100 Jahre Leben und Geschichte im Schloss Cecilienhof

Blick in den Vorhof des Schlosses Cecilienhof

Blick in den Vorhof des Schlosses Cecilienhof

von Ortrun Engelkraut, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Die Inspiration kam aus England: vorspringende Erker, spitze Giebel, Bleiglasfenster, abwechslungsreich gemustertes Fachwerk. Das „Landhaus des Kronprinzen“ im romantisierenden Tudor-Stil des 20. Jahrhunderts wirkt auf den ersten Blick ländlich bescheiden. Tatsächlich ist Schloss Cecilienhof im Neuen Garten Potsdam ein Bauwerk von imposanter Größe. Man ahnt es, wenn man einmal um den Gebäudekomplex herumgeht, oder man untersucht das Ensemble, das sich um fünf Innenhöfe gruppiert, bis in verborgene Winkel. Dies geschah zwischen 2014 und 2018 im Verlauf der umfassenden Hüllensanierung. Instandgesetzt oder erneuert wurden mit Mitteln des Sonderinvestitionsprogramms (SIP 1/Masterplan) unter anderem 550 Fenster in rund 150 Räumen, 11 500 Quadratmeter Fassadenfläche, 6500 Quadratmeter Dachlandschaft mit 360 000 Dachziegeln und 40 kunstvoll gestalteten Schornsteinen sowie sämtliche gärtnerische Anlagen.

Erbaut wurde Cecilienhof zwischen 1913 und 1917, mit kurzzeitig kriegsbedingter Unterbrechung, nach Plänen des Architekten Paul Schultze-Naumburg als ganzjähriger, komfortabel-moderner Wohnsitz für Kronprinz Wilhelm (1882 – 1951) und Kronprinzessin Cecilie (1886 – 1954). Seit der prunkvollen Hochzeit 1905 verbrachte das Paar mit wachsender Kinderschar die Sommermonate im nahen Marmorpalais. Die jüngste Tochter kam im September 1917 im noch nicht vollständig eingerichteten Cecilienhof zur Welt. Die Taufe in der großen Wohnhalle fand am 9. November 1917 im Beisein Kaiser Wilhelms II. statt, offiziell die Einweihungder standesgemäßen Residenz des Kronprinzenpaares, »dem Ernst der Zeit entsprechend im engsten Familienkreis«. Ein Jahr später endete mit der Abdankung des Kaisers die 500-jährige Regentschaft der Hohenzollern in Brandenburg-Preußen. Die Monarchie in Deutschland war Geschichte.

Nach dem Kaiser ging auch der Kronprinz ins niederländische Exil; Cecilie blieb zunächst mit ihren sechs Kindern im staatlich beschlagnahmten Schloss Cecilienhof. 1920 übersiedelte sie in das schlesische Schloss Oels. Die beiden ältesten Söhne wohnten weiterhin mit ihren Erziehern in Cecilienhof. 1926 erhielt die Hohenzollern-Familie im Rahmen der „Fürstenabfindung“ Wohnrecht im Schloss Cecilienhof für drei Generationen.

Das ehemalige Kronprinzenpaar hatte sich längst auseinandergelebt. Wilhelm machte nach der Rückkehr aus dem Exil Cecilienhof zu seinem Wohnsitz. Cecilie wechselte zwischen Oels und Potsdam. Sie widmete sich karitativen Tätigkeiten und machte ihre Potsdamer Residenz zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt. Zu den prominenten Gästen zählten unter anderem Künstler wie Regisseur Max Reinhardt oder die Dirigenten Wilhelm Furtwängler und der junge Herbert von Karajan. Auf Einladung des Ex-Kronprinzen wurden auch Adolf Hitler, Hermann Göring, Joseph Goebbels und Benito Mussolini empfangen. Das letzte große Society-Ereignis im Schloss Cecilienhof war 1938 die Hochzeit des Sohnes Louis Ferdinand mit Kira von Russland.

Schauplatz der Potsdamer Konferenz 1945

Im Januar 1945 verließ Wilhelm, am 1. Februar Cecilie das Schloss. Zurück blieben sämtliche Möbel und kostbare Kunstgegenstände. Am 26. April wurde das unbeschädigte Schloss von sowjetischen Truppen besetzt und nach Kriegsende zum Tagungsort für die „Berliner Konferenz“ bestimmt, für die es im zerbombten Berlin keine geeigneten Räume gab. Für die „Potsdamer Konferenz“ vom 17. Juli bis 2. August 1945 wurden 36 Räume für die Delegationen der USA, aus Großbritannien und für den Gastgeber Sowjetunion neu eingerichtet. Zur Begrüßung der Gäste wurde der rote Sowjetstern aus Geranien im Ehrenhof von Schloss Cecilienhof gepflanzt. Das Originalinventar war in die Meierei am Ufer des Jungfernsees ausgelagert und wurde bei einem Brand am 18. Juli 1945 fast vollständig zerstört.

Im Anschluss an die Konferenz wurde das Schloss zum „Clubhaus“ für Militärangehörige der Roten Armee. Über die folgenden sieben Jahre, in denen kein Deutscher Zugang zum Neuen Garten hatte, ist nichts bekannt. 1952 übergab die sowjetische Besatzungsbehörde das Schloss samt Ausstattung der damaligen Landesregierung Brandenburg, die eine »Nationale Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens« einrichtete. Einige Räume des weitläufigen Gebäudes bezog der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD), andere wurden zu Wohnungen. Sechs Mietparteien mussten 1960 das Schloss verlassen, als – ein Jahr vor dem Mauerbau – im umgebauten Prinzen- und Wirtschaftsflügel das Hotel Cecilienhof eröffnete. Die Vermietung übernahm das Reisebüro der DDR, vorwiegend an Reisegruppen aus der Sowjetunion und anderen Bruderländern. 1986/87 wurde das Hotel umfassend modernisiert. Jedes der nunmehr 45 Zimmer und Suiten bekam ein eigenes Bad. Der kronprinzliche Speisesaal war exklusives Restaurant, in dem es – vor allem für Devisen und somit für Gäste aus nicht-sozialistischen Ländern – vieles gab, was sonst in der DDR sehr schwer erhältlich war.

Bei den aktuell laufenden Führungen durch Räume des seit 2014 geschlossenen Hotels gibt Schlossassistentin Katharina Bergmann nicht nur ihr erforschtes Wissen preis, sie sammelt auch Informationen von Zeitzeugen, die im Restaurant Jugendweihe oder Hochzeit gefeiert oder andere Erfahrungen im Hotel gemacht haben.

Nach der Wiedervereinigung 1990 lud die Brandenburgische Landesregierung hohe Staatsgäste gern in das Schloss Cecilienhof ein. So speiste Queen Elizabeth dort 2004 zu Mittag, bevor sie sich die „Kajüte“ der Kronprinzessin zeigen ließ. George Bush sen. und seine Frau Barbara wohnten 1995 zwei Nächte im Hotel, anlässlich der Feierlichkeiten »50 Jahre Potsdamer Konferenz«. Im Rahmen dieser Festveranstaltung wurden erstmals die ehemaligen Privatgemächer des Kronprinzenpaares nach umfassender Rekonstruktion zugänglich gemacht. Die beiden Apartments, bis dahin als Hotelsuiten genutzt, geben Einblick in die Lebenswelt desKronprinzenpaares.

In der Dauerausstellung zur Potsdamer Konferenz waren bereits 1993 die Informationstafeln erneuert und dieTexte auf den damals neuesten Stand der Forschung gebracht worden. 2012 erfolgte eine weitere Überarbeitung. Die Ausstellung präsentiert am authentischen Ort eine Fülle an historischen Fotografien und vielschichtigen Informationen zum Konferenzgeschehen, jeweils bezogen auf die historische Nutzung der Räume.

2020, zu „75 Jahre Potsdamer Konferenz“ wird die Dauerausstellung durch eine temporäre Präsentation ergänzt, die auch den Bogen spannen wird zu globalen und europäischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.