lesung fand das Gesetz „über die Bildung der neuen Stadtgemeinde Berlin“ endlich eine knappe Mehrheit, nachdem es zweimal durchgefallen war. Dem alten Berlin wurden sieben bis dahin selbstständige Nachbarstädte, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke einverleibt.

Groß-Berlin war geboren, gegliedert in 20 Verwaltungsbezirke. „Die neue Stadtgemeinde bildet für sich einen von der Provinz Brandenburg abgesonderten Kommunalverband und Verwaltungsbezirk“, hieß es in Paragraph 1 des Gesetzes.
An jenem historischen Tag vor 100 Jahren waren die Mehrheitsverhältnisse zunächst unklar, beide Seiten rechneten sich Chancen aus. Von den 401 Abgeordneten waren immerhin 317 anwesend, in damaliger Zeit keine Selbstverständlichkeit.

Nach Abschluss der namentlichen Abstimmung dauerte es nur zehn Minuten, bis die blauen Ja- und roten Nein-Karten ausgezählt waren. 164 Volksvertreter bekannten sich zum neuen Berlin, 148 waren dagegen, fünf enthielten sich der Stimme.

Sieben Fraktionen saßen in der Preußischen Landesversammlung, von denen sich nur SPD, USPD und Teile der linksliberalen DDP zum neuen, großen Berlin bekannten. Auf dieser Seite des Parlaments verzeichnete das Protokoll nach der Abstimmung lebhaften Beifall und Bravorufe, während die rechten Fraktionen und das Zentrum die Verabschiedung des Gesetzes mit „lautem Zischen“ quittierten.

2020 feiert Berlin ein Jahrhundertereignis

Quasi über Nacht wächst die Stadt von 66 km² auf 878 km² Fläche an und wird hinter New York zur zweitgrößten Metropole der Welt. Die Bevölkerungszahl verdoppelte sich auf 3,8 Millionen.
Das frisch gegründete „Groß-Berlin“ hat dem heutigen Berlin seine Gestalt gegeben. Und die drängenden Fragestellungen der neuen Großstadt – Wohnen, Arbeiten, Verkehr und Erholungsflächen – sind heute so brandaktuell wie damals.

Ohne das per Akklamation geschaffene Riesenstadtgebilde wäre es kaum zu all den Volksparks und auch nicht zum Strandbad Wannsee oder das Bad am Müggelsee gekommen – Einrichtungen, von denen wir heute noch profitieren. Auch der Wohnungsbau nahm damals mächtig Fahrt auf

Ein Grund mehr, anlässlich des Jubiläums „100 Jahre Groß-Berlin“ nicht nur die spannende Stadtgeschichte zu beleuchten, sondern aufbauend auf dem geschichtlichen Ereignis die heutige Situation zu diskutieren und Visionen für eine zukünftige städtebauliche Gestaltung zu entwerfen.

Zwei Großausstellungen zu diesem Thema in Berlin-Mitte werden 2020 besonders inspirieren:

Im Märkischen Museum richtet eine zentrale Ausstellung den besonderen Fokus auf die geschichtliche und aktuelle Lebenswirklichkeit der Berlinerinnen und Berliner. Hiermit verknüpfte dezentrale Einzelausstellungen in den Bezirksmuseen werden mit lokalen Nahaufnahmen die große Vielfalt Berlins abbilden.

Die große Ausstellung „100 Jahre (Groß-)Berlin ein unvollendetes Projekt“ im Kronprinzenpalais hinterfragt Stärken und Schwächen der Großstadtmetropole. Basierend auf einem vorhergehenden internationalen städtebaulichen Wettbewerb werden konkrete Gestaltungsvorschläge für das zukünftige Berlin präsentiert. Besonders spannend wird dabei der Blick auf die Entwicklung vier weiterer europäischer Großstädte: Moskau, Wien, Paris und London.