Wenn nur ein Zeiger die Zeit anzeigt ...

Sonnenuhren im Garten der Schlosserei Jindra

Sonnenuhren im Garten der Schlosserei Jindra

von Hans-Jürgen Kolbe

…dann ist man im „Tal der Sonnenuhren“ im südlichen Waldviertel in Niederösterreich. Genauer gesagt, man ist im Ysper-Weiten-Tal, einem Seitental am linken Donau-Ufer quasi vis-à-vis der weltberühmten Benediktinerabtei Stift Melk. Hier jedenfalls, in der 1.200-Seelen-Gemeinde Weiten werden die ältesten Zeitmesser der Menschheit hergestellt und man kann an fast allen Häusern des Ortes eine Sonnenuhr entdecken. Rund 130 solcher sind dort in verschiedensten Formen und Farben zu finden. Allein 40 gibt es auf dem Betriebsareal der Familie Jindra im Sonnenuhrengarten zu bestaunen: vertikale, horizontale, äquatorparallele, geschmiedete, verzinkte, lackierte und sogar blattvergoldete.

Verantwortlich dafür ist Johann Jindra (V.), der fünfte „Johann“ im Hause. Er ist einer der letzten seiner Zunft, der dieses Handwerk beherrscht. Aber Sonnenuhren herzustellen ist in vielerlei Hinsicht eine Kunst. In der Schlosserei Jindra in Weiten beherrscht man alle Facetten dieses schwierigen und seltenen Handwerks.

Schon seit 1858 übt die Familie Jindra in Weiten das Schlosserhandwerk aus. Hergestellt werden Geländer, Grabkreuze, Fenstergitter aus Schmiedeeisen und Nirosta. Vor rund 40 Jahren hat sich die Familie Jindra auf die Herstellung von Sonnenuhren spezalisiert. Jede ist ein Unikat, für die rund 60 Stunden Arbeit notwendig sind. Ob Wasserstrahl-Sonnenuhr oder Whisky-Sonnenuhr – alle sind nicht nur optisch Kunstwerke.

Von Weiten nach Kapstdt und aufs Matterhorn

Genauigkeit und mathematisches Geschick braucht es, um eine funktionierende Sonnenuhr anzufertigen. „Wenn du dich um einen Grad vermisst, geht die Uhr schon acht Minuten falsch“, erklärt Jindra, dessen Werke national und international gefragt sind. So kann man etwa bereits am Matterhorn und in Kapstadt die Zeit an seinen Unikaten ablesen. Die am höchsten gelegene Sonnenuhr aus dem Hause Jindra befindet sich an der Gandegghütte auf 3.030 Meter im schweizerischen Zermatt und die Sonnenuhr in Kapstadt hatte gewissermßen die weiteste Anreise.

Das Faszinosum Sonnenuhr wird im Hause Jindra übrigens nicht nur hergestellt, sondern auch vermittelt. „Sonne, Zeit & Ewigkeit“, lautet das hauseigene Museum, für das sich jährlich rund 4.000 Besucher Zeit nehmen. Die „Gnomonik“ – also die Lehre von den Sonnenuhren – fasziniert die Menschen von der Antike bis heute.

Das „Astronomische Kabinett“, die „Werkstätte des Kompassmachers“ und der Raum „Durch Zeiten und Kontinente“ im Sonnenuhrenmuseum entführen die Besucher in die Welt der Zeitzonen, Sonnenwenden, Sonnen- und Erdbahnen, antiken Sonnenuhrenmodellen sowie funktionierenden Taschensonnenuhren.

Die Besucher der Ausstellung erfahren bei einer Führung Wissenswertes über die jahrtausendealten Zeitmesser. Auch wenn die Sonnenuhr scheinbar einfach funktioniert, so braucht es doch umfassendes Wissen, um die Stundenanzeige zu konstruieren. So ist man schon überrascht, dass Sonnenuhren auch Jahreszeiten, Monate oder sogar Geburtstage anzeigen können.

Formel als Familiegeheimnis

Die Formel, die Johann Jindra (IV.) für seine erste Sonnenuhr fand, wird bis heute als Familiengeheimnis gehütet. Das Schlosserhandwerk wird in der Famiölie Jindra seit 1858 weiergegeben. Die römischen Ziffern bei den Vornamen der Jindras sind nicht zufällig gewählt. Mit ihnen wird bei Sonnenuhren die „wahre Ortszeit“ bzw. die „Normalzeit“ angezeigt, also jene Zeitmessung, die sich am Stand der Sonne orientiert.

„Die Sommerzeit ist ja nur ein Politikum“, meint Johann (V.). 2005 hat er den Betrieb vom Vater übernommen. Und für die Nachfolge ist auch schon gesorgt. Johann (VI.) macht gerade seine Ausbildung zum Schlosser. Im „Tal der Sonnenuhren“ wird die Zeit also auch weiterhin in Sonnenstunden gemessen.