Friedhofskapelle

Titelbild: Detail Innenarchitektur, 2009

Titelbild: Detail Innenarchitektur, 2009

  • Innenraum, 2009

    Innenraum, 2009

  • Innenraum, 2009

    Innenraum, 2009

  • Innenraum, 2009

    Innenraum, 2009

  • Detail, 2009

    Detail, 2009

  • Neuer Eingangsbereich im Kellergewölbe, 2009

    Neuer Eingangsbereich im Kellergewölbe, 2009

  • Außenaufnahme der Friedhofskapelle, 2009

    Außenaufnahme der Friedhofskapelle, 2009

  • Bestandszeichung, 2009: Grundriss mit Darstellung der Haus-in-Haus-Lösung

    Bestandszeichung, 2009: Grundriss mit Darstellung der Haus-in-Haus-Lösung

  • Bestandszeichnung, 2009: Querschnitt

    Bestandszeichnung, 2009: Querschnitt

  • Blick von der Galerie in das ehem. Hauptschiff, 2009: Innenarchitektur und Leuchter erhalten

    Blick von der Galerie in das ehem. Hauptschiff, 2009: Innenarchitektur und Leuchter erhalten

Bundesweit ist das Bestattungs- und Friedhofswesen seit Jahren einem beachtlichen Wandel unterworfen. In Berlin wie auch andernorts sind die Friedhofsträger angehalten, über alternative Nutzungsmöglichkeiten ihrer alten und oftmals sehr weitläufigen Friedhofsanlagen nachzudenken. Denn während die Feuerbestattung zunehmend an Bedeutung gewinnt, verringert sich die Zahl der Erdbestattungen. Zugleich waren viele Friedhöfe für deutlich höhere Beisetzungszahlen angelegt. Diese tief greifenden Veränderungen bewirken, dass der Bedarf an tatsächlich benötigter Begräbnis- bzw. Friedhofsfläche kontinuierlich sinkt. Im Rahmen dieser Entwicklungen werden immer weniger Friedhofskapellen gebraucht.

Die funktionslos gewordenen Sakralbauten stellen indessen für die zuständigen Friedhofsverwaltungen ein erhebliches Bauunterhaltungs- und Kostenproblem dar. Daher bleibt, wenn diese bauhistorisch zumeist wertvollen Gebäude erhalten bleiben sollen, oft nur deren Verkauf oder Vermietung. Auf diese Weise können die entwidmeten Kapellen einer neuen Nutzung zugeführt werden. Dabei ist es unumgänglich, dass die angestrebte Konversion und damit zusammenhängende Umbauten im Einklang mit der besonderen Würde des Ortes und der gestalterischen Qualität der einzelnen Gebäude stehen.

Ein repräsentatives Beispiel für eine gelungene Umnutzung ist die Kapelle auf dem 1852 angelegten Friedhof IV der Jerusalems- und Neuen Kirche. Seit Anfang 2009 sind hier private Wohn-, Büro- und Praxisräume beherbergt.

Der rote Backsteinbau ist Bestandteil einer idyllisch anmutenden Stadtlandschaft am östlichen Ende der Bergmannstraße. Der Stadtraum wirkt hier wie aus dem großstädtischen Kontext gebrochen. Prägend sind die drei, als Gartendenkmal geschützten Kirchhöfe aus dem frühen 19. Jahrhundert mit ihrem üppigen Baumbestand, eine vornehme gründerzeitliche Wohnbebauung sowie die langgestreckte Backsteinfassade der denkmalgeschützten Ferdinand-Freiligrath-Schule, die Assoziationen an holländische oder auch dänische Renaissanceschlösser weckt.
Von der Bergmannstraße aus kann man die Kapelle gut sehen, denn sie erhebt sich unmittelbar hinter der straßenseitigen Friedhofsmauer. Zusammen mit dem zugehörigen und unmittelbar gegenüberliegenden Wohn- und Verwaltungsgebäude bildet sie ein ebenso intimes wie würdevolles Entree zum Friedhof.
Die Errichtung der beiden Gebäude ist im Zusammenhang mit der Entwicklung des Friedhofswesens im 19. Jahrhunderts in Berlin zu sehen. So berichtet eine zeitgenössische Quelle: “Die großen Entfernungen bringen es mit sich, dass die Beerdigungsfeierlichkeiten mehr und mehr außerhalb der Wohnungen auf den Friedhöfen selbst stattfinden und überall die erforderlichen Leichenhallen und Andachtsräume für diesen Zweck errichtet werden müssen. Auch dies gibt oft Gelegenheit, unsere Begräbnisplätze mit würdigen und geschmackvollen Bauten auszustatten.” (Berlin und seine Bauten 1896, Bd. I, S. 65). So wurden mit dieser Bauaufgabe typische Friedhofskapellen mit Leichenhalle im Kellergeschoss entwickelt.
Die 1892 fertig gestellte Kapelle an der Bergmannstraße, das Wohn- und Verwaltungsgebäude sowie die zugehörige Einfriedung entstanden nach Plänen des weitgehend unbekannten Architekten und Maurermeisters Louis Arnd aus der Markgrafenstraße 17. Im Bauantrag wird das Gebäude nicht als Friedhofskapelle, sondern ausschließlich als “Leichenhalle” bezeichnet.

Arnd legte die Kapelle als klar gegliederten, relativ schmucklosen Baukörper an. Ihre äußere Gestaltung ist streng und einfach, strahlt jedoch Würde und Erhabenheit aus. Der symmetrisch angelegte Baukörper erhebt sich über längsrechteckigem Grundriss, dessen Regelmäßigkeit allein durch die vorgewölbte Altarnische an der westlichen Giebelseite gebrochen wird. Ein flach geneigtes Satteldach schließt den Bau oben ab.

Der Architekt versah die Fassaden mit einer roten Ziegelhaut. In ihrer gleichermaßen sorgfältigen wie gediegenen Ausführung steht die Wandgestaltung in der Tradition der Berliner Backsteinarchitektur der Nach-Schinkelzeit. Den gestalterischen Höhepunkt der Außenarchitektur markiert die Säulenvorhalle mit der breiten, vorgelagerten Treppenanlage. Sie bildet den vornehmen, zwischen Innen und Außen vermittelnden Eingangsbereich. Die sparsam eingesetzten Bau- und Dekorelemente, wie sandsteinerne Säulen, Akroterien und Kreuz, stehen in reizvollem Kontrast zu den roten Klinkerfassaden.
Die dreischiffige, über vier Joche gespannte Andachtshalle im Erdgeschoss wird gestalterisch von einem Kreuzgewölbe dominiert. Ihre schmalen, ausschließlich als Laufgänge dienenden Seitenschiffe führen zu den seitlichen Türen der Vorhalle. In der Leichenhalle im Untergeschoss ließen sich 20 Särge deponieren. Im Bauantrag sind Funktionsweise und Bedeutung der unbeheizten Kammer erläutert. Danach diente der Keller zur Einstellung von Leichen bis zum Tag der Beerdigung, in der Regel zwei bis drei Leichen gleichzeitig. Die Särge wurden mittels eines unmittelbar vor der Altarnische angeordneten Handaufzugs befördert.

Der Umbau für die neue Nutzung gelang durch eine sogenannte Haus-in-Haus-Lösung unter nahezu kompletter Wahrung der äußeren Architektur.

Bauliche Eingriffe in die Originalsubstanz wurden auch im Innern auf das Nötigste beschränkt, um einen späteren Rückbau der Maßnahme zu gewährleisten. Einzig die Sängerempore über dem Eingangsportal musste weichen. Der skulpturale Innenausbau des ehemaligen Andachtsraumes ist zurückhaltend, klar und funktional und respektiert die architektonische Struktur und Ausstattung des historischen Raumes. Über neu entstandene Standortmöglichkeiten lässt sich der würdevolle Raum in einer neuen erhebenden Qualität erfahren. Charakter und Eigenart des Gebäudes mit seiner sakralen Anmutung wirken nach außen unverändert.

Stand: 7/2009

Faltblatt-Impressum

  • Herausgeber: Landesdenkmalamt Berlin
  • Abbildungen:
    Fotografie – Erika Koch, Düsseldorf
    Architekturzeichnungen – Dipl.-Ing. Matthias Brandner / CMB Architecture
  • Text: Olaf Vogt / Untere Denkmalschutzbehörde, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg
  • Idee / Redaktion: Sibylle Schulz, Landesdenkmalamt Berlin
  • Herstellung / Gestaltung: pro.fund gmbh / © Jo Hartmann
  • Idee der Reihe: Sibylle Schulz, ehemals Landesdenkmalamt Berlin
  • Aus der Reihe: Erkennen und Erhalten in Berlin 07/2009, Nr. 26