Cemetery of the Nameless

Die Ausstellung »Cemetery of the Nameless« (dt. Friedhof der Namenlosen) der Künstlerin Pınar Öğrenci verknüpft ökologische, historische und soziale Aspekte rund um den See Van im Osten der Türkei miteinander und schafft so ein eindringliches Porträt einer Gegend, die von tiefgreifendem Verlust geprägt ist.

Der Titel der Ausstellung leitet sich von Friedhöfen in der Region Van ab, auf denen viele Geflüchtete, Kurd*innen anonym begraben sind, und auf deren Grabsteinen anstelle ihrer Namen forensische Registriernummern stehen. Friedhöfe dieser Art sind auch auch in anderen Städten der Türkei zu finden. Im Rahmen einer 2021 begonnenen künstlerischen Recherche kehrt Öğrenci in ihre Heimatstadt zurück und fördert Geschichten über das Verschwinden von Wasser und Menschen zutage.

Der Klimawandel hat den Wasserspiegel des Vansees dramatisch sinken lassen und dabei außergewöhnliche Strukturen, die bis dahin in den Tiefen des Sees verborgen waren, freigelegt: Mikrobialite, bizarr gestaltete Gesteinsschichten, die Korallen und Stalagmiten ähneln. Diese Mineralablagerungen sind das Werk einer tausende Jahre anhaltenden Anreicherung von Kalzium, Karbonat, Phosphat und Magnesium – ebenjene Elemente, aus denen menschliche Knochen bestehen – und nehmen in Öğrencis geisterhaften Allegorie eine zentrale Rolle ein.

Die Ausstellung suggeriert eine verstörende Parallele zwischen dem Verlust von Wasser und dem Verlust von Menschenleben: der See dient als Massengrab, und diese gespenstischen Formationen könnten durchaus Denkmäler für all die unzähligen Opfer sein, die in der Region ohne Begräbnis ums Leben gekommen sind – Armenier und Armenierinnen, die während des Völkermords von 1915 und 1916 umgebracht wurden, kurdische Dorfbewohner*innen, die an der türkischen Grenze zu Iran erschossen wurden, Geflüchtete aus Afghanistan, die sich im nahegelegenen Gebirge verirrt hatten.

Mittels dieser ineinander verwobenen Erzählungen der Vertreibung, Verfolgung und Flucht hinterfragt die Ausstellung die Verflechtung von Umweltkatastrophen mit menschlichem Leid. Der See Van ist hier nicht nur ein Gewässer, sondern ein Archiv traumatischer Erlebnisse – ein Aufbewahrungsort, wo sich die Geschichten der Lebenden und Toten, der Menschen und Nicht-Menschen, aufeinander ablagern und Schichten eines kollektiven Gedächtnisses bilden.

Öğrencis Einsatz von Drohnentechnologie zur Erfassung dieser Enthüllungen verleiht der Komplexität eine weitere Dimension. Dasselbe Überwachungssgerät, das heutzutage die Kriegsführung mit KI-gestützter Präzision revolutioniert, wird nun eingesetzt, um genau diese Landschaft der Gewalt an der türkisch-iranischen Grenze zu dokumentieren.

Seit ihrer Erfindung im 19. Jahrhundert wurden sowohl die Fotografie als auch die Kinematografie für militärische Zwecke genutzt, aber die heutigen Satelliten- und Drohnenbilder machen die Dokumentation von Klimazerstörung und Vertreibung auf beängstigende Weise effizient.

Indem sie mit dieser Technologie Zeugnis ablegt statt etwas ins Visier nimmt, unterläuft Öğrenci das der Technologie innewohnende destruktive Potenzial und macht aus einem Werkzeug der Überwachung ein Instrument der Zeugenschaft und des Gedenkens.

Kategorien: Ausstellungen, Kunst, Kultur

Bezirk: Mitte (Wedding, Tiergarten, Mitte)

Veranstaltungsort

Galerie Wedding - Raum für zeitgenössische Kunst
Müllerstraße 146/147
13353 Berlin

Veranstalter

Galerie Wedding - Raum für zeitgenössische Kunst
Müllerstraße 146/147
13353 Berlin

Nächste Termine

  • 12.11.2025 um 11:00 - 19:00 Uhr
  • 13.11.2025 um 11:00 - 19:00 Uhr
  • 14.11.2025 um 11:00 - 19:00 Uhr
  • 15.11.2025 um 11:00 - 19:00 Uhr
  • 16.11.2025 um 11:00 - 19:00 Uhr

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