Kunst im Hochbunker

Zwei Stühle in einer Ausstellung

von Edelgard Richter

Während des Zweiten Weltkrieges standen der Berliner Bevölkerung mehrere öffentliche Bunker für den Luftschutz zur Verfügung, davon über zehn Hochbunker, von denen aber viele den Sprengungen im Jahr 1945 widerstanden oder später in mühsamer Arbeit abgetragen wurden. Einige davon sind jedoch unversehrt erhalten.

In ihnen wurden in den Jahren des Kalten Krieges in West-Berlin die Notfallreserven des Berliner Senats eingelagert. Einer davon ist der Hochbunker in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße, der 1942 von der Reichsbahn für die Reisenden errichtet wurde. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er als Gefängnis des sowjetischen Geheimdienstes benutzt. Die DDR-Regierung lagerte später Südfrüchte ein, weshalb er auch „Bananenbunker“ genannt wurde. Und nach der Wende wurde hier zu Techno-Musik getanzt.

Die Außenwände sind bis zu 2 m dick, der Durchmesser der Stahlbetondecke beträgt 3 m. Für den Bau wurde damals sogenannter „Blauer Beton“ verwendet, der erst nach etwa 50 Jahren voll ausgehärtet ist. Es war einer der widerstandsfähigsten Baumaterialien. Der 18 Meter hohe Bau hat eine Grundfläche von 1.000 Quadratmeter.

Etwa 120 Räume waren auf fünf Etagen verteilt; es gab Sitzplätze für rund 3.000 Personen. Bei einem Luftangriff flüchteten jedoch wesentlich mehr Menschen in den Schutz des Hochbunkers, was zu drangvoller Enge und sehr sauerstoffarmer Luft führte. Inzwischen steht das Gebäude unter Denkmalschutz.

Im Jahr 2003 kaufte der Kunstsammler Christian Boros den Bunker für seine zeitgenössische Kunstsammlung. Er ließ ihn für seine Zwecke aufwendig umbauen und von dem Gang-Labyrinth befreien. Auf dem Dach entstand ein Penthaus mit Wohnräumen und deckenhohen Fenstern für die Familie mit Dachterrasse, bepflanzten Gärten und einem Swimmingpool. Ein Aufzug ist jetzt ebenfalls vorhanden.

Der Umbau des Gebäudes war 2007 beendet und wird seit 2008 von Christian Boros, dem Inhaber einer Werbeagentur, und seiner Frau Karen bewohnt.
2008 machte Boros seine Kunstsammlung der Öffentlichkeit zugänglich. Dabei handelt es sich um zeitgenössische Kunst von 1990 bis heute. Vertreten sind verschiedene Kunstgruppen, wie Skulpturen, Installationen, Malereien, Zeichnungen, Videos oder Fotografien.

Aus Brandschutzgründen dürfen immer nur Gruppen von 12 Personen nach vorheriger Anmeldung an der Führung durch die Räume teilnehmen, die es in elf Sprachen gibt, unter anderem Mandarin und Russisch. 27 Kunststudenten führen durch die Sammlung. Wer die Kunstwerke sehen will, muss sich viele Monate im Voraus anmelden. Es gibt lange Wartelisten.

Schon als 18-jähriger kaufte Boros ein Multiple von Beuys, eine leere Holzkiste, auf der das Wort „Intuition“ stand für 25 D-Mark. Danach kaufte er ein weiteres Werk von Beuys, einen signierten Spaten für das von seinem Vater erhaltene Geld, für das er sich ein Auto kaufen sollte. Richtig zu sammeln begann Boros im Alter von 24 Jahren und hörte dann nicht mehr auf. Derzeit umfasst die Sammlung 700 zeitgenössische Kunstwerke. Alle Medien, wie Skulptur, Installation, Malerei, Zeichnung Video oder Fotografie sind vertreten.

Widmete sich die erste Ausstellung von 2008 bis 2012 dem Licht, stand in der zweiten der Sound im Vordergrund, in der Künstler wie Ai Weiwei, Awst & Walther, Thomas Ruff, Cerith Wyn Evans, Dirk Bell, Cosima von Bonin, Olafur Eliassson, Alicja Kwade, Michael Sailstorfer, Marieta Chirulescu, Thea Djordjadze, Florian Meisenberg, Roman Ondák, Klara Lidén, Stephen G. Rhodes, Tomás Saraceno, Rirkrit Tiravanija, Thomas Scheibitz, Danh Vo und Thomas Zipp ihre Arbeiten zeigten. Dabei wurden die Besucher auf jeder der fünf Bunkeretagen mit unterschiedlichen sich überlagernden Geräuschen konfrontiert.

In der kürzlich eröffneten Ausstellung finden sich eine Installation der estnischen Künstlerin Katja Novitskova, Fotografien des Berliners Daniel Josefsohn, poppige Gemälde von Michel Majerus, abstrakte Stoffcollagen des dänischen Künstlers Sergej Jensen sowie Arbeiten von Andreas Eriksson, Avery Singer, Paulo Nazareth, Guan Xiao, He Xiangyu, Friedrich Kunath, Peter Piller und Pamela Rosenkranz.

Inzwischen ist der Kunstbunker von Christian Boros aus der Berliner Kunstszene nicht mehr wegzudenken.