25 Jahre Nationalpark Unteres Odertal: Lebensraum für seltene Pflanzen und Tiere

Frühjahrshochwasser im unteren Odertal

Frühjahrshochwasser im unteren Odertal

von Ursula A. Kolbe

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah! In diesem Jahr so aktuell wie nie, und mancher wird Gegenden entdecken, die buchstäblich vor der Haustür, liegen; Natur, Wildnis und Romantik entdecken. Oder auch Ruhe. Und das alles findet er in der Uckermark im Nordosten Brandenburgs zum Beispiel. Genauer gesagt im Nationalpark Unteres Odertal, Deutschlands einzigem Flussauen-Nationalpark. Und der kann jetzt auf sein 25jähriges Bestehen zurückblicken.

Zu diesem runden Jubiläum hatte das Nationalpark-Kuratorium seine Gäste ins Schloss Criewen eingeladen; gelegen in einem heutigen Ortsteil von Schwedt, direkt an der Alten Oder im von Peter-Josef Lennè gestalteten Landschaftspark. Der Blick reicht über die als Nationalpark ausgewiesene Oderaue bis auf die heute zu Polen gehörenden bewaldeten Berge der früheren Neumark. Das Schloss beherbergt die Brandenburgische Akademie Criewen, ein Deutsch-Polnisches Umwelt- und Begegnungszentrum.

Kuratoriumsvorsitzender Karsten Stomowski konnte zu dieser Feststunde auch Gäste aus dem polnischen Nachbarland und u. a. Prof. Michael Succow, den alternativen Nobelpreisträger und „Vater des Nationalparkprogramms“ begrüßen. Und natürlich den früheren Aufbauleiter des Nationalparks und heutigen Umweltminister Brandenburgs, Axel Vogel. Dieser dankte allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern von damals wie heute, dem Nationalpark-Leiter Dirk Treichel und seinem Team, ebenso für die Arbeit des Kuratoriums als Interessenvermittler.

Axel Vogel sagte weiter: „Nach einer schweren, aber glücklichen Geburt und einer turbulenten wie stürmischen Jugend mit einigen Kinderkrankheiten ist der Nationalpark erwachsen geworden. Der Slogan ‚Gemeinsam für Mensch und Wildnis‘ ist Maxime und Erfolgsrezept: Im Miteinander wägen wir Interessen von Natur- und Artenschutz, Landwirtschaft, Fischerei wie Tourismus und der hier arbeitenden und lebenden Menschen ab.

Die heute von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde vorgestellte Nachbarschaftsstudie zeigt den Erfolg dieses steinigen, aber erfolgreichen Weges: Wir haben hier eine Nationale Naturlandschaft, die in der Region fest verankert, akzeptiert und geschätzt ist.“

Der Nationalpark Unteres Odertal ist der zwölfte von heute 16 deutschen Nationalparks. Die größte Herausforderung bestand anfangs darin, einen nutzungsfreien Flächenanteil von 50 Prozent zu erreichen. Die über 10.000 Flurstücke von 2.000 Privateigentümern wurden vor allem landwirtschaftlich und für die Fischerei genutzt. Arbeitsplätze sollten in der strukturschwachen Region nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Das Land startete deshalb im Jahr 2.000 das größte je in Deutschland durchgeführte Unternehmensflurbereinigungsverfahren. 2.000 folgte die Novellierung des Nationalparkgesetzes.

Minister Vogel: „Heute schauen wir mit Stolz auf unsere Familie der 15 Nationalen Naturlandschaften im Land. Die drei Biossphärenreservate und elf Naturparks haben sich mit Brandenburgs einzigem Nationalpark nicht nur zu Hotspots des Naturschutzes auf großer Fläche entwickelt, sondern immer mehr die Rolle von Impulsgebern einer nachhaltigen, naturverträglichen Regionalentwicklung in den ländlichen Regionen des Landes übernommen.“

Als leistungsfähiger Auen-Lebensraum mit Wildnisgebieten ist der Nationalpark wichtig für den Klimaschutz, sauberes Trinkwasser, einen funktionierenden Hochwasserschutz und naturverträglichen Tourismus. Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Übertragung hoheitlicher Aufgaben und Verantwortung auf die Nationalparkverwaltung zu prüfen. Übrigens ist das Untere Odertal das erste grenzüberschreitende Großschutzgebiet mit Polen.

Einzige intakte Polderlandschaft Deutschlands

Das 10.300 ha große Gebiet liegt am Unterlauf der Oder. Kernstück des Parks ist das Zwischenstromland, eine Auenlandschaft zwischen Stromoder und der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße, auch Polder genannt. Nach niederländischem Vorbild wurde das Flussgebiet großflächig eingedeicht. Hohe Winterdeiche, die sich am westlichen Talrand hinziehen, schützen die Orte. Entlang der Oder ziehen sich die Sommerdeiche, die jedes Jahr im November geöffnet werden, so dass das Wasser der Oder die ganze Breite des Flusstales bedecken und ungehindert abfließen kann.

Im Winter sind daher die Polderwiesen geflutet. Der Fluss hat so mehr Raum, die Gefahr von Hochwasser für die Hafenstadt Stettin ist damit fast ausgeschlossen. Ist im April die Flut zurückgegangen, werden die Wehre der Sommerdeiche wieder geschlossen. Das verbleibende Restwasser wird innerhalb weniger Tage abgepumpt. Dadurch können bis in den Herbst hinein die Wiesen beweidet und gemäht werden.

Wo seltene Pflanzen wachsen und Brutvögel nisten

Lebensraum für viele seltene oder geschützte Pflanzen ist die großflächige Fluss-Auenlandschaft. Auf den überschwemmten Wiesen rasten große Schwärme von Zugvögeln. Das Tal der Oder ist begrenzt durch unmittelbar steil ansteigende Hügelränder. Auf einigen besonders zerklüfteten Hängen haben sich bis heute Reste der ursprünglichen Wälder erhalten. Andere Bereiche sind durch jahrelange Beweidung heute Trockenrasen.

Die im Winter überschwemmten Wiesen bieten zahlreichen Zugvögeln Rastmöglichkeiten. So kann man beispielsweise den Singschwan beobachten. Zu den Brutvögeln hier im Nationalpark gehören so seltene Wiesenbrüter wie der Wachtelkönig, der Kampfläufer und die Uferschnepfe, und in den Auwaldungen und Laubwäldern der Oderhänge nistet der Pirol. Auch die größte Brutkolonie der Trauerseeschwalbe findet man hier.

Desweiteren sind Eisvögel oder Seggenrohrsänger, die zu den am stärksten gefährdeten Singvögeln Europas zählen, interessante Beobachtungstiere. Letztere brüten regelmäßig in den Feuchtwiesen und Röhrichten der Flussauen. Größere Bestände dieser Singvogelart sind ansonsten nur noch in den weiter östlich gelegenen Sumpf- und Auenlandschaften Polens und Weißrusslands zu finden. Hier gibt es Weiß- und Schwarzstörche, dauerhaft haben sich wieder Fischotter, Biber, Wiesenweihe und Seeadler angesiedelt. Kraniche können vor dem Flug in den Süden u. a. vom Turm in Mescherin beobachtet werden.

Wichtige Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten liegen auf den Höhen und an den Hängen der Ränder des Odertals. Hier wächst beispielsweise die in Mitteleuropa sehr seltene Flaumeiche, die samtartige Blätter besitzt. Sie gehört eigentlich in die Mittelmeervegetation, für diese Art ist es in weiten Teilen Mitteleuropas zu kalt.

Mit dem Kanu die vielfältigen Wasserwelten erkunden

Dass ein exklusives Erlebnis auch in Corona-Zeiten möglich ist, beweist jetzt die dreimonatige Kanusaison hier im Unteren Odertal. Bis zum 14. November können die Naturliebhaber in Begleitung qualifizierter Kanuführerinnen und Kanuführer auf drei Strecken die Wasserwelt mit ihren Besonderheiten und Vielfalt der Fauna und Flora erkunden, da seit Mitte Juli die Brutzeit für die meisten Vogelarten beendet ist.

Die Paddlerinnen und Paddler haben, wie gesagt, die Wahl zwischen drei Strecken: Die Nordtour (11 km) nahe Schwedt beginnt am Wassersportzentrum und führt über den Fittesee, die Meglitze, die Alte Oder und über die Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße zurück. Alternativ gibt es einen verkürzten Rundkurs über rund sieben km. Die Süd-Tour (8 km) startet in Stolpe und führt auf dem Kanal bis Stützkow, über Galing und Stolper Strom bis zum Schöpfwerk Stolpe und wieder zurück nach Stolpe.

Alle Strecken sind mit je einem Rastplatz sowie Stegen zum Einsetzen der Boote ausgestattet und wurden vor dem Start in die Kanusaison von Nationalparkverwaltung, Naturwacht und den Kanuführern geprüft und vorbereitet.

Buchungen über MomentUM e. V. – Tourismus und Citymanagement Region Schwedt, Nationalpark Unteres Odertal in Schwedt, Tel.: 03332/25 590