Industriepionier Karl Heine wird 200 Jahre alt

Blick auf den Karl-Heine-Kanal in Leipzig-Plagwitz

Blick auf den Karl-Heine-Kanal in Leipzig-Plagwitz

von Andreas Schmidt / LTM

Eine einzigartige Industriearchitektur erlebt im Leipziger Stadtteil Plagwitz eine neue Blütezeit: Im Jahr 2019 jährt sich der Geburtstag von Karl Heine (1819 – 1888) zum 200. Mal. Mit vielen Aktivitäten ehrt Leipzig ein ganzes Jahr lang seinen berühmten Sohn. Dazu gehören das Kunst-Markt-Fest „Bohei & Tamtam” in Plagwitz, die „Tage der Industriekultur” entlang der Route „Offenes Werktor” mit Führungen durch Unternehmen im produzierenden Gewerbe oder das Leipziger Wasserfest mit vielen Aktionen an, um und auf den Leipziger Gewässern, darunter eine Bootsparade und das beliebte Entenrennen.

Flächendenkmal Industriearchitektur

Das deutsche Unternehmertum ist eng mit Karl Heine – früher Carl Erdmann Heine – und der Geschichte des Stadtteils Plagwitz verbunden. Bis heute hat sich dort ein ca. 90 Hektar großes Flächendenkmal der Industriearchitektur erhalten, das seinesgleichen sucht. Plagwitz war das erste planmäßig entwickelte, großräumige Industriegebiet Deutschlands. Heines Visionen ermöglichten den Bau des heutigen Karl-Heine-Kanals, der zur Schaffung einer Schifffahrtsstraße von Leipzig nach Hamburg führen sollte. Ziel war es, die in Leipzig produzierten Industriewaren über den Hamburger Hafen weltweit abzusetzen. 1898 wurde das vorerst letzte Teilstück eröffnet, welches kurz vor dem Lindenauer Hafen endete. Über den Durchstich des 3,3 Kilometer langen Karl-Heine-Kanals zum Lindenauer Hafen 2015 hätte sich der Visionär bestimmt gefreut. Sein Traum war es, eine Wasserstraße „von der Elster an die Alster” zu schaffen. Als Würdigung seiner Leistungen wurde ihm zu Ehren 1897 ein repräsentatives Denkmal gesetzt, das der Bildhauer Carl Seffner entwarf.

Ab 1920 ließen Rüstungsindustrie, Aktienspekulation, Krieg und wirtschaftlicher Verfall der sozialistischen Planwirtschaft den Industriestandort Plagwitz in den Hintergrund geraten. Nach der Wende 1989 erfolgte endgültig der Niedergang. Die Betriebe wurden liquidiert, die Bevölkerung wanderte ab und es kam zu hohem Leerstand. Über 90.000 Industriearbeitsplätze gingen in Leipzig verloren, davon ein großer Teil in Plagwitz. Nun waren abermals Visionen gefragt.

Aufbauprogramm für Baudenkmäler

Eine neue Gründerzeit begann, denn die Stadt Leipzig und zahlreiche Investoren starteten ein Aufbauprogramm. Die Baudenkmäler sowie die Gewässer und Gleisbogen, die in ihrer Gesamtheit den einzigartigen Charme von Plagwitz ausmachen, wurden renoviert und rekonstruiert. In ehemaligen Fabrikhallen entstanden Lofts und Gewerberäume. Zahlreiche Unternehmen, vor allem aus der Kreativ-Branche, siedelten sich in Plagwitz an.

Weltweit bekannt ist heute die ehemalige Leipziger Baumwollspinnerei. Kaum eine andere große Fabrikanlage, die kommerziell revitalisiert wurde, bietet ein derartig breites Angebot für ein kunstinteressiertes Publikum und bleibt dabei gleichzeitig kreative Heimat für viele Künstler. Eine weitere touristische Attraktion ist das „Da Capo – Eventhalle und Oldtimermuseum“. In der restaurierten Fabrikhalle, die Landmaschinenfabrikant Rudolf Sack 1895 erbauen ließ, befindet sich eine der größten Sammlungen amerikanischer Oldtimer. Ein kultureller Leuchtturm ist ebenfalls das nur ein paar hundert Meter entfernte Kunstkraftwerk Leipzig. Das ehemalige Heizkraftwerk hat sich seit 2016 in ein Zentrum für digitale Kunst und Kultur verwandelt und fasziniert u.a. mit dem größten Videoprojektionssystem Deutschlands.

Ein Ausflug entlang der Wasserwege in Plagwitz ist nicht nur an heißen Sommertagen ein erfrischendes Vergnügen. Vom Boot aus kann man Leipzigs beeindruckende Industriearchitektur aus ungewöhnlichen Perspektiven betrachten. Ein beliebter Ausgangspunkt ist der Leipziger Stadthafen, nur rund 600 Meter vom Innenstadt-Ring entfernt. Ein pfiffiger italienischer Wirt importierte vor mehreren Jahren sogar echte venezianische Gondeln nach Plagwitz, so dass sich dem Ausflügler heute die Chance bietet, einen romantischen Hauch Venedig zu genießen. Wer Leipzigs Industriekultur und die Wasserwege in Plagwitz näher kennenlernen möchte, kann bei der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH das dreitägige Reiseangebot „Auf Spritztour durch Leipzig” buchen: www.leipzig.travel/reiseangebote.