Für Sie gelesen: „Der Rentner-Lehrling“

Buchumschlag mit dem Titel Der Rentner-Lehrling

von Waltraud Käß

Die letzte Geschichte „Der Rentner-Lehrling“ gibt gleichzeitig dem Buch seinen Titel. Matthias Biskupek hat es geschrieben. Geboren 1950 in der DDR, in Mittweida, hat er eine vielen DDR-Bürgern ähnliche Biographie. Er macht im Jahre 1969 sein Abitur und gleichzeitig seinen Facharbeitsabschluss als Maschinenbauer.

Sein Studium absolviert er an der Technischen Hochschule Magdeburg und arbeitet von 1973 – 1976 als Systemanalytiker im Chemiefaserkombinat Schwarza in Thüringen. Der Besuch von Literaturzirkeln, die Teilnahme am Schweriner Poetenseminar erwecken in ihm die Lust am Schreiben und Fabulieren. Er arbeitet am Theater in Rudolstadt und von 1979 – 1983 am Geraer Kabarett „Fettnäppchen“.
Seit 1990 ist er viel unterwegs zu Lesungen, inszeniert Theater, eröffnet Ausstellungen. Vortragsreisen führen ihn nach England, Japan, die Schweiz, Polen und Finnland.

In seinem Werk „Der Rentner-Lehrling“ erzählt Matthias Biskupek Zeitgeschichte (n). Für jedes Lebensjahr, in insgesamt 69 Beiträgen, erzählt Biskupek seine Lebensgeschichte(n), von denen man nicht genau weiß, ob sie wahr oder erfunden sind. Das erhöht die Spannung beim Lesen. Da jedoch in jeder komischen, frechen oder nachdenklichen Geschichte auch Episoden der jeweiligen gesellschaftlichen Ereignisse zu finden sind, kann man davon ausgehen, dass sie der Realität sehr nahekommen.

Leseproben:

1950
Mein Vater war „dor Gander“, was im alten, heute kaum noch gesprochenen Dorfsächsisch nichts anderes als Dorfschulmeisterlein bedeutete, ein „Neulehrer“. Unausgebildete, aber zuversichtliche junge Leute waren das, nach dem Krieg im Osten Deutschlands nötig geworden, weil man die alten, belasteten Nazilehrer nicht mehr haben mochte.

1961
Im April war Juri Gagarin ins Weltall geflogen; ich schrieb „ Andere Sterne -Ein Zukunftsroman“ in ein liniiertes Pappbuch, bastelte dafür einen Schutzumschlag und zeichnete darauf eine Rakete. Sie erinnerte an die von Bur Yam, dem Raumschiffkommandanten aus den Digedags.

1970
Es wurde die Personenkennziffer eingeführt und Legenden wucherten. Die Stasi hatte längst nicht jenen Stellenwert, den heutige Geschichtserklärer ihr beimessen, aber die 12 Stellen jener Pekazett beschäftigten mathematisch Interessierte, also Studenten der technischen Kybernetik. Geburtsdatum, Geschlecht und Wohn-bzw. Meldeort steckten drin. Doch was war mit den restlichen beiden Ziffern?

1982
Ihr wisst noch gar nichts von meinem Urlaub? Ich war in der Sowjetunion. Wirklich. Nicht nur Moskau, auch Baku, Tblissi und Schemacha und Scheki. Sagt Euch nichts? Kosten tut so eine Reise schon was, aber dafür waren wir fast so edel untergebracht wie die Westdeutschen. Manchmal saßen wir mit denen sogar in einem Speiserestaurant; die bekamen auch nichts anderes serviert als wir. Immer vom Feinsten gedeckt, immer Kristallgläser, jeden Abend Wein, grusinischen.

1990
Es begab sich aber zu der Zeit, da Dr. Helmut Kohl Landpfleger im germanischen Orient wurde und alles schöner und anders werden sollte. Davon hatte man auch im Land der aufgehenden Morgensonne gehört und nun wollte man helfen und lehren und zeigen. So wurde aus jeder Landschaft des deutschen Orients genau um ein menschliches Exemplar gebeten und aus jedem Beruf ebenfalls ein gut qualifiziertes Wesen. Und siehe da, es waren zwölfe.

2000
Silvester in Berlin. Brandenburger Tor und Tierpark, wo mitternächtlicher Raketenrauch ein Schlachtfeld imaginierte. Das große Lichtspektakel von Gert Hof mit Mike Oldfield an der Siegessäule versank im Nebel. Hof hatte ich in tiefer DDR in Leipzig kennengelernt, als er mit Harald Pfeifer Brechts „Kleines Mahagonny“ inszenieren wollte.

2010
Ich wurde im Oktober 60. Eitel genug, das zu feiern, lud ich ins Rudolstädter Schillerhaus bzw. dessen Restaurant ein. Ich mochte, wie schon bei meinem Fünfzigsten, keine zwei, drei, vier Begängnisse: Familie, Jugendfreunde, Kollegen und Nachbarn haben alle zu einer Feier zu kommen. Die dann entsprechend ausuferte.

Viel Spaß bei der Lektüre.

Matthias Biskupek „ Der Rentner- Lehrling“
ISBN 9 783954 625383