200 Jahre Karl Marx und seine Geburtsstadt Trier

Das hölzerne Modell der Marx-Statue in Trier

von Ursula A. Kolbe

Die Römerstadt Trier hat in diesem Jahr einen guten Grund zum Feiern: Den 200. Jahrestag ihres berühmten Sohnes – Karl Marx, Spross einer Trierer Bürgersfamilie und Sohn eines jüdischen Anwalts. Marx, der Journalist, Ökonom und Gesellschaftstheoretiker, dessen Lebensweg über Bonn, Berlin, Paris und Brüssel nach London führte, gemeinsam mit seiner Ehefrau Jenny von Westphalen, Tochter eines Trierer Regierungsrats.

Aber er war einer, der über Kommunismus und Sozialismus schrieb, über Winzerarmut und Kinderarbeit; einer, der nicht ins konservative, katholische Trier passte. So gab es denn auch heute, 200 Jahre später, etliche Aufregung, als bekannt wurde, dass das große China der Stadt zum Jubiläum eine Marx-Statue aus Bronze schenken wollte. Letzten Endes beschloss der Stadtrat dann im letzten Frühjahr, das Präsent anzunehmen.

Man einigte sich mit dem aus Peking angereisten Bildhauer Wu Weishan über Größe und Standort. Aus ursprünglichen 6,30 Metern Höhe wurden 5,50 Meter, 2,3 t schwer, und Ort der Simeonstiftplatz hinter dem Stadtmuseum vor einer 13 Meter hohen Brandmauer. Der Sockel ist zudem abgetreppt, wo man auch darauf sitzen kann. Nur wenige Schritte sind es bis zum kleinen barocken Mansardenhaus, in das Familie Marx wenige Monate nach Karl Marx Geburt gezogen war. Und gleich um die Ecke die Porta Nigra, das Wahrzeichen der Römerstadt aus der Zeit um 170 n. Chr.

Jubiläumsausstellung über „Leben.Werk.Zeit“

Nun also erinnert die Stadt mit einem großen Jubiläumsprogramm von Mai bis Oktober mit rund 300 Veranstaltungen an den berühmten Sohn, der als 17jähriger in die Welt zog. Vornan die Ausstellung des Landes Rheinland-Pfalz und der Stadt unter dem Titel „Karl Marx 1818 – 1883: Leben.Werk.Zeit“ vom 5. Mai bis zum 21. Oktober 2018; eine Zeitreise von der bürgerlichen Epoche über Frühindustrialisierung, Weberaufstand und die französischen Sozialisten bis zur ersten Globalisierung.

Die neue Eisenbahnmobilität soll Thema sein, soziale Milieus und Arbeitswelten, Ausbeutung, Schinderei. Zu den Exponaten gehören die deformierten Knochen von schuftenden Kindern, Schutzanzüge von Grubenarbeitern, eine Kartätsche, mit der die Regierung 1848 gegen die Bürger vorging, ein Stück vom ersten Unterseekabel, ebenso Gemälde von Fabrikhallen. Und, nicht zu vergessen, „Das Kommunistische Manifest“ in 250 Ausgaben, auch in Brailleschrift, in leichter und Gebärdensprache.

„Marx war tabu oder er wurde verteufelt“, erinnert sich die Kuratorin Elisabeth Dühr an den verschämten Umgang mit Marx noch zu ihrer Schulzeit. Sie ist für den biografischen Ausstellungsteil im Stadtmuseum Simeonstift verantwortlich und hätte sich die Statue vor der Hintertür des Museums etwas differenzierter gewünscht. Der Bronze-Marx ist für sie Fluch und Segen. „Wir wollen ihn doch gerade vom Sockel holen mit den Ausstellungen, damit er nicht länger ideologisch verstellt bleibt.“

Marx werde aber entideologisiert. Das habe schon mit dessen Neulektüre während der Finanzkrise begonnen. Und das sei Voraussetzung, um ihn vermarkten zu können.

Trier kann dreifach punkten

Ja, auch der Tourismusmagnet soll wirken. Sogar die Kirche macht mit. Das Bistum beteiligt sich als Kooperationspartner mit einer Ausstellung im Dommuseum, in der zeitgenössische Künstler sich als Kooperationspartner mit dem Thema Arbeit auseinandersetzen.

Auf jeden Fall jedoch die Chinesen im Blick haben. Peking schenkt der Stadt auch deshalb eine Statue, weil die Chinesen Trier kennen und lieben. Es gibt wohl kaum Europa-Rundreisen, wo die Stadt nicht auf dem Programm steht. 25 Prozent aller Chinesen fällt zu Deutschland als erstes Karl Marx ein, erklärt Norbert Käthler, der Geschäftsführer der Trier Tourismus Marketing. Weit über 50.000 kommen inzwischen pro Jahr an die Mosel, mit einer wachsenden Zahl an Individualreisenden.

Käthler verweist auch darauf, dass umgekehrt nur acht Prozent der Deutschen Konfuzius kennen. Oder dass Europa für mehr als 100 Millionen Chinesen ein erstrebenswertes und bezahlbares Reiseziel ist. Trier könne da dreifach punkten: mit dem UNESCO-Label von neun Weltkulturerbestätten, mit Wein und Genuss – und mit Marx.

Apropos letztere. Bei seiner jüngsten China-Reise stellte der Tourismus-Chef fest, dass jedes bessere Hotel-Restaurant Moselwein auf der Speisekarte hat. Und da Marx den hiesigen Wein so sehr schätzte, dass er ihn auch in London trank, gibt es in Trier bald regelmäßige Führungen zum Thema „Marx und der Wein“. Weiteres Angebot für die Besucher aus Fernost: Mithelfen im Weinberg.

Mit der Statue hat Käthler keine Probleme, schon wegen des Werbeeffekts. „Entscheidend ist, dass sie es gibt, außerdem macht sie die Stadt bekannter.“ Bei Kostümführungen soll der bärtige Riesen-Marx dann mit seinem jugendlichen Konterfei konfrontiert werden, mithilfe von Schauspielern des Stadttheaters.

Auch Kuratorin Barbara Wagner, die für die Bespielung der 1.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche im Landesmuseum verantwortlich zeichnet, hofft auf Entkrampfung. Zum Marx-Engels-Denkmal in Berlin-Mitte hätten die Hauptstädter ja auch ein lockeres Verhältnis. „Marx hat alles permanent in Frage gestellt, auch sich selbst. Er war immer im Fluss, stets informiert, seine Interessen waren uferlos.“ Es sei an der Zeit, ihn selbst zu Wort kommen zu lassen und von den Überinterpretationen zu befreien.

Apropos Marx-Engels-Denkmal in Berlin. Es soll einen neuen Platz finden. Die Idee ist, das Denkmal in den Innenhof der Humboldt-Universität zu versetzen. – Eigentlich eine charmante, hier sind sie von klugen Köpfen umgeben.

(Lesen Sie auch den Beitrag in dieser Ausgabe von Waltraud Käß unter dem Titel: KARL MARX und/oder „Mohr und die Raben von London“)